© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 005/20 Einzelne Rechtsfragen zur Konditionierung von radioaktiven Abfällen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 005/20 Seite 2 Einzelne Rechtsfragen zur Konditionierung von radioaktiven Abfällen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 005/20 Abschluss der Arbeit: 07. April 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 005/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Grundlagen 4 2.1. § 6 Abs. 1 Atomgesetz (AtG) 4 2.2. § 12 Abs. 1 Nr. 3 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) 5 2.3. Zuständigkeiten bei Zulassung und Aufsicht über kerntechnische Einrichtungen und den Umgang mit radioaktiven Abfällen 5 3. Konditionierungseinrichtungen 6 4. Abstandsregelungen 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 005/20 Seite 4 1. Einleitung In Deutschland fallen kontinuierlich radioaktive Reststoffe und Abfälle an. Sie entstehen im Brennstoffkreislauf als Reaktorbetriebsabfälle und durch die Stilllegung von Kraftwerken sowie in der Forschung, Medizin, Industrie und in anderen Einrichtungen, die mit sonstigen radioaktiven Stoffen umgehen. Ziel der Abfallkonditionierung ist es daher, radioaktive Abfälle durch Behandlung und/oder Verpackung in eine endlagerfähige Form zu überführen, welche dann in ein Endlager transportiert wird und dort eingelagert werden kann.1 2. Rechtliche Grundlagen In Deutschland wird der Umgang mit radioaktiven Stoffen durch das Atomgesetz und die nachfolgenden Verordnungen – wie beispielsweise die Strahlenschutzverordnung - geregelt. Darunter fällt auch die fachgerechte Entsorgung radioaktiver Abfälle für die der Abfallverursacher verantwortlich ist. 2.1. § 6 Abs. 1 Atomgesetz (AtG) Die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen, auch von abgebrannten Brennelementen und kernbrennstoffhaltigen Abfällen erfordert eine Genehmigung nach § 6 AtG. Dies betrifft z. B. die Standortzwischenlager an den Kernkraftwerken sowie die zentralen Zwischenlager in Ahaus und Gorleben. Genehmigungsbehörde ist das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Die Aufsicht wird von der zuständigen Behörde des jeweiligen Bundeslandes ausgeübt.2 § 6 Abs. 2 AtG stellt sowohl objektive als auch subjektive Genehmigungsvoraussetzungen auf. Die Genehmigung nach § 6 Abs. 1 AtG ist danach als Personal- und Sachkonzession anzusehen. Dies hat Auswirkungen bei einem Genehmigungsinhaberwechsel oder bei dem Hinzutreten eines neuen oder Ausscheiden eines bisherigen Genehmigungsinhabers. In diesen Fällen sind, soweit die subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen berührt sind und damit zusammenhängend organisatorische Änderungen und Änderungen der Verantwortlichkeit verbunden sind, grundsätzlich Änderungsgenehmigungen erforderlich.3 Zu den in § 6 Abs. 2 AtG genannten sachlichen Genehmigungsvoraussetzungen zählen die erforderliche Vorsorge nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik zur Vorbeugung von Schäden (Nr.2), die Vorsorge zur Erfüllung der gesetzlichen Schadensersatzverpflichtung (Nr.3) und der Schutz vor Einwirkungen oder Störungen Dritter (Nr.4). Als subjektive Voraussetzungen sind sowohl die Zuverlässigkeit, als auch die erforderliche Fachkunde des Antragstellers und der für die Leitung und Beaufsichtigung verantwortlichen Personen genannt. 1 Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle – Bericht der Bundesrepublik Deutschland für die sechste Überprüfungskonferenz im Mai 2018, S. 124 https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nukleare _Sicherheit/jc_6_bericht_deutschland_bf.pdf [Stand: 27.03.2020]. 2 Ebenda. 3 Näser in: Danner/Theobald, Energierecht, Atomgesetz § 6 Rn 76. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 005/20 Seite 5 Bei § 6 AtG handelt es sich nicht um eine Anlagengenehmigung, sondern um eine tätigkeitsbezogene Genehmigung. Hierbei wird die Tätigkeit der „Aufbewahrung“ von Kernbrennstoffen zugelassen , also in erster Linie ihre zeitweilige (im Unterschied zur Endlagerung nach § 9b AtG) Lagerung an einem bestimmten Ort, aber auch dafür notwendige Handlungen. Für diese Aufbewahrung bedarf es keiner umfassenden atomrechtlichen Errichtungs- und Betriebsgenehmigung und auch keines förmlichen Planfeststellungsverfahrens. Für die Errichtung einer solchen Aufbewahrungseinrichtung findet das Baurecht der jeweiligen Bundesländer Anwendung. Die Baugenehmigung ist hinsichtlich der Gebäudenutzung insoweit zu begrenzen, als dass in ihr keine abschließende , für Dritte verbindliche, Entscheidung über die Abwehr nuklearspezifischer Risiken getroffen wird. Diese Frage unterliegt der atomrechtlichen Prüfung der hierfür zuständigen Behörde . Bei der Genehmigung nach § 6 AtG handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, die also ohne Ermessen erteilt werden muss, wenn die in § 6 Abs. 2 AtG genannten Voraussetzungen erfüllt sind.4 2.2. § 12 Abs. 1 Nr. 3 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) Der Umgang mit radioaktiven Stoffen bedarf gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG einer Genehmigung , sofern nicht durch eine Rechtsverordnung im Sinne des § 24 Satz 1 Nummer 1 eine Ausnahme gilt. § 5 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) stellt eine solche Ausnahme dar. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Genehmigung nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG sind in § 13 StrlSchG geregelt. Zu den Voraussetzungen zählen, wie auch bei § 6 Abs. 1 AtG, sowohl objektive , als auch subjektive Kriterien. Darunter fallen u.a. die Zuverlässigkeit und Sachkunde des Antragsstellers (Nr.1), die Gewährleistung, dass die bei der Tätigkeit mitwirkenden Personen über das notwendige Wissen und die erforderlichen Fertigkeiten verfügen (Nr.4) und die Gewährleistung , dass die erforderliche Ausrüstung vorhanden ist und Schutzmaßnahmen nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik zur Einhaltung der Schutzvorschriften getroffen wurden (Nr.6a). 2.3. Zuständigkeiten bei Zulassung und Aufsicht über kerntechnische Einrichtungen und den Umgang mit radioaktiven Abfällen 4 Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle – Bericht der Bundesrepublik Deutschland für die sechste Überprüfungskonferenz im Mai 2018, S. 128 https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nukleare _Sicherheit/jc_6_bericht_deutschland_bf.pdf [Stand: 27.03.2020]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 005/20 Seite 6 Quelle: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nukleare_Sicherheit/jc_6_bericht_deutschland_bf.pdf 3. Konditionierungseinrichtungen Für die ordnungsgemäße Entsorgung verantwortlich sind die Betriebe in denen die Abfälle anfallen . Sie müssen die Stoffe sammeln, sortieren, nach den gesetzlichen Vorgaben behandeln und anschließend in zugelassene Behälter verpacken. Danach müssen die befüllten Behälter solange zwischengelagert werden bis sie in ein Endlager transportiert und dort eingelagert werden können .5 Betriebe in denen nur geringe Mengen an radioaktiven Abfällen anfallen, wie bspw. Krankenhäuser , müssen diese an die Einrichtungen der Bundesländer, die sogenannten Landessammelstellen abführen. Für Abfälle aus der Bundesforschung und dem Rückbau der DDR-Kernkraftwerke ist der Bund zuständig.6 Die Konditionierungsanlage richtet sich nach der Art der radioaktiven Abfälle. So werden hochradioaktive Abfälle an den Kraftwerksstandorten konditioniert, während mittel- bis schwachradioaktive Abfälle entweder dezentral an den Anlagen oder an zentralen Standorten konditioniert werden.7 4. Abstandsregelungen Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Absatz 1 GG) fordert, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich , unterschiedliche nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, ein abweichendes Vorgehen wäre sachlich gerechtfertigt.8 Die Abstandsregelungen im Bereich der Genehmigung von Windenergieanlagen und im Bereich von Anlagen zur Konditionierung radioaktiver Abfälle betreffen unterschiedliche Sachverhalte. Insbesondere entstehen Emissionen bei Windkraftanlagen während des regulären Betriebs und nicht erst, wenn Unfälle eintreten. Zudem können (mögliche) Emissionen bei Konditionierungsanlagen durch Anforderungen an die Betriebsgebäude minimiert werden. Daher lässt sich aus dem Gleichheitsgrundsatz keine schematische Gleichbehandlung ableiten. *** 5 Vgl. https://www.bge.de/de/abfaelle/behandlung-verpackung-und-lagerung/ [Stand: 27.03.2020]. 6 Vgl. https://www.bge.de/de/abfaelle/behandlung-verpackung-und-lagerung/ [Stand: 27.03.2020]. 7 Eine Übersicht der Konditionierungseinrichtungen ist abrufbar unter: https://www.atommuellreport.de/themen /konditionierung/einzelansicht/hier-wird-konditioniert.html [Stand: 27.03.2020]. 8 Kischel, BeckOK/GG, 42. Edition 2019, Art. 3 GG, Rn. 14.