© 2017 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 001/17 Anmerkungen zur elektrochemischen Reduktion von Kohlendioxid und einer aktuellen Publikation von Forschungsergebnissen zu diesem Thema Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Forschungsarbeiten zur stofflichen Nutzung von Kohlendioxid in Deutschland 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 4 1. Einleitung Unter der Überschrift „High-Selectivity Electrochemical Conversion of CO2 to Ethanol using a Copper Nanoparticle/N-Doped Graphene Electrode“ publizierten Adam J. Rondinone (Korrespondenzautor ) und zehn weitere Mitarbeiter mehrerer Abteilungen des Oak Ridge National Laboratory aus Oak Ridge am 30. August 2016 eine Arbeit aus dem Bereich der physikochemischen Grundlagenforschung im Themenschwerpunkt „Energy Technology & Environmental Science“ der Zeitschrift „ChemistrySelect“. Nach Angaben im Newsletter der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) vom 15.12.2016 handelt es sich bei dieser Veröffentlichung in ChemistrySelect um die derzeit am meisten beachtete Publikation in einer der Zeitschriften von ChemPubSoc Europe1. In dieser Publikation stellen die Autoren die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur elektrochemischen Reduktion von in Wasser gelöstem Kohlendioxid an modifizierten Graphenoberflächen bei Raumtemperatur vor und diskutieren die Variation des erhaltenen Produktspektrums und der Ausbeuten in Abhängigkeit von der Reaktionsführung und weiteren experimentellen Parametern. 2. Zur wissenschaftlichen Einordnung Beim Oak Ridge National Laboratory in Tennessee (USA) handelt es sich um eine international renommierte Forschungseinrichtung. Die Darstellung der Ergebnisse sowohl in der Publikation als auch in den im Internet zugänglichen „Supporting Information“ erscheint logisch und repräsentiert seriöse Forschungsarbeit. Experimentelle Details zu den vorgenommen Untersuchungen wurden ausführlich und detailgetreu beschrieben. Die umfangreichen zur Charakterisierung der Struktur und Zusammensetzung von Elektrodenmaterialien und Reaktionsprodukten angewendeten analytischen und Messmethoden (u.a. Gaschromatographie, Kernresonanzspektroskopie, Rasterelektronenmikroskopie , in situ Raman-Spektroskopie und Röntgenphotoelektronenspektroskopie ) wurden sinnvoll zum Einsatz gebracht und schlüssig interpretiert. Die Autoren haben diese Interpretation ihrer experimentellen Ergebnisse mit quantenchemischen Berechnungen (Dichtefunktionaltheorie) untermauert und auf deren Grundlage einen möglichen Reaktionsmechanismus postuliert, mit dem sie die durchaus bemerkenswerte Tatsache zu erklären versuchen, dass bei der elektrochemischen Reduktion des Kohlendioxids (CO2) (dessen Molekül ein Kohlenstoffatom enthält) ein Produkt entsteht, das zwei Kohlenstoffatome pro Molekül enthält (Ethanol CH3-CH2-OH). Das bedeutet, dass im Verlauf der mehrstufigen Eintopfreaktion2 eine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung geknüpft wird, was nach Ansicht der Autoren an Kupfer- Nanostrukturen der katalytisch wirkenden Oberfläche der Kathode geschieht. 1 In der ChemPubSoc Europe haben sich Ende der 1990er Jahre 16 europäische chemische Gesellschaften aus 15 Ländern zusammengeschlossen, um gemeinsam 13 bedeutsame chemiewissenschaftliche Fachzeitschriften von hoher Qualität herauszugeben. Außerdem ist ChemPubSoc Europe an der Internetplattform ChemistryViews (http://www.chemistryviews.org/) beteiligt und gibt dort das ChemViews Magazin heraus. 2 Unter einer Eintopfreaktion versteht man in der chemischen Synthese eine Reaktion, bei der alle benötigten Reagenzien , Lösungsmittel und Hilfsstoffe (wie Katalysatoren) in einem Reaktionsgefäß reagieren und in deren Verlauf Zwischenprodukte nicht isoliert werden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 5 Die wissenschaftliche Bedeutung, die den Ergebnissen der Untersuchungen von Rondinone et al. beigemessen wird, belegt auch das Titelbild der gedruckten Ausgabe der Zeitschrift „Chemistry- Select“, in der die Arbeit erschienen ist (Heft 19/2016). Abbildung 1: Titelbild der gedruckten Ausgabe (19/2016) der Zeitschrift „ChemistrySelect“. Orange dargestellt ist ein Kupfer-Nanopartikel, der in Stickstoff-dotierte Kohlenstoff-Nanospikes3 (Hintergrund) eingebettet ist, und an dessen Oberfläche die elektrochemische Umwandlung von Kohlendioxid (vier Moleküle unten rechts) in Ethanol (zwei Moleküle oben) abläuft. 3 Die Kohlenstoff-Nanospikes wurden durch plasmaunterstützte chemische Gasphasenabscheidung (PECVD) auf Silizium-Wafer-Oberflächen in einer Acetylen-Ammoniak-Atmosphäre erzeugt. Es handelt sich dabei, wie elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen, um winzige, aus einer mit Stickstoffatomen dotierten Graphen-Oberfläche hervortretende „Spitzen“, die aus Kohlenstoffatomen bestehen und etwa 50 bis 80 Nanometer lang sind. Mit Hilfe dieser „Spitzen“ gelingt es, auf der Oberfläche der Kathode eine Vielzahl winziger Bereiche mit hoher Ladungsdichte und damit hoher elektrischer Feldstärke zu erzeugen. Die Kupfer- Nanostrukturen sind in die Kohlenstoff-Nanospikes eingebettet. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 6 3. Erläuterungen zum Reaktionsmechanismus und -verlauf Dieser Prozess ist mit der Übertragung von insgesamt 12 Elektronen (gerechnet für ein Ethanol- Molekül) nach einem mehrstufigen, komplexen Reduktionsmechanismus über eine Reihe von Zwischenstufen verbunden4. Die elektrochemische Reduktion von Kohlendioxid in Wasser als Lösungsmittel, das im Vergleich zum CO2 in großem Überschuss vorliegt, konkurriert zwangsläufig mit der Wasserelektrolyse , d.h. der elektrochemischen Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. 4 H2O 𝐄𝐥𝐞𝐤𝐭𝐫𝐨𝐥𝐲𝐬𝐞 → 4 H2 + 2 O2 ΔRH = +1143,6 kJ/mol5 Die Autoren geben für das Verhältnis von Kohlendioxidreduktion zu Wasserelektrolyse einen Wert von 3:1 bzw. von 75% zu 25% an. Mit anderen Worten: 75 Prozent des durch die Kathode fließenden Stromes reagieren mit dem Kohlendioxid und reduzieren es zu verschiedenen, kohlenstoffhaltigen Produkten (CO, CH4, Ethanol). Die restlichen 25 Prozent spalten Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Der kathodische Gesamtprozess der CO2-Reduktion zu Ethanol kann mit folgender Gleichung beschrieben werden: 2 CO2 + 9 H2O + 12 e- → C2H5OH + 12 OH- Nach dem von Rondinone et al. vorgeschlagenen Mechanismus beginnt die Reaktion mit der Adsorption von Kohlendioxid (CO2) an der Kupferoberfläche, gefolgt von dessen Reduktion zu Kohlenmonoxid (CO). Anschließend dimerisieren zwei an der Kupferoberfläche benachbarte CO-Moleküle (Knüpfung der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung des späteren Ethylrests). Das Dimer geht eine temporäre Bindung mit den benachbarten Kohlenstoff-Nanospikes über ein Sauerstoffatom ein, die verhindert, dass die elektrochemische Reduktion über Ethanol hinaus bis zu Ethan (CH3-CH3) führt. 4 Zum Vergleich: Beim gegenwärtig mit etwa 500.000 Jahrestonnen größten Prozess der industriellen, organischen Elektrochemie, dem Baizer-Prozess zur Erzeugung von Adipodinitril, werden pro Zielmolekül zwei Elektronen übertragen. Adipodinitril ist ein bedeutendes Zwischenprodukt bei der Herstellung von Polyamiden (Nylon). Andere großtechnische Verfahren aus dem Bereich der organischen Elektrochemie sind z.B. Elektrofluorierungsreaktionen , die Herstellung von Sebacinsäure auf dem Weg der dimerisierenden Decarboxylierung von Monomethyladipat (Kolbe-Synthese) und die Herstellung aromatischer Aldehyde. 5 Der Ausdruck ΔRHØ ist die Reaktionsenthalpie (eine Angabe zum energetischen Verlauf einer Reaktion). Reaktionen, für die eine positive Reaktionsenthalpie (ΔRH = +n kJ/mol) angegeben ist, verlaufen (in Schreibrichtung ) unter Energiezufuhr, solche mit negativer Reaktionsenthalpie (ΔRH = –n kJ/mol) unter Energiefreisetzung. Alle angegebenen Reaktionsenthalpien nach: Hollemann, Arnold F. (1995). Lehrbuch der Anorganischen Chemie / Hollemann-Wiberg. Begründet von A.F. Hollemann, fortgeführt von Egon Wiberg. 101., verbesserte und stark erweiterte Auflage von Nils Wiberg. Berlin. de Gruyter. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 7 Dieser Reaktionsmechanismus wird in der nachfolgenden Abbildung, die der Online-Ausgabe von ChemistrySelect entnommen wurde, graphisch veranschaulicht. Orange dargestellt ist wiederum der Kupfer-Nanopartikel, der von den grau gezeichneten Nanospikes umgeben ist. In einem ersten Schritt erfolgt die Reduktion des an die Kupferoberfläche adsorbierten Kohlendioxids (CO2) zu Kohlenmonoxid (CO) (im Bild oben), anschließend die Dimerisierung zweier benachbarter CO-Moleküle (Bildmitte) und schließlich die weitere Reduktion zu Ethanol (EtOH) (links im Bild). Abbildung 2: Visualisierung des Reaktionsmechanismus der CO2-Reduktion an Kupfer-Nanopartikeln in Gegenwart von N-dotierten Kohlenstoff -Nanospikes6. Möglicherweise waren es vor allem patentrechtliche Gründe, die die Autoren dazu veranlasst haben , ihre Ergebnisse vergleichsweise schnell als frei zugänglichen Beitrag unter Open Access7 in einem Journal wie „Chemistry SELECT“ zu veröffentlichen und nicht z.B. in der „Zeitschrift für Angewandte Chemie“, deren Inhalte nur kostenpflichtig zugänglich sind. 6 Quelle: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/slct.v1.19/issuetoc [letzter Abruf am 18.01.2017]. 7 Wird ein wissenschaftliches Dokument unter Open-Access-Bedingungen publiziert, hat jedermann die Möglichkeit , dieses Dokument zu lesen, herunterzuladen, zu speichern, es zu verlinken, zu drucken und damit entgeltfrei zu nutzen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 8 4. Diskussion der Ergebnisse Bei den von den Autoren bereits im Abstract des Artikels besonders herausgestellten maximal 63 Prozent „Faraday Efficiency“8 handelt es sich, ebenso wie bei der von den Autoren angegebene maximalen Selektivität9 von 84 Prozent um einen ausgesprochen guten Wert. Experimentelle Untersuchungen anderer Autoren lieferten bislang deutlich schlechtere Ausbeuten für derartige reduktive, elektrochemische Umwandlungen von Kohlendioxid.10 Frühere Untersuchungen zur elektrochemischen Reduktion von Kohlendioxid führten zu etwa 30 verschiedenen Produkten (u.a. Kohlenmonoxid, Ameisensäure, Methan, Methanol, Ethan und Ethen) in unterschiedlichen, aber generell deutlich niedrigen Ausbeuten, die in Mischungen und in unterschiedlichen Mengenverhältnissen vorlagen. Bei diesen früheren Untersuchungen kamen verschiedene homogene bzw. heterogene Katalysatoren zum Einsatz, die u.a. Kupfer, Platin, Eisen , Zinn, Silber oder Gold enthalten bzw. Katalysatoren auf der Basis von graphitischem Kohlenstoffnitrid g-C3N4. Dabei waren energetischer Wirkungsgrad und Selektivität für alle Produkte schwerer als Methan viel zu gering für eine praktische Anwendung. Die maximale Selektivität von 84 Prozent ergibt sich aus dem Maximalwert der Faraday Efficiency von 63 Prozent (s.o.), wenn man diese in Relation zum Verhältnis von CO2-Reduktion zur mit ihr konkurrierenden Wasserelektrolyse (75 % zu 25 %) setzt. Das bedeutet, dass 63 Prozent der zur CO2-Reduktion eingesetzten 75 Prozent des Gesamtstromes für die Umwandlung des Kohlendioxids in Ethanol genutzt werden. Das bedeutet letztendlich aber nicht, dass der Wirkungsgrad des gesamten Prozesses bei 63 Prozent liegt. Bei den hier von Rondinone et al. vorgestellten Untersuchungen handelt es sich, wie oben bereits beschrieben, um Grundlagenforschung in einem sehr frühen Stadium und noch im Labormaßstab . Das Gesamtvolumen des verwendeten Elektrolyten betrug 16 Milliliter, die Elektrodenfläche ein bis zwei Quadratzentimeter. Kohlendioxid wurde mit großem Überschuss und einer Durchflussmenge von drei Milliliter pro Minute durch den Elektrolyten geleitet, um eine gute Durchmischung zu erreichen und Ausbeuteschwankungen infolge von ungenügendem Massentransport (Diffusionsphänomene an den Elektroden) zu vermeiden und die geringe Löslichkeit von CO2 in Wasser auszugleichen. Die geringe Löslichkeit von Kohlendioxid im Elektrolyten ist eine wesentliche Limitierung für den Durchsatz und eine Ursache für die beobachtete kathodische Überspannung . Die von Rondinone et al. erzielten, wissenschaftlich beachtenswerten Ergebnisse belegen die generelle Möglichkeit, Kohlendioxid auf elektrochemischem Wege in Ethanol, eine organische 8 Diese Angabe bedeutet, dass maximal 63 Prozent des zur CO2-Reduktion eingesetzten Stromes für die Umwandlung des Kohlendioxids in Ethanol genutzt werden. 9 Mit dem Begriff Selektivität wird in der Chemie das Phänomen beschrieben, dass bei einer Umsetzung bevorzugt eines von mehreren möglichen Reaktionsprodukten entsteht. Die Selektivität wird von den Reaktionsbedingungen beeinflusst, zu denen u.a. Temperatur, Druck, Konzentrationen und Verhältnis von Reaktanden, Begleit- und Hilfsstoffen, eingesetzte Lösungsmittel und die Reaktionsdauer gehören. 10 Veröffentlichungen zu früheren Arbeiten auf diesem Gebiet finden sich im Literaturverzeichnis des Artikels aus „ChemistrySelect“ unter [1] bis [10]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 9 Grundchemikalie, umzuwandeln. Wird für diese Umwandlung Überschussstrom aus erneuerbaren Quellen eingesetzt, könnte man davon sprechen, dass dieser Überschussstrom in chemische Energie als eine Langzeit-Speicherform umgewandelt wird. Die Autoren selbst merken an, dass „die erforderliche Überspannung (die möglicherweise durch die Wahl eines geeigneteren Elektrolyten und die Verlagerung bzw. Unterdrückung der Reduktion von Wasser zu Wasserstoff gesenkt werden könnte) gegenwärtig eine ökonomische Nutzung der hier vorgestellten katalytisch wirkenden Oberfläche in einem technischen Verfahren ausschließt “11. Rondinone et al. stellen aber auch fest, dass die für diesen Prozess einer 12-Elektronen-Reduktion gefundene, bemerkenswert hohe Selektivität vermuten lässt, dass nanostrukturierte Oberflächen mit multiplen, dicht benachbarten reaktiven Zentren neuartige Reaktionsmechanismen ermöglichen können, weswegen weitere Untersuchungen dieser Strukturen angezeigt sind. 5. Weitere Untersuchungen Allerdings bedürfte es ohnehin noch einer Vielzahl weiterer Untersuchungen, um die vorgestellten Ergebnisse in ein mögliches technisches Verfahren zu überführen. Dazu gehören vor allem weitere Untersuchungen zum Mechanismus der Katalyse, das Scale-up12, und zum energetischen Wirkungsgrad sowie eine detaillierte Betrachtung der energetischen Bilanz des gesamten Prozesses unter Einbeziehung aller äußeren Parameter, wozu u.a. auch die Gewinnung, Reinigung und der Transport des benötigten Kohlendioxids gehört. Weitere Untersuchungen zum Mechanismus der postulierten Katalyse sollten u.a. klären, auf welche Weise die wirksamen Bestandteile der Elektrodenoberfläche (Kupfer-Nanopartikel, Kohlenstoff -Nanospikes, Stickstoffdotierung der Graphenmatrix) interagieren. Zu hinterfragen wäre beispielsweise, ob die Stickstoffdotierung der Oberfläche Halbleitereigenschaften verleiht oder ob in der Oberfläche durch die Stickstoffdotierung N-heterocyclische Strukturen13 entstehen, die Einfluss auf die an der Elektrodengrenzfläche ablaufenden Prozesse haben könnten. Auch die Art der Wechselwirkung zwischen Kupfer-Nanoteilchen, Kohlenstoff-Nanospikes und den eingelagerten Stickstoffatomen könnte Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Für einen Dauerbetrieb in einem großtechnischen Prozess wären auch weitere Untersuchungen zur Langzeitbeständigkeit der Elektrodenoberfläche bei entsprechend hohen, technischen Stromdichten erforderlich . Im „Supporting Material“ finden sich hierzu elektronenmikroskopische Aufnahmen von Kathodenoberflächen vor und nach einer sechsstündigen Elektrolyse, die auf den ersten Blick keine sichtbaren Veränderungen zeigen. Dieser Befund korreliert mit der in Abbildung 4B des Artikels 11 Anmerkung: Fettung durch Verfasser. 12 Der Begriff Scale-up (von engl. „to scale up“ - vergrößern, erweitern) beschreibt die Maßstabsvergrößerung in der chemischen Verfahrensentwicklung. Ziel ist die Überführung eines im Labormaßstab entwickelten und erprobten Verfahrens in eine technische Dimension mit wirtschaftlich relevanten Produktmengen und der Bau einer technischen Produktionsanlage. 13 N-Heterocyclen sind ringförmige, aromatische und nichtaromatische Kohlenstoffverbindungen, deren Ringgerüste ein oder mehrere Stickstoffatome enthalten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 10 dargestellten, über diesen Zeitraum relativ konstanten Stromdichte (Veränderungen in der Oberflächenstruktur der Elektroden hätten sich vermutlich in einer Änderung der Stromdichte niedergeschlagen ). Die bei den weiteren Untersuchungen zum Katalyse-Mechanismus gewonnenen Erkenntnisse könnten wesentliche Bedeutung erlangen, wenn es darum geht, größere Elektroden mit deutlich größeren Oberflächen zu produzieren, wie sie beim Scale-up für ein Verfahren in technischem Maßstab benötigt werden, damit der für einen wirtschaftlichen Betrieb notwendige Durchsatz größerer Stoffmengen erreichbar wird. Dabei wäre es möglich, dass die maximal mit Hilfe der plasmaunterstützten chemischen Gasphasenabscheidung (PECVD) produzierbare Oberfläche pro Elektrode durch das Herstellungsverfahren limitiert ist. Dies ist gegenwärtig beispielsweise bei Bor-dotierten Diamantelektroden der Fall, für die die maximale, durch Chemische Gasphasenabscheidung (CVD)14 herstellbare Fläche einer Elektrode zurzeit 0,5 Quadratmeter beträgt. 6. Vergleich mit weiteren Arbeiten zur CO2-Reduktion Wenn als Ergebnis weiterer Untersuchungen belastbare Zahlen für den Wirkungsgrad und die Energiebilanz des Gesamtprozesses in einem technisch relevanten Maßstab vorliegen, können diese mit den Energiebilanzen anderer Verfahren zur Umwandlung und Speicherung von Überschussstrom aus erneuerbaren Energien in Form von chemischer Energie verglichen werden, um eine wirtschaftliche Einordnung vorzunehmen. Einen Eindruck davon, wie ein derartiger Vergleich erfolgen könnte, vermittelt die Abbildung 3, in der der energetische Wirkungsgrad und die im Prozess angewandte Stromdichte verschiedener elektrochemischer CO2-Reduktionsverfahren zur Erzeugung von Syngas (Mischung aus Kohlenmonoxid CO und Wasserstoff H2), Ameisensäure(Formic Acid HCOOH) und von Kohlenwasserstoffen (Methan CH4 und Ethylen C2H4) gegenübergestellt wurden. Zum Vergleich wurden die Daten für Alkalische und für PEM-Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff (H2) ebenfalls aufgetragen . Man erkennt deutlich, dass die Wasserelektrolyse bei Stromdichten größer als 50 Milliampere pro Quadratzentimeter (mA/cm2) einen sehr viel höheren energetischen Wirkungsgrad aufweisen als alle betrachteten Verfahren zur CO2-Reduktion. Zum Vergleich: Bei den in dieser Kurzinformation diskutierten, von Rondinone et al. durchgeführten Experimenten zur heterogenen elektrochemischen Reduktion von Kohlendioxid zu Ethanol lag die Stromdichte bei maximal 2,5 bis 3 Milliampere je Quadratzentimeter. 14 von engl. chemical vapour deposition Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 11 Abbildung 3: Auftragung des energetischen Wirkungsgrades verschiedener elektrochemischer Reduktionsverfahren für CO2 in Abhängigkeit von der Stromdichte unter Einbeziehung von entsprechenden Daten zu technischen Verfahren der Wasserelektrolyse15 Damit ein elektrochemischer Prozess nicht nur theoretisch machbar, sondern auch praktikabel ist, müssen vor allem zwei Kriterien erfüllt sein: Er muss einen hohen energetischen Wirkungsgrad haben und er muss mit ausreichender Reaktionsgeschwindigkeit (und entsprechend großen Umsätzen pro Zeiteinheit) verlaufen. Der energetische Wirkungsgrad beschreibt das Verhältnis der im Produkt gespeicherten zur im Prozess (hier: bei der Elektrolyse) eingesetzten Energie und ist damit ein wesentliches Kriterium für die Wirtschaftlichkeit eines Verfahrens. Um bei einem elektrochemischen Verfahren einen hohen energetischen Wirkungsgrad zu erzielen, bedarf es sowohl einer hohen Selektivität als auch eines niedrigen Überspannungsniveaus. 15 Quelle: D.T. Whipple, P.J.A. Kenis (2010). J. Phys. Chem. Lett. 2010; 1:3451-3458. http://scs.illinois.edu/kenis/Files/79_JPhysChemLett_CO2_direct_hetero_2010.pdf [letzter Abruf am 18.01.2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 12 7. Zusammenfassung Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die von Rondinone et al. vorgestellten Untersuchungen sich in ein größeres Spektrum von experimentellen Arbeiten zur heterogenen elektrochemischen Reduktion von Kohlendioxid einordnen, in denen gezeigt werden konnte, dass es möglich ist, CO2 zu verschiedenen organischen Verbindungen (u.a. Ameisensäure, Kohlenmonoxid, Methan , Ethylen und Methanol) zu reduzieren. Bei diesen Verbindungen handelt es sich um organische Grundchemikalien, die sowohl als Ausgangsmaterialien für weitere Umsetzungen als auch (zum überwiegenden Teil) als Treibstoffe eingesetzt werden können. Auf diese Weise bieten sich Möglichkeiten, Kohlendioxid, das als Verbrennungsprodukt energiearm ist, in Chemikalien umzuwandeln . In diesen Chemikalien ist dann neben dem Kohlenstoff aus dem CO2 auch die Energie aus dem Reduktionsprozess gespeichert und das Kohlendioxid kann somit in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. Eine der Grundvoraussetzungen ist dabei natürlich, dass die zur Reduktion aufgewendete Energie aus erneuerbaren Quellen stammt (oder wenigstens CO2-neutral produziert wurde) und nicht durch Verbrennung fossiler Brennstoffe gewonnen wurde. Bei der Nutzung der durch elektrochemische CO2-Reduktion gewonnenen organischen Verbindungen in Verbrennungsmotoren wird der damit maximal erreichbare Wirkungsgrad durch den Carnot-Prozess limitiert und liegt unter optimalen Bedingungen für Ottomotoren bei etwa 38 Prozent und für Dieselmotoren bei etwas mehr als 40 Prozent. Unter realen Fahrbedingungen in PKWs mit einem hohen Anteil von Teillastbetrieb erreichen Ottomotoren typischerweise einen zeitlich gemittelten Wirkungsgrad von weniger als 25 % und Dieselmotoren weniger als 30 %.16 Allerdings ist anzumerken, dass der einfache Ersatz von auf der Basis fossiler Brennstoffe gewonnenem Strom durch Strom aus erneuerbaren Quellen eine höhere Einsparung an CO2-Emissionen bewirken würde als die elektrochemische Rückumwandlung von Kohlendioxid in Treibstoffe unter erheblichem Energieaufwand. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint die Nutzung von (überschüssigem) erneuerbarem Strom für die Produktion von Wasserstoff durch Wasserelektrolyse ebenfalls effizienter und zur Erfüllung eines CO2-Reduktionszieles dienlicher, wenn man bedenkt, dass die heute zur Wasserstoffbereitstellung in der chemischen Industrie verwendeten Verfahren nahezu ausschließlich auf der Umwandlung fossiler Kohlenstoffverbindungen (Erdgas, Erdöl, Steinkohle) auf thermischem oder thermochemischem Wege beruhen. Der wichtigste Prozess für die industrielle Produktion von Wasserstoff ist das Steam-Reforming (A) von Erdgas mit nachgeschalteter Wassergas-Shiftreaktion (B). CH4 + H2O → CO + 3 H2 H = +206,2 kJ/mol (A) CO + H2O → CO2 + H2 H = –41,2 kJ/mol (B) 16 Wird der Überschussstrom aus erneuerbaren Energien zur elektrochemischen Erzeugung von Wasserstoff verwendet , kann bei dessen nachfolgender Nutzung in Brennstoffzellenfahrzeugen in Abhängigkeit von der Brennstoffzellen -Potenzialkurve und dem Verbrauch von Nebenaggregaten ein Wirkungsgrad von deutlich über 50 Prozent erreicht werden. (Quelle: www.ibz-info.de/download/IBZ-Nachrichten2013_web.pdf [letzter Abruf am 18.01.2017]). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 001/17 Seite 13 Beim Steam-Reforming handelt es sich, wie aus der Reaktionsgleichung ersichtlich ist, um eine endergone (d.h. nur unter Energiezufuhr verlaufende) Reaktion, bei der, wie aus der Reaktionsgleichung erkennbar ist, Kohlendioxid als Nebenprodukt entsteht. Weil die benötigte zusätzliche Energie ebenfalls durch Verbrennung von Erdgas (C) erzeugt wird, entsteht noch weiteres Kohlendioxid . CH4 + 2 O2 → CO2 + 2 H2O H = –802,4 kJ/mol (C) Würde zumindest ein Teil des gegenwärtig für industrielle Prozesse17 benötigten Wasserstoffs durch Wasserelektrolyse unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt, könnten erhebliche CO2-Emissionen aus dem Steam-Reforming eingespart werden. Dabei sei noch einmal auf die Abbildung 3 verwiesen, aus der ein deutlich höherer energetischer Wirkungsgrad sowohl der alkalischen als auch der PEM-Elektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff im Vergleich zu den verschiedenen untersuchten CO2-Reduktionsverfahren hervorgeht. 8. Forschungsarbeiten zur stofflichen Nutzung von Kohlendioxid in Deutschland In Deutschland werden seit einigen Jahren Projekte zur stofflichen Nutzung von Kohlendioxid durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert18. Die Projekte der aktuellen Fördermaßnahme19 „CO2Plus – Stoffliche Nutzung von CO2 zur Verbreiterung der Rohstoffbasis“ des BMBF untersuchen neue Methoden zur effizienten Nutzung dieses alternativen Rohstoffs, wobei bei dessen Nutzung regenerative Energie zum Einsatz kommen soll. Diese Fördermaßnahme baut auf den erfolgreichen Ergebnissen der Förderung des BMBF seit 2010 auf. Es werden insgesamt 13 Verbundvorhaben aus den Teilbereichen CO2-Abtrennung , Elektro- und Photokatalyse sowie Chemikalien und Polymere gefördert. *** 17 In Deutschland werden jährlich ca. 6 Milliarden Normkubikmeter Wasserstoff durch Dampfreformierung von Erdgas oder Naphta erzeugt, für die weltweite Produktion wird eine Zahl von 190 Milliarden Normkubikmeter angegeben (Quelle: Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband). 18 Einen Überblick hierzu gibt: http://www.chemieundco2.de/index.php [letzter Abruf am 18.01.2017]. 19 Das Projekt „CO2Plus – Stoffliche Nutzung von CO2 zur Verbreiterung der Rohstoffbasis“ läuft von September 2016 bis Ende 2019. Nähere Informationen finden zum Projekt finden sich unter: https://www.ptj.de/co2plus https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-1055.html [letzter Abruf am 18.01.2017].