© 2021 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 007/21 Unterwasserschall und Lärmschutz im Meer Zu rechtlichen Regelungen zur Eindämmung von Unterwasserschall Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaft lichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 2 Unterwasserschall und Lärmschutz im Meer Zu rechtlichen Regelungen zur Eindämmung von Unterwasserschall Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 007/21 Abschluss der Arbeit: 15. Februar 2021 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Regelungen zur Eindämmung von Unterwasserschall 4 2.1. Völkerrecht 4 2.2. Unionsrecht 8 2.3. Nationales Recht 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 4 1. Einleitung Der anthropogene Schalleintrag in die Meeresumwelt bzw. das Thema Unterwasserlärm erfährt in jüngster Zeit gesteigerte Aufmerksamkeit in wissenschaftlichen Gremien, Medien, NGOs sowie nationalen und internationalen Institutionen. Initiierte Regulierungsansätze stehen vor den Herausforderungen , dass die wachsenden Nutzungsinteressen mit Umwelt- und Artenschutzinteressen abzuwägen sind. Hinzu kommt, dass das Einbringen nicht-stofflicher Einträge in die Meeresumwelt nach Einschätzung von Beobachtern bisher im Völker-, Unions- und nationalen Recht wenig umfassend und systematisch geregelt ist.1 Nachfolgend wird ein Überblick über völkerrechtliche, europarechtliche und nationale Regelungen zur Eindämmung von Unterwasserschall gegeben. 2. Regelungen zur Eindämmung von Unterwasserschall 2.1. Völkerrecht Das internationale See- und Meeresumweltrecht bildet den Rahmen für die unionsrechtliche und nationale Rechtsetzung. Derzeit gibt es keinen völkerrechtlichen Vertrag, der sich exklusiv mit anthropogen induziertem Unterwasserschall befasst. Einschlägige Konventionen enthalten allgemeine Bestimmungen zum Schutz der Meeresumwelt, zum Schutz verschiedener Arten, zum Schutz der Biodiversität oder zum Schutz vor Verschmutzung durch stoffliche Einträge. Nur wenige Abkommen erwähnen Schall- und Geräuscheinträge in die Meeresumwelt ausdrücklich.2 Nachfolgend werden die wichtigsten und relevantesten Konventionen vorgestellt. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen3 (SRÜ bzw. United Nations Convention on the Law of the Sea - UNCLOS) als nahezu weltweit geltender und wohl bedeutendster seevölkerrechtlicher Vertrag4 enthält auch Regelungen zum Schutz der Meeresumwelt. So heißt es in Artikel 194 Abs. 1 und 3: „(1) Die Staaten ergreifen, je nach den Umständen einzeln oder gemeinsam, alle mit diesem Übereinkommen übereinstimmenden Maßnahmen, die notwendig sind, um die Verschmutzung der Meeresumwelt ungeachtet ihrer Ursache zu verhüten, zu verringern und 1 So Markus, Till (2010). Die Regulierung anthropogener Lärmeinträge in die Meeresumwelt. Natur und Recht (NuR) 32, S. 237 im Vergleich zu „klassischen“ Belastungen wie Fischerei, Schifffahrt und chemisch -physikalischer Verschmutzung . 2 Markus, Till (2010). aaO. S. 239. 3 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 179/3 vom 23.6.1998. https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:1998:179:0003:0134:DE:PDF. 4 Hahn, Henry (2012). Die völkerrechtliche Regulierung der für die Meeressäuger belastenden Meeresnutzungen am aktuellen Beispiel des Unterwasserlärms (Teil 1). Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht (EurUP) 3/2012, S. 123. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 5 zu überwachen; sie setzen zu diesem Zweck die geeignetsten ihnen zur Verfügung stehenden Mittel entsprechend ihren Möglichkeiten ein und bemühen sich, ihre diesbezügliche Politik aufeinander abzustimmen. (3) Die nach diesem Teil ergriffenen Maßnahmen haben alle Ursachen der Verschmutzung der Meeresumwelt zu erfassen. […]“ Gemäß der Begriffsbestimmungen in Artikel 1 bedeutet „Verschmutzung der Meeresumwelt“ die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie durch den Menschen in die Meeresumwelt, aus der sich abträgliche Wirkungen wie u.a. eine Schädigung der lebenden Ressourcen sowie der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres ergeben können. Zwar dürfte der anthropogene Schalleintrag im Rahmen der Seerechtskonferenzen der Vereinten Nationen nicht im Blick gewesen sein. Jedoch liegt es aus wortlaut- und rechtssystematischen Erwägungen nahe, anthropogenen Schall als eine Form des Energieeintrages anzuerkennen und damit als eine Form der „Verschmutzung der Meeresumwelt“ zu sehen.5 Zum einen ist Schall aus naturwissenschaftlicher Sicht eine Form von Energie.6 Zum anderen sprechen die Formulierungen „ungeachtet ihrer Ursache“ und „alle Ursachen“ für eine weite und entwicklungsoffene Interpretation der Definition .7 Bezüglich der Verschmutzung der Meere durch Schiffe sollen die Vertragsstaaten gemäß Artikel 211 Abs. 1 im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation internationale Regeln und Normen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung aufstellen. Zuständig ist die International Maritime Organisation (IMO). Diese hat im Jahr 2014 „Guidelines for the reduction of underwater noise from commercial shipping to address adverse impacts on marine life“8 aufgestellt. Hierbei handelt es sich um ein unverbindliches Instrument, welches darauf abzielt, den Entwicklern , Herstellern und Betreibern von Schiffen allgemeine Hinweise zur Verfügung zu stellen.9 Beobachtern zufolge seien diese Hinweise von den Vertragsstaaten bisher weitestgehend ignoriert worden und hinsichtlich ihrer Umsetzung sei wenig Fortschritt zu verzeichnen.10 Auch hätten 5 Markus, Till (2010). aaO. S. 239. 6 Ebenda. 7 König, Doris (2013). Marine Environment, International Protection. Max Planck Encyclopedia of Public International Law [MPEPIL]. S. 4. „This broad definition includes any kind of pollution from all sources and areas .“ 8 Richtlinien abrufbar unter: https://wwwcdn.imo.org/localresources/en/MediaCentre/HotTopics /Documents/833%20Guidance%20on%20reducing%20underwater%20noise%20from%20commercial %20shipping,.pdf. 9 Vgl. Artikel 3.1. Siehe auch Arbeitsbericht der IMO zu anthropogen induziertem Unterwasserschall für den Offenen informellen Konsultationsprozess der Vereinten Nationen über Ozeane und Seerecht im Juni 2018. S. 1. https://www.un.org/depts/los/consultative_process/contributions_19cp/IMO.pdf . 10 UBA u.a. (2020). Underwater Noise – The neglected threat to marine life. S. 5 f. https://www.bund.net/fileadmin /user_upload_bund/publikationen/meere/meere_unterwasserlarm_hintergrundpapier_english.pdf . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 6 die Vertragsstaaten selbst bisher noch keine Strategien erarbeitet, um den Eintrag von Dauerschall in die Meeresumwelt durch Schiffsverkehr und Hafentätigkeiten zu reduzieren.11 Dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt12 (Convention on Biological Diversity - CBD) sind weltweit nahezu alle Staaten beigetreten. Die 12. Vertragsstaatenkonferenz forderte die Vertragsstaaten und andere relevante Stakeholder zu diversen Maßnahmen zur Vermeidung, Minimierung und Minderung der Beeinträchtigungen der biologischen Vielfalt in Meeres- und Küstengebieten durch anthropogenen Unterwasserschall auf. Hierzu zählen unter anderem die Entwicklung und Verbreitung leiserer Technologien, das räumlich-zeitliche Management von Aktivitäten zur Minimierung des Unterwasserschalls sowie Risikoprüfungen, die akustische Kartierungen und Habitatkartierungen schallempfindlicher Arten einbeziehen.13 Der Beschluss der Vertragsstaatenkonferenz ist jedoch weich formuliert, so dass ihm vor allem eine politische Bedeutung zukommt.14 Vertragsparteien des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt im Ostseegebiet15 (Helsinki-Übereinkommen) sind alle neun Anrainerstaaten der Ostsee (Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen, Russland, Schweden) und die EU.16 Gemäß Artikel 3 Abs. 1 treffen die Vertragsparteien einzeln oder gemeinsam alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs - oder sonstigen einschlägigen Maßnahmen zur Verhütung und Beseitigung der Verschmutzung , um die ökologische Sanierung des Ostseegebiets und die Erhaltung seines ökologischen Gleichgewichts zu fördern. Zur Überwachung der Ausführung des Abkommens ist eine Kommission eingesetzt. Diese empfiehlt Maßnahmen, die mit den Zielen des Übereinkommens zusammenhängen. Am 1. Juli 2020 übernahm Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), für zwei Jahre turnusmäßig den Vorsitz dieser sogenannten Helsinki-Kommission (HELCOM).17 Im HELCOM-Themenpapier für 11 Ebenda. S. 6. 12 Abrufbar unter: https://www.cbd.int/doc/legal/cbd-en.pdf. 13 BMU (2014). 12. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt . https://www.bmu.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/naturschutz-biologische-vielfalt/biologische-vielfaltinternational /uebereinkommen-ueber-die-biologische-vielfalt/12-vertragsstaatenkonferenz-cbd-2014/. Final Report abrufbar unter: https://www.cbd.int/doc/meetings/cop/cop-12/official/cop-12-29-en.pdf. 14 Hahn, Henry (2012). Die völkerrechtliche Regulierung der die Meeressäuger belastenden Mee resnutzungen am aktuellen Beispiel des Unterwasserlärms (Teil 2). Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht (EurUP) 4/2012, S. 181 mit Verweis auf die rechtliche Unverbindlichkeit. Ein unverbindlicher Wirkungsmodus ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer rechtlichen Unerheblichkeit. 15 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 73 vom 16.3.1994. Vertragstext und Hintergrundinformationen abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=LEGISSUM%3Al28089. 16 BfN (2018). Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes (Neue Helsinki -Konvention) (1992). https://www.bfn.de/themen/internationaler-naturschutz/abkommen-und-programme/steckbriefe-meeresnaturschutz /helsinki-konvention.html. 17 BMU (2020). Deutschland übernimmt den Vorsitz der Ostsee-Meeresschutzkommission. https://www.bmu.de/pressemitteilung /deutschland-uebernimmt-den-vorsitz-der-ostsee-meeresschutzkommission/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 7 den deutschen Vorsitz 2020 bis 2022 identifiziert das BMU Unterwasserschall als eine seit langem bekannte Gefährdung, „für die Lösungen immer dringlicher werden.“18 Auch die Entwurfs- Fassung des aktualisierten „Baltic Sea Action Plan“ von Dezember 2020 bezeichnet Unterwasserschall als eine grundlegende Problematik.19 Aussicht auf konkrete Maßnahmen zur Vermeidung von Unterwasserschall bietet Beobachtern zufolge20 der „Regional Action Plan on Underwater Noise“, der zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Sachstandes als Entwurf vorlag.21 Das erste HEL- COM-Treffen zum „Regional Action Plan on Underwater Noise“ fand am 8. Februar 2021 online statt22 und verfolgte das Ziel, den „Regional Action Plan on Underwater Noise“ im Entwurf fertigzustellen und der HELCOM 42-2021 zur Entscheidung vorzulegen.23 Strukturell ähnlich jedoch mit anderem räumlichen Bezug ist das Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks24 (OSPAR-Übereinkommen). In dem Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee, des Nordatlantiks und der Irischen See25 (Agreement on the Conservation of Small Cetaceans of the Baltic, North East Atlantic, Irish and North Seas - ASCOBANS) verpflichten sich die Vertragsstaaten eng zusammenzuarbeiten , um eine günstige Erhaltungssituation für Kleinwale herbeizuführen und aufrechtzuerhalten (Artikel 2.1.) und die in der Anlage vorgeschriebenen Erhaltungs-, Forschungs-, Hege- und Nutzungsmaßnahmen anzuwenden (Artikel 2.2.). Diese umfassen gemäß Ziffer 1 der Anlage auch die „Verhütung sonstiger erheblicher Störungen, insbesondere akustischer Art“. In verschiedenen Resolutionen fordern die ASCOBANS-Vertragsstaaten sich gegenseitig auf, den 18 BMU (2020). HELCOM-Themenpapier für den deutschen Vorsitz 2020 bis 2022. https://www.bmu.de/fileadmin /Daten_BMU/Download_PDF/Europa___International/helcom_themenpapier_bf.pdf . 19 HELCOM (2020). First draft of the updated Baltic Sea Action Plan is unveiled to HELCOM decision -makers at HOD 59-2020. https://helcom.fi/first-draft-of-the-updated-baltic-sea-action-plan-is-unveiled-to-helcom-decision-makersat -hod-59-2020/. 20 UBA u.a. (2020). Underwater Noise – The neglected threat to marine life. S. 5. https://www.bund.net/fileadmin /user_upload_bund/publikationen/meere/meere_unterwasserlarm_hintergrundpapier_english.pdf . 21 https://portal.helcom.fi/meetings/PRESSURE%2011-2019-628/MeetingDocuments/4-1-Rev.1%20Draft%20HEL- COM%20Regional%20Action%20Plan%20on%20Underwater%20Noise.pdf . Siehe auch HELCOM (2020). Revised draft Regional Action Plan on Underwater Noise. https://portal.helcom.fi/meetings/PRESSURE%2012-2020- 734/Presentations/06_Revised%20draft%20Regional%20Action%20Plan%20on%20Underwater%20Noise.pdf. 22 https://portal.helcom.fi/meetings/DG%20RAP%20Noise%201-2021-855/default.aspx. 23 https://portal.helcom.fi/meetings/DG%20RAP%20Noise%201-2021-855/Related%20Information/Invitation %20DG%20RAP%20Noise%201-2021.pdf. 24 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 104 vom 3.4.1998. S. 3 ff. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:1998:104:FULL&from=EN. 25 Vertragstext abrufbar unter: https://www.bmu.de/gesetz/abkommen-zur-erhaltung-der-kleinwale-in-der-nord-undostsee /. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 8 Schalleintrag durch seismische Untersuchungen, Schiffsverkehr, Offshore-Windanlagen und Militärübungen zu untersuchen und zu reglementieren.26 In seinem aktuellen nationalen Bericht vom 30. Juli 2020 (2016 – 2019 National Report) bezeichnet das zuständige BMU die für das Pfahlrammen anwendbare Lärmschutzstrategie zum Schutz der Schweinswale als erfolgreichsten Aspekt im Rahmen der Umsetzung des ASCOBANS-Abkommens.27 Die Internationale Walfangkommission (IWC) erließ im Jahr 2018 die „Resolution on anthropogenic underwater noise“, welche Empfehlungen an die Vertragsstaaten des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs enthält.28 Auf der IWC ruhen Beobachtern zufolge Hoffnungen , um den globalen Schutz vor Unterwasserlärm zu steigern.29 2.2. Unionsrecht Derzeit erfordern vor allem die drei im Folgenden beschriebenen europäischen Richtlinien eine Regelung anthropogenen Schalleintrags in die Meeresumwelt. Innerhalb der EU-Meerespolitik stellt die im Juli 2008 in Kraft getretene Meeresstrategie-Rahmenrichtline 30 (MSRL) die „Umweltsäule“ dar.31 Mit dieser Richtlinie wurde ein Rahmen geschaffen , innerhalb dessen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um spätestens bis zum Jahr 2020 einen guten Zustand der Meeresumwelt zu erreichen oder zu erhalten. Qualitative Deskriptoren zur Festlegung des guten Umweltzustands ergeben sich aus dem Anhang 1 der MSRL. Danach ist ein guter Umweltzustand u.a. erreicht, wenn sich die Einleitung von Energie, einschließlich Unterwasserlärm, in einem Rahmen bewegt, der sich nicht nachteilig auf die Meeresumwelt auswirkt. 26 Resolutionen abrufbar unter: https://www.ascobans.org/en/documents/mop-resolutions. Einschlägig ist u.a. die Resolution „Adverse Effects of Underwater Noise on Marine Mammals during OffshoreCons truction Activities for Renewable Energy Production“ aus dem Jahr 2009, abrufbar unter: https://www.ascobans.org/sites/default/files /document/MOP6_2009-2_UnderwaterNoise_1.pdf. 27 National Reports of ASCOBANS Parties, 2016 – 2019 National Report: Germany. https://www.ascobans.org/sites /default/files/document/ascobans_mop9_nr6_rev1_germany.pdf. S. 2 . Gemeint sein dürfte das „Konzept für den Schutz der Schweinswale vor Schallbelastungen bei der Errichtung von Offshore -Windparks in der deutschen Nordsee (Schallschutzkonzept)“, abrufbar unter: https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/awz/Dokumente/schallschutzkonzept _BMU.pdf. 28 Resolution abrufbar unter: https://iwc.int/document_3685. 29 Hahn, Henry (2012). Die völkerrechtliche Regulierung der die Meeressäuger belastenden Meeresnutzungen am aktuellen Beispiel des Unterwasserlärms (Teil 2). Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht (EurUP) 4/2012, S. 182. 30 Amtsblatt der Europäischen Union L 164/19 vom 25.6.2008. https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2008:164:0019:0040:DE:PDF. 31 BfN. Hintergrund der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL). https://www.bfn.de/themen/meeresnaturschutz /meeresstrategie-rahmenrichtlinie/hintergrund.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 9 Ergänzend zur MSRL enthält der Beschluss (EU) 2017/848 der Kommission 32 Kriterien und methodische Standards, die die Mitgliedstaaten zur Beschreibung einer Reihe von Merkmalen des guten Umweltzustands anzuwenden haben. Hinsichtlich menschlich induzierten Unterwasserschalls differenziert der Beschluss zwischen anthropogen verursachtem Impulsschall im Wasser (Bewertungskriterium D11C1) und anthropogen ins Wasser eingeleitetem niederfrequenten Dauerschall (Bewertungskriterium D11C2). Für beide Kriterien fordert der Beschluss die Mitgliedstaaten auf, Schwellenwerte auf Unionsebene festzulegen (vgl. Anhang, Deskriptor 11). Um die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der MSRL zu unterstützen, setzte die Europäische Kommission technische Arbeitsgruppen ein, unter ihnen die Technical Group on Underwater Noise (TG Noise). Zunächst fokussierte die TG Noise ihre Tätigkeit auf die Entwicklung von Hinweisen für Untersuchungsmethoden von Unterwasserschall. Zuletzt konzentrierte sich die TG Noise aber auch auf eine Methodenentwicklung, die für die Festlegung von EU-weiten Schwellenwerten für Unterwasserlärm hilfreich sein könnte.33 Deutschland hat zur Umsetzung der MSRL im Jahr 2018 eine Aktualisierung der Anfangsbewertung von Nord- und Ostsee, der Beschreibung des guten Zustands der Meeresgewässer und der Festlegung von Zielen des Wasserhaushaltsgesetzes vorgelegt und an die EU berichtet.34 In der Einleitung des Zustandsberichts Nordsee sowie des Zustandsberichts Ostsee heißt es wortgleich: „Durch den Ausbau der Offshore-Windenergie nahm 2011–2016 die räumliche und zeitliche Belastung durch Unterwasserschall infolge Rammarbeiten und Schiffsverkehr zu. Zugleich erlaubte der Fortschritt bei Lärmminderungsmaßnahmen, dass etablierte Grenzwerte für Impulsschall zunehmend eingehalten und Rammzeiten reduziert werden konnten und können.“35 Um einen guten Umweltzustand der Nord- und Ostsee zu erreichen, bedürfe es dieser Berichte zufolge fortgesetzter Anstrengungen.36 32 Beschluss (EU) 2017/848 der Kommission vom 17.5.2017 zur Festlegung der Kriterien und methodischen Standards für die Beschreibung eines guten Umweltzustands von Meeresgewässern und von Spezifikationen und standardisierten Verfahren für die Überwachung und Bewertung sowie zur Aufhebung des Beschlusses 2010/477/EU. Amtsblatt der Europäischen Union L 125/43. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32017D0848. 33 UBA u.a. (2020). Underwater Noise – The neglected threat to marine life. https://www.bund.net/fileadmin/user_upload _bund/publikationen/meere/meere_unterwasserlarm_hintergrundpapier_english.pdf. S. 4. 34 Berichte abrufbar unter: https://www.meeresschutz.info/berichte-art-8-10.html. 35 Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Nord- und Ostsee (2018). Zustand der deutschen Nordseegewässer – Bericht gemäß § 45j i.V.m. §§ 45c, 45d und 45e des Wasserhaushaltsgesetzes. S. 4. Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Nordund Ostsee (2018). Zustand der deutschen Ostseegewässer – Bericht gemäß § 45j i.V.m. §§ 45c, 45d und 45e des Wasserhaushaltsgesetzes. S. 4. 36 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 10 In dem Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 25. Juni 2020 zur Bewertung der Maßnahmenprogramme der Mitgliedstaaten in Anwendung der MSRL37 wird zu anthropogenem Unterwasserschall u.a. konstatiert: „Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie war ein Anreiz, Erhebungen zur Überwachung von Unterwasserlärm zu entwickeln und eine Reihe von Registern für impulsive Unterwassergeräusche einzurichten.“ In dem dazugehörigen Begleitbericht der Europäischen Kommission heißt es: „The assessment of underwater noise across the EU is at an early stage and focuses on identifying and characterising sources and the (likely) spatial distribution of this pressure. There is a significant lack of monitoring programmes and data.“38 Ein guter Umweltzustand betreffend den Deskriptor 11 der MSRL („Die Einleitung von Energie, einschließlich Unterwasserlärm, bewegt sich in einem Rahmen, der sich nicht nachteilig auf die Meeresumwelt auswirkt“) sei Beobachtern zufolge in keinem Mitgliedstaat erreicht worden.39 Am Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ist das nationale Schallregister Deutschlands angesiedelt. Es sammelt und erfasst Informationen und Messungen zu impulshaften Schallereignissen (Rammschall, Detonationen, militärische Aktivitäten, Seismik und andere impulshafte Schallereignisse) sowie zu Dauerschallmessungen aus den deutschen Gewässern der Nord- und Ostsee. Seit 2016 meldet das BSH zur Erfüllung der Pflichten im Rahmen der MSRL jährlich an das europäische Schallregister sämtliche impulshafte Schallereignisse aus den deutschen Küstengewässern und aus der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ).40 Die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie41 (FFH-Richtlinie) hat zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten beizutragen. Im Anhang 2 der Richtlinie („Tierund Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzge- 37 Bericht abrufbar unter: https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2020/DE/COM-2020-259-F1-DE-MAIN- PART-1.PDF. 38 Europäische Kommission (2020). Commission Staff Working Document. Review of the status of the marine environment in the European Union. Towards clean, healthy and productive oceans and seas. Accompanying the Report from the Commission to the European Parliament and the Council on the implementation of the Marine Strategy Framework Directive (Directive 2008/56/EC). https://eur-lex.europa.eu/legal-content /EN/TXT/?uri=SWD:2020:61:FIN. 39 UBA u.a. (2020). Underwater Noise – The neglected threat to marine life. https://www.bund.net/fileadmin/user_upload _bund/publikationen/meere/meere_unterwasserlarm_hintergrundpapier_english.pdf. S. 5. 40 BSH. Nationales Schallregister. https://www.bsh.de/DE/DATEN/Nationales_Schallregister/nationales-schallregister _node.html. 41 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7. https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=CONSLEG:1992L0043:20070101:DE:PDF. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 11 biete ausgewiesen werden müssen“) sind Schweinswale (Phocoena phocoena) ausdrücklich bezeichnet . Anhang 4 („streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse “) erfasst alle Arten der Wale (Cetacea). Gemäß Artikel 6 Abs. 2 treffen die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten zu vermeiden. Artikel 12 Abs. 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein Schutzsystem für die in Anhang IV genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen, welches jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten verbietet.42 Die Verpflichtungen zum Schutz der Schweinswale dürften sich auch auf den Schutz vor anthropogener Lärmbelästigung beziehen.43 Derzeit gibt es jedoch keine nähere Ausgestaltung dieser Schutzpflicht in Bezug auf Unterwasserlärm.44 Zur Umsetzung der FFH-Richtlinie dient Natura 2000 als ein EU-weites Netz von Schutzgebieten . Die nationalen Meeresschutzgebiete der Nord- und Ostsee sind dem Internetauftritt des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zu entnehmen,45 ebenso eine Beschreibung und Zustandsbewertung der Meeresschutzgebiete in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone der Ostsee (Stand 25. Februar 2020)46 sowie der Nordsee (Stand 18. Oktober 2017).47 Mit der FFH-Richtlinie wird die Errichtung von Vorhaben – wie z.B. Windparks – innerhalb von Natura-2000-Gebieten nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die betreffenden Planungen sind im Einzelfall zu bewerten.48 Gemäß Artikel 6 Abs. 3 und 4 der FFH-Richtlinie ist ein schrittweises Verfahren zur Prüfung und Genehmigung anzuwenden, wenn die betreffenden Pläne oder Projekte Auswirkungen auf ein Natura-2000-Gebiet haben könnten: „(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten , erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen . Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem 42 Das Vereinigte Königreich hat beispielsweise im Zuge der Implementierung der FFH -Richtlinie die „Guidelines for minimizing acoustic disturbance to marine mammals from seismic surveys“ erlassen. Die Fassung von 2004 ist abrufbar unter: https://www.cnlopb.ca/wp-content/uploads/mkiseislab/mki_app_j.pdf. 43 So Markus, Till (2010). aaO. S. 242. 44 Ebenda. 45 https://www.bfn.de/themen/meeresnaturschutz/nationale-meeresschutzgebiete.html. 46 https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript553.pdf . 47 https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript477.pdf . 48 Europäische Kommission (2020). Leitfaden zu Windkraftprojekten und den Naturschutzvorschriften der EU . https://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/wind_farms_de.pdf . S. 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 12 Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben. (4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen. Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden .“ Gegenstand der UVP-Richtlinie49 ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Anthropogen verursachter Unterwasserschall ist als Umweltauswirkung miteingeschlossen.50 2.3. Nationales Recht In Deutschland sind für die Küstengewässer bis zur 12-Seemeilen-Grenze die Bundesländer zuständig . Der Bund, vertreten durch das BMU und das BfN als zentrale wissenschaftliche Behörde, trägt Verantwortung bei der Ausführung von Bundesgesetzen im Bereich der AWZ und des Festlandsockels jenseits der 12-Seemeilen-Grenze.51 Gemäß § 31 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG)52 erfüllen der Bund und die Länder die sich u.a. aus der FFH-Richtlinie ergebenden Verpflichtungen zum Aufbau und Schutz des zusammenhängenden europäischen ökologischen Netzes Natura 2000 im Sinne des Artikels 3 der FFH- Richtlinie. Kapitel 6 des BNatSchG ist dem Meeresnaturschutz gewidmet. § 57 BNatSchG trifft nähere Bestimmungen zu geschützten Meeresgebieten im Bereich der deutschen AWZ und des Festlandsockels. Hinsichtlich anthropogen induzierten Dauerschalls ist § 57 49 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. ABl. L 26 vom 28.1.2012, S. 1. https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02011L0092-20140515&from=EN. 50 So Markus, Till (2010). aaO. S. 242. Anhang IV der UVP-Richtlinie benennt Lärm als potentiell nachteilig wirkende Emission. Anhang II nennt verschiedene Projekte, bei denen es zu einem erheblichen Schalleintrag in die Meeresumwelt kommen kann. 51 BfN (2017). Herausforderung Meeresnaturschutz. https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/meeresundkuestenschutz/Dokumente /Positionspapiere/Meeresnaturschutz-Positionspapier-2017-03-22-digitaleVersion.pdf. S. 5. 52 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 290 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/BNatSchG.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 13 Abs. 3 Nr. 1 Hs. 1 BNatSchG zu beachten. Danach sind Beschränkungen der Schifffahrt grundsätzlich unzulässig. Zugleich bestimmt § 57 Abs. 3 Nr. 1 Hs. 2 BNatSchG, dass Artikel 211 Abs. 6 SRÜ sowie die weiteren die Schifffahrt betreffenden völkerrechtlichen Regelungen unberührt bleiben. Gemäß Artikel 211 Abs. 6 lit. a) SRÜ kann ein Küstenstaat unter bestimmten Bedingungen für ein Gebiet zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe Gesetze und sonstige Vorschriften erlassen. Dabei ist der Küstenstaat an die Vorgaben der International Maritime Organisation (IMO) gebunden. Hinsichtlich anthropogen induzierten Impulsschalls durch den Bau von Offshore-Windenergieanlagen bestimmt § 57 Abs. 3 Nr. 5 BNatSchG, dass die Anforderungen an die Unterschutzstellung mariner Natura 2000-Gebiete nicht über den in § 34 BNatSchG normierten Mindestschutz hinausgehen dürfen (§ 57 Abs. 3 Nr. 5 lit. a BNatSchG). Daher sind generelle Verbote für die Errichtung von Windenergieanlagen ausgeschlossen.53 Es bleibt bei der Möglichkeit der einzelfallbezogenen Prüfung. Beschränkungen sind des Weiteren im Hinblick auf die Erfüllung bestehender völkerrechtlicher Verpflichtungen oder die Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie möglich, wenn das Vorhaben diese erheblich beeinträchtigen kann (§ 57 Abs. 3 Nr. 5 lit. b BNatSchG). Völkerrechtliche Verträge im Sinne dieser Vorschrift sind die regionalen völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR) und das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Übereinkommen).54 Mit dem vom BMU entwickelten „Konzept für den Schutz der Schweinswale vor Schallbelastungen bei der Errichtung von Offshore-Windparks in der Nordsee (Schallschutzkonzept)“ soll bezüglich der naturschutzrechtlichen Anforderungen an die Errichtung von Offshore-Windparks zusätzliche Klarheit geschaffen werden.55 Das Konzept will Hilfestellung bei der Auslegung der Anforderungen des Schweinswalschutzes sowie bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe aus den einschlägigen Naturschutznormen („Verletzung“ und „erhebliche Störung“ im Sinne der artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote, „erhebliche Beeinträchtigung“ im Sinne des Gebietsschutzes) anbieten.56 In Genehmigungsverfahren soll das Konzept den zuständigen Behörden als Bewertungsmaßstab dienen.57 53 BeckOK UmweltR/Lüttgau, 56. Ed. 1.4.2020, BNatSchG § 57 Rn. 20. Der „Leitfaden zu Windkraftprojekten und den Naturschutzvorschriften der EU“ der Europäischen Kommission vom 18. November 2020 fasst Entwicklungen in und Standards von verschiedenen Mitgliedstaaten zusammen. Abrufbar unter: https://ec.europa.eu/environment /nature/natura2000/management/docs/wind_farms_de.pdf . 54 BeckOK UmweltR/Lüttgau, 56. Ed. 1.4.2020, BNatSchG § 57 Rn. 19. 55 Abrufbar unter: https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/awz/Dokumente/schallschutzkonzept_BMU.pdf . 56 Ebenda. S. 2 f. 57 UBA (2013). Pressemitteilung Nr. 168/13. Schallschutzkonzept für Schweinswale in der Nordsee tritt in Kraft . https://www.bmu.de/pressemitteilung/schallschutzkonzept-fuer-schweinswale-in-der-nordsee-tritt-in-kraft/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 007/21 Seite 14 Daneben sind die Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung58 (UVPG) zu beachten. Gemäß § 6 i.V.m. Anlage 1 ist bei der Errichtung einer Windfarm mit Anlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 Metern und 20 oder mehr Windkraftanlagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung verpflichtend vorgesehen. Das vom BSH entwickelte Standarduntersuchungskonzept „Standard – Untersuchung der Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf die Meeresumwelt (StUK4)“59 gibt den Antragstellenden den Rahmen der von der Planfeststellungs -/Genehmigungsbehörde für erforderlich gehaltenen Untersuchungen vor. Danach sind Untersuchungen zum Schutzgut Marine Säugetiere anzustellen, die u.a. Schallemissionen und Schallimmissionen umfassen.60 Eine weitere Standardisierung hat sowohl auf nationaler Ebene (DIN SPEC 45635:2017 - „Hochseewindparks - In-situ-Ermittlung der Einfügungsdämpfung schallreduzierender Maßnahmen im Unterwasserbereich“) als auch international (ISO 18406:2017 – „Underwater acoustics — Measurement of radiated underwater sound from percussive pile driving“) stattgefunden. Das BSH hat Grenzwerte erlassen, die die Ausbreitung von Impulsschall regulieren, der insbesondere durch Offshore-Rammarbeiten verursacht wird. Danach darf beim Bau von Windparks die Schallenergie von 160 dB re 1 mPa²s61 und einem Spitzenschalldruckpegel von 190 dB re 1 mPa unter Wasser in einem Umkreis von 750 m um die Schallquelle nicht überschritten werden.62 Die Festlegung dieser verbindlichen Lärmschutzwerte erfolgt in den Zulassungsbescheiden der BSH für Offshore-Vorhaben. Nach einem vom BSH beauftragten Bericht aus dem Jahr 2020 kommen seit 2014 technische Schallminderungssysteme zum Einsatz, die einzeln oder in Kombination die Einhaltung dieser Grenzwerte verlässlich gewährleisteten.63 *** 58 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.2.2010 (BGBl. I S. 94), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 3. 12.2020 (BGBl. I S. 2694) geändert worden ist. http://www.gesetze-im-internet.de/uvpg/UVPG.pdf. 59 Abrufbar unter: https://www.bsh.de/DE/PUBLIKATIONEN/_Anlagen/Downloads/Offshore/Standards/Standard- Auswirkungen-Offshore-Windenergieanlagen-Meeresumwelt.pdf?__blob=publicationFile&v=23. 60 Ebenda. S. 34 ff. 61 Für Schallmesswerte im Wasser wird eine andere Einheit als für Schalldruckwerte an Land verwandt . Weiterhin verhält sich Schall im Wasser anders als in der Luft. Daher sind die numerischen Messwerte nicht miteinander vergleichbar , wobei die numerischen Werte im Wasser bei gleicher Quelllautstärke deutlich höher liegen. Zu den akustischen Grundlagen vgl. G. Wittek, Wie laut sind die Ozeane?, Deutsche Gesellschaft für Akustik Jahrestagung 2001 .. 62 BfN. Belastungen im Meer – Unterwasserschall – Impulsschall. https://www.bfn.de/themen/meeresnaturschutz/belastungen -im-meer/unterwasserschall/impulsschall.html. 63 Bellmann M. A., Brinkmann J., May A., Wendt T., Gerlach S., Remmers P. (2020). Unterwasserschall während des Impulsrammverfahrens: Einflussfaktoren auf Rammschall und technische Möglichkeiten zur Einhaltung von Lärmschutzwerten . Gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), Beauftragt und geleitet durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) . Editiert durch die itap GmbH. https://www.bsh.de/DE/PUBLIKATIONEN/_Anlagen/Downloads/Projekte/Erfahrungsbericht -Rammschall .pdf?__blob=publicationFile&v=7.