© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Rechtliche Fragen zur Übertragbarkeit des österreichischen Altlastensanierungsgesetzes auf Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 2 Rechtliche Fragen zur Übertragbarkeit des österreichischen Altlastensanierungsgesetzes auf Deutschland Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Abschluss der Arbeit: 24. Februar 2021 Fachbereiche: WD 4: Haushalt und Finanzen WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Österreichisches Altlastensanierungsgesetz (Fachbereich WD 4) 4 2.1. Subjektive Beitragspflicht (§ 4 öALSAG) 4 2.2. Objektive Beitragspflicht (§ 3 öALSAG) 4 2.3. Ausnahmen von der Beitragspflicht (§ 3 öALSAG) 4 2.4. Bemessungsgrundlage und Beitragssatz (§§ 5, 6 öALSAG) 5 2.5. Erhebungsverfahren 5 2.6. Zweckbindung des Aufkommens 5 3. Derzeitiger Rechtsrahmen für die Altlastensanierung und Abfallentsorgungsentgelte in Deutschland (Fachbereich WD 8) 5 3.1. Grundlagen der Altlastensanierung 5 3.2. Abfallrechtliche Regelungen zur Höhe von Entgelten 6 4. Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines Altlastenbeitrags in Deutschland (Fachbereich WD 4) 6 4.1. Steuer oder Sonderabgabe? 6 4.1.1. Altlastenbeitrag als Zwecksteuer 7 4.1.2. Abgrenzung zur Sonderabgabe 9 4.1.3. Hilfsweise: Rechtmäßigkeitskriterien für Sonderabgaben 10 4.2. Keine Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes 11 4.2.1. Keine Verbrauchsteuer 11 4.2.2. Keine Verkehrsteuer 13 4.3. Keine Steuergesetzgebungskompetenz der Länder 14 5. Zusammenfassung 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt wird, ob durch Einführung eines Altlastenbeitrages nach dem Modell des österreichischen Altlastensanierungsgesetzes1 in Deutschland Finanzmittel für die Altlastensanierung eingenommen werden könnten. Weiter wird gefragt, ob ein solcher Altlastenbeitrag auch durch ein einzelnes Land eingeführt werden kann, wenn eine bundeseinheitliche Regelung nicht möglich ist oder nicht erfolgt. Dazu werden im Folgenden die wesentlichen Inhalte des österreichischen Altlastensanierungsgesetzes kurz dargestellt, soweit sie die Erhebung des Altlastenbeitrages betreffen . Dann wird der derzeitige umwelt- und abfallrechtliche Rahmen skizziert, in den sich eine Übertragung des österreichischen Regelungskonzepts einfügen müsste. Schließlich wird untersucht , ob der Bund oder die Länder aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines solchen Altlastenbeitrages haben. 2. Österreichisches Altlastensanierungsgesetz (Fachbereich WD 4) 2.1. Subjektive Beitragspflicht (§ 4 öALSAG) Beitragspflichtig sind in erster Linie Inhaber von Anlagen, in denen Abfälle entsorgt werden, z.B. von Deponien, Verbrennungsanlagen und Hochöfen. Im Falle des Beförderns von notifizierungspflichtigen Abfällen in das Ausland ist die notifizierungspflichtige Person beitragspflichtig. In den „übrigen Fällen“ ist der Veranlasser der beitragspflichtigen Tätigkeit oder hilfsweise die Person , die die beitragspflichtige Tätigkeit duldet, abgabepflichtig. 2.2. Objektive Beitragspflicht (§ 3 öALSAG) Beitragspflichtig sind insbesondere folgende Handlungen im Bundesgebiet: das Ablagern von Abfällen , das Verbrennen von Abfällen in Verbrennungsanlagen, das Verwenden von Abfällen zur Herstellung von Brennstoffprodukten und das Einbringen von Abfällen in einen Hochofen. Daneben ist auch die Beförderung der Abfälle beitragspflichtig, um die zuvor genannten Handlungen außerhalb des Bundesgebiets zu vollziehen. Im Hinblick auf das Ablagern von Abfällen und die Abgabepflicht der Deponiebetreiber weist der Altlastenbeitrag Parallelen zu der Anfang der 90er Jahre in Deutschland geplanten, aber nicht eingeführten Deponieabgabe als Teil des Entwurfs eines Bundesabfallabgabengesetzes auf.2 2.3. Ausnahmen von der Beitragspflicht (§ 3 öALSAG) Zahlreiche Ausnahmen von der Beitragspflicht beziehen sich auf bestimmte Materialien (z.B. Berge und Abraummaterial, radioaktive Stoffe, Sprengstoffabfälle, Aushubmaterial, Recycling- Baustoffe, tierische Nebenprodukte, Stahlwerksschlacken) oder auf bestimmte Tätigkeiten (z.B. 1 Bundesgesetz vom 7. Juni 1989 zur Finanzierung und Durchführung der Altlastensanierung (Altlastensanierungsgesetz ), BGBl. Nr. 299/1989, aktuelle Fassung unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage =Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010583. 2 Vgl. dazu Arndt, BB Beilage 1992, Nr. 8, S. 1 (2). Zu in einigen Ländern in den 90er Jahren erhobenen Sonderabfallabgaben siehe Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, 2000, S. 45 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 5 das Umlagern von Abfällen innerhalb einer Deponie oder Tätigkeiten, für die bereits ein Altlastenbeitrag entrichtet wurde). Eine Ausnahme gilt außerdem für Abfälle, die im Zusammenhang mit Katastrophenereignissen anfallen. 2.4. Bemessungsgrundlage und Beitragssatz (§§ 5, 6 öALSAG) Bemessungsgrundlage ist das Rohgewicht des Abfalls inklusive Verpackung. Der Beitragssatz variiert je nach Abfall- und Deponiekategorie sowie nach der beitragspflichtigen Tätigkeit von 8 Euro bis zu 87 Euro je angefangener Tonne Abfall. 2.5. Erhebungsverfahren Die Erhebung des Altlastenbeitrags erfolgt durch das Zollamt Österreich. Die Beitragspflicht entsteht mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die beitragspflichtige Tätigkeit vorgenommen wurde (§ 7 Abs. 1 öALSAG). Der Altlastenbeitrag ist kalendervierteljährlich elektronisch anzumelden und zu entrichten (§ 9 Abs. 2 öALSAG). 2.6. Zweckbindung des Aufkommens Das Aufkommen des Altlastenbeitrags betrug im Jahr 2018 79,3 Mio. Euro.3 Es fließt allein dem Bund zu. § 11 Abs. 2 öALSAG schreibt eine ausdrückliche vollumfängliche Zweckbindung des Aufkommens vor, u.a. für die Erfassung von Altlasten, die Erstellung eines Altlastenatlasses, für Maßnahmen der Altlastensicherung und Altlastensanierung, für die Errichtung, Erweiterung und Verbesserung von Abfallbehandlungsanlagen, für Studien und Projekte, zur Finanzierung von Ersatzvornahmen und Sofortmaßnahmen. 3. Derzeitiger Rechtsrahmen für die Altlastensanierung und Abfallentsorgungsentgelte in Deutschland (Fachbereich WD 8) 3.1. Grundlagen der Altlastensanierung Der derzeitige Rechtsrahmen für die Altlastensanierung richtet sich vor allem nach dem Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG). In dessen Regelungskonzept müsste eine Kostentragung der öffentlichen Hand für bestimmte Aspekte der Altlastensanierung eingepasst werden. § 4 Absatz 3 BBodSchG sieht vor, dass neben dem Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast (und seinem Gesamtrechtsnachfolger) insbesondere der Eigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt zur Sanierung verpflichtet sind. Die Auswahl zwischen verschiedenen Sanierungsverpflichteten steht im behördlichen Ermessen. Zwischen mehreren Sanierungsverpflichteten können zivilrechtliche Ausgleichsverpflichtungen bestehen.4 3 Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Daten, Zahlen und Fakten 2019/2020, S. 106 (www.bmlrt.gv.at/service/publikationen/allgemein/daten-zahlen-fakten-2019-2020.html http://www.bmlrt.gv.at/service/publikationen/allgemein/daten-zahlen-fakten-2019-2020.html ). 4 Dazu Dombert, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 93. EL August 2020, BBodSchG § 4, Rn. 14 ff: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 6 Bei komplexeren Altlastenfällen soll die Behörde von den Sanierungsverpflichteten einen Sanierungsplan verlangen (§ 13 Abs. 1 BBodSchG). Unter den Voraussetzungen des § 14 BBodSchG kann die Sanierungsplanung auch durch die Behörde erstellt oder beauftragt werden. Die Kostentragungspflicht ist in § 24 BBodSchG geregelt. 3.2. Abfallrechtliche Regelungen zur Höhe von Entgelten § 44 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) regelt die Bemessung der Entgelte, die für die Entsorgung von Abfällen zu erheben sind.5 Ziel der Regelung ist, dass sämtliche Kosten der Abfallablagerung einschließlich der Stilllegung und Nachsorge bei der Erhebung von privatrechtlichen Entgelten bzw. öffentlich-rechtlichen Gebühren berücksichtigt werden. Dadurch wird dem Verursacherprinzip Rechnung getragen. Bei der Berechnung der Entgelte bzw. Gebühren wird berücksichtigt, dass ein erheblicher Teil der Kosten erst nach Ende des Ablagerungsbetriebs anfallen.6 § 44 Absatz 3 KrWG verweist für die Gebühren der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf Landesrecht. Das umfassende Regelungskonzept des § 44 KrWG dürfte abschließend sein und daher die Erhebung weiterer Abgaben zur Finanzierung eines Altlastensanierungsfonds durch die Länder derzeit ausschließen.7 4. Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines Altlastenbeitrags in Deutschland (Fachbereich WD 4) 4.1. Steuer oder Sonderabgabe? Um aus Sicht des deutschen Abgabenrechts die Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen sowie die materiell-rechtlichen Anforderungen an eine Abgabe zu bestimmen, sind Abgaben zu klassifizieren.8 Liegt eine Steuer im verfassungsrechtlichen Sinne vor, bestimmt sich die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG, die Ertragskompetenz nach Art. 106 GG und die Verwaltungskompetenz nach Art. 108 GG.9 5 § 44 KrWG setzt dabei die Regelungen von Art. 10 der Deponie-Richtlinie (Richtlinie 1999/31/EG) um. 6 Beckmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 93. EL August 2020, § 44 KrWG Rn. 1; Kaster, in: Beck- OK Umweltrecht, 57.Ed. 1.1.2021, § 44 KrWG, Vorb. 7 Zur Unvereinbarkeit landesrechtlicher Abgaben mit einem bundesrechtlichen Regelungskonzept vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998, 2 BvR 1876/91 u.a., verfügbar unter: . 8 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 208. 9 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 212. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 7 Bei dem Altlastenbeitrag handelt es sich nicht um eine Gebühr oder einen Beitrag. Gebühren und Beiträge werden als Gegenleistung für staatliche Leistungen erbracht, um einen Aufwand der öffentlichen Hand weiterzugeben oder um die Vorteile desjenigen, dem eine öffentliche Leistung gewährt wird, ganz oder teilweise abzuschöpfen.10 Im Gegensatz zu Steuern weisen Gebühren und Beiträge also einen Gegenleistungsbezug auf; der Abgabenpflichtige erhält eine individuell zurechenbare Leistung (Gebühr11) oder die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung oder Einrichtung (Beitrag).12 Der Altlastenbeitrag wird nicht für die konkrete oder mögliche Inanspruchnahme z.B. einer Deponie oder einer sonstigen Einrichtung erhoben. Er wird auch nicht – im weitesten Sinne – als Gegenleistung für die Inanspruchnahme eines „der Bewirtschaftung unterliegenden Gutes der Allgemeinheit“13 und damit eines Sondervorteils z.B. in Gestalt der Nutzung von Verschmutzungsrechten erhoben. Dem Altlastenbeitrag fehlt der Gegenleistungsbezug . Es kommt auch nicht darauf an, ob es sich um eine öffentliche Einrichtung handelt, in der der Abfall abgelagert wird. 4.1.1. Altlastenbeitrag als Zwecksteuer Steuern sind öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast ohne individuelle Gegenleistung („voraussetzungslos “) zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden.14 Nach § 3 Abs. 1 AO sind Steuern einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.15 Der Altlastenbeitrag nach österreichischem Modell erfüllt alle Merkmale des Steuerbegriffs. Es handelt sich um eine aufgrund eines Gesetzes erhobene Geldleistung, die ohne Gegenleistung zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben erhoben wird. Der Altlastenbeitrag dient der Einnahmeerzielung und hat einen Finanzierungszweck. Soweit damit auch umweltpolitische Zwecke verfolgt werden, ändert dies nichts am Charakter einer Abgabe als Steuer, solange sie nicht auf ein „Null- 10 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 101. 11 Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken, Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 270. 12 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 269 f. 13 Vgl. dazu BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 101. 14 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 100. 15 Die einfach-rechtliche Definition in § 3 Abs. 1 AO stimmt mit dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff überein , Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 214. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 8 aufkommen“ abzielt oder erdrosselnde Wirkung hat und damit auf ein faktisches Verbot hinausläuft .16 Dies ist beim Altlastenbeitrag nicht der Fall, da auf absehbare Zeit weiterhin beitragspflichtiger Abfall anfallen wird und das Aufkommen weiterhin zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beiträgt. Zwar sieht das Altlastensanierungsgesetz eine vollständige Zweckbindung des Aufkommens vor (§ 11 Abs. 2 öALSAG, siehe oben). Dennoch handelt es sich bei einer solchen Zwecksteuer um eine Steuer.17 Die Bindung der Einnahmen aus einer Steuer an einen bestimmten Ausgabenzweck im Sinne einer rechtlichen Verwendungsbindung ist grundsätzlich zulässig.18 Nach § 7 Satz 2 HGrG bzw. § 8 Satz 2 BHO dürfen Einnahmen auf die Verwendung für bestimmte Zwecke beschränkt werden, soweit dies durch Gesetz vorgeschrieben19 oder im Haushaltsplan zugelassen ist. Eine solche Zweckbindung (Einnahmen-Ausgaben-Koppelung) führt zu einer Beschränkung von Einnahmen auf die Verwendung für bestimmte Ausgabezwecke.20 Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht sind solche Zweckbindungen von Steuern nach überwiegender Auffassung zulässig.21 Das BVerfG hält Zweckbindungen von Einnahmen aus einer Steuer in Einzelfällen grundsätzlich für verfassungsrechtlich unbedenklich.22 Eine möglicherweise verfassungswidrige Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers könne allenfalls angenommen werden, wenn „Zweckbindungen in unvertretbarem Ausmaß“ stattfänden.23 Solange sich die Zweckbindung nur auf einen kleineren Teil der staatlichen Einnahmen bezieht, der ganz überwiegende Teil aber ungebunden bleibt,24 ist eine Zweckbindung der Einnahmen aus einer Steuer verfassungsrechtlich nicht problematisch. Die vollständige Zweckbindung der Einnahmen aus einem deutschen Altlastenbeitrag wie in § 11 öALSAG dürfte daher nach den weit 16 Vgl. Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 220 f. 17 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 224. 18 Dabei ist zwischen einer rechtlichen Verwendungsbindung und einer nur politischen Verwendungsabsicht strikt zu trennen, Waldhoff, StuW 2002, 285 (297). 19 Nr. 1.1 VV-BHO zu § 8 BHO verlangt eine ausdrückliche Regelung im Gesetz; dazu Gröpl, in: Gröpl, 2. Aufl. 2019, BHO § 8 Rn. 13 f.; zu Beispielen dort Rn. 17. 20 Gröpl, in: Gröpl, 2. Aufl. 2019, BHO § 8 Rn. 11. 21 Vgl. Waldhoff, StuW 2002, 285 (297). 22 BVerfG, Urteil v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a., NJW 2018, 3223, Rn. 53. 23 BVerfG, Beschluss v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469 (472); BVerfG, Urteil v. 20.4.2004 – 1 BvR 1748/99, 905/00, NVwZ 2004, 846 (848) zur Zweckbindung von Einnahmen (siehe § 213 Abs. 4 SGB VI) aus der Stromsteuer und der damaligen Mineralölsteuer im Rahmen der 1999 eingeführten ökologischen Steuerreform. 24 Vgl. auch Waldhoff, StuW 2002, 285 (307). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 9 gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen für Zwecksteuern zulässig sein. Verlangt man weitergehend einen Sachzusammenhang zwischen dem spezifischen Erhebungszweck der Steuer und ihrem Verwendungszweck,25 dürfte dem beim Altlastenbeitrag auch Genüge getan sein. 4.1.2. Abgrenzung zur Sonderabgabe Wie Steuern sind Sonderabgaben hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten, die unabhängig von einer Gegenleistung erhoben werden. Die Sonderabgabe unterscheidet sich von der Steuer dadurch, dass sie die Abgabenschuldner über die allgemeine Steuerpflicht hinaus mit Abgaben belastet, ihre Kompetenzgrundlage in einer Sachgesetzgebungszuständigkeit sucht und das Abgabeaufkommen einem Sonderfonds zur Finanzierung besonderer Aufgaben vorbehalten ist.26 Sonderabgaben bewegen sich also verfassungsrechtlich außerhalb der Regelungen der Finanzverfassung und geraten in eine Konkurrenzsituation zu Steuern.27 Für die Qualifizierung einer Abgabe als Steuer oder nichtsteuerliche Abgabe sind die Ausgestaltung des betreffenden Gesetzes und der materielle Gehalt der Abgabe maßgeblich, nicht dagegen ihre gesetzliche Bezeichnung.28 Kennzeichen der Sonderabgabe ist, dass sie – vom allgemeinen Haushalt separiert – zweckgebunden und gruppennützig verwendet wird.29 Sie beruht auf einem besonderen Belastungsgrund, der die Gruppe der Abgabepflichtigen als solche trifft und sich in einer Finanzierungsverantwortung für ein bestimmtes Staatshandeln niederschlägt.30 Ziel des Altlastensanierungsgesetzes ist die Finanzierung der Sicherung und Sanierung von Altlasten (§ 1 öALSAG). Zwar wird das Aufkommen des Altlastenbeitrags zweckgebunden eingesetzt . Gegen die Einordnung als Sonderabgabe spricht allerdings, dass das Aufkommen nicht in einem Sonderfonds erfasst wird, dass der Beitrag dauerhaft erhoben wird und kein bestimmter Finanzbedarf für die finanzierten Aufgaben festgelegt wurde.31 Vor allem aber wird das Aufkommen nicht gruppennützig verwendet, sondern zur Finanzierung von öffentlichen Aufgaben, die im Interesse der Allgemeinheit liegen und für die eine besondere Finanzierungsverantwortung gerade der Gruppe der Beitragspflichtigen nicht besteht. Die Aufgaben, die nach der konkreten 25 Siehe Waldhoff, StuW 2002, 285 (307 ff.), der im Hinblick auf die konkrete Abgabe einen tragfähigen Rechtfertigungsgrund für die Zweckbindung verlangt; danach muss eine Äquivalenzbeziehung zwischen den Abgabepflichtigen und der konkreten Sachaufgabe, eine Verkoppelung von Einnahme und Ausgabe, bestehen; vgl. dazu auch Selmer, JuS 2004, 813 (815). 26 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 102. 27 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 303, 305. 28 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 103. Für Abgrenzung nach dem gesetzgeberischen Regelungswillen statt nicht eindeutiger äußerer Merkmale Thiemann, AöR 138 (2013), 60 (77 ff.). Für Abgrenzung nach dem objektiven Zweck der Abgabe Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, 2000, S. 193, der zufolge (S. 73) die Abgrenzung in einem kaum lösbaren Spannungsverhältnis stehe. 29 Vgl. Seiler, in: Maunz/Dürig, 92. EL August 2020, GG Art. 105 Rn. 84. 30 Thiemann, AöR 138 (2013), 60 (75) mit Hinweis auf die äußere Ähnlichkeit zu Zwecksteuern. 31 Vgl. zu diesen Indizien auch Thiemann, AöR 138 (2013), 60 (78 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 10 Zweckbindung (siehe oben) erfüllt werden sollen, sind so weit gefasst, dass sie über einen spezifischen Zusammenhang zur Gruppe der Beitragspflichtigen hinausgehen, sowohl im Hinblick auf ihre Finanzierungsverantwortung als auch im Hinblick auf die gruppennützige Verwendung. So sind die vorrangig beitragspflichtigen Anlagenbetreiber z.B. nicht für die Erfassung, Sicherung und Sanierung von Altlasten im Bundesgebiet verantwortlich.32 Der Altlastenbeitrag wird also auch von Personen erhoben, die keinen spezifischen Nutzen aus der Verwendung des Aufkommens ziehen können.33 Nach alledem dürfte es sich bei dem Altlastenbeitrag um eine Steuer (Zwecksteuer) und nicht um eine Sonderabgabe handeln. 4.1.3. Hilfsweise: Rechtmäßigkeitskriterien für Sonderabgaben Aus dieser Ausgestaltung des Altlastenbeitrags folgt zugleich34, dass er als Sonderabgabe die nach der Rechtsprechung des BVerfG an die Verfassungsmäßigkeit einer Sonderabgabe mit Finanzierungszweck gestellten Anforderungen nicht erfüllen würde. Danach muss die Sonderabgabe eine homogene Gruppe belasten, die von der Allgemeinheit und anderen Gruppen klar abgrenzbar ist; diese Gruppe muss eine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die zu finanzierende Aufgabe treffen; und das Aufkommen der Sonderabgabe muss gruppennützig verwendet werden .35 Dabei kann offen bleiben, ob die Abgabepflichtigen eine homogene Gruppe bilden, was im Hinblick auf die vorrangig beitragspflichtigen Anlagenbetreiber noch bejaht werden könnte. Die Anlagenbetreiber trifft jedoch keine besondere Finanzierungsverantwortung für die Aufgaben der Altlastensicherung und –sanierung im Allgemeinen. Schließlich wird das Aufkommen aus dem Altlastenbeitrag nicht zu ihren Gunsten gruppennützig verwendet (siehe oben). Als Sonderabgabe wäre der Altlastenbeitrag folglich wegen Verstoßes gegen das Steuerstaatsprinzip36 verfassungswidrig . Dies gilt für die Einführung durch Bund und Länder gleichermaßen.37 32 Hierbei handelt es sich um den Hauptzweck des Altlastensanierungsgesetzes und nicht nur um eine ggf. unbeachtliche untergeordnete Verwendung der Mittel; vgl. auch Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 67 f., wonach eine überwiegende gruppennützige Verwendung ausreichen soll. 33 Zur Einordnung als Zwecksteuer statt als Sonderabgabe gelangte auch Kügel, NVwZ 1994, 535 (536 f.) im Hinblick auf die in den 90er Jahren bestehenden Sonderabfallabgaben einiger Länder, a.A. allerdings Hendler, NuR 1996, 165 (166). Siehe auch Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 67, der die Gruppenverantwortung für den Vorschlag einer Sonderabfallerzeugerabgabe bejaht, die allerdings einen anderen, engeren Kreis von Abgabepflichtigen (Abfallerzeuger) betroffen hätte. 34 Zum Problem der Vermengung von Begriffsmerkmalen und Rechtfertigungsvoraussetzungen der Sonderabgaben siehe Thiemann, AöR 138 (2013), 60 (74 ff.). 35 Vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rn. 2.26 ff. 36 So Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 312 (und nicht „nur“ weil die Abgabe von der Sachkompetenznorm nicht gedeckt ist). 37 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 467 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 11 4.2. Keine Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes Handelt es sich bei dem Altlastenbeitrag um eine Steuer, richtet sich die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG. Nach Art. 105 Abs. 2 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Übrige Steuern in diesem Sinne sind nur die in Art. 106 GG genannten Steuern bzw. Steuerarten. Über andere dort nicht ausdrücklich genannte Steuern oder Steuerarten haben Bund und Länder keine Gesetzgebungskompetenz; dem einfachen Gesetzgeber kommt kein freies Steuererfindungsrecht zur Einführung anderer Steuern zu.38 Diese Sperrwirkung der Finanzverfassung zur Etablierung in Art. 106 GG nicht genannter Steuern gilt auch für die Länder, die daher ebenfalls kein Steuererfindungsrecht haben.39 Die in Art. 105 GG und Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten sind Typusbegriffe; neue Steuern sind daher daraufhin abzugleichen, ob sie dem Typus einer herkömmlichen Steuer entsprechen .40 Der Altlastenbeitrag kann daher nur eingeführt werden, wenn er dem Typus einer der in Art. 105 GG und Art. 106 GG genannten Steuern oder Steuerarten entspricht. 4.2.1. Keine Verbrauchsteuer Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Verbrauchsteuern (Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG). Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Verbrauchsteuern von den Unternehmensteuern abzugrenzen, die nicht die Einkommensverwendung, sondern die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen. Bei der Verbrauchsteuer handele es sich im Regelfall um eine indirekte Steuer, die beim Hersteller erhoben werde und auf eine Abwälzung auf den (End-)Verbraucher angelegt sei. Der Typusbegriff der Verbrauchsteuer erfordere den Verbrauch eines Gutes des ständigen Bedarfs und knüpfe regelmäßig an den Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen Wirtschaftsverkehr an.41 Auf dieser Grundlage definiert das BVerfG Verbrauchsteuern als Steuern , die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten und die aufgrund eines äußerlich erkennbaren Vorgangs (zB Übergang in den Wirtschaftsverkehr) von demjenigen als Steuerschuldner erhoben werden, in dessen Sphäre sich der Vorgang verwirklicht; die Steuer wird wirtschaftlich regelmäßig nicht vom Steuerschuldner, sondern im Wege der Überwälzung vom Endverbraucher getragen.42 Diese Kriterien erfüllt der Altlastenbeitrag nicht. 38 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 69 ff. Zum Streit darum siehe Tappe/Wernsmann , Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 251 ff. 39 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 94 ff. 40 Innerhalb der durch Art. 105 GG und Art. 106 GG vorgegebenen Typusbegriffe verfügt der Gesetzgeber über eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 64. 41 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 112. 42 So die Definition in BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 113. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 12 Verbrauchsteuern sind in der Regel indirekte Steuern, die auf Abwälzung auf den Endverbraucher angelegt sind, so dass Steuerschuldner (Unternehmer) und Steuerträger zu unterscheiden sind.43 Zumindest das Merkmal der Abwälzbarkeit könnte der Altlastenbeitrag erfüllen. Denn Steuerschuldner sind vorrangig die Anlagenbetreiber, deren Tätigkeit verteuert wird und die folglich versuchen werden, diese Belastung auf diejenigen abzuwälzen, die die Anlagen zum Zwecke der Entsorgung von Abfall in Anspruch nehmen. Wesentliches Merkmal der Verbrauchsteuer ist weiter der Verbrauch eines Gutes, das der Befriedigung des ständigen privaten Bedarfs dient.44 Ein Verbrauch setzt voraus, dass das Gut nach der Verwendung nicht mehr existent, funktions- oder wertlos ist.45 Dies ist beim Altlastenbeitrag nicht der Fall, soweit nicht der Verbrauch von Abfall, sondern der Anfall von Abfall – gleichsam als Gegenteil des Verbrauchs – besteuert wird.46 Aber auch die Tatbestandsalternativen des Verbrennens von Abfällen oder des Einbringens in einen Hochofen sind wie das Ablagern von Abfall nur Varianten der notwendigen Beseitigung des Abfalls, die ihren Belastungsgrund nicht im Verbrauch des Abfalls, sondern im Anfall des Abfalls haben. Schließlich handelt es sich nicht um ein Gut des ständigen privaten Bedarfs; eine konsumtive Nutzung des besteuerten Gutes Abfall durch Endverbraucher ist ausgeschlossen. Auch das Merkmal des Übergangs des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen Wirtschaftsverkehr, also das Inverkehrbringen des verbrauchsfähigen Gutes als Vorstufe des indirekt erfassten späteren Verbrauchs47 ist hier nicht erfüllt. Der beitragspflichtige Abfall wird vielmehr außer Verkehr gebracht, und zwar zum Zwecke seiner notwendigen Entsorgung. Dies gilt auch für die Tatbestandsalternativen des Verbrennens und des Einbringens in einen Hochofen als Varianten der Entsorgung. Der Altlastenbeitrag erfüllt daher wesentliche Merkmale des Typusbegriffs der Verbrauchsteuer nicht.48 43 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 119. 44 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 128. 45 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 129. 46 Vgl. auch Arndt, BB Beilage 1992, Nr. 8, S. 1 (7) zu der Anfang der 90er Jahre geplanten, aber nicht eingeführten Bundesabfallabgabe. 47 Vgl. Seiler, in: Maunz/Dürig, 92. EL August 2020, GG Art. 105 Rn. 94. 48 Zu diesem Ergebnis gelangte auch Kügel, NVwZ 1994, 535 (538) im Hinblick auf die in den 90er Jahren bestehenden Sonderabfallabgaben einiger Länder. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 13 4.2.2. Keine Verkehrsteuer Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Verkehrsteuern, wenn die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen (Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG). Verkehrsteuern knüpfen an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs an.49 Dies kann z.B. der Abschluss eines Vertrages sein; Realakte können aber genügen, auch ohne dass ein Rechtsvorgang vorausgegangen ist, wenn damit atypische Fälle zur Vermeidung von Gesetzeslücken in Auffangtatbeständen erfasst werden, auch wenn diese bei isolierter Betrachtung dem Typus der Verkehrsteuer nicht mehr entsprechen.50 Da die Verkehrsteuer an einen Akt des Rechtsverkehrs anknüpft, kommen i.d.R. auch zwei mögliche beteiligte Steuerschuldner in Betracht; sie kann als direkte oder – auf Abwälzbarkeit angelegte – indirekte Steuer ausgeführt werden.51 Belastungsgrund der Verkehrsteuer ist aber nicht der Verkehrsakt, sondern das z.B. vom Käufer bzw. Kunden zum Zwecke der Bezahlung eingesetzte Einkommen; Verbrauch-, Verkehr- und Aufwandsteuern ist daher gemein, dass sie Leistungsfähigkeit abschöpfen, die in der privat veranlassten Einkommensverwendung zum Ausdruck kommt.52 Belastungsgrund auch für die Verkehrsteuer ist daher die private Einkommensverwendung . Der Altlastenbeitrag knüpft dagegen an Realakte wie das Ablagern, Verbrennen, Befördern, Einbringen in einen Hochofen an, und zwar ganz unabhängig von den öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Regelungen, denen die beitragspflichtigen Handlungen unterliegen bzw. derer sie sich bedienen. Ob also Akte des Rechtsverkehrs der beitragspflichtigen Handlung vorausgehen, ihr nachfolgen oder damit zusammenhängen, spielt für den Anfall des Altlastenbeitrags keine Rolle. Die beitragspflichtigen Tatbestände nehmen keinen Bezug auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Verursacher des Abfallanfalls und z.B. dem Anlagenbetreiber. Charakteristisch für den Altlastenbeitrag ist vielmehr die Anknüpfung an Realakte der Entsorgung von Abfall. Die beitragspflichtigen Tatbestände stellen mithin keine spezifische Anknüpfung an einen Vorgang des Rechtsverkehrs dar.53 Schließlich ist der Altlastenbeitrag auch nicht darauf ausgerichtet, eine in der privat veranlassten Einkommensverwendung ausgedrückte Leistungsfähigkeit zu besteuern. Der Altlastenbeitrag erfüllt daher auch wesentliche Merkmale des Typusbegriffs der Verkehrsteuer nicht. Dem Bund fehlt es daher an der Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines Altlastenbeitrags nach österreichischem Modell. 49 BVerfG, Urteil v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, NVwZ 2015, 288, Rn. 30. 50 Vgl. zur Luftverkehrsteuer BVerfG, Urteil v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, NVwZ 2015, 288, Rn. 31. 51 Seiler, in: Maunz/Dürig, 92. EL August 2020, GG Art. 105 Rn. 97. 52 Seiler, in: Maunz/Dürig, 92. EL August 2020, GG Art. 105 Rn. 94, 97. 53 Vgl. auch Arndt, BB Beilage 1992, Nr. 8, S. 1 (7) zu der Anfang der 90er Jahre geplanten, aber nicht eingeführten Bundesabfallabgabe. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/21, WD 8 - 3000 - 009/21 Seite 14 4.3. Keine Steuergesetzgebungskompetenz der Länder Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern , solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind (Art. 105 Abs. 2a GG). Der Altlastenbeitrag stellt weder eine Verbrauchsteuer (siehe oben) noch eine Aufwandsteuer , die an das Halten bzw. den Gebrauch von Gütern und Dienstleistungen anknüpft,54 dar. Auch das Merkmal der Örtlichkeit erfüllt er nicht. Da auch den Ländern im Übrigen kein Steuererfindungsrecht zusteht (siehe oben), fehlt es auch den Ländern an der Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines Altlastenbeitrags. 5. Zusammenfassung Der Altlastenbeitrag nach dem österreichischen Altlastensanierungsgesetz ist aus deutscher Sicht eine Steuer und keine Sonderabgabe. Die Ausgestaltung als Zwecksteuer mit vollständiger gesetzlicher Zweckbindung des Aufkommens ist grundsätzlich möglich. Als Steuer unterliegt der Altlastenbeitrag den Bestimmungen der Finanzverfassung. Danach fehlt sowohl dem Bund als auch den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines solchen Altlastenbeitrags. Denn der Altlastenbeitrag entspricht keiner der in Art. 105 und Art. 106 GG aufgeführten Steuer oder Steuerart, und ein darüber hinausgehendes Steuererfindungsrecht steht nach der Rechtsprechung des BVerfG weder dem Bund noch den Ländern zu. Ohne eine Änderung des Grundgesetzes (durch Aufnahme in den Katalog in Art. 106 GG) könnte der Altlastenbeitrag daher in Deutschland nicht eingeführt werden. * * * 54 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rn. 2.48.