© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 001/20 Zum Verhältnis von kostenlosen ÖPNV-Systemen und verkehrsbedingten Emissionen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 001/20 Seite 2 Zum Verhältnis von kostenlosen ÖPNV-Systemen und verkehrsbedingten Emissionen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 001/20 Abschluss der Arbeit: 22. Januar 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 001/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Erfahrungs- und Abschätzungsstudien 4 2.1. Emissionsdaten einzelner Verkehrsmittel im Personennahverkehr 4 2.2. Strategien der Minderung der Kohlendioxidemissionen im städtischen Personenverkehr 5 2.3. Potentiale für den Klimaschutz durch den ÖPNV 6 2.4. Erfahrungen nach Einführung des Semestertickets 6 3. Zu Analysen der beeinflussenden Faktoren für den Verzicht auf den privaten PKW 7 3.1. Umfrageergebnisse 7 3.2. Simulationsstudienergebnisse 7 3.3. Erfahrungen aus den Modellen „Wien“ und „Tallinn“ 8 3.4. Finanzierungsanalyse 9 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 001/20 Seite 4 1. Einleitung Vor dem Hintergrund der politischen Vereinbarungen zur Minderung der CO2-Emissionen werden seit vielen Jahren kontroverse Debatten zum Thema eines kostenfreien oder annähernd kostenfreien Personennahverkehrs geführt. Man erhofft sich, durch das Anbieten eines für den Nutzer kostenlosen oder kostengünstigen ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr)-Beförderungssystems einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Emissionsminderung leisten zu können. Dies erweist sich allerdings als ein hochgradig komplexes System. Eine Reihe von kritischen Faktoren wird in einem Beitrag aus dem Jahr 2018 in der Wirtschaftszeitschrift brandeins angerissen.1 Hierin geht der Autor auf die These ein, dass der Preis alleine nicht der ausschlaggebende Faktor für einen Umstieg auf den ÖPNV sei. Die Ausführungen werden untermauert durch Verweise auf Studien und Erfahrungen. Vielmehr spielten weitere Faktoren, die den ÖPNV attraktiver gestalten und eine aktive Minderung der Attraktivität der Benutzung eines Autos eine wesentliche Rolle für das Umsteigeverhalten der Menschen. Von Seiten der Bundesregierung wurde mehrfach betont, dass die Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV ein wichtiges Element des Klimaschutzes sei. Zuletzt wurde beispielsweise im Klimaschutzprogramm 2030 die Erhöhung der Bundesmittel für den Ausbau des ÖPNV angekündigt.2 In der vorliegenden Arbeit werden einige Studienansätze, die verschiedene Vor- und Nachteile sowie bereits bestehende Beispiele und Abschätzungen der Wirksamkeit beleuchten, vorgestellt. Die angegebenen Internetverweise wurden zuletzt am 21. Januar 2020 abgerufen. 2. Erfahrungs- und Abschätzungsstudien 2.1. Emissionsdaten einzelner Verkehrsmittel im Personennahverkehr Im Auftrag des Umweltbundesamtes läuft am Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (ifeu) seit Januar 1993 ein Projekt zur „Beschreibung des motorisierten Verkehrs in Deutschland, seiner Fahrleistungen, seiner Energieverbräuche und seiner Emissionen sowie die Erstellung eines entsprechenden Rechenprogramms“. Das Computerprogramm trägt den Namen TREMOD – Transport Emission Model“.3 Im Rahmen dieses Projektes wurde das Modell „TRE- MOD-MM“ erstellt. „Mit diesem Modell kann eine detaillierte Berechnung der Emissionen von mobilen Geräten und Maschinen in der Landwirtschaft, Bauwirtschaft, Forstwirtschaft und Grünpflege sowie der Sport- und Fahrgastschifffahrt durchgeführt werden. Dabei werden stark diffe- 1 Christoph Koch: Was wäre, wenn der öffentliche Nahverkehr gratis wäre? Brandeins 2018 https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2018/naehe-und-distanz/ was-waere-wenn-der-oeffentliche-nahverkehr-gratis-waere. 2 Vgl.: Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050; 08.10.2019, im Internet abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/1679914/e01d6bd855f09bf05cf7498e06d0a3ff/2019-10- 09-klima-massnahmen-data.pdf?download=1. 3 TREMOD: Daten- und Rechenmodell: Schadstoffemissionen aus dem motorisierten Verkehr in Deutschland 1960 bis 2035; https://www.ifeu.de/methoden/modelle/tremod/. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 001/20 Seite 5 renzierte Daten u. a. zur Altersstruktur, Motorleistung, Nutzung und zum Emissionsverhalten berücksichtigt . Somit ist es möglich, die Emissionen für verschiedene Szenarien in hohem Detaillierungsgrad zu berechnen.“4 Basierend auf den Ergebnissen hat das Umweltbundesamt durchschnittliche Emissionsdaten einzelner Verkehrsmittel im Personennahverkehr zusammengestellt :5 Hieraus ergibt sich, dass gemessen an den Treibhausgasemissionen (in g/Pkm=Gramm pro Personenkilometer ) der Linienbus 54%, Straßen-, Stadt- und U-Bahnen 39% der Emissionen von Pkws ausstoßen. 2.2. Strategien der Minderung der Kohlendioxidemissionen im städtischen Personenverkehr In einem Artikel, der bereits 2014 in RaumPlanung erschienen ist6, stellen die Autoren sechs Szenario -Studien für München 2058, Wuppertal 2050, Ruhrgebiet-Ost 2030, Tübingen 2030, Köln 2020 und Region Hannover 2020 vor und gehen dabei auf die Frage ein: „Mit welchen Strategien und in welchen Größenordnungen ist es möglich, die Kohlendioxidemissionen des städtischen 4 Hinrich Helms, Udo Lambrecht, Wolfram Knörr: Aktualisierung des Modells TREMOD - Mobile Machinery (TREMOD-MM); Umweltbundesamt, Mai 2010, Texte | 28/2010; https://www.umweltbundesamt.de/publikationen /aktualisierung-des-modells-tremod-mobile-machinery. 5 Umweltbundesamt: vergleich der durchschnittlichen Emissionen einzelner Verkehrsmittel im Personenverkehr in Deutschland, Bezugsjahr 2018; https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/366/bilder/dateien /vergleich_der_durchschnittlichen_emissionen_einzelner_verkehrsmittel_im_personenverkehr_bezugsjahr _2018_tabelle_0.pdf. 6 Oscar Reutter und Ulrike Reutter: Klimaschutz im Stadtverkehr – sechs Szenariostudien in Deutschland; Raumplanung 173/2-2014. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 001/20 Seite 6 Personenverkehrs so zu verringern, dass auch dieser Verursacherbereich zum Erreichen der Klimaschutzziele beiträgt?“7 Insgesamt wird in allen vorgestellten Szenarien aufgezeigt, dass die Maßnahmen zur CO2-Minderung beitragen können. Die CO2-Emissionminderung bewegt sich dabei zwischen -25% (2020 gegenüber 2006 für Köln 2020) und -85% (2050 gegenüber 1990 für Wuppertal 2050). Hierbei standen allerdings nicht das Steuerungselement des kostenlosen ÖPNV-Tickets im Vordergrund, sondern Maßnahmen wie beispielsweise Treibstoffpreisentwicklung, Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung , Verkehrstechnik und Bevölkerungsstrukturen. 2.3. Potentiale für den Klimaschutz durch den ÖPNV Das Ökoinstitut hat zusammen mit der Technischen Universität Berlin, dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und Hamburg-Consult GmbH 2014 einen Abschlussbericht zum Forschungsprojekt : „Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie und Steigerung der Energieeffizienz im öffentlichen Personennahverkehr“ vorgestellt.8 Hierin wurden Potentiale für den Klimaschutz durch den ÖPNV analysiert und Klimaschutzmaßnahmen bewertet. Der ÖPNV könne einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten. Nach wie vor sei das Nutzen der öffentlichen Verkehrsmittel nur halb so klimaschädlich wie die Fahrt mit dem PKW. Gemessen an ausgestoßenen CO2-Äquivalenten liege der ÖPNV um ca. 45 – 53 % (Personen-km in 2008) unter denen des Pkw. Eine wesentliche Schlüsseltechnologie im betrachteten Zeitraum sei die Elektromobilität bei Kraftfahrzeugen. Mit der Berücksichtigung der Elektromobilität ergebe sich auch für den ÖPNV mit Bussen ein Effekt, der für den ÖPNV mit Straßenbahnen, Stadt- und U- Bahnen bereits von Anfang an wirke, nämlich dass die CO2- und Treibhausgas-Bilanz des Verkehrs wesentlich vom Strommix, konkret vom Anteil des aus erneuerbaren Energien gewonnenen Stromes, abhänge. In Hinblick auf den Endverbraucher stellen die Autoren fest, dass Komfort und Behaglichkeit sehr wichtig seien. „Dann folgen Pünktlichkeit und gute Anschlussrelationen. Die Umweltfreundlichkeit spielt bei der Wahl des Verkehrsmittels nicht die entscheidende Rolle. Viele Kunden nehmen Busse und Bahnen des ÖPNV noch automatisch als umweltschonend wahr. Daher ist der Wunsch der Kunden nach noch umweltfreundlicheren ÖPNV-Unternehmen in seiner Bedeutung geringer als die Bedeutung des Fahrpreises.“9 2.4. Erfahrungen nach Einführung des Semestertickets In einem Artikel aus dem Jahr 2016 in World Transport Policy and Practice10 stellt die Autorin das Konzept des seit 1991 existierenden Semestertickets in Deutschland vor. Das Semesterticket 7 Ebd. Seite 9. 8 Jürgen Kappus, Andrea Klußmann, Martin Schmied, Moritz Mottschall, Markus Hecht, Patrick Eschweiler: Forschungsprojekt „Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie und Steigerung der Energieeffizienz im öffentlichen Personennahverkehr“, Schlussbericht, 16.09.2014: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/erneuerbare -energie-energieeffizienz-oepnv-schlussbericht.html. 9 Ebd. 10 Miriam Müller: Semester Tickets for University Students in Germany: A Success Story for 25 Years; World Transport Policy and Practice; Volume 21.4 Februar 2016. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 001/20 Seite 7 unterscheidet sich allerdings je nach Universitätsstadt in der Preis-Leistungsstruktur deutlich. Es werden empirische Forschungsdaten zur Akzeptanz des Tickets durch Studenten und zu den Auswirkungen auf die Verlagerung auf den öffentlichen Verkehr und die Reduzierung des Pkw- Eigentums erläutert. In einer Studie aus dem Jahr 200111 wird für die Universitäten in Darmstadt gezeigt, dass die Einführung des Semestertickets zwischen 1991 und 1999 mit einem Anstieg der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs (17% bis 42%), einem Rückgang des Pkw Gebrauch (46% bis 28%) und einer Abnahme des Gehens und des Fahrradfahrens (37% bis 29%) verbunden war. Ähnliche Effekte wurden auch für andere Städte beschrieben. Auch in Hinblick auf die Abschaffung eines PkWs hat nach Umfrageergebnissen die Einrichtung des Semestertickets einen Einfluss . 3. Zu Analysen der beeinflussenden Faktoren für den Verzicht auf den privaten PKW 3.1. Umfrageergebnisse Das Online-Portal für Statistik, Statista, hat 2020 eine Statistik („Unter welchen Umständen würden Sie für innerstädtische Fahrten auf den privaten PKW verzichten?“) veröffentlicht, in der das Ergebnis einer Umfrage in Deutschland zu Umständen für den Verzicht auf den privaten PKW für innerstädtische Fahrten zusammengestellt wird. Hiernach würden rund 54 Prozent der Befragten in Deutschland im Falle kostenloser Fahrscheine bei innerstädtischen Fahrten auf das eigene Auto verzichten. Insgesamt 41 Prozent würden bei besseren Verbindungen auf den eigenen Pkw verzichten. Rund 18 Prozent würden nicht umsteigen.12 3.2. Simulationsstudienergebnisse Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass der Preis nicht der alleinige Faktor sei, sich für oder gegen die Nutzung des ÖPNVs zu entscheiden. Das bedeutet in der Folge, dass die Einführung eines kostenlosen Tickets wahrscheinlich nicht als alleiniges Instrument wirksam sein wird.13 An der TU Dortmund ist zu dieser Frage eine Simulationsstudie durchgeführt worden, in der man zu dem Schluss kam, dass der kostenlose ÖPNV die Emissionen nicht ausreichend senken könne.14 Hinzukommen „müssten Regeln, die das Autofahren unattraktiver machen. Etwa eine Citymaut, drastische Parkgebühren, Tempolimits. Oder ein besseres Streckennetz und eine höhere Taktung 11 Blees, V., Boltze, M., Stanek, G. (2001): Wirkungen des Semestertickets. Analyse am Beispiel des Hochschulstandorts Darmstadt. In: Der Nahverkehr 3/2001, pp. 30-35. 12 Statista: Unter welchen Umständen würden Sie für innerstädtische Fahrten auf den privaten PKW verzichten? Deutschland; 21.03. bis 27.03.2018; 1.021 Befragte; 18 bis 69 Jahre; https://de.statista.com/prognosen /856914/umfrage-zu-umstaenden-fuer-den-verzicht-auf-den-privaten-pkw-fuer-innerstaedtische-fahrten. 13 Vgl. hierzu: Christoph Koch: Was wäre, wenn … der öffentliche Nahverkehr gratis wäre? Brandeins 2018, im Internet abrufbar unter: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2018/naehe-unddistanz /was-waere-wenn-der-oeffentliche-nahverkehr-gratis-waere. 14 Marlon Philipp, Fabian Adelt: Optionen der politischen Regulierung des Personennahverkehrs; Soziologisches Arbeitspapier Nr. 53/2018; https://eldorado.tu-dortmund.de/bitstream/2003/36806/1/AP-53-Philipp-Adelt.pdf. Siehe auch Pressemitteilung vom 7.5.2018: Soziologen der TU Dortmund simulieren Wirkung von kostenlosem Nahverkehr https://www.tu-dortmund.de/storages/tu_website/Referat_1/Pressemitteilungen_2018/18-073-Kostenloser -OEPNV.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 001/20 Seite 8 von Bussen und Bahnen, um schneller und flexibler unterwegs zu sein.“15 Ähnliches wird auch durch Ergebnisse eines Forschers der Universität Delft bestätigt. In einem Interview mit Spiegel Online, konstatiert ein Wissenschaftler: „Würde man das Geld für den Gratis-ÖPNV stattdessen in einen höheren Takt der öffentlichen Verkehrsmittel investieren, also mehr Züge und Busse in kürzeren Abständen, würden deutlich mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen .“16 In diesem Interview wird auch Tallinn als erfolgreiches Vorbild dargestellt. 3.3. Erfahrungen aus den Modellen „Wien“ und „Tallinn“ Es existieren verschiedene Umsetzungsmodelle kostenloser oder nahezu kostenloser ÖPNV-Nutzungssysteme in verschiedenen Städten im In- und Ausland, die allerdings zumeist eine Einwohnerzahl von deutlich weniger als eine Mio. aufweisen. Allerdings wurde in Wien, das derzeit rund 1,9 Mio. Einwohner zählt, 2012 ein Jahresticket für 365 Euro eingeführt. Eine Darstellung des Wiener Systems findet sich in einem Artikel „Das „Wiener Modell“ - ein Modell für deutsche Städte?“ aus dem Jahr 2018.17 Hierin wird betont, dass bei Überlegungen der Übertragbarkeit des Wiener Modells, Stadt- und Verkehrsplanung zwingend zu integrieren seien und das Angebot des Umweltverbundes so attraktiv sein solle, dass ein Leben ohne privaten Pkw problemlos stattfinden könne, also weitestgehend ohne Einschränkungen der Mobilität und sozialen Teilhabe. Zur Finanzierung konstatieren die Autoren: „Durch die Erhöhung der Parkgebühren bei gleichzeitig höherer Nutzung dieser Einnahmen für den ÖPNV sowie der Anhebung der Dienstgeberabgabe stehen seit 2012 deutlich höhere finanzielle Mittel für den ÖPNV zu Verfügung als in den Vorjahren. Arbeitgeber und Pkw-Fahrer als Nutznießer des ÖPNV-Angebots werden zu dessen Finanzierung herangezogen.“ Tallinn bietet seit 2013 einen kostenlosen ÖPNV für Einwohner an. Vielfach wurde kritisiert, dieser Ansatz führe nicht zu einer Senkung des CO2-Ausstosses, da zum einen zu wenige Menschen auf den ÖPNV umstiegen und zum zweiten es genau diejenigen seien, die zuvor mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs gewesen seien.18 Allerdings muss man beachten, dass zwar die angestrebten Einsparungen sich nicht ergeben haben, allerdings bei einer zunehmenden Einwohnerzahl gleichzeitig eine sechs-prozentige Abnahme des Verkehrs in der Stadtmitte erfolgte. Zugenom- 15 Christoph Koch: Was wäre, wenn der öffentliche Nahverkehr gratis wäre? Brandeins 2018, https://www.brandeins .de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2018/naehe-und-distanz/was-waere-wenn-der-oeffentlichenahverkehr -gratis-waere. 16 Emil Nefzger: Niemand steigt aus dem Auto, nur weil der Bus gratis ist; Spiegel Mobilität vom 15.02.2018; https://www.spiegel.de/auto/aktuell/kostenloser-nahverkehr-city-maut-ist-die-bessere-alternative-a- 1193605.html. 17 Der Nahverkehr 9/2018; https://www.vgn.de/neuigkeiten/Fachartikel. 18 Siehe beispielsweise: Oded Cats et al.: The prospects of fare-free public transport: evidence from Tallinn; Transportation 44, 1083–1104 (2017) doi:10.1007/s11116-016-9695-5. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 001/20 Seite 9 men aber hat der Verkehr im Außenbereich um die Stadt herum, da die Anbindung an andere Regionen des Landes eher als schlecht zu beurteilen ist.19 Inzwischen nutzen (Stand 2018) 10 bis 15 Prozent mehr Menschen den Nahverkehr als vor dem Wegfall der Ticketkosten.20 3.4. Finanzierungsanalyse In einem Diskussionspapier aus dem Jahr 2016 werden Varianten des fahrscheinfreien ÖPNV und ein Konzept für Berlin vorgestellt.21 Auch geht der Autor auf Finanzierungsoptionen ein. Zu den Finanzierungsarten wird eine Tabelle zusammengestellt. Die Tabelle liefert einen Überblick über Beispielstädte mit einem stadtweiten fahrscheinfreien ÖPNV, den Zeitraum der Durchführung sowie, falls bekannt, den Kostendeckungsgrad durch Ticketverkäufe vor der Einführung und die Form der Finanzierung:22 *** 19 Hanna Gerwig: Das Experiment von Tallinn geht weiter; ohne Datum, im Internet abrufbar unter: https://www.www-mag.de/debatten/beitrag/das-experiment-von-tallinn-geht-weiter. 20 Ebd. 21 Gehrke, Marvin (2016): Fahrscheinfrei im ÖPNV - Eine Alternative für Großstädte. Ein Maßnahmensortiment und die Realisierbarkeit in Berlin. IVP-Discussion Paper. Heft 4/2016. Berlin. https://www.econstor .eu/bitstream/10419/200078/1/ivp-dp-2016-4.pdf. 22 Ebd. Seite 23.