© 2017 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 – 011/17 Zur Zulassung von Neonikotinoiden in ausgewählten Ländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 2 Zur Zulassung von Neonikotinoiden in ausgewählten Ländern Aktenzeichen: WD 8 - 3000 – 011/17 Abschluss der Arbeit: 28. Februar 2017 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. EU-Länder 4 3. Nicht-EU-Länder 6 3.1. USA 6 3.2. Kanada 8 3.3. Australien 9 3.4. China 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 4 1. Einleitung Bereits seit einigen Jahren mehren sich die Hinweise darauf, dass der Bestand verschiedener Honigbienenarten rückläufig ist. Obwohl es zahlreiche potenzielle Ursachen gibt, besteht der besondere Verdacht, dass die Anwendung von Insektiziden der Gruppe Neonikotinoide hierfür mindestens mit verantwortlich sein könnte. In wenigen Regionen der Welt existieren bislang Anwendungs-Beschränkungen wie in der Europäischen Union (EU). Auf Ersuchen der Kommission prüfte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wissenschaftliche Studien über Neonikotinoide hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Bienen und veröffentlichte Schlussfolgerungen, auf deren Grundlage die Kommission im Jahr 2013 die Verwendung der drei genannten Pestizide beschränkte. Gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 485/2013 ist die Verwendung von Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam nur noch für gewerbliche Anwendungen erlaubt und in bestimmten Kulturen für Saatgut-, Boden- und Blattbehandlungen gar nicht mehr bzw. nur nach der Blüte zulässig. In der vorliegenden Arbeit wird die Verwendung und Produktion sowie ggf. Beschränkung in ausgewählten Ländern (Frankreich, Italien, Österreich, Polen, Niederlande, USA, Kanada, Australien und China) dargestellt. Die Arbeit beschränkt sich auf die Darstellung der Verwendung von Neonikotinoiden bei Pflanzen (Saatgutbehandlung). 2. EU-Länder Eine auf 120 Tage begrenzte Ausnahme-Regelung („120-day derogation“) erlaubt es den EU-Mitgliedstaaten , ausnahmsweise bestimmte verbotene Pestizide einzusetzen. Die Genehmigung obliegt dem Mitgliedstaat.1 Im Zuge dessen haben verschiedene Länder, unter ihnen beispielsweise Finnland, Dänemark, Estland, Rumänien, Bulgarien und Serbien Ausnahmegenehmigungen erteilt .2 Für die Anwendung bei Pflanzen sind in den Ländern Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und Polen alle untersuchten Neonikotinoide entweder gar nicht zugelassen (Dinotefuran, Nitenpyram und Fipronil) oder allgemein zugelassen (Acetamiprid, Clothianidin, Imidacloprid und Thiacloprid). In den Niederlanden hingegen besteht für Fipronil eine Zulassung (siehe untenstehende Tabelle). 1 Quelle: http://www.pan-europe.info/old/Resources/Reports/PAN%20Europe%20-%202012%20- %20Meet%20(chemical)%20agriculture%20-%20The%20120-day%20derogation.pdf [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. 2 Quelle: http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/royprsb /suppl/2015/10/27/rspb.2015.1821.DC1/rspb20151821supp1.pdf [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 5 Quellenangabe: EU - Pesticides database3 Fipronil war ursprünglich 2007 in der EU zugelassen worden. In einer Risikoanalyse der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) vom 27. Mai 2013 wurde allerdings festgestellt, dass Fipronil ein hohes Risiko für Bienen darstellen könnte.4 Derzeit ist Fipronil lediglich in Belgien und den Niederlanden zugelassen.5 Die bewertende Behörde in den Niederlanden (ctgb, Board for the Authorisation of Plant Protection Products and Biocides) gibt zur Bewertung von Neonikotinoiden bekannt: Im Rahmen der Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden untersucht das ctgb, inwieweit die vorgesehene Verwendung ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt darstellen könnte. Risiken für die Bienengesundheit werden in die Bewertung mit einbezogen. Dies bedeutet insbesondere , dass für alle zugelassenen Neonikotinoid-haltigen Produkte ein akzeptables Risiko zum Zeitpunkt der Beurteilung festgestellt wurde. Mit Regelmäßigkeit werden neue Studien und wissenschaftliche Informationen über die Auswirkungen von Neonikotinoiden auf die Gesundheit der Bienen gesammelt. Das ctgb untersucht alle wissenschaftlichen Entwicklungen auf diesem 3 Die Daten wurden der „EU - Pesticides database“ entnommen (zuletzt zugegriffen am: 22. Februar 2017) und in der Tabelle vom Autor zusammengestellt. 4 Quelle: https://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/3158 [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. 5 Quelle: http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database/public/?event=activesubstance.detail &language=DE&selectedID=1363 [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 6 Gebiet sorgfältig. Sollten neue wissenschaftliche Informationen vorliegen, die in den Niederlanden ein Risiko für Mensch, Tier oder Umwelt darstellen, so wird das ctgb entsprechende Maßnahmen ergreifen.6 Informationen zu Fipronil finden sich auf den Seiten nicht.7 3. Nicht-EU-Länder 3.1. USA Die United States Environmental Protection Agency (EPA) ist eine Behörde der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zum Umweltschutz, die derzeit verschiedene Neonikotinoide begutachtet8: Chemical Name and Docket Number Planned Completion Milestones Imidacloprid EPA-HQ-OPP-2008- 0844 2018 preliminary pollinator-only risk assessment issued for public comment in 2016 preliminary aquatic-only ecological assessment issued for public comment in January 2017 potential early pollinator mitigation in 2017 preliminary human health risk assessment will be issued for public comment in 2017 updated pollinator and remainder of ecological risk assessments will be issued for public comment in 2018 Clothianidin EPA-HQ-OPP-2011- 0865 2018 preliminary pollinator-only risk assessment issued for public comment in January 2017 potential early pollinator mitigation in 2017 preliminary human health risk assessment will be issued for public comment in 2017 6 Übersetzung durch den Autor der Arbeit, Quelle: http://www.ctgb.nl/en/news/topic-dossiers/neonicotinoids [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. 7 Internetsuche per Suchfunktion (Stichwort „Fipronil“ am 27. Februar 2017). 8 Quelle: https://www.epa.gov/pollinator-protection/schedule-review-neonicotinoid-pesticides [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 7 updated pollinator and remainder of ecological risk assessments will be issued for public comment in 2018 Thiamethoxam EPA-HQ-OPP-2011- 0581 2018 preliminary pollinator-only risk assessment issued for public comment in January 2017 potential early pollinator mitigation in 2017 preliminary human health risk assessment will be issued for public comment in 2017 updated pollinator and remainder of ecological risk assessments will be issued for public comment in 2018 Dinotefuran EPA-HQ-OPP-2011- 0920 2018 preliminary pollinator-only risk assessment issued for public comment in January 2017 potential early pollinator mitigation in 2017 preliminary human health risk assessment will be issued for public comment in 2017 updated pollinator and remainder of ecological risk assessments will be issued for public comment in 2018 Acetamiprid EPA-HQ-OPP-2012- 0329 2018-2019 Draft risk assessments will be issued for public comment in 2018 Thiacloprid EPA-HQ-OPP-2012- 0218 Voluntarily cancelled by registrant Registration review case closure issued in November 2014 Zur Registrierung von Neonikotinoiden gibt die EPA- Behörde bekannt: Alle Neonikotinoide wurden nach 1984 registriert und müssen nicht erneut registriert werden. In Hinblick auf Umweltauswirkungen gab es einige Unsicherheiten seit ihrer Erstregistrierung. Daten deuten darauf hin, dass Reste von Neonikotinoiden in Pollen und Nektar von behandelten Pflanzen sich ansammeln könnten und eine potenzielle Exposition gegenüber Bestäubern darstellen könnten. Nebenwirkungen sowie Auswirkungen auf Bienen wurden diskutiert. Daher wird eine verfeinerte Untersuchung zur ökologischen Risikobewertung während der Registrierung überprüft. Im September 2008 wurde eine Überprüfung zu Imidacloprid und im März 2009 eine Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 8 zu Nithiazine begonnen. Um eine adäquate Diskussions- und Handlungsebene für die Neonikotinoid -Klasse als Ganzes zu gewährleisten und die neue Forschung bestmöglich zu nutzen, wurden weitere Überprüfungen veranlasst. Die Begutachtungsvorhaben sind dem „Registration Review Schedule“ zu entnehmen.9 3.2. Kanada In der Provinz Ontario in Kanada wurden im Juli 2015 Restriktionen für die Verwendung von Neonikotinoiden bei Mais- und Sojakulturen eingeführt (gültig für Imidacloprid, Thiamethoxam, Clothianidin10).11 Dabei ist das Ziel, die Zahl der mit Neonikotinoiden behandelten Mais- und Sojabohnenkulturen bis 2017 um 80 Prozent zu senken.12 Landwirte, die Saatgutkulturen mit Neonikotinoiden behandeln möchten, müssen Beweise für ein bestehendes Schädlings-Problem liefern . Anwendungsbeschränkungen existieren seit 2015 auch in Montreal.13 Derzeit ist jegliche Verwendung von Pestiziden der Neonikotinoid-Familie außerhalb von Gebäuden verboten. Dies gilt ausnahmslos für jede Art von Anwendung oder der Landnutzung.14 Im November 2016 schlug das kanadische Gesundheitsministerium vor, die Verwendung von Imidacloprid weitgehend gänzlich zu verbieten. Dabei stützt sich das Ministerium auf eine Risikoabschätzung , bei der allerdings Bienen nicht im Vordergrund stehen. Vielmehr argumentiert das Ministerium, dass durch Auswaschung ins Wassersystem Insekten sowie das Ökosystem zu Schaden kommen könnten. Der Senatsbericht hält Neonikotinoide für schädlich, fordert allerdings zunächst weitergehende Studien.15 9 Quelle: https://www.epa.gov/pesticide-reevaluation/groups-pesticides-registration-review#neonic [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. Übersetzung durch den Autor der Arbeit. 10 Quelle: https://www.ontario.ca/page/neonicotinoid-regulations [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. 11 Quelle: http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/Oxford%20Martin%20Restatement3_Neonicotinoids 2015.pdf [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. 12 Quelle: https://www.ontario.ca/page/neonicotinoid-regulations [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. 13 Quelle: http://ville.montreal.qc.ca/portal/page?_pageid=5798,42657625&_dad=portal&_schema=POR- TAL&id=26124&ret=http://ville.montreal.qc.ca/pls/portal/url/page/prt_vdm_fr/rep_annonces_ville/rep_communiques /communiques [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. 14 Informationen der Stadt Montreal: http://ville.montreal.qc.ca/portal/page?_pageid=7237,74725719&_dad=portal &_schema=PORTAL [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]; Originalzitat: “Toute utilisation de pesticides de la famille des néonicotinoïdes est dorénavant interdite à l’extérieur des bâtiments. Il n’est plus permis de les utiliser. Cette mesure s’applique sans exception à tout type d’application ou d’usages sur le territoire.” 15 Quelle: http://www.cbc.ca/news/canada/british-columbia/health-canada-imidacloprid-neonicotinoid-1.3864450 [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 9 3.3. Australien In einem Übersichts-Bericht der australischen Regierung aus dem Jahr 2014 findet sich eine Liste der in Australien zugelassenen Neonikotinoide und ihr Anwendungsgebiet: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 10 Quelle: Australian Pesticides and Veterinary Medicines Authority (APVMA): Overview Report: Neonicotinoids and the Health of Honey Bees in Australia. ISBN: 978-1-922188-51-9, 2013. (Seite 85 f). Im Juli 2016 verteidigte die australische Behörde, die die Risikoabschätzungen vornimmt (APVMA), ihren wissenschaftlichen Ansatz der Risikoabschätzung und bezeichnete die Prozedur als sicher.16 Eine Sammlung bestehender Regelungen zu Pestiziden in Australien ist auch auf den Internet- Seiten der OECD abrufbar.17 16 Quelle: http://apvma.gov.au/node/20436 [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. 17 Quelle: https://www.oecd.org/chemicalsafety/risk-mitigation-pollinators/laws-policies-guidance.htm [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 011/17 Seite 11 3.4. China Die Produktion und der Einsatz von Insektiziden spielt für China eine herausragende Rolle. Insektizide machen 44% aller in China eingesetzten Pestizide aus. Organophosphat und Carbamat- Insektizide werden inzwischen schrittweise vom Markt genommen, wodurch die Nachfrage nach Neonikotinoiden steigt. Am häufigsten wird das Insektizid Imidacloprid verwendet. Hierfür entstehen jährlich Ausgaben in Höhe von rund 1,9 Milliarden US-Dollar. Dies entspricht 24% des weltweiten Insektizid-Marktes. Acht Neonikotinoide: Acetamiprid, Clothianidin, Dinotefuran, Imidacloprid, Nitenpyram, Thiacloprid, Thiamethoxam und Sulfoxaflor wurden kommerzialisiert und weltweit verkauft. An chinesischen Universitäten und Forschungsinstituten werden in Großprojekten die Entwicklung von neuartigen Neonikotinoiden sowie die Toxikologie erforscht .18 Ein Verbot von Neonikotinoiden in China zeichnet sich nicht ab.19 Allerdings wurden Produktionsobergrenzen vom chinesischen Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) festgelegt, weil die derzeitigen Produktionsraten für Imidacloprid und Acetamiprid als zu hoch angesehen wurden. In einem chinesischen wissenschaftlichen Übersichtsartikel wird zur Durchführung der Regelungen bemerkt, die Firmen würden überprüft und diejenigen, die die Standards für Abfälle, Wasser und Gase nicht erfüllten, geschlossen.20 Weiterhin teilt die China Crop Protection Industry Association (CCPIA)21 mit, sie habe eine Imidacloprid-Kooperationsgruppe eingerichtet und dem MIIT verschiedene Leitlinien vorgeschlagen („The Permission for Imidacloprid AI Production“), in denen Informationen zu Fertigungsstandorten, Technologie, Ausrüstung, Produktionsmaßstab, Ressourcenverbrauch, Nutzung, Umweltschutz, Sicherheit, Abwasserentsorgung, Qualitätssicherung, Rohstoffqualität, Management, Supervision, u.a. enthalten seien.22 *** 18 Shao, Xusheng et al.: Overall status of neonicotinoid insecticides in China: Production, application and innovation , J. Pestic. Sci. 38(1), 1-9 (2013); DOI: 10.1584/jpestics.D12-037 vom 14. Februar 2013. Im Internet abrufbar unter: https://www.jstage.jst.go.jp/article/jpestics/38/1/38_D12-037/_pdf [zuletzt abgerufen am 13. Februar 2017]. 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Die China Crop Protection Industry Association (abgekürzt als CCPIA) ist eine 1984 gegründete Non-Profit-Organisation unter dem Ministerium für Zivile Angelegenheiten (Quelle: http://www.agrochemex.org/our_association /about_organizer/ [zuletzt abgerufen am 27. Februar 2017]). 22 Ebd.