© 2018 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 013/18 Nationale bzw. EU-weite Einbeziehung weiterer Sektoren in das Europäische Emissionshandelssystem Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 2 Nationale bzw. EU-weite Einbeziehung weiterer Sektoren in das Europäische Emissionshandelssystem Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 013/18 Abschluss der Arbeit: 28.3.2018 Fachbereich: WD 8: Fachbereich für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung: Vom Europäischen Emissionshandel erfasste Sektoren 4 2. Emissionsdaten und -ziele für Deutschland nach Sektoren 5 Sektorielle Verursachung von Emissionen in Deutschland 5 Emissionsentwicklung innerhalb und außerhalb des Emissionshandels in Deutschland 7 Deutsche Sektorziele im Klimaschutzplan 2050 7 3. Diskussionsstand und deutsche Studienlage zur Einbeziehung weiterer Sektoren in den EU-ETS 8 4. Betrachtungen zu ökonomischen Auswirkungen einer Ausweitung des Emissionshandels 18 Studie des Umweltbundesamtes 2014: Einbeziehung von Kleinemittenten (Verkehr und Gebäude) national oder EU-weit 18 Studie des Umweltbundesamtes 2013: Emissionshandel in der Landwirtschaft 23 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 4 1. Einleitung: Vom Europäischen Emissionshandel erfasste Sektoren Der Europäische Emissionshandel (European Union Emissions Trading System, EU-ETS) wurde 2005 eingeführt und gilt nach Aussagen der EU als das zentrale gemeinschaftliche Klimaschutzinstrument . Das derzeitige EU-Emissionshandelssystem ist darauf angelegt, die Treibhausgase (THG) aus den Sektoren Energie und Industrie zu erfassen – eine Ausweitung auf weitere Sektoren ist grundsätzlich national und europäisch möglich. Neben Kohlendioxid (CO2) sind seit 2013 auch Lachgas und perfluorierte Kohlenwasserstoffe einbezogen; darstellt werden somit CO2- Äqquivalente (CO2-Äq). Zusammen mit dem national unterschiedlichen und national eigenständig umzusetzenden EU-Sektorzielen für die Nicht-EU-ETS-Bereiche1 (vor allem Verkehr, Gebäude , Landwirtschaft2) soll mit dem Instrument des EU-ETS sichergestellt werden, dass die EU ihre europäischen und internationalen Klima-Treibhausgasemissionsminderungsziele (auf kosteneffiziente Weise) umsetzen kann. Der europäische Emissionshandel (EU-ETS) umfasst ca. 12.000 Energie- und Industrieanlagen in 31 Ländern; neben der EU-28 nehmen Norwegen, Island und Liechtenstein am EU-ETS teil. Erfasst werden dabei stationäre Anlagen mit einer Leistung über 20 Megawatt wie Kraftwerke, Raffinerien und Stahlwerke. Eingebunden sind dabei nahezu die Gesamtheit der THG-Emissionen aus der energiewirtschaftlichen Stromerzeugung und dem weitaus größten Teil aus Emissionen der energieintensiven Industrie und ihren Prozessen (vor allem bei der Zement- und Kalkherstellung , der chemischen Industrie, der Metallherstellung). Seit 2012 sind auch die innereuropäischen Flugverkehrsemissionen im Europäischen Wirtschaftsraum in den EU-ETS aufgenommen3. Der Schienenverkehr ist über seine Elektrifizierung im Wesentlichen einbezogen. Alle anderen Bereiche, wie zum Beispiel kleine Anlagen (wie bei vielen fossilen Wärmeerzeugern) oder der 1 Wobei die national variierenden Minderungsziele für diese nicht vom Europäischen Emissionshandel erfassten Bereiche gelten und in der so genannten Effort-Sharing-Entscheidung der EU erfasst sind. Deutschland muss derzeit bis 2020 in den betroffenen Sektoren eine Treibhausgasreduktion von -14% erreichen. In der neuen Effort -Sharing-Verordnung (ESR) 2021-2030 liegen die Minderungsanstrengungen (gesamt 30%) je nach Wirtschaftskraft der Mitgliedstaaten zwischen null und 40% gegenüber 2005. Der Wert für Deutschland liegt bei minus 38%. 2 Für die die Deutsche Emissionshandelsstelle zusammen mit dem Umweltbundesamt z.B. feststellt, „Obwohl der Emissionshandel ein sehr effizientes Instrument ist, ist er nicht überall gleichermaßen gut geeignet. Beispielsweise dann, wenn die Zahl der Teilnehmer sehr groß und ihre jeweiligen Emissionen relativ gering sind, spricht das Kosten-Nutzen-Verhältnis [in diesen Sektoren] eher gegen den Emissionshandel. Daher ist für eine effektive und kostenbewusste Klimapolitik der Einsatz von mehreren aufeinander abgestimmten und interagierenden Instrumenten und Maßnahmen notwendig.“ DEHSt; UBA (2017). Emissionshandel Grundlagen: https://www.dehst.de/DE/Emissionshandel-verstehen/Grundlagen/grundlagen-des-emissionshandelsnode .html, zuletzt abgerufen mit Fertigstellungstermin der Arbeit; das gilt für alle verwendeten Links. 3 Nach der Verabschiedung des neuen globalen Klimakompensationssystems CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation im Oktober 2016, wonach die zusätzlichen Emissionen des Luftverkehrssektors von den Fluggesellschaften ab 2020/2023 durch den Kauf von Offset-Zertifikaten (Klimaschutzprojekte in anderen Sektoren) ausgeglichen werden sollen, hat die EU Ende 2017 neue (zum 1.1.2017 rückwirkende) und im Wesentlichen beibehaltende Regelungen zur Einbeziehung (bis weiterhin zunächst 2023) von Luftfahrzeugbetreibern in den EU-ETS getroffen. S. zu den Einzelheiten der Regelungen: Deutsche Emissionshandelsstelle (2018). Für Luftverkehrsbetreiber: https://www.dehst.de/DE/Als-Betreiber-teilnehmen/Luftfahrzeugbetreiber/luftfahrzeugbetreiber-node.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 5 Straßenverkehr, werden nicht über den EU-ETS erfasst. Rund 45% aller europäischen Treibhausgasemissionen sind in den EU-Emissionshandel einbezogen. 2. Emissionsdaten und -ziele für Deutschland nach Sektoren Sektorielle Verursachung von Emissionen in Deutschland Die Gesamtemissionsmenge der Treibhausgase betrug in Deutschland laut Nationalem Inventarbericht 20174 etwa 902 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2015 (was einer Reduktion von -390 Millionen Tonnen gegenüber 1990 entspricht). Für die Emissionen der einzelnen Sektoren macht das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit5 für Deutschland folgende Anteile aus: Die Energiewirtschaft hat mit fast 39% (2015) den größten Anteil an den deutschen Treibhausgasemissionen ; sie resultieren insbesondere aus der Verbrennung fossiler Energieträger in Kraftwerken zur Bereitstellung von Strom und Wärme (auch in den anderen Sektoren). Gegenüber 1990 wurden die Treibhausgasemissionen in diesem Sektor um ca. 26,5% gesenkt. Der Industriesektor ist die zweitgrößte Emissionsquelle mit einem Anteil von knapp 21% an dem Gesamtemissionen – sie kommen aus der Metallindustrie (Eisen und Stahl), der Herstellung mineralischer Produkte (Zement) und bei der chemischen Industrie aus der Herstellung von Grundchemikalien. Zwei Drittel der Emissionen stammen aus der Industriefeuerung, knapp ein Drittel aus Produktionsprozessen in der Grundstoffindustrie. In den letzten 15 Jahren sind die Emissionen im Industriesektor abgesehen von konjunkturbedingten Schwankungen insgesamt nur leicht zurückgegangen. Raffinerien, chemische Industrie und mineralverarbeitende Industrie verzeichneten in den letzten Jahren Emissionsrückgänge, in der Papier-, Eisen- und Stahl- sowie der Nichteisenmetallindustrie kam es hingegen zu steigenden Emissionen. Der Verkehrssektor ist der drittgrößte Verursacher von Emissionen in Deutschland und hat einen Anteil von 17,7% am Treibhausgasausstoß – sie stammen zu 96% aus dem Straßenverkehr, zum Rest aus Schienen, Wasserwegen und nationalem Luftverkehr. Gegenüber 1990 sind die gesamten Emissionen des Verkehrssektors nur geringfügig um etwas mehr als zwei Prozent zurückgegangen 4 Deutschland erstellt im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, des Kyoto-Protokolls und seiner europäischen Umsetzung Inventare zu den nationalen Treibhausgasemissionen: BMUB (2017). Klimaschutzberichterstattung . National Inventory Report 2017: https://www.bmub.de/themen/klima-energie/klimaschutz /berichterstattung/; UBA (2018). Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 – 2016. Gekürzte Version für die EU Stand 15.01.2018: http://cdr.eionet.europa.eu/de/eu/mmr/art07_inventory /ghg_inventory/envwldoww/2018_01_15_EU-NIR_2018.pdf Laut der ersten Prognoseberechnung des Umweltbundesamtes (veröffentlicht am 27.3.2018) betrug die Summe der freigesetzten Treibhausgase 2017 in Deutschland insgesamt 904,7 Mio. t (minus 4,7 Mio. t gegenüber 2016), wobei die „Emissionen im Energiebereich deutlich zurückgingen“ und im „Verkehrssektor sowie in der Industrie anstiegen“. BMUB (2018). Pressemitteilung vom 27.3.2018: https://www.bmu.de/pressemitteilung/klimabilanz -2017-emissionen-gehen-leicht-zurueck/ 5 Die dort gemachten Angaben beziehen sich auf das Jahr 2015. Alle nachfolgenden Angaben des Kapitels stammen aus: BMUB (2017). Klimaschutz in Zahlen 2017. April 2017. Berlin: http://www.bmub.bund.de/fileadmin /Daten_BMU/Pools/Broschueren/klimaschutz_in_zahlen_2017_bf.pdf: 27f, 33f, 37, 41-44, 45, 48 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 6 und stagnieren auf dem Niveau von 2005. Seit 2012 kommt es zu einem leichten Anstieg der Verkehrsemissionen um fast vier Prozent, was vor allem auf die zunehmende Verkehrsleistung zurückgeführt wird. Private Haushalte sind für fast zehn Prozent der direkten Treibhausgasemissionen verantwortlich . In diesem Sektor fallen fast ausschließlich Emissionen an, die durch die Verbrennung von Energieträgern zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser entstehen. Würden neben den direkten die indirekten Emissionen (beispielsweise aus der Strom- und Wärmeproduktion für Haushalte) berücksichtigt, wäre dieser Anteil mehr als doppelt so hoch. Private Haushalte konnten zwischen 1990 und 2015 34,5% Emissionen einsparen. Der Gewerbe/Handel/Dienstleistungs-Sektor (GDH) trägt mit fast vier Prozent zu den Gesamtemissionen bei. Dabei beziehen sich die Emissionen auf Betriebe, Beherbergungen, Gaststätten, Heime und Handel, die nicht im Sektor der Privaten Haushalte berücksichtigt werden. Der Anteil des Sektors am Endenergieverbrauch in Deutschland liegt mit 15% fast dreimal höher. Die Treibhausgasemissionen im GHD-Sektor reduzierten sich zwischen 1990 und 2015 um fast 54,2%. Im GHD-Sektor ist der Anteil von Strom am Endenergieverbrauch von 24% im Jahr 1990 auf 38% im Jahr 2015 gestiegen. Ein weiterer Anstieg wird erwartet. Der Anteil der Abfall- und Kreislaufwirtschaft an klimarelevanten Gesamtemissionen in Deutschland beträgt ca. ein Prozent – dazu gehören vor allem Emissionen aus der Abwasserbehandlung und Emissionen aus Deponiegasen. Die Emissionen des Sektors sind seit 1990 mit 70,5% stark gesunken, was insbesondere auf reduzierte Methanemissionen durch das Verbot der Deponierung organisch abbaubarer Siedlungsabfälle zurückgeführt wird. Die Landwirtschaft hat einen Anteil an den Gesamtemissionen von ca. acht Prozent, was einen leichten Anstieg bedeutet. Anders als bei den übrigen Sektoren sind die wesentlichen Treibhausgasemissionen nicht CO2-Emissionen, sondern insbesondere stark klimawirksame Methan- (CH4 )- und Lachgas (N2O)-Emissionen. Sie resultieren vor allem aus der Haltung von Milchkühen, die bei der Verdauung Methan ausstoßen und aus der Verwendung stickstoffhaltiger Düngemittel. Darüber hinaus emittieren organische Böden in landwirtschaftlicher Nutzung in erheblichem Umfang CO2, das in der Emissionsbilanz jedoch nicht der Landwirtschaft sondern der Landnutzung zugewiesen wird. Zwischen 1990 und 2015 wurde der Treibhausgasausstoß in der Landwirtschaft um fast 19% reduziert, was als Folge des Rückgangs der Viehbestände infolge des Strukturwandels in den neuen Bundesländern, Umweltanforderungen der gemeinsamen EU-Agrarpolitik und ein verbessertes Düngemittelmanagement gesehen wird. Der Landnutzungs-, Landnutzungsänderungs- und Forstwirtschaftsektor (LULUCF) wies im Jahr 2015 netto eine Reduktion um 14,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf. Der Sektor wirkt als Senke, also als CO2-Speicher. Insgesamt konnten 2015 fast 60 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente vor allem in Wäldern (96,5% der Senkenleistung) und in Holzprodukten (3,5%) gespeichert werden. Landwirtschaftliche Böden und die Forstwirtschaft speichern heute in Deutschland weniger als halb so viele Treibhausgasemissionen als noch 1990. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 7 Emissionsentwicklung innerhalb und außerhalb des Emissionshandels in Deutschland In Deutschland wird annähernd genau die Hälfte der Emissionen vom Europäischen Emissionshandel abgedeckt. In der Entwicklung der deutschen Treibhausgas-Emissionen im EU-ETS zeigt sich eine Reduktion gegenüber 2005, diese ist in den Nicht-EU-ETS-Bereichen stärker ausgeprägt.6 Im Vergleichszeitraum bis 2016 sanken die ETS-Emissionen in Deutschland halb so stark wie die europäischen ETS-Emissionen.7 Deutsche Sektorziele im Klimaschutzplan 2050 Deutschland hat sich als Klimaziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 40% bis zum Jahr 2020, um 55% bis zum Jahr 2030, um 70% bis zum Jahr 2040 und um 90-95% bis zum Jahr 2050 zu senken. Der „Klimaschutzplan 2050“ der Bundesregierung formuliert dabei - neben übergreifenden Zielen und Maßnahmen – für die einzelnen Sektoren/Handlungsfelder Energiewirtschaft, Industrie, 6 Vgl. UBA (2016). Klimaschutz in Zahlen: http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren /klimaschutz_in_zahlen_broschuere_2016_de_bf.pdf: 41. 7 Vgl. UBA (2017). Emissionshandel: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/der-europaeische-emissionshandel #textpart-3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 8 Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft sowie Landnutzung und Forstwirtschaft Treibhausgasemissionsminderungsziele für das Jahr 2030: Im Verkehrssektor sollen beispielsweise die Emissionen bis 2030 um 40 bis 42% gegenüber 1990 reduziert werden. Laut Klimaschutzplan soll dies unter anderem mittels einer gesteigerte Energieeffizienz von Kraftfahrzeugen, alternativen Antrieben und Kraftstoffen, einer Verlagerung hin zu umweltfreundlichen Verkehrsträgern sowie verkehrsvermeidender Siedlungs- und Verkehrsplanung erfolgen.8 3. Diskussionsstand und deutsche Studienlage zur Einbeziehung weiterer Sektoren in den EU-ETS Im politischen Prozess zur Ausgestaltung der vierten Handelsperiode des EU-ETS ab 2021 spielte eine sektorielle Ausweitung des EU-ETS kaum eine Rolle. Konkret wurden Bestrebungen zur Einbeziehung weiterer Sektoren in den EU-ETS nur seitens des EU-Parlaments (EP) formuliert . Neben liberalen Stimmen9 auch im EU-Parlament, die für einen neu gestalteten und ausgeweiteten Emissionshandel eintreten, hat sich das EU-Parlament explizit für die Einbeziehung des Schiffsverkehrs in diesen ab 2023 ausgesprochen, wenn die Internationale Maritime Organisation nicht bis 2021 ein dem ETS vergleichbar effizientes System auf den Weg gebracht haben sollte. In dem angenommenen Änderungsantrag vom 15.2.2017 des EP im Rahmen der Verhandlungen zur vierten HP des EU-ETS heißt es: 8 S. Bundesregierung (2016). Klimaschutzplan: https://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download _PDF/Klimaschutz/klimaschutzplan_2050_bf.pdf 9 Vgl. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 6.6.2016 zum energiepolitischen Konzept: https://www.fdp.de/sites/default/files/uploads/2016/06/08/20160606buvofuereinezukunftsfaehigeenergiepolitikneu .pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 9 • „Einbeziehung des Seeverkehrs, sofern keine Fortschritte auf internationaler Ebene erzielt werden: Ab 2021 werden – in Ermangelung eines vergleichbaren Systems der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) – in Unionshäfen und bei Schiffsreisen zu und von Unionsanlaufhäfen ausgestoßene CO2-Emissionen anhand der in diesem Kapitel beschriebenen Regelung, die ab 2023 funktionsfähig ist, erfasst. Die Bestimmungen dieses Kapitels gelten ab dem 1. Januar 2023 für die Zuteilung und Vergabe von Zertifikaten für CO2-Emissionen von Schiffen, die gemäß den Bestimmungen der Verordnung (EU) 2015/757 in einem Hafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ankommen, sich dort aufhalten oder diesen verlassen.“10 Übernommen wurde der Vorschlag nicht. Im finalen Text nach dem Trilog (den Verhandlungen von Rat, Parlament und Kommission) wird im Februar 2018 Folgendes im Erwägungsgrund 4 und in der Kommentierung der EU-Kommission zu „Emissionen im Seeverkehr“ zur Einbeziehung des Schiffsverkehrs in den EU-ETS festgehalten: • „… Die Bemühungen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) um die Begrenzung der Emissionen aus der internationalen Seeschifffahrt sind bereits im Gange und sollten gefördert werden. Die IMO hat einen Prozess zur Annahme einer ersten Emissionsreduktionsstrategie zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen des internationalen Seeverkehrs im Jahr 2018 eingeleitet. Die Annahme eines ehrgeizigen Emissionsreduktionsziels als Teil dieser ersten Strategie ist zu einer vordringlichen Angelegenheit geworden und sie ist wichtig, um zu gewährleisten, dass der internationale Seeverkehr seinen gerechten Anteil an den Anstrengungen übernimmt, die erforderlich sind, um das im Übereinkommen von Paris vorgegebene Ziel, den Temperaturanstieg deutlich unter 2°C zu halten, zu erreichen. Die Kommission sollte dies regelmäßig überprüfen und mindestens einmal jährlich dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die im Rahmen der IMO erzielten Fortschritte im Hinblick auf ein ehrgeiziges Emissionsreduktionsziel und über Begleitmaßnahmen vorlegen, um zu gewährleisten, dass der Sektor gebührend zu den zur Erreichung der Ziele im Rahmen des Übereinkommens von Paris erforderlichen Anstrengungen beiträgt. Maßnahmen seitens der IMO oder der Union sollten ab 2023 einsetzen; dies gilt auch für die Vorbereitungsarbeiten zur Annahme und Durchführung sowie die gebührende Berücksichtigung aller Akteure. • „Die Kommission nimmt den Vorschlag des Europäischen Parlaments zur Kenntnis. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation dürfte im April 2018 einen Beschluss über die erste Strategie für die Senkung der von Schiffen verursachten Treibhausgasemissionen fassen. Die Kommission wird das Ergebnis rasch bewerten und ordnungsgemäß darüber Bericht erstatten, insbesondere im Hinblick auf die Ziele für die Senkung der Emissionen 10 Europäisches Parlament (2017). P8_TA-PROV(2017)0035. Kosteneffizienz von Emissionsminderungsmaßnahmen und Investitionen in CO2-effiziente Technologien. Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 15. Februar 2017 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung der Kosteneffizienz von Emissionsminderungsmaßnahmen und zur Förderung von Investitionen in CO2-effiziente Technologien (COM(2015)0337 – C8-0190/2015 – 2015/0148(COD))1: S. 27, Änderungsantrag 36. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 10 und die Liste der möglichen Maßnahmen für ihre Verwirklichung, wozu auch der Zeitplan für die Verabschiedung derartiger Maßnahmen zählt. Dabei wird sie prüfen, welche nächsten Schritte angemessen sind, um dafür zu sorgen, dass in diesem Bereich ein gerechter Beitrag geleistet wird, und im Rahmen dessen wird sie auch die vom Parlament vorgeschlagenen Maßnahmen prüfen. Im Zusammenhang mit neuen legislativen Maßnahmen zu den Treibhausgasemissionen im Seeverkehr wird die Kommission die vom Europäischen Parlament in diesem Bereich angenommenen Änderungsanträge ordnungsgemäß berücksichtigen.11 Grundsätzlich eröffnet die EU aber die Möglichkeit, weitere Sektoren (national, nach Genehmigung ) in den EU-ETS einzubeziehen. Dazu heißt es beispielsweise in den klimapolitischen Ratsschussfolgerungen von 2014 zum Verkehrsbereich (als Nicht-ETS-Sektor-Bereich) unter der Herausstellung seiner Bedeutung für die Treibhausgasminderung, dass daran erinnert werde, dass Mitgliedstaaten den Verkehrssektor eben auch in den EU-ETS einbeziehen könnten: • „Es ist wichtig, dass im Verkehrssektor die Treibhausgasemissionen und die Risiken in Verbindung mit der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert werden. Der Europäische Rat ersucht die Kommission daher, auch nach 2020 weiter Instrumente und Maßnahmen für ein umfassendes und technologieneutrales Konzept zu prüfen, mit dem die Emissionsreduktion und die Energieeffizienz im Verkehrssektor, der Elektroverkehr und erneuerbare Energiequellen im Verkehrssektor gefördert werden. Der Europäische Rat ruft dazu auf, die Richtlinie zur Festlegung von Berechnungsverfahren und Berichterstattungspflichten gemäß der Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen rasch anzunehmen. Er erinnert ferner daran, dass die Mitgliedstaaten sich gemäß den geltenden Rechtsvorschriften dafür entscheiden können, den Verkehrssektor in das Emissionshandelssystem einzubeziehen .“12 11 Europäisches Parlament (2018). P8_TA-PROV(2018)0024. Kosteneffizienz von Emissionsminderungsmaßnahmen und Investitionen in CO2-effiziente Technologien. Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Februar 2018 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung der Kosteneffizienz von Emissionsminderungsmaßnahmen und zur Förderung von Investitionen in CO2-effiziente Technologien (COM(2015)0337 – C8-0190/2015 – 2015/0148(COD)): Erwägungsgrund 4 auf S. 5, S. 70 Kommentar: http://www.europarl.europa.eu/sides/get- Doc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2018-0024+0+DOC+XML+V0//DE 12 Europäischer Rat (2014). Schlussfolgerungen des Rates vom 24.-25.10.2014. Brüssel, den 24. Oktober 2014. EUCO 169/14: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-169-2014-INIT/de/pdf: Rn 2.13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 11 Auch im Rahmen der aktuellen politischen Diskussion und der medialen Berichterstattung zu dem Thema einer grundsätzlichen Reformbedürftigkeit13 des EU-ETS zur Stärkung seiner Wirksamkeit werden derzeit eher Instrumente einer (additiven) CO2-Abgabe/-Steuer oder eines CO2- Mindestpreises14/-preiskorridors stärker fokussiert als die Ausweitung des ETS auf weitere Sektoren (oder auch das Verlinken mit anderen Emissionshandelssystemen). Gerade die Frage der Einführung einer nationalen (oder von mehreren Mitgliedstaaten gemeinsame getragenen) CO2-Abgabe in der Erweiterung des EU-ETS, wie sie bereits in einigen EU-ETS-Teilnehmerstaaten existiert , scheint die Reformdiskussion gegenwärtig zu prägen15. Andere Emissionshandelssysteme beziehen bereits schon länger weitere Sektoren mit ein. In Kalifornien sind beispielsweise neben dem Energie- und Industriesektor auch der Gebäude- und Verkehrssektor über einen so genannten Upstream-Ansatz (s. dazu nachfolgenden Absatz), in Neuseeland (bei gut 50%iger Gesamtemissionsabdeckung) alle Sektoren ohne die Flugemissionen und in Tokio neben dem Industrie- auch der Gebäudesektor einbezogen (s. Abbildung). 13 Ausgangspunkt der Feststellung einer Reformbedürftigkeit ist dabei vor allem das mangelnde Preissignal, dass der EU-ETS in den letzten Jahren `erzeugte`. „Infolge wenig ambitionierter Caps, krisenbedingter Produktionsund Emissionsrückgänge und der umfangreichen Nutzung von internationalen Projektgutschriften hat sich seit 2008 eine große Menge überschüssiger Emissionsberechtigungen im EU-ETS angesammelt. Diese Überschüsse haben wesentlich zu dem seit Mitte 2011 beobachtbaren und andauernden Preisverfall für Emissionsberechtigungen beigetragen.“ UBA (2017). Emissionshandel: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/der-europaeische -emissionshandel#textpart-1; Umstritten bleibt die Frage, ob der nunmehr beschlossene Abbau der Überschüsse ab 2019 durch die sogenannte Marktstabilitätsreserve (MSR) ausreichen wird, um künftig einen Zertifikatepreis zu erzeugen, der Investitionen in Klimagaseinsparungen attraktiv macht. 14 S. dazu auch die Vorschläge des französischen Präsidenten Emanuel Marcon, der die Einführung eines Mindestpreises in Europa vorgeschlagen hat. Dieser Preis solle demnach mindestens 25 bis 30 €/tCO2 betragen, um positive Auswirkungen auf die Energiewende zu haben und Investitionen in eine CO2-arme Wirtschaft zu fördern. Zusätzlich solle eine europäische CO2-Steuer an den Grenzen Europas eingeführt werden, um eine Gleichbehandlung zwischen europäischen Produzenten und ihren Konkurrenten sicherzustellen. Vgl. Messanger. MACRON SETZT CO2-MINDESTPREIS AUF DIE EUROPÄISCHE AGENDA. 27.9.2017: http://www.energatemessenger .de/news/177604/macron-setzt-co2-mindestpreis-auf-die-europ-ische-agenda; Vgl. Elysée (2017). Initiative für Europa – Rede von Macron für ein souveränes, geeintes und demokratisches Europa. 15 Diskutiert wird dabei auch darüber, dass im Zuge einer nationalen CO2-Abgabe einige der von unterschiedlichen Seiten kritisierten Regelungen und deren Folgen von EEG-Umlage, niedrigen Strombörsenpreisen sowie Befreiungstatbeständen kompensiert würden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 12 16 Bei einem Downstream-System (wie dem EU-ETS) setzt die Zertifikatpflicht beim Endverbraucher der Energieträger bzw. Emittenten der CO2-Emissionen an. Bei einem Upstream-Emissionshandelssystem werden Importeure oder Produzenten (weiter gefasst auch Lieferanten und Zwischenhändler ) von Energieträgern verpflichtet, somit setzt die Zertifikatpflicht „weiter oben“ („upstream“) in der Wertschöpfungskette an.17 Wissenschaftliche Auseinandersetzungen zur Einbeziehung weiterer Sektoren oder aber der sinnvollen Kombination verschiedenster Instrumente scheinen sich in Deutschland mehrheitlich eher im Rahmen langfristiger Reformanstrengungen zu verorten oder aber im Rahmen einer grundsätzlichen Revisionsbedürftigkeit des EU-ETS. 16 Auswahl aus: Institute for Climate Economics (2017). Global panorama of carbon prices in 2017. September 2017: https://www.i4ce.org/wp-core/wp-content/uploads/2017/10/Global-panorama-carbon-prices-2017_5p_Final -version.pdf: 3. S. für weitergehende und stets aktualisierte Informationen zu außereuropäischen Emissionshandelssystemen: International Carbon Action Partnership (ICAP): https://icapcarbonaction.com/en/ets-map 17 Mit einem Midstream-Ansatz wird in der Regel auf die Verarbeitungs- und Transportstufen von Energieträgern abgezielt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 13 So hat sich beispielsweise Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change und stellvertretender Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung , 2014 dafür ausgesprochen, dass „die EU auch für den Transport- und Gebäudesektor einen Lizenzzwang einführen“ solle, jedoch neben der Einführung eines gesetzlichen Mindestpreises für die Zertifikate von 20 Euro pro Tonne CO2 und einer Beschränkung der Gratisvergabe der Zertifikate auf ein für die Wettbewerbsfähigkeit betroffener Industrien erforderliches Mindestmaß.18 Und Prof. Felix Ekhardt, Nachhaltigkeitstheoretiker von der Universität Rostock und Leiter des Instituts Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik, plädiert für eine „Totalrevision des Emissionshandels in Richtung eines gänzlichen Upstream-ETS“, der ausschließlich bei den Erstinverkehrbringern fossiler Brennstoffe ansetzen und das bisherige System ablösen sollte.19 Ekardt, Felix (2016). Arbeitspapier zur möglichen Totalrevision des Emissionshandels in Richtung eines Upstream-ETS entlang der Ziele aus Art. 2 Abs. 1 Paris Abkommen: http://www.sustainability-justice-climate.eu/files/texts/Arbeitspapier-Totalrevision- ETS.pdf Die bisher umfangreichste vorliegende Studie in Deutschland zur Sektorenausweitung stammt vom Umweltbundesamt und ist aus dem Jahr 2014. Sie ist das Ergebnis des Forschungsvorhabens „Ausweitung des Emissionshandels auf neue Sektoren und Kleinemittenten“. Im Rahmen dieses Projektes wurde untersucht, inwieweit bisher nicht erfasste Treibhausgasemissionen aus den Sektoren Verkehr und Gebäude in Deutschland mittels eines Upstream-ausgerichteten Emissionshandelssystems (national) in den EU-ETS einbezogen werden könnten. Verschiedene Möglichkeiten zur Ausgestaltung wurden ökologisch, ökonomisch und juristisch bewertet. Dabei kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Einführung eines so gestalteten Emissionshandelssystems juristisch möglich und administrativ mit überschaubarem Aufwand umsetzbar wäre. Dennoch empfehlen die Autoren die Einführung aktuell nicht. Wichtiger als eine Ausweitung des Emissionshandels sei die Reparatur des bestehenden Systems für den Energie- und Industriesektor. Zudem würde die Einbeziehung von Kleinemittenten aus dem Verkehrs- oder Haushaltssektor in den Emissionshandel im gegenwärtigen klimapolitischen Instrumentenmix keinen eindeutigen Mehrwert bringen. Langfristig bliebe die Einführung eines Upstream-Emissionshandelssystems aber eine interessante Option. (S. zur detaillierten Darstellung der Studie das nachfolgende Kapitel dieser Arbeit). 18 Vgl. Edenhofer, Ottmar zit. nach SpiegelOnline. 22.5.2014. Emissionshandel. Topforscher verspricht Schuldenabbau durch Klimarettung: http://www.spiegel.de/wirtschaft/emissionshandel-klimaforscher-edenhoferfordert -reform-a-971092.html 19 Dieser Upstream-ETS sollte laut Ekardt über eine Auktionierung erfolgen. „Ob Höchst- und Mindestpreise sowie ein Verfallsdatum für Zertifikate […] ergänzend sinnvoll sind, sollte insbesondere wirtschaftswissenschaftlich noch näher analysiert werden.“ „Parallel zu einem Primärenergie-ETS müsste, sofern dieser ein anspruchsvolles Cap aufweist, wohl ein System von Border Adjustments für Im- und Exporte aus bzw. in den erfassten Wirtschaftsraum etabliert werden. Das Cap sollte dabei so gefasst werden, dass auch Preiserstattungen bei Exporten nicht zu einer klimapolitischen Zielverfehlung führen.“ Positiv sei ein geringer Vollzugsaufwand, allerdings würden – auch wenn das System volkswirtschaftlich in der Summe positiv sei, „einige Unternehmen betriebswirtschaftlich Nachteile erleiden“ (S. 4, 5, 6, 9). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 14 Umweltbundesamt (UBA) (Hrsg.) (2014); Öko-Institut; GGSC; FH-ISI. Ausweitung des Emissionshandels auf Kleinemittenten im Gebäude- und Verkehrssektor. Gestaltung und Konzepte für einen Policy mix. Reihe Climate Change 03/2014. Endbericht zu Arbeitspaket 1 und Arbeitspaket 2 des UFOPLAN-Vorhabens „Ausweitung des Emissionshandels auf neue Sektoren und Kleinemittenten (z.B. Gebäudebereich)“: https://www.umweltbundesamt .de/sites/default/files/medien/378/publikationen/climate_change_03_2014_komplett _27.3.14.pdf Auch in der Publikation des Umweltbundesamtes „Klimaschutz und Emissionshandel in der Landwirtschaft“ aus dem Jahr 2013 wird der Einbezug der Landwirtschaft in den Emissionshandel allenfalls als langfristige Option gesehen, da auf absehbarere Zeit andere Instrumente geeigneter seien, um die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft zu senken. (S. zu dieser Studie ebenfalls das nachfolgende Kapitel dieser Arbeit). Umweltbundesamt (UBA) (2013). Klimaschutz und Emissionshandel in der Landwirtschaft . Climate Change 1/2013. Dessau-Roßlau: https://www.umweltbundesamt.de/sites /default/files/medien/461/publikationen/4397.pdf; Seitenangaben werden im folgenden Text in Klammern gesetzt. In weiteren Arbeiten haben sich 2015 zum Beispiel das Centrum für europäische Politik (CEP) und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim (ZEW) mit der Ausweitung des Emissionshandels vor allem auf den Verkehrsbereich beschäftigt und sich für diesen ausgesprochen . Das CEP bezieht sich in seiner Argumentation vor allem darauf, dass eine Ausweitung des EU- ETS in jedem Falle nur sachgerecht ist, da je mehr Wirtschaftssektoren das EU-ETS umfasse, desto größer sei seine effizienzsteigernde Wirkung. Nur so könnten die Vermeidungskosten (Kosten zur Vermeidung von THG-Emissionen) minimiert werden, weil so Grenzvermeidungskosten (Vermeidungskosten für die Einsparung einer zusätzlichen THG-Einheit ) in allen Sektoren gleich hoch seien. Da bisher nicht alle Sektoren einbezogen wären, könne (noch) kein Ausgleich der Grenzvermeidungskosten aller Sektoren bewirkt werden. Insgesamt sei ein Upstream-Emissionshandel für möglichst viele Sektoren zu bevorzugen, weil er eher im Stande sei, alle Emissionen zu erfassen. Da dies politisch aber in naher Zukunft unwahrscheinlich erscheine, biete sich zunächst vorrangig der Verkehrssektor als größter außerhalb des EU-ETS CO2-verursachender Sektor für einen (auch zunächst unilateral/national umzusetzenden ) Upstream-ETS an. Dieser sollte auf der Stufe der zahlenmäßig überschaubaren Mineralölproduzenten und -importeure von Öl, Gas und Kohle ansetzen und die Überwachung des Kraftstoffhandels könnte auf der bereits bestehenden Basis der Energiesteuer einfach und kosteneffizient ansetzen. Dabei sollte die Gesamtzahl der Zertifikate insgesamt erhöht und die Zertifikate zusätzlich zur Verfügung gestellt werden auf der Grundlage des so genannten „grandfatherings“ (tatsächliche Emissionen im Jahr der Einbeziehung des Sektors). Im Gegensatz zu gewichtsabhängigen CO2-Grenzen für Fahrzeuge (von denen keine Steuerung des Fahrverhaltens ausgehe), stelle der Upstream-ETS sicher, dass ein CO2-Reduktionsziel erreicht werde. CO2-Grenzen würden laut Meinung der CEP-Autoren obsolet. Doch auch bei Fortbestehen der CO2-Grenzen wirke sich die Ausweitung des EU-ETS auf den Straßenverkehr effizienzsteigernd aus. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 15 Centrum für europäische Politik (CEP); Nader, Nima; Reichert, Götz (2015). Erweitert den Emissionshandel! Effektive und effiziente Reduktion von treibhausgasen im Straßenverkehr . cepInput 05/2015: http://www.cep.eu/fileadmin/user_upload/cep.eu/Studien/cepInput _ETS-Erweiterung/cepInput_ETS-Erweiterung.pdf Auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung stellt in seinem ca. 70 Seiten starken Bericht von 2015 zur möglichen Einbeziehung von Emissionen des Straßenverkehrs in das EU- ETS sowohl auf die Argumentation des kosteneffizienzsteigernden Ausgleichs der Grenzvermeidungskosten bei Einbeziehung ab als auch auf die damit für sie ebenfalls verbundene gleichzeitige Überflüssigmachung der EU-Abgasnormen für Neuwagen20. In dem Rahmen des gemeinsamen Projektes „The Future of Europe's Strategy to Reduce CO2 Emissions from Road Transport“ mit der Opel AG und der BMW AG erstellten Arbeit gehen die Autoren davon aus, dass wenn der private Verkehr in den EU-ETS einbezogen werde, davon ausgegangen werden könne, dass dieser Sektor ein Nettoabnehmer von Zertifikaten sein wird, während in der Stromerzeugung und in energieintensiven Sektoren mehr Emissionsreduktionen erwartet würden. Auch das ZEW sieht die Regulierung bei Einbezug des Verkehrssektors Upstream, ansetzend auf der Ebene der Kraftstoffhersteller (über Raffinerien bereits vertraut mit dem EU-ETS)/Kraftstofflieferanten (14.000 Tankstellenin Deutschland, 75% abgedeckt druch 6 Marken); bei einem Preis von 10 Euro p/t CO2-Äq würden sich die ETS-Kosten bezogen auf den Kohlenstoffgehalt bei einem Liter Benzin auf ca. 0,025 Euro belaufen – gegenwärtige Kraftstoffsteuern in der EU seien höher . Allerdings sollten nach Ansicht des ZWE die Zertifikate ausschließlich durch Auktionen vergeben werden. Zusätzlich könnten weitere Subventionen für F&E-Aktivitäten und den Ausbau der Tankinfrastruktur dazu beitragen, technologischen Wandel unterstützend zu befördern. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim; Martin Achtnicht; Kathrine von Graevenitz; Simon Koesler; Andreas Löschel (2015). Including road transport in the EU-ETS – An alternative for the future? Mannheim, 29 April 2015: http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/RoadTransport-EU-ETS_ZEW2015.pdf Zu den Fürsprechern für eine Stärkung des europäischen Emissionshandelssystems durch die Einbeziehung weiterer Sektoren gehört auch der Bundesverband Emissionshandel und Klimaschutz , der neben weiteren Maßnahmen den ETS auf möglichst alle volkswirtschaftlichen Sektoren ausweiten will und dabei vorschlägt, bereits vor 2020 unilateral mit den Kraftstoffen des (Straßen-) Verkehrssektors und Deutschland als Vorreiter zu beginnen und ab 2021 EU-weit Kraftstoffe des Verkehrssektors und Brennstoffe des Wärmesektors upstream einzubeziehen. bvek (2016.). bvek-Vorschläge zur Weiterentwicklung und Verbesserung des EU-Systems handelbarer Emissionsrechte (EU-ETS) vor und nach 2020. Kurzfassung: 20 Seit 1992 werden für Pkws und leichte Nutzfahrzeuge Abgasgrenzwerte durch europaweite Verordnungen festgelegt und stufenweise verschärft. Ab 2012 durften zunehmende Anteile der Pkw-Neuwagenflotte eines Herstellers nicht mehr als durchschnittlich 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Zudem wurde ein Zielwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer im Schnitt für die gesamte Neuwagenflotte ab 2020 festgelegt. Bei leichten Nutzfahrzeugen lauten die Zielwerte 175 Gramm CO2 pro Kilometer (2017) und 147 Gramm CO2 pro Kilometer (2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 16 http://www.bvek.de/bvek-publikationen/bvek-Vorschlaege%20EU- ETS%20vor%20und%20nach%202020.pdf21 Auch die Monopolkommission der Bundesregierung hat in ihrem im Oktober 2017 veröffentlichten Sondergutachten 77 „Energie 2017“22, das den Schwerpunkt auf die Umsetzung der Energiewende legt, eine Stärkung des europäischen Emissionshandelssystems (durch eine wirksame Begrenzung an Zertifikaten) gefordert und als eine Maßnahme, die zusätzliche Effizienten generieren könnte, die Einbeziehung weiterer Sektoren in den Zertifikatehandel benannt. Über eine Einbeziehung des Verkehrs- und Wärmesektors könnten über Anreize für eine Sektorkopplung die Verwendung von erneuerbaren Energien (EE) in den Bereichen erhöht werden. Zusammen mit einem regional angepassten Netzentgelt für neue EE-Anlagen und Anpassungen bei der Konzessionsvergabe für den Netzbetrieb könnten ihrer Ansicht nach die Treibhausgasreduktion so wirksamer erfolgen und die Energiewende hin zu mehr Erneuerbaren Energien kostengünstiger gestaltet werden. Eine mögliche Teilnahme des Verkehrssektors am EU-ETS könnte über eine Verpflichtung zum Kauf von Zertifikaten beim Verkauf von Mineralöl und Mineralölprodukten erfolgen. Tankstellen und Raffinerien würden die Kosten für die Zertifikate an die Endkunden weitergeben. Die Auswirkungen auf die Benzinpreise wären voraussichtlich relativ gering. Allerdings sollten die Wechselwirkungen mit weiteren Energiesteuern berücksichtigt werden. In jedem Fall müsste bei Einbeziehung weiterer Sektoren in das EU-ETS die Menge an handelbaren Zertifikaten ausreichend begrenzt werden, sodass es nicht erneut zu Überschüssen komme. Vielmehr bestünde im Rahmen einer derartigen Reform die Möglichkeit, das Gesamtvolumen ausreichend zu verknappen , um wirksame CO2-Preise auszulösen. In einer Übergangszeit, solange die Stärkung des CO2- Zertifikatehandels auf europäischer Ebene nicht erreichbar ist, sollten der Stromverbrauch von der EEG-Umlage entlastet und das aktuelle Strom- und Energiesteuersystem in Deutschland in Richtung einer wirksamen, einheitlichen CO2-Bepreisung angepasst werden. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass die so innerhalb Deutschlands vermiedenen Emissionen ohne ein entsprechendes Aufkaufen von Zertifikaten des EU-ETS lediglich in das europäische Ausland verlagert würden.23 21 S. auch bvek (2015). Erweiterung des EU-ETS um die Kraftstoffe des Straßenverkehrs. Die Lösung der Probleme der deutschen als auch der EU-Klimaschutzpolitik: http://www.bvek.de/downloads/Beitrag_Erweiterung _des_EU-ETS_21-7-15.pdf 22 Die Monopolkommission ist ein ständiges, unabhängiges Expertengremium, das die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften auf den Gebieten der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung berät. Sie besteht aus fünf Mitgliedern, die auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten berufen werden. Vorsitzender der Monopolkommission ist Prof. Achim Wambach, der bis 2016 Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik (iwp) an der Universität Köln war und seither Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist. 23 Hingewiesen wird auch darauf, dass auch rechtlich das EU-ETS keine Ausschließlichkeit der Steuerung beansprucht (160) und wenn die Einführung einer CO2-Steuer in Deutschland in Betracht gezogen wird, diese möglichst alle Sektoren, die CO2 emittieren, umfassen sollte. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 17 Monopolkommission der Bundesregierung (2017). Energie 2017. Gezielt vorgehen, Stückwerk vermeiden Sondergutachten 77. Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG 2017: http://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/s77_volltext.pdf Jüngst hat sich auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung Ende Februar 2018 in seinem Sondergutachten zum „Klimaschutz im Verkehrssektor“ zu einer möglichen Einbeziehung des Verkehrssektors in den Emissionshandel geäußert. Dabei konstatiert er aber, dass auch bei einem Upstream-Ansatz trotz seiner theoretisch hohen Effizienz gegenwärtig verschiedene Argumente gegen die Erweiterung des EU-ETS auf den Verkehrssektor sprechen würden – insbesondere als primäres oder gar alleiniges Instrument zur Treibhausgasreduktion. Zum einen leide die theoretische Effizienz dieses Instruments unter einer Vielzahl von Marktunvollkommenheiten , die in der Realität zu beobachten seien, und auf Grund derer bei den derzeitigen und bis 2030 erwartbaren Zertifikatspreisen nur mit einer geringen Lenkungswirkung zu rechnen sei. Zum anderen bestünden im Kontext der aktuellen strukturellen Reformen des EU- ETS Unsicherheiten hinsichtlich der klimapolitischen Wirksamkeit dieser Maßnahme. Denn bei einer Einbindung in das EU-ETS würde der Verkehrssektor seine Minderungsverpflichtungen voraussichtlich in hohem Maße durch den Zukauf von Zertifikaten decken. Dieser Zukauf würde jedoch nicht zu zusätzlichen Emissionsminderungen in gleicher Höhe in anderen Sektoren führen , sondern stattdessen den derzeit im EU-ETS bestehenden hohen Zertifikatsüberschuss senken . Diese überschüssigen Zertifikate würden andernfalls zu großen Teilen in die neu geschaffene Marktstabilitätsreserve überführt, aus der sie – gemäß derzeit diskutierter Reformvorschläge für das EU ETS – zu einem späteren Zeitpunkt endgültig stillgelegt werden könnten. CO2-Zertifikate durch den Verkehrssektor anstelle eigener Emissionsminderungen würden folglich die Gesamtemissionen in der EU erhöhen. Der Sachverständigenrat resümiert, dass es somit klimapolitisch wirksamer wäre, wenn der Verkehrssektor seine Klimaziele durch eigene Anstrengungen und Maßnahmen (u. a. eine separate Bepreisung von Energieverbrauch und CO2-Emissionen) erreichte . Auch im Falle eines durch eine echte Zertifikatsknappheit gekennzeichneten Emissionshandels könnte laut Meinung der Autoren des Sachverständigenrates durch die Einbeziehung des Verkehrssektors ein klimapolitisch problematisches Szenario eintreten. Denn in einer solchen Knappheitssituation könnte die Zertifikatsnachfrage des Verkehrs zu einem starken Anstieg der Zertifikatspreise führen. Dieser könnte möglicherweise sogenannte Carbon-Leakage-Effekte in der Industrie (d. h. die Verlagerung industrieller Produktion und Emissionen) nicht aber im Verkehr, der Ausweichreaktion fürchten muss, zur Folge haben, wodurch die tatsächliche klimapolitische Effektivität des Emissionshandels geschwächt würde. Voraussetzung für eine solche Entwicklung wäre zunächst allerdings eine – vom SRU begrüßte, derzeit jedoch unwahrscheinliche – ambitionierte Reform des EU-ETS. Erst langfristig könnte die Einbeziehung von Kraftstoffen in den Emissionshandel eine sinnvolle Option sein. Dies gelte gerade mit Blick auf die zunehmende Diversifizierung der Energieträger im Verkehrssektor und seine zunehmende Verschmelzung mit anderen Sektoren, insbesondere dem Stromsektor. So unterliege der im Verkehr eingesetzte Strom dem Emissionshandel, flüssige und gasförmige Kraftstoffe auf fossiler Basis hingegen nicht. Im Zuge der mit einer – direkten und indirekten – Elektrifizierung verbundenen Verschiebung in der Energiebasis des Verkehrssektors , steige die Rationalität einer Erweiterung des EU ETS. (126f). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 18 Deutscher Bundestag (2018). Unterrichtung durch die Bundesregierung. Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU). Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor . Drucksache 19/1100 vom 28.2.2018: http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/011/1901100.pdf Gegenwärtig läuft schließlich seit November 2016 die Erarbeitung einer groß angelegten vom Bundeslandwirtschaftsministerium und seiner nachgeordneten Behörde, der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, auf den Weg gebrachten Studie zur „Entwicklung von Optionen zur Erweiterung des EU-ETS auf alle Treibhausgase und weitere Emissionsquellen“. Im Mittelpunkt der Projektarbeit soll die Entwicklung der Gestaltung eines neuen „EU-ETS+“ stehen, dass alle Treibhausgasemissionen entlang der verschiedenen Wertschöpfungsketten und auch die der kleineren Anlagen umfasst.24 Mit der koordinierenden Durchführung des Projektes ist das Institut für Weltwirtschaft Kiel beauftragt. In der Studie soll nach Angaben der zuständigen Projekt- Mitarbeiterin – aus dem Forschungsbereich Umwelt und natürliche Ressourcen des IfW – bei der Betrachtung der Sektoren über die bereits vorliegenden Betrachtungen der UBA-Studie von 2014 insofern hinausgegangen werden, als dass neben den fossilen Energieträgern auch die biogenen berücksichtigt werden sollen. Insgesamt stehen der wirtschaftliche und juristische Rahmen im Mittelpunkt der Überlegungen und dabei auch die Auswirkungen einer sektoralen Ausweitung auf den internationalen Handel und ggf. notwendige gesetzgeberische Änderungen bei einer weitergehenden Implementierung. Mit einer Fertigstellung der Arbeit ist Ende Februar 2019 zu rechnen. 4. Betrachtungen zu ökonomischen Auswirkungen einer Ausweitung des Emissionshandels Nachfolgend werden exemplarisch die zwei umfassenden Studien des UBA einmal zur Einbeziehung des Verkehrs- und Gebäudesektors und zum anderen des Landwirtschaftssektors eingehender vorgestellt, wobei versucht wird, den Fokus auf die, soweit thematisierten, ökonomischen Auswirkungen zu legen. Studie des Umweltbundesamtes 2014: Einbeziehung von Kleinemittenten (Verkehr und Gebäude ) national oder EU-weit Die knapp 200-seitige Untersuchung des UBA, die vom Öko-Institut, dem Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung Karlsruhe und dem EnergieForum Berlin durchgeführt wurde, untersucht die Ausgestaltungsmöglichkeiten, bisher nicht erfasste Treibhausgasemissionen in Deutschland in das Emissionshandelssystem der EU einzubeziehen. Dabei wird vorrangig die Möglichkeit, Upstream-Komponenten in einen bestehenden Downstream-EU-ETS `einzubauen ` eingehend beleuchtet. Diesbezüglich werden verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten (national , EU-weit, offen oder geschlossenes System) betrachtet und die Form materieller Ausgestaltungselemente für ein Upstream-System in Deutschland im Hinblick auf Akteure (point of regulation ), Vermeidung von Doppelzählung, Effektivität des Systems, statischer Effizienz, dynamischer Anreizwirkungen, Verteilungswirkungen und schließlich der Administrierbarkeit und der Auswirkungen auf Transaktionskosten analysiert. 24 Vgl. FNR (2016). Konsistente Förderung Erneuerbarer Energien durch eine Ausweitung des ETSPLUS: https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22400716 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 19 Aus der Betrachtung anderer (z.T. nur geplanter) Emissionshandelssysteme „mit nennenswerten und umsetzungsnah spezifizierten Upstream-Komponenten in nationalen Systemen“ leiten die Autoren zunächst ab, dass • der Upstream-Ansatz bevorzugt angewendet wird, um Kleinemittenten wie den Verkehrssektor oder den Haushaltssektor, aber auch Anlagen aus der Industrie (sofern diese einen bestimmten Schwellenwert für Emissionen (von in der Regel 25.000 t CO2e p.a.), der zur Teilnahme am ETS verpflichtet, nicht überschreiten) in einen ansonsten downstream-regulierten Markt einzubeziehen. • die betrachteten ETS in Australien, USA und Kalifornien ähnliche Sektoren für eine Upstream -Regulierung wie sie auch in Deutschland bzw. Europa in Frage kommen würden umfassen, – also der Verkehrssektor (sofern nicht bereits erfasst – Schifffahrt), die Haushalte und bisher nicht vom EU ETS erfasste Industrieemissionen. Dass im Gegensatz dazu der Upstream-Ansatz im neuseeländischen Emissionshandelssystem, der u.a. auch den Energiesektor umfasst, deutlich weitreichender ist als er bei Beibehaltung des derzeit in Europa bestehenden EU-ETS möglich wäre. • auffällt, dass sich die untersuchten Upstream-Ansätze nicht auf (energiebedingte) CO2– Emissionen beschränken, sondern auch andere Kyoto-Gase umfassen, insbesondere N2O sowie teilweise auch nichthalogenierte F-Gase. • festgestellt werden kann, dass sich über Hybridsysteme ein wesentlich größerer Anteil an Treibhausgasemissionen eines Landes oder einer Region über Emissionshandelssysteme regulieren lässt als dies zurzeit im EU ETS der Fall ist. (49) • es Möglichkeiten gibt, Doppelzählungen in einem solchen System zu vermeiden (s. dazu ausführlich: 50). Vorstellbar als Optionen wären laut der Studie • 1. die „Strom- und Wärmeerzeugung außerhalb des EU-ETS“ in einen Emissionshandel zu fassen: Ein Emissionshandelssystem für Deutschland ohne Einbeziehung des Verkehrssektors beinhaltete einen Regulierungsumfang von gut 140 Mt CO2. Definitionsgemäß wären nur energiebedingte CO2-Emissionen erfasst25. Das entspräche knapp 40% der nicht im Downstream-ETS erfassten CO2-Emissionen. • 2. die „Strom- und Wärmeerzeugung und den Kraftstoffeinsatz im Transportbereich außerhalb des EU-ETS“ in einem Emissionshandel zu fassen: Bei zusätzlicher Einbeziehung des Transportbereichs ergäbe sich eine Ausweitung des Regulierungsumfangs um 148,9Mt CO2 aus dem Bereich Verkehr sowie zusätzlichen 4,25 Mt CO2 aus mobilen Quellen wie beispielsweise Rasenmähern und Motorsägen in den Bereichen Haushalte sowie Land-, Forstwirtschaft und Fischerei. Der Gesamtumfang der Upstream-erfassten Emissionen würde sich somit auf insgesamt etwa 295 Mt CO2 erhöhen. Die vorangehend beschriebenen Emissionsquellen deckten somit über 80% der nicht im Downstream-ETS erfassten CO2-Emissionen ab. (54; s. zur Quantifizierung der erfassbaren Emissionen auch 85-88 sowie zur Quantifizierung möglicher Emissionsreduktionen ab S. 89). 25 Bei beiden Optionen sind in dieser Studie ausschließlich energiebedingte CO2-Emissionen, die bisher nicht dem EU-ETS unterliegen, in die Betrachtung einbezogen worden. S. zu den Einzelheiten: 53. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 20 Als mögliche zertifikatpflichtige Akteure in einem solchen upstreamgeleiteten Emissionshandel wurden in der Studie identifiziert: • die Regulierung der Produzenten und Importeure, • die Regulierung der Aufbereitungsanlagen bzw. des Umwandlungsbereiches, • die Regulierung der Transporteure und des Vertriebs, • die Möglichkeit, den gleichen Ansatzpunkt wie die Energiebesteuerung zu wählen. Dabei erscheint den Autoren „aus einer Reihe von Gründen die Besteuerung von Energieerzeugnissen als ein sinnvolles Referenzsystem für die Einführung eines Upstream-Ansatzes (s. zu den Einzelheiten: 55; s. dazu auch den nachfolgenden Punkt „Administrierbarkeit und der Auswirkungen auf Transaktionskosten“ in dieser Übersicht). Alle Upstream-Regulierungsmöglichkeiten für die einzelnen Energieträger werden ausführlich diskutiert. Als mögliche Ausgestaltungsformen eines Upstream-Handels werden dabei die Varianten eines nationalen zusätzlichen Upstream-Handels ohne (geschlossenes System) bzw. mit Anbindung an den bestehenden Downstream-EU-ETS (offenes System) und eines EU-weiten offenen Upstream- ETS betrachtet (79) und ökonomischen Analysen unterzogen (s. Kapitel 4). Im Hinblick auf die Kosteneffizienz26 wird dabei konstatiert: „Die Kosteneffizienz eines Upstream-Emissionshandelssystems kann zum einen aus dem Blickwinkel der unterschiedlichen Ausgestaltungsoptionen eines Upstream-Systems, zum anderen im Vergleich zur Effizienz von anderen Politikinstrumenten beleuchtet werden. Die bewertende Diskussion verschiedener Ausgestaltungsformen hebt den deutlichen Einfluss der Ausgestaltung auf die Kosteneffizienz hervor. Zusammenfassen lässt sich, dass ein offenes System mit Auktionierung der Emissionsrechte, in dem möglichst wenige Akteure zertifikatspflichtig sind und möglichst viele Emittenten erfasst sind, am besten aus dem Blickwinkel der Kosteneffizienz abschneidet . Die generellen Preiseffekte und Kostenbelastungen hängen wesentlich von den Preiselastizitäten auf der Nachfrageseite ab. In einem Upstream-System, in dem die Zertifikatspflichtigen keine entscheidenden Vermeidungsoptionen haben, muss das Preissignal an die nächste Stufe der Wertschöpfungskette bis hin zu dem Akteur, der die Vermeidungsoptionen hat, weitergeleitet werden. Bei geringen Elastizitäten, wie sie in der Literatur für die Brennstoffe in den Sektoren Wärme und Verkehr ermittelt wurden, sind daher – zumindest in der kurzen Frist - geringe Veränderungen in der Brennstoffnachfrage zu erwarten. In einem geschlossenen System impliziert dies eine hohe Nachfrage nach Zertifikaten bei den Zertifikatspflichtigen (um die Brennstoffnachfrage zu bedienen) und entsprechend hohe Zertifikatspreise. Die daraus resultierende Preiserhöhung und Belastung bei den Endkunden ist insbesondere in einem geschlossenen System mit ambitionierten Minderungszielen sehr hoch. In einem System, in dem je nach Marktstruktur (z.B. bei unvollständigem Wettbewerb im Öl- oder Gasmarkt) der Preiseffekt nicht gleichmäßig durchgeleitet wird sondern verzerrt ist, so dass gewisse Akteure stärker belastet werden als andere, ist die Kosteneffizienz des Upstream- Emissionshandels eingeschränkt. Unter diesen Aspekten ist in 26 Vgl. zu Fragen der Kosteneffizienz des EU-Emissionshandels auch UBA (2016); Öko-Institut; Fraunhofer ISI; DIW. CLIMATE CHANGE Evaluierung und Weiterentwicklung des EU-Emissionshandels: https://www.umweltbundesamt .de/sites/default/files/medien/378/publikationen/climate_change_16_2016_evaluierung_und_weiterentwicklung _des_eu-emissionshandels.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 21 Betracht zu ziehen, ob andere Politikinstrumente (bspw. Ordnungsrecht oder Förderprogramme) kosteneffizientere Varianten sein können, da sie nicht von der Preiselastizität (und damit der hohen privaten Diskontrate) und der unverzerrten Durchleitung des Preissignals abhängen.“ (103f). Im Hinblick auf die dynamischen Anreizwirkungen wird festgehalten: „.. dass eine dynamische Anreizwirkung eines Upstream-Emissionshandels allenfalls bei der Nachfrage nach Energieträgern zu erwarten ist. Hier können langfristig Anpassungsprozesse durch den Einsatz effizienterer Technologien geschehen, die wiederum durch das CO2-Preissignal beför dert werden. Allerdings zeigt ein Blick auf die Energiekosten, dass bei moderaten CO2- Preisen dieser Effekt eher als gering einzustufen ist. Daher muss davon ausgegangen werden, dass mit Hinblick auf die dynamische Anreizwirkung ein Upstream-Emissionshandelssystem nur eingeschränkt geeignet ist. Davon ausgehend, dass ein Upstream-Emissionshandel zumindest in gewissen Grenzen eine dynamische Anreizwirkung entfalten kann, muss zudem noch berücksichtigt werden, dass die dynamische Anreizwirkung unter Umständen trotzdem nicht effizient ist. Dies wäre der Fall, wenn die Weitergabe des Preissignals an die Endkunden stark verzerrt wäre. In diesem Fall würde die (dynamische) Anreizwirkung nicht in allen Sektoren gleichmäßig ansetzen , sondern wäre ggf. auf einige wenige Bereiche beschränkt, hier jedoch auf Grund des zu hohen Preissignals stärker als die eigentliche intertemporal effiziente Lösung vorsehen würde.“ (108). Zu den Verteilungswirkungen heißt es: dass durch die Einführung eines Upstream-Emissionshandels Mehrbelastungen entstehen können , „die insbesondere für einkommensschwache Haushalte zu einer signifikanten Verteuerung von Energieträgern führen können, die zum Beheizen von Wohnraum bzw. zur Bereitstellung von Warmwasser und somit zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse benötigt werden. Erfolgt nun eine Überwälzung von Preissignalen an diese Endverbraucher und bestehen an dieser Stelle keine oder nur begrenzte (z.B. durch Verhaltensänderung, nicht aber durch technische Neuerungen wie im Falle des Mieter-Vermieter-Dilemmas) Möglichkeiten zur unmittelbaren Einsparung beim Brennstoffeinsatz, kann die Einführung eines Upstream-Emissionshandels zu sozial problematischen Belastungen führen. Um solche problematischen Belastungen aus sozialen und aus (verfassungs-)rechtlichen Gründen [s. dazu 5.2.3.3.2. in der Studie] zu verhindern“, müsste der Gesetzgeber ggf. geeignete Regelungen treffen, um die finanziellen Belastungen in Härtefallsituationen abzumildern [s. zu beihilferechtlichen Grenzen für Kompensationen zu Gunsten von Unternehmen 5.1.4 der Studie]. (109). Bezüglich der Administrierbarkeit und der Auswirkungen auf Transaktionskosten wird festgestellt : dass „ein Hauptargument für die Upstream-Erfassung von Emissionen im Bereich der Kleinemittenten ist, dass die Administrierbarkeit einfacher und die Transaktionskosten geringer als bei einer Downstream-Erfassung sind, weil die Anzahl der zertifikatpflichtigen Akteure deutlich niedriger ist. Auch innerhalb eines Upstream-Ansatzes können sich jedoch die Kosten für Administration und Transaktionskosten je nach Ausgestaltungsvariante deutlich unterscheiden.“ (110). Eine tabellarische Aufstellung einer qualitativen Schätzung zu den Transaktionskosten zu den Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 22 `Auswirkungen der Ausgestaltungselemente auf die Transaktionskosten im öffentlichen und privaten Sektor` vermittle dabei Anhaltspunkte über aus Transaktionskostengesichtspunkten vorzuziehende Optionen. (113) „Obwohl eine Bestimmung der Höhe der Transaktionskosten anhand der [in der Studie durchgeführten ] Untersuchung nicht möglich ist, deutet sich an, dass aus Transaktionskostensicht insbesondere für die für Verwaltung und nötige Infrastruktur entstehenden Kosten ein Zurückgreifen auf die bereits vorhandenen Strukturen der Energiesteuer vorteilhaft wäre. Dies gilt insbesondere sowohl für Kosten im privaten Sektor als auch zumindest für einen Teil der im öffentlichen Sektor anfallenden Kosten. Dem Argument steht gegenüber, dass alternative Ansetzungspunkte z.B. für Erdgas und Mineralöl die Anzahl der zu regulierenden Akteure und die damit verbundenen öffentlichen Transaktionskosten deutlich senken könnten. Allerdings müsste bei der konkreten Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 23 Ausgestaltung überprüft werden wie aufwendig die Abgrenzung zur Vermeidung von Emissionsdoppelzählung ist. Um belastbare Aussagen treffen zu können ist allerdings eine genauere Betrachtung der bisher nicht detailliert ausgestalteten Optionen notwendig. Dazu gehört in einer weiteren Stufe insbesondere der Versuch einer Quantifizierung, die es ermöglichen würde, die Optionen untereinander und über die gesamten Transaktionskosten hinweg miteinander zu vergleichen .“ (118) Im Ergebnis der Studie sehen die Autoren es als sinnvoll an, wenn Deutschland oder die EU bislang tatsächlich nicht erfasste Kleinemittenten in den Emissionshandel einbeziehen wollten, dies dann in einem Hybridsystem zu verfolgen: dabei würden bei Beibehaltung des bisherigen EU- ETS große Anlagen weiterhin einem Downstream-Emissionshandel unterliegen und in einem Upstream -Emissionshandelssystem würden Sektoren mit vielen kleinen Emittenten erfasst. Jedoch wertet die Studie das Vorhaben einer Ausweitung des Emissionshandelssystems nur dann als positiv, „wenn es die Möglichkeit eröffnet, den langfristig erforderlichen Minderungspfad festzuschreiben. Auch nehmen mit zunehmenden Klimaschutzbemühungen die Interaktionen zwischen den Sektoren zu (Beispiele sind hier die Biomassenutzung und die verstärkte Elektrifizierung von Verkehr durch die Elektromobilität und von Haushalten durch Wärmepumpen). Von einem einheitlichen und deutlichen CO2-Preissignal könnte eine sektorübergreifende steuernde Funktion der Nutzung erneuerbarer Energieträger ausgehen.“ Schließlich könne „gleichzeitig die Ausweitung des Emissionshandelssystems dazu verleiten, den Policy Mix zu verschlanken und notwendige Instrumente in den Sektoren Haushalte und Verkehr abzuschaffen, die insbesondere für die dynamische Anreizwirkung sehr wichtig sind. In diesem Fall wäre eine Ausweitung des Emissionshandelssystems eher negativ zu bewerten. Für die mögliche Ausweitung des Emissionshandels auf bislang nicht erfasste Emittenten bedeutet dies, dass viele der bestehenden Klimaschutzinstrumente in diesen Bereichen beibehalten werden sollten.“ (14). So sei aus theoretischer Sicht ein Upstream-Emissionshandelssystem ein interessantes Instrument , dessen Einführung aber aktuell nicht empfohlen werde, da damit die Probleme im bestehenden EU-ETS der zu hohen Überschüsse nicht gelöst würden und im gegenwärtigen klimapolitischen Instrumentenmix die Einbeziehung von Kleinemittenten aus dem Verkehrs- oder Haushaltssektor in den EU-ETS keinen eindeutigen Mehrwert brächte (s. dazu auch S. 93). Langfristig bliebe die Einführung eines Upstream-Emissionshandelssystems aber eine „interessante Option, insbesondere mit Blick auf die im Zeitverlauf zunehmende Interaktion zwischen den Sektoren.“ Hier bestehe weiterer Forschungsbedarf. (15). Studie des Umweltbundesamtes 2013: Emissionshandel in der Landwirtschaft In der knapp 50 Seiten umfassenden Untersuchung des UBA „Klimaschutz und Emissionshandel in der Landwirtschaft“ werden die Fragen im Zusammenhang einer Einbeziehung der Landwirtschaft in den EU-ETS relativ ausführlich bearbeitet. Insbesondere Fragen der ökologischen Treffsicherheit und Effizienz, der Administrierbarkeit und der Transaktionskosten wurden dabei betrachtet . Möglichkeiten für einen Emissionshandel in der Landwirtschaft, bisher überhaupt in ersten Schritten nur in Neuseeland realisiert, könnten laut Aussagen der Studie an verschiedenen Punkten mit der Abgabepflicht von Emissionsberechtigungen ansetzen: Bei Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 24 • der Intensivtierhaltung in Großbetrieben: Bei diesem Ansatzpunkt würden die THG-Emissionen aus der Tierhaltung für landwirtschaftliche Betriebe ab einer Mindestgröße detailliert erfasst. • dem Viehbestand: Bei diesem Ansatzpunkt würden die THG-Emissionen aus der Tierhaltung landwirtschaftlicher Betriebe, pauschaliert in Abhängigkeit von der Größe des Viehbestandes und der Nutztierart, analog zur Bilanzierung in den nationalen Inventaren erfasst . Die Abgabepflicht von Emissionsberechtigungen differenziert nicht bzw. nur sehr grob nach betriebsspezifischen Viehhaltungsbedingungen. • den Lachgasemissionen des Pflanzenbaus: Bei diesem Ansatzpunkt würden die THG- Emissionen aus dem Pflanzenanbau von landwirtschaftlichen Betrieben ab einer Mindestgröße detailliert erfasst. • den Lachgasemissionen des Düngemitteleinsatzes: Anknüpfungspunkt wären auch hier die Lachgasemissionen des Pflanzenanbaus von landwirtschaftlichen Betrieben. Dieser inputbezogene Ansatz ist vergleichbar zur Erfassung in den nationalen Inventaren, die die THG-Emissionen des Pflanzenanbaus pauschaliert in Abhängigkeit vom Stickstoffinput erfassen. • den landwirtschaftlichen Produkten: Anknüpfend an der Weiterverarbeitung der wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse verpflichtete der Emissionshandel Molkereien, Schlachthöfe und andere Betriebe an zentralen Produktionsschritten zur Abgabe von Emissionsberechtigungen. Die Zurechnung der THG-Emissionen auf die Erzeugnisse erfolgt pauschaliert. Prinzipiell könnte der produktbezogene Emissionshandel auch Importprodukte erfassen. (13f). Überlegungen zu (ökologischen und) ökonomischen Wirkungen werden daher auf die unterschiedlichen Ansätze bezogen. Dabei werden unerwünschte Ausweichreaktionen (Unterlaufen von Regelungen, Carbon Leakage) und Kostenminimierungen, die Umsetzbarkeit des Monitorings und standardisierte Ablaufmöglichkeiten, geringe betriebliche Beeinträchtigungen und die Administrierbarkeit im Ganzen bei rund 300.000 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland (davon gut 200.000 Viehbetriebe; Zahlen 2010) betrachtet. In der Bewertung werden jeweils die ökologische Treffsicherheit, die Effizienz, die möglichen Ansatzpunkte für einen Emissionshandel auch im Hinblick auf eine Vereinbarkeit mit dem EU-ETS, die Praktikabilität und die Transaktionskosten (14-23) berücksichtigt. Aus Sicht der Studie ermöglicht der Ansatzpunkt • „landwirtschaftliche Produkte“ zwar niedrige Transaktionskosten, da die Zahl der erfassten Betriebe durch die Fokussierung auf zentrale Verarbeitungsschritte in der landwirtschaftlichen Produktion vergleichsweise niedrig ist. „Gleichzeitig ist aber – durch Aufweichung des sonst üblichen Quellenprinzips – nur eine mittelbare THG-Emissionserfassung möglich, was zu grob ineffizienten Vermeidungsanreizen im Emissionshandel führen kann.“ Darüber hinaus wäre die Einbeziehung der Landwirtschaft in den EU-Emissionshandel nicht möglich. • „Viehbestand“, dass die „betriebliche Erfassung von THG-Emissionen nach dem Quellenprinzip prinzipiell (ebenso beim Ansatz Düngemitteleinsatz) den internationalen Bilanzierungsregeln für landwirtschaftliche THG-Emissionen entsprechen könnte. Der Ansatzpunkt Viehbestand würde aber bezogen auf den landwirtschaftlichen Betrieb nur eine sehr pauschalierte Zurechnung der THG-Emissionen erlauben, so dass nur eine grobe Lenkungswirkung in Richtung Klimaschutz in der Viehhaltung entstünde. Damit wäre ein solcher Ansatz in der Praxis vermutlich wenig effizient. Ein hinreichend genaues Monitoring der THG-Emissionen ist Voraussetzung für einen Emissionshandel, insbesondere für die Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 25 Einbeziehung in den EU-Emissionshandel, weshalb der Viehbestand als Ansatzpunkt als eher ungeeignet erscheint. • „Lachgasemissionen des Pflanzenanbaus“ nur kaum die detaillierte betriebliche Erfassung der THG-Emissionen bei der sehr großen Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe mit Schwerpunkt in diesem Bereich. „Ebenso ist das Bestimmen objektiver Schwellenwerte für das Erfassen großer Betriebe schwierig. Um die Administrierbarkeit zu gewährleisten , müsste ein hoher Schwellenwert gesetzt werden, so dass ein Großteil der Betriebe nicht erfasst würde. Anreize zur Emissionsreduktion würden so nur in einem kleinen Bereich der landwirtschaftlichen Betriebe gesetzt. Auch das Einbeziehen der THG-Emissionen des Pflanzenanbaus in den EU-Emissionshandel ist deshalb keine vielversprechende Option. • „Intensivtierhaltung in Großbetrieben“ auf Grund der „industrieähnlichen Produktionsbedingungen in der Intensivtierhaltung gute Möglichkeiten zur Emissionserfassung und könnte prinzipiell effizient ausgestaltet werden. Die Einbeziehung in den EU-Emissionshandel oder ein eigenständiger landwirtschaftlicher Emissionshandel erscheinen grundsätzlich möglich und würde auf Schwellenwerten zur Erfassung von Betrieben der Intensivtierhaltung basieren. • „Lachgasemissionen des Düngemitteleinsatz“ eine Praktikabilität bei Mineraldünger und eingeschränkt auch für Gülle, „besonders da schon die geltende Düngeverordnung die Dokumentation der genutzten Düngemittel erfordert. Der Mineraldünger könnte u.U. anstatt bei den Landwirten auch unmittelbar beim Händler erfasst werden, was die Transaktionskosten erheblich senken dürfte.“ (26-27). Zusätzlich weist die Studie auf weitere wichtige Punkte hin, die bei einem Emissionshandel in der Landwirtschaft zu klären oder zu beachten wären: • So wäre das Einbeziehen der Landwirtschaft in den EU-Emissionshandel grundsätzlich für alle Mitgliedstaaten im Rahmen einer Änderung der Richtlinie verbindlich möglich, wie etwa für die dritte Handelsperiode oder die Einbeziehung des Luftverkehrs. Dies wäre allerdings ein langwieriger Prozess auf europäischer Ebene, der mit vielen politischen Widerständen verbunden sein dürfte. Die Emissionshandelsrichtlinie erlaube jedoch den Mitgliedstaaten, zusätzliche Tätigkeiten und Gase im Rahmen des Opt-in in den EU- Emissionshandel einzubeziehen. Diese Möglichkeit bestünde prinzipiell auch für die Landwirtschaft. Neben dem rechtlichen Rahmen hinge die mögliche Einbeziehung der Landwirtschaft in den EU-ETS auch von den zu erwartenden ökonomischen Wirkungen eines solchen Emissionshandels ab. Wenn die Minderungskosten in der Landwirtschaft niedrig sind im Vergleich zum Preis für Emissionsberechtigungen, könnte die Landwirtschaft in einem verbundenen (offenen) System große Minderungsbeiträge erbringen und den übrigen Sektoren Emissionsberechtigungen zur Nutzung überlassen bzw. diese verkaufen . Dies wäre innerhalb einer möglichen Preisspanne zwischen 15 und 25 Euro für 1tCO2Äq im Jahr 2020 und tendenziell eher hohen Minderungskosten in der jedoch nicht zu erwarten. Die Landwirtschaft würde im Gegenteil voraussichtlich Emissionsberechtigungen aus dem bestehenden EU-Emissionshandel zukaufen, statt ihre Emissionen zu reduzieren . (24) • Neben der Einbeziehung in den EU-Emissionshandel käme grundsätzlich auch ein separates (geschlossenes) System nur für die Landwirtschaft in Frage. Von einem solchen Sys- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 013/18 Seite 26 tem könnten größere Minderungs- und Innovationsanreize ausgehen als bei einer Integration in den EU-Emissionshandel, da eine Verlagerung von Emissionsminderungen in die nicht landwirtschaftlichen Sektoren unterbunden wäre. Der Vorteil eines geschlossenen Systems läge auch in der Möglichkeit, eigenständige Handelsregeln für die Landwirtschaft zu entwickeln und zu erproben. Denn in einem geschlossenen Emissionshandel für die Landwirtschaft müssten die Handelsregeln nicht denen im bestehenden EU-Emissionshandel entsprechen, sondern sie können an die besonderen Bedürfnisse der Landwirtschaft angepasst sein. Dies könnte beispielsweise damit begründet werden, dass die Landwirtschaft die hohen Genauigkeitsanforderungen des EU-Emissionshandel (zunächst) nicht erfüllen kann. Allerdings blieben in dem Fall eines geschlossenen Systems sektorale Unterschiede in den Vermeidungskosten ungenutzt. Die Reduktion der Treibhausgase fiele dadurch teurer aus als bei Integration der Landwirtschaft in den EU-Emissionshandel . • Eine rein nationale Einbeziehung der Landwirtschaft in den EU-ETS erscheine im Hinblick darauf, dass gerade die Agrarpolitik der am stärksten auf die Gemeinschaftsebene verlagerte Politikbereich ist, nicht kohärent. In jedem Fall müsste ein Emissionshandel in der Landwirtschaft eng mit der gemeinsamen Agrarpolitik der EU verknüpft sein. • Als Zuteilungsverfahren von Emissionsberechtigungen für die Landwirtschaft sei vor allem die Auktionierung geeignet. Wegen großer Unterschiede in den regionalen Produktionsbedingungen und der Vielzahl der landwirtschaftlichen Erzeugnisse wäre ein produktbezogenes Benchmarking eine nur sehr schwer zu lösende Herausforderung. • Und schließlich brauche der Emissionshandel in der Landwirtschaft ein genaues und robustes Monitoring der THG-Emissionen. In Bezug auf das breite Spektrum an Minderungsmaßnahmen müsste die Emissionserfassung teilweise detaillierter sein als in den nationalen Inventaren, dazu bedürfe es ggf. neuer Emissionsfaktoren. Die Messung, Berichterstattung und Überprüfung der THG-Emissionen müsste – anders als in den Inventaren – betriebsscharf erfolgen. Für den nötigen Klimaschutz in der Landwirtschaft wäre dies eine erhebliche, aber für viele Minderungsmaßnahmen und -instrumente unumgängliche Herausforderung . Die Studie schlussfolgert, dass die Analyse insgesamt zeige, dass die Einführung eines Emissionshandels in der Landwirtschaft mit erheblichen Herausforderungen für das Monitoring und den Vollzug verbunden wäre. Dies liege wesentlich an der diffusen THG-Emissionsstruktur in der Landwirtschaft und der hohen Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe. Vielversprechende Ansatzpunkte seien die Intensivtierhaltung und die Lachgasemissionen durch den Düngemitteleinsatz , wobei jedoch noch zahlreiche Fragen zu klären seien. Insofern stelle der Emissionshandel in der Landwirtschaft eine Handlungsoption dar, die nur langfristig umsetzbar sei. Kurzfristig müssten alternative Instrumente eingesetzt werden, damit die Landwirtschaft einen stärkeren Beitrag als bisher zum Klimaschutz leiste (29). ***