WD 8 - 3000 - 009/20 (12. Februar 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die Verwendung von Styrol in glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK) wird aufgrund möglicherweise gesundheitlich negativer Wirkungen immer wieder kontrovers diskutiert. Bei der Fertigung von GFKs entstehen Styroldämpfe, die gesundheitsschädlich sein können. Aufgrund dieser Wirkung wurden bereits 1989 Richtwerte für die Innenraumluft festgelegt. Zur Aufnahme und Verteilung im Körper ist Folgendes bekannt: „Bei inhalativer Exposition unter Arbeitsplatzbedingungen wird etwa 60-70 % des eingeatmeten Styrols resorbiert [1]. Styrol in der Luft kann auch von der Haut aufgenommen werden; die perkutane Aufnahmerate beträgt etwa 2-5 % der respiratorischen Aufnahme. Nach inhalativer oder dermaler Exposition verteilt sich Styrol vor allem in fettreiche Kompartimente. […] Styrol passiert die Plazenta -Schranke: bei Ratten betrug die Styrol-Konzentration in fetalem Blut etwa die Hälfte der maternalen Blutkonzentration.“ Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/pdfs/Styrol.pdf; siehe auch https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2FBF03044336.pdf [zuletzt abgerufen am 12. Februar 2020]. Im Jahr 2008 setzte sich Prof. Dr. Reinhard Lorenz in einem allgemeinverständlichen Aufsatz mit der Styrol-Problematik auseinander: „Der Mensch nimmt Styrol vor allem über die Atemluft auf, weniger über die Haut. – Die Halbwertszeit im Blut beträgt etwa 2 Stunden – bei sehr geringen Konzentrationen beträgt die Halbwertszeit 41 Stunden. Eine Neigung zur Akkumulation im menschlichen Organismus wurde nicht beobachtet. […] Styrol wirkt vor allem auf die Schleimhäute (insbesondere die Augen und die oberen Luftwege) und auf das zentrale Nervensystem (ZNS). – Man findet reversible Schleimhautreizungen oberhalb von 100 ppm, in Einzelfällen oberhalb von 50 ppm. Nach einer Exposition klingen die Beschwerden rasch ab. Nach mehreren Expositionen tritt Gewöhnung ein. – Beobachtet wurden reversible Beeinträchtigung des ZNS oberhalb von 100 ppm, in Einzelfällen oberhalb von 50 ppm, vor allem Müdigkeit, Benommenheit, erhöhte Reaktionszeiten und Veränderungen der Augenmotorik. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zur Verwendung von Styrol in glasfaserverstärkten Kunststoffen Kurzinformation Zur Verwendung von Styrol in glasfaserverstärkten Kunststoffen Fachbereich WD 8 (Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Nach einer Exposition klingen die Beschwerden rasch ab; nach mehreren Expositionen tritt Gewöhnung ein. – Seit Jahren wird die Mutagenität von Styrol intensiv diskutiert, […] In vivo – d.h. am lebenden Organismus – sind die Effekte offenbar klein bzw. reparabel, so dass sie sich auf die Gesundheit des Menschen nicht auswirken. – Keine Studie zeigt eine erhöhte Mortalität (Sterblichkeit), eine erhöhte Zahl von Krebserkrankungen oder gibt einen Hinweis auf Sensibilisierung (Bildung einer Allergie). […] Styrol hat keine relevante Tendenz zu Akkumulation im Klärschlamm oder in Gewässern. Aus Wasser wird Styrol leicht an die Luft abgeben. Styrol ist behördlich in die Wassergefährdungsklasse II („wassergefährdend “) eingestuft. […] Es ist natürlich der Geruch des Styrols, der dem Branchenfremden sofort (unangenehm) auffällt und der ihn ggf. verunsichert oder auch alarmiert. […] Neben diesem Wahrnehmungsproblem gibt es aber auch wissenschaftliche Aspekte: Styrol führt im Tierversuch mit Mäusen zu Lungenkrebs – nicht jedoch mit Ratten und anderen Versuchstieren. Die Ursachen liegen im speziellen Styrol-Metabolismus der Maus. Zudem wird seit vielen Jahren das mutagene (= Erbgut verändernde) Potential in der Wissenschaft kontrovers diskutiert ! Aus diesem Grunde hat die IARC (International Agency for Research on Cancer) Styrol 1987 als „possible carcinogen” eingestuft und später an dieser Einstufung festgehalten. Allerdings wurde diese Einstufung nur in Dänemark übernommen – die Gesundheitsorganisationen aller anderen Industrieländer sind dem nicht gefolgt.“ Quelle: https://www.bi-medien.de/artikel-29508-ub-styrolproblematik.bi [zuletzt abgerufen am 12. Februar 2020]. Laut Auskunft der Fachhochschule Münster bestehe nach heutigen Erkenntnissen nur bei sehr hohen Konzentrationen ein gesundheitliches Risiko. Die heutigen arbeitsmedizinischen Grenzwerte (in Deutschland) seien als vollkommen ausreichend zu bewerten, und es stelle sich keine gesundheitliche Gefahr dar. Besonders vor dem Hintergrund der REACH1 Verordnung2 sei eine Verschärfung der Grenzwerte erfolgt, dies sei allerdings nicht aus arbeitsmedizinisch notwendiger Sicht zu bewerten, sondern basiere auf biologisch/molekularbiologischen Einschätzungen. Lange schon gebe es die Debatte um die karzinogene Wirkung von Styrol. Dies sei allerdings Beobachtungen in der weiblichen Maus geschuldet und auch nur dort festgestellt. Die Frage nach den Ersatzmöglichkeiten von Styrol werde auch bereits seit geraumer Zeit diskutiert. Technisch habe man aber bislang keinen Durchbruch erreicht. Technologisch stellten sich die Ersatzstoffe als schlechter dar und seien teurer.3 1 EU-Chemikalienverordnung: Verordnung (EG) Nr. 1907/2006. 2 Die Informationsseite zu Styrol ist auf den Internetseiten von REACH abrufbar: https://echa.europa.eu/de/substance -information/-/substanceinfo/100.002.592 [zuletzt abgerufen am 12. Februar 2020]. 3 Informationen der Fachhochschule Münster vom 12. Februar 2020. Kurzinformation Zur Verwendung von Styrol in glasfaserverstärkten Kunststoffen Fachbereich WD 8 (Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Die Europäische Gesellschaft für gesundes Bauen und Innenraumhygiene4 (EGGBI) veröffentlichte zuletzt im Oktober 2019 einen Artikel zum Thema „Raumschadstoff Styrol“. Hierin wird zum gesundheitlichen Risiko konstatiert: „Die gesundheitlichen Bewertungen von Styrol und den benötigten Flammschutzmitteln stellen aus unserer Sicht unter anderem beim Einsatz als Baustoff ein zu hohes Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigung - vor allem für Allergiker, Sensitive , Menschen mit reduziertem oder noch nicht völlig ausgebildetem Immunsystem, dar.“5 Die Darstellung befasst sich allerdings mit Wärmedämmung und gibt auch nur hierzu eine Empfehlung der alternativen Verwendung ab. *** 4 Netzwerk und Internetinformationsplattform, die sich mit der Beratung zur Wohngesundheit und zur Errichtung von Wohnräumen beschäftigt. Siehe hierzu: https://www.rhein-zeitung.de/startseite_artikel,-was-steckthinter -der-eggbi-_arid,1898423.html [zuletzt abgerufen am 12. Februar 2020]. 5 Quelle: Seite 5 in: https://www.eggbi.eu/fileadmin/EGGBI/PDF/Raumschadstoff_Styrol.pdf [zuletzt abgerufen am 12. Februar 2020].