Deutscher Bundestag Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesfernstraßen und die Bundesschienenwege Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 7 – 3000 – 314/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 2 Überprüfung der Bedarfspläne für Schienenwege des Bundes und Bundesfernstraßen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 314/10 Abschluss der Arbeit: 17. Dezember 2010 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 3 1. Einleitung 4 2. Die gesetzliche Einführung von Bundesfernstraßenbedarfsplänen und deren Überprüfung 5 2.1. Das Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 5 2.2. Gesetzesänderungen und Anpassungen des Bedarfsplans 7 2.2.1. Erstes Änderungsgesetz aus dem Jahre 1976 7 2.2.2. Zweites Änderungsgesetz aus dem Jahre 1980 7 2.2.3. Drittes Änderungsgesetz aus dem Jahre 1986 8 2.2.4. Viertes Änderungsgesetz aus dem Jahre 1993 9 2.2.5. Fünftes Änderungsgesetz aus dem Jahre 2004 9 3. Die gesetzliche Einführung von Bundesschienenwegebedarfsplänen und deren Überprüfung 10 4. Rechtswirkungen der Bedarfspläne 11 5. Einzelfragen zu den Ergebnissen der Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen 13 5.1. Einzelfragen zum Bedarf an Bundesfernstraßen 13 5.2. Einzelfragen zum Bedarf an Bundesschienenwegen 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 4 1. Einleitung Am 11. November 2010 veröffentlichte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) die „Ergebnisse der Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen“.1 Dieser Bericht beruht auf zwei weiteren, auch hinsichtlich des Umfanges unterschiedlichen Untersuchungen zu den Bundesfernstraßen2 und den Bundesschienenwege .3 Nach dem Bundesfernstraßenausbaugesetz und dem Bundesschienenwegeausbaugesetz sind die entsprechenden Bedarfspläne jeweils neu zu überprüfen und der Wirtschaftsund Verkehrsentwicklung anzupassen. Hierzu stellen sich vielfältige Fragen, etwa welche Konsequenzen eine nicht zeitgerechte Überprüfung der Bedarfspläne auslösen. Des weiteren stellt sich die Frage, wann die Bedarfspläne in der Vergangenheit im Einzelnen überprüft wurden. Hierzu wird deshalb nachfolgend die gesetzliche Entwicklung der Bedarfspläne für die Bundesfernstraßen (Ziffer 2.) und die Bundesschienenwege dargestellt (Ziffer 3.). Dem schließen sich Ausführungen zu den Rechtswirkungen von Bedarfsplänen an (Ziffer 4.). Schließlich folgt eine Bewertung von weiteren Einzelfragen zu den „Ergebnissen der Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesfernstraßen und die Bundesschienenwege “, jeweils ebenfalls gesondert nach Bundesfernstraßen und Bundesschienenwegen. Grundlage der Überprüfung der Bedarfspläne ist die Verkehrsprognose 2025, die 2007 erstellt wurde. In dieser Verkehrsprognose 2025 wird davon ausgegangen, dass dauerhaft ausreichend Öl verfügbar ist, so dass für den Weltrohölpreis real entweder ein Rückgang oder höchstens ein leichter Anstieg zu erwarten sei.4 Zu der Frage, welche Annahmen zur Ölpreisentwicklung die Bundesregierung in anderen Bereichen bzw. aktuelleren Gutachten zugrunde legt, ist als Anlage eine Untersuchung des Fachbereichs WD 5 vom 6. Dezember 2010 beigefügt, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (WD 5 – 3000 – 229/10). 1 Ergebnisse der Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen, abrufbar im Internet: http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/59396/publicationFile/30359/bedarfsplan-de.pdf (Stand: 17. Dezember 2010). 2 Verkehrliche Überprüfung der Straßenbauprojekte im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 2004 (im August 2010), abrufbar im Internet unter: http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/59398/publicationFile/30357/schlussbericht-bundesfernstrassende .pdf (Stand: 17. Dezember 2010). 3 Beratergruppe Verkehr + Umwelt GmbH, Freiburg/ INTRAPLAN Consult GmbH, München im Auftrag des BMVBS, Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege, Abschlussbericht November 2010, abrufbar im Internet: http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/59400/publicationFile/30407/schlussberichtschienen -de.pdf (Stand: 17. Dezember 2010). 4 Vgl. BMVBS (oben Fn. 1) S. 54. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 5 2. Die gesetzliche Einführung von Bundesfernstraßenbedarfsplänen und deren Überprüfung Im Gesetz über den Ausbauplan für Bundesfernstraßen vom 27. Juli 19575 war der planmäßige Ausbau eines Grundnetzes der Bundesfernstraßen festgelegt worden, der seitdem in drei Vierjahresplänen durchgeführt worden war, wobei der dritte Vierjahresplan Ende 1970 auslief. Durch den ersten Ausbauplan sollten die Lücken in dem vor dem Krieg konzipierten Autobahnnetz in drei Baustufen geschlossen und die meistbelasteten Bundesstraßen, vor allem im Vorfeld der Städte, zur Bewältigung der Verkehrsmengen ausgebaut sowie im Interesse des Fremdenverkehrs bestimmte Straßenzüge anderer Baulastträger zum Zwecke des Ausbaus als Bundesstraße vom Bund übernommen werden.6 Der erste Fernstraßenausbauplan aus dem Jahre 1957 etablierte das bis heute geltende (verwaltungs-)föderalistische Gleichgewicht von Bund und Ländern im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung. Er enthielt aber weder ein Zielsystem noch eine explizite Methode zur Auswahl der Projekte. Die Länder stellten ihre Wünsche nach Wegeart (Bundesautobahn , Bundesstraßen, Ortsdurchfahrten, Ortsumgehungen, Radwege), Dimension, räumlicher Lage und geplantem zeitlichen Ablauf zusammen. Das Straßennetz, das auf Basis dieser „Wunschliste“ zusammengestellt wurde, sollte den Verkehrsbedarf der nächsten 20 Jahre abdecken .7 2.1. Das Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 19858 Hiernach sollte das Bundesfernstraßennetz in den Jahren 1971 bis 1985 nach einem Bedarfsplan mit drei Dringlichkeitsstufen ausgebaut werden, der Bestandteil dieses Gesetzes wurde. Der Gesetzentwurf wurde unter anderem damit begründet, dass „erfahrungsgemäß […] nach Ablauf des Prognosezeitraums (1971 – 1985) der auf die Prognose gestützte Plan – ungeachtet seiner Anpassung an die Verkehrsentwicklung nach jeweils fünf Jahren (vgl. § 4 des Gesetzentwurfs) – von Grund auf neu erstellt werden“ muss.9 Begründet wurde § 4 dieses Gesetzentwurfs wie folgt: „Der Bedarfsplan beruht auf der Prognose der Entwicklung nach den heutigen Erkenntnissen . Die fortschreitende Entwicklung muss dauernd verfolgt werden, um den Plan ihr anpassen zu können. Dabei müssen sowohl die in den letzten Jahren beobachtete wie die zu erwartende Verkehrsentwicklung berücksichtigt werden. So wird der Bedarfsplan auch mit einem künftigen Gesamtverkehrswege Programm des Bundes abzustimmen sein. Die Anpassung im Fünfjahresrhytmus sichert eine ausreichende Flexibilität, ohne die im Straßenbau erforderliche Mehrjährigkeit der Planung und 5 BGBl. I S. 1189. 6 Vgl. Leue, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kapitel 34, Rn. 2.1. 7 Heuser/Reh, Die Bundesverkehrswegeplanung, in: Schöller/Canzler/Knie (Hrsg.), Handbuch Verkehrspolitik, Wiesbaden 2007, S. 231. Abrufbar im Internet: http://www.springerlink.com/content/978-3-531-14548-8/ (Stand: 17. Dezember 2010). 8 Vom 30. Juni 1971 (BGBl. I S. 873). 9 Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985, BT- Drs. VI/1180, S. 3 (rechte Spalte, letzter Absatz). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 6 Vorbereitung zu gefährden. Auch bei der Anpassung muss das Raumordnungsgesetz Anwendung finden.“10 Ausgangspunkt für die Ermittlung des Straßenbedarfs war eine Straßenverkehrsprognose für das Jahr 1990, der umfangreiche Berechnungen auf der Grundlage der voraussichtlichen Bevölkerungsentwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen in den verschiedenen Regionen des Bundesgebietes sowie eine Schätzung des künftigen PKW-Bestandes zugrunde gelegt wurden. Aus den Zahlen über die künftigen Verkehrsmengen wurde abgeleitet, wo und wie viel Straßenraum erforderlich ist. Die angewandten Bewertungsmethoden beruhten „naturgemäß auf Prognosen über die voraussichtliche Entwicklung der Wirtschaft und des Verkehrs ohne Anspruch auf absolute Genauigkeit.“11 Im Gesetzgebungsverfahren sprach sich der federführende Ausschuss für Verkehr dafür aus, dass nach § 4 des Gesetzentwurfs der für einen Zeitraum von 15 Jahren erarbeitete Bedarfsplan nach Ablauf von fünf Jahren überprüft und an die dann gewonnenen neuen Erkenntnisse angepasst wird. Diese Anpassung sollte jedoch entgegen dem Gesetzentwurf nicht durch eine einfache Rechtsverordnung der Bundesregierung, sondern durch Gesetz erfolgen, damit auf diese Weise die Mitwirkung des Deutschen Bundestages gewährleistet wird. Des Weiteren legte der Ausschuss sprachlich Wert darauf, dass der Bundesminister für Verkehr den Bedarfsplan nicht nur gegebenenfalls an veränderte Bedingungen anpasst, sondern „prüft […], ob der Bedarfsplan der Verkehrsentwicklung unter Beachtung des Raumordnungsgesetzes anzupassen ist.“12 Der § 4 dieses Gesetzes erhielt deshalb folgenden Wortlaut: „Nach Ablauf von jeweils fünf Jahren prüft der Bundesminister für Verkehr, ob der Bedarfsplan der Verkehrsentwicklung unter Beachtung des Raumordnungsgesetzes anzupassen ist. Die Anpassung geschieht durch Gesetz.“ Die Art der Bedarfsermittlung wurde durch die Phase der politischen Planungseuphorie Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre geprägt. Mit Hilfe wissenschaftlicher und technokratischer Planungsmethoden sowie nach Auffassung von Heuser/Reh „angeblich objektiver Datenverarbeitungs - und Projektbewertungsverfahren“ sollte ein langfristiger Plan ausgearbeitet werden. 13 Seit 1957 hatte der Kraftfahrzeug-Verkehr massiv zugenommen, weshalb die Notwendigkeit eines weiteren Straßenausbaus unumstritten war. Zugleich erwarteten die Planer, dass Ende der 1980er Jahre die Motorisierung eine Sättigungsgrenze erreichen würde.14 10 BT-Drs. VI/1180, S. 5. 11 Vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, BT-Drs. VI/1967, S. 1. 12 BT-Drs. VI/1967, S. 4. 13 Vgl. Heuser/Reh (oben Fn. 7), S. 232. 14 Vgl. dazu und zum folgenden Reh, Politikverflechtung im Fernstraßenbau der Bundesrepublik Deutschland und im Nationalstraßenbau der Schweiz, Frankfurt a. M. 1988, S. 70 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 7 2.2. Gesetzesänderungen und Anpassungen des Bedarfsplans Der Bedarfsplan aus dem Jahre 1971 blieb prägend für die Nachfolgepläne, die bis heute lediglich Fortschreibungen des damaligen Entwurfs sind. Entsprechend sind die Fernstraßenausbaugesetze rechtstechnisch als Änderungsgesetze gefasst, deren Entwicklung sich wie folgt darstellt: 2.2.1. Erstes Änderungsgesetz aus dem Jahre 1976 Ein erstes Änderungsgesetz15 aus dem Jahre 1976 lies den maßgeblichen § 4 des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahre 1971 bis 1985 unverändert. Der aus der Anlage zu diesem Änderungsgesetz ersichtliche neue Fernstraßenbedarfsplan ab 1976 wurde mit „Veränderungen der Strukturdaten“ begründet, insbesondere - der Einwohnerprognose, - der Notwendigkeit, strengere ökonomische Maßstäbe bei der Gestaltung und der Auswahl der Projekte anzulegen, - veränderten energie- und umweltpolitischen Rahmenbedingungen gerecht zu werden - sowie dem Erfordernis, den Akzent in Verdichtungsgebieten zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu verschieben.16 Der insgesamt neue Ansatz des Bedarfsplans von 1976 war der erstmalige Versuch, Finanz- und Bedarfsplanung miteinander zu verzahnen. Die Anpassung an die finanziellen Möglichkeiten sollte mithilfe des Instruments der Kostenwirksamkeitsanalyse (KWA) erreicht werden. Die Bewertungsmatrix umfasste unter anderem die Kriterien: - Verkehr (Engpassbeseitigung und Verkehrsbelastung), - Raumordnung (Erschließungsziele des Bundesraumordnungsprogramms) - Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsförderung“. 2.2.2. Zweites Änderungsgesetz aus dem Jahre 1980 Durch ein Zweites Änderungsgesetz17 aus dem Jahre 1980, durch das auch eine Umbenennung in Fernstraßenausbaugesetz (FStrAbG)18 erfolgte, erhielt dessen § 1 folgende Fassung: 15 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 vom 5. August 1976 (BGBl. I S. 2093). 16 Vgl. Reh ( oben Fn. 14) S. 84 ff. 17 Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 – 2. FStrAbÄndG – vom 25. August 1980 (BGBl. I S. 1614). Vgl. der Vollständigkeit halber auch § 29 des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 vom 17. Februar 1982 (BGBl. I Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 8 „Bis 1990 wird das Netz der Bundesfernstraßen nach einem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ausgebaut, der diesem Gesetz als Anlage beigefügt ist.“ Damit sollte der dem FStrAbG als Anlage beigefügte, an neuere Entwicklungen angepasste Bedarfsplan für 10 Jahre verbindlich werden, obgleich § 4 FStrAbG nach wie vor einen Fünfjahresrhythmus für dessen Anpassung vorsah. Der Fernstraßenbedarfsplan im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 1980 enthielt gegenüber dem Bedarfsplan aus dem Jahre 1976 wenig Neues.19 Unter anderem die sektorale Planung wurde weiterentwickelt durch die Einführung der Nutzen-Kosten-Analyse (NKA), die den Projektnutzen quantifiziert und monetarisiert den Bau- und Unterhaltskosten gegenüberstellt (Nutzen/Kosten- Koeffizient), um damit die bauwürdigen Projekte auszuwählen. Weitere Aspekte, wie insbesondere die Wirkung der Baumaßnahmen auf Umwelt und Landschaft sowie den Planungsstand bzw. der Durchführbarkeit, wurden in einem Entscheidungstableau mithilfe von Nutzwertanalysen , die den Projektnutzen verbal beschreiben, zusätzlich qualitativ bewertet.20 2.2.3. Drittes Änderungsgesetz aus dem Jahre 1986 Eine weitere Anpassung des Bedarfsplans erfolgte im Jahre 1986. § 1 des FStrAbG erhielt eine Neufassung, nach der das Netz der Bundesfernstraßen nach dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ausgebaut wird, der dem Dritten Änderungsgesetz21 in einer neuen Fassung beigefügt war. Darüberhinaus erhielt § 4 des FStrAbG eine geänderte Fassung, nach der in die Prüfung der Bedarfsplanung nunmehr neben den Belangen der Raumordnung auch die des Umweltschutzes und des Städtebaus einzubeziehen sind. Ein Änderung erfuhr der § 1 des FStrAbG durch Art. 27 des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 28. Juni 1990 (BGBl. I S. 1221). Hiernach entsprachen die in den Bedarfsplan aufgenomme- S. 161): „Im Aufdruck des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen – Anlage zum Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1980 (BGBl. I S. 1615) wird Satz 2 gestrichen “. 18 Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1980 (BGBl. I S. 1615, 1616). 19 Vgl. Reh (oben Fn. 14) S. 101 ff. 20 Vgl. Heuser/Reh (oben Fn. 6), S. 235. 21 Drittes Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes (3. FStrAbÄndG) vom 21. April 1986 (BGBl. I S. 557), vgl. insbesondere Art. 1 Nr. 4. des Dritten FStrAbÄndG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 9 nen Bau- und Ausbauvorhaben den Zielsetzungen des Fernstraßengesetzes (FStrG).22 Eine Anpassung des Bedarfsplans durch dieses Gesetz erfolgte nicht. 2.2.4. Viertes Änderungsgesetz aus dem Jahre 1993 Dies erfolgte vielmehr rückwirkend zum 1. Januar 1991 durch Art. 1 das Vierten Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes vom 15. November 199323 Der Bedarfsplan nach diesem Gesetz berücksichtigte vor allem die Verkehrssituation und –entwicklung im vereinten Deutschland, die Öffnung der Grenzen zu Osteuropa und die Vollendung des europäischen Binnenmarktes . Der Bedarfsplan umfasste erstmalig auch die ostdeutschen Länder. 2.2.5. Fünftes Änderungsgesetz aus dem Jahre 2004 Schließlich erfolgte im Jahr 2004 eine Änderung des Bedarfsplans durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes.24 Daneben wurde § 6 des FStrAbG geändert, nach dem die Straßenbaupläne im Einzelfall auch Maßnahmen enthalten können, die nicht dem Bedarfsplan entsprechen. Dies ist aber nur dann der Fall, soweit dies wegen eines unvorhergesehenen höheren oder geringeren Verkehrsbedarfs, insbesondere auf Grund einer Änderung der Verkehrsstruktur , erforderlich ist. Der derzeit gültige Bedarfsplan berücksichtigt einen Fortschreibungsbedarf des vorherigen Plans hinsichtlich Projektkosten, Prognosen und Bewertungsmethodik.25 Letztmalig wurde dieser Bedarfsplan durch Art. 12 des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 200626 geändert, der auf dessen inhaltliche Ausrichtung jedoch keine Auswirkungen hat und deshalb vernachlässigt werden kann. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der Bedarfsplan aus dem Jahre 1971 prägend für die Nachfolgepläne blieb. Dieser Bundesfernstraßenbedarfsplan wurde entsprechend angepasst in den Jahren 1976, 1980 und 1986. Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands erfolgte erstmals im Jahre 1993, rückwirkend ab 1991, eine nunmehr notwendige Bedarfsplanung für das heutige gesamte Bundesgebiet, also einschließlich der östlichen Bundesländer. Nach mehr als 10 Jahren 22 Die Feststellung des Bedarfs war für die Linienbestimmung nach § 16 FStrG und für die Planfeststellung § 17 FStrG verbindlich, vgl. § 1 Abs. 2 FStrAbG in der Fassung des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes. 23 BGBl. I S. 1877, vgl. hierzu auch die im BGBl. I 1995 S. 13 erfolgte Berichtigung des Bedarfsplans. Nach Art. 242 der Siebten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785) änderte sich lediglich die Bezeichnung des zuständigen Bundesministerium. 24 Vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2574). vgl. auch Bekanntmachung der Neufassung des Fernstraßengesetzes vom 20. Januar 2005 (BGBl. I S. 201). Der Bedarfsplan wurde als Anlage dem Fünften Gesetz zur Änderung des Fernstraßengesetzes beigefügt. Nach Art. 286 der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) änderte sich lediglich die Bezeichnung des zuständigen Bundesministeriums. 25 Vgl. hierzu auch Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes , BT-Drs. 15/1657, S. 6 ff. und S. 18 ff. 26 BGBl. I S. 2833, berichtigt BGBl. I 2007 S. 691. Art. 12 des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben wurde von dieser Berichtigung nicht betroffen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 10 wurde dann im Jahre 2004 ein Bundesfernstraßenbedarfsplan vorgelegt, der nach Überprüfung durch das BMVBS unverändert bleiben soll. 3. Die gesetzliche Einführung von Bundesschienenwegebedarfsplänen und deren Überprüfung Die gesetzliche Einführung von Bedarfsplänen für die Bundesschienenwege erfolgte erstmals durch das Bundesschienenwegeausbaugesetz im Jahre 1993.27 Nach § 4 dieses Gesetzes prüft nach Ablauf von jeweils fünf Jahren das BMVBS, ob der Bedarfsplan der zwischenzeitlich eingetretenen Wirtschafts- und Verkehrsplanung anzupassen ist. Die amtliche Begründung zu dieser Vorschrift hat folgenden Wortlaut: „Wie nach dem Fernstraßenausbaugesetz ist auch hier nach Ablauf von jeweils 5 Jahren zu prüfen, ob der Bedarfsplan der zwischenzeitlichen Entwicklung anzupassen ist. Die Anpassung erfolgt durch Gesetz.“28 Eine Überprüfung und Anpassung des Bedarfsplans erfolgte durch das Erste Gesetz zur Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes vom 15. September 2004.29 Der Bedarfsplan für die Schienenwege des Bundes war erstmals am 25. November 1993 in Kraft getreten. Die Überprüfung aus dem Jahre 1998 führte zu dem Ergebnis, dass mit der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) unter anderem „auch eine Fortschreibung des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes erfolgen würde“.30 Mit dem BVWP 2003 stellte die Bundesregierung aktuelle Grundlagen auch für die Novellierung der Ausbaugesetze für Straße und Schiene zur Verfügung.31 Mithin erfolgte eine Anpassung oder Änderung des Schienenbedarfsplans aus dem Jahre 1993 erst im Jahre 2004. Eine Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes erfolgte des Weiteren durch Art. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005.32 § 4 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes erhielt nunmehr folgende Fassung: „(1) Spätestens nach Ablauf von jeweils fünf Jahren prüft das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ob der Bedarfsplan der zwischenzeitlich eingetre- 27 Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874). 28 Gesetzentwurf, BT-Drs. 12/3500, S. 7. 29 BGBl. I S. 2322. 30 Vgl. BT-Drs. 15/1656, S. 7, Begründung (linke Spalte, zweiter Absatz). Vgl. hierzu auch Bericht des BMVBS an den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Ausschuss-Drucksache 15/350). 31 Vgl. hierzu im Einzelnen BT-Drs. 15/1656, S. 8 ff. 32 BGBl. I S. 1138. Daneben erfolgten Änderungen durch Art. 6 Abs. 135 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378); Art. 265 der Siebten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785) sowie des Art. 309 der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), die auf die Bedarfspläne keine Auswirkungen hatten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 11 tenen Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung anzupassen ist. Die Anpassung und Aufstellung erfolgen durch Gesetz.“ Die Änderung der bisherigen Fassung ist kursiv hervorgehoben. Eine Änderung des Bedarfsplans aus dem Jahre 2004 erfolgte durch diese Fassung des § 4 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes jedoch nicht. 4. Rechtswirkungen der Bedarfspläne Wie aufgezeigt stellen die Bedarfspläne für Straße und Schiene die gesetzliche Konkretisierung des BVWP dar.33 Für die Wasserstraßen gibt es keine entsprechenden Bedarfspläne. Die Bundesverkehrswegepläne werden für 15 Jahre aufgestellt. Der derzeit gültige gilt von 2001 bis 2015. Der BVWP 2003 folgte der politischen Leitlinie "Aufbau Ost und Ausbau West". Neben der Bewertung nach der aktualisierten Nutzen-Kosten-Analyse wurden alle Vorhaben umwelt- und naturschutzfachlich untersucht und hinsichtlich ihrer ökologischen Risiken eingestuft.34 Das BMVBS weist darauf hin, dass darüber hinaus auch die raumstrukturelle Bedeutung der Vorhaben in einer Raumwirksamkeitsanalyse umfassender als früher ermittelt worden sei.35 Anlässlich der aktuellen Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen hat das BMVBS auch die aus dem Jahre 2007 stammende „Verkehrsprognose 2025“36 herangezogen . Das zweite Straßenausbaugesetz aus dem Jahre 1973 band erstmals den Ausbau der Bundesfernstraßen an einen dem Gesetz beigefügten Bedarfsplan und enthielt damit die rechtlich verbindliche Festlegung des verkehrlichen Bedarfs für den Neu- und Ausbau der Bundesfernstraßen. Für die Schienenwege erfolgte dies erstmals im Jahre 1993 durch das Schienenwegeausbaugesetz. Nach Leue37 gilt der Bedarfsplan „unbefristet, wird aber in regelmäßigen Abständen (in der Regel alle 10 bis 15 Jahre) durch Änderungsgesetze, zuletzt im Jahre 2004 mit Wirkung vom 16. Oktober 2004, neu gefasst.“ Hiernach gelten Bedarfspläne nicht befristet auf fünf Jahre und sind auch nicht zwingend alle fünf Jahre zu ändern oder anzupassen. Nach der hier vertretenen Literaturmeinung , die wohl auch der Praxis entspricht, erfolgt dies vielmehr alle 10 bis 15 Jahre. Die 33 Vgl. auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT- Drs. 15/4809. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 15/1803. 34 Vgl. hierzu auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Verkehrsprognose 2025 als Grundlage der Überprüfung der Bedarfspläne für Bundesfernstraßen und Schienenwege des Bundes, BT-Drs. 16/12014. 35 Vgl. BMVBS, abrufbar im Internet unter: http://www.bmvbs.de/DE/VerkehrUndMobilitaet/Verkehrspolitik/Infrastrukturplanung/Bundesverkehrswegepl an/bundesverkehrswegeplan_node.html (Stand: 17. Dezember 2010). 36 Vgl. BMVBS, abrufbar im Internet unter: http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/UI/verkehrsprognose- 2025.html (Stand: 17. Dezember 2010). 37 Leue (oben Fn. 6), Rn. 2.3. und Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 12 Vorlage der Ergebnisse einer Überprüfung der Bedarfspläne nach jeweils mehr als ein Jahr nach der geforderten 5-Jahres-Frist hat auf die gesetzlich verbindlichen Bedarfspläne grundsätzlich keinen Einfluss. Die Bedarfspläne gelten mit Inkrafttreten des jeweiligen Fernstraßen- oder Schienenwegeausbausgesetzes . Rechtlicher Bezugsmaßstab für die Berechnung der 5-Jahres-Frist ist damit das Inkrafttreten der entsprechenden Gesetze und nicht der etwa ein Jahr frühere Abschluss der Bewertung im Zuge der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans (zuletzt Mai 2003). Eine nicht durchgeführte oder mangelhafte Überprüfung der Bedarfspläne kann Auswirkungen in einem den Bedarfsplänen folgenden Planfeststellungsverfahren haben. Die Planfeststellung ist nur dann rechtmäßig, wenn das Vorhaben aus Gründen des Gemeinwohls objektiv erforderlich, also vernünftigerweise geboten ist. Die Feststellung der Gebotenheit erfolgt in der Regel auf Grundlage einer Prognose. Zwar ist die Aufnahme eines Vorhabens in einen Bedarfsplan für die Planfeststellung grundsätzlich verbindlich in der Weise, dass eine Gebotenheit des Vorhabens angenommen wird. Im Hinblick auf eine gerichtliche Überprüfung bedeutet die gesetzliche Festlegung des Ausbaubedarfes allerdings nicht, dass die Gerichte insofern jeglicher Pflicht zur Prüfung enthoben wären;38 es muss aber der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum beachtet werden. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) schließt der Gestaltungsspielraum ein, dass „der Gesetzgeber Leitentscheidungen zur Verkehrspolitik treffen darf, die sich auf Prognosedaten stützen und damit von vornherein ein Element der Ungewissheit in sich tragen“.39 In Bezug auf die Frage, ob bei einer Änderung der Prognosen eine Anpassung der Bedarfsplanung erforderlich wird, führt das BVerwG aus, dass der Gesetzgeber dieses Problem gesehen und deswegen die Bedarfsfeststellung mit einem Korrekturmechanismus verknüpft habe.40 § 4 Bundesschienenwegeausbaugesetzes und die entsprechende Regelung im Bundesfernstraßenausbaugesetz sieht nämlich vor, dass der BMVBS jeweils nach Ablauf von fünf Jahren überprüft, ob der Bedarfsplan der Ausbaugesetze der Verkehrsentwicklung anzupassen ist.41 Angesichts dieser Vorsichtsmaßnahme könnten Anhaltspunkte dafür, dass die Bedarfsfestlegung in den entsprechenden Gesetzen infolge einer nachträglichen Änderung der Verkehrsdaten den verfassungsrechtlich zu beachtenden Spielraum des Gesetzgebers überschreiten, allenfalls dann gewonnen werden, wenn die Veränderung der Basiszahlen so gravierend wäre, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden kann.42 Sofern 38 Vgl. Urteil des BVerwG vom 8. Juni 1995 (BVerwGE 98, 339 (347)). 39 Vgl. Urteil des BVerwG vom 30. Dezember 1996 (11 VR 25/95), NVwZ-Rechtsprechungsreport (RR) 1997, 525 (527). 40 Vgl. Urteil des BVerwG (oben Fn. 39), S. 526. 41 Derzeit läuft eine Überprüfung der Bedarfsfestlegung, deren Fertigstellung war für Herbst 2010 angekündigt. 42 Vgl. BVerwG (oben Fn. 39), S. 527. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 13 diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, seien etwaige Anpassungsentscheidungen des Gesetzgebers abzuwarten. Es kann daher angenommen werden, dass im gesetzlich vorgegebenen Zeitraum von fünf Jahren Prognosen nur dann nicht mehr als zureichende Grundlage für eine Bedarfsfestlegung angesehen werden können, wenn die Veränderung der Bezugszahlen besonders gravierend ist. Nachträgliche Änderungen der Prognosezahlen wirken sich auf die Gebotenheitsprüfung damit in der Regel nicht aus. Die Feststellungen des BMVBS in den „Ergebnissen der Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen“ dürften geeignet sein, den Maßstäben des BVerwG zu genügen, um ein Planfeststellungsverfahren als rechtmäßig zu rechtfertigen. 5. Einzelfragen zu den Ergebnissen der Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen Das BMVBS führt zu seinen Ergebnissen der Überprüfung der Bedarfspläne unter anderem folgendes aus: „Gegenstand der vorliegenden Bedarfsplanüberprüfung war – u.a. wegen der Vielzahl der Bedarfsplanprojekte (ca. 2.500) – nicht die Überprüfung und ggf. Neubewertung der Straßenbauprojekte im Einzelnen“.43 „Die Ergebniseckwerte der Prognose 2025 lassen darauf schließen, dass die weitere Zunahme der Verkehrsnachfrage im Straßenverkehr weitgehend zu einer Bestätigung der im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 2004 ausgewiesenen Straßenbauprojekte führt“.44 „Die ermittelten regionalen Verkehrsnachfragereduktionen von 2015 bis 2025 schlagen sich näherungsweise in gleichem Umfang auch in entsprechenden Nutzenminderungen nieder. Bei den allgemein hohen NKV (Nutzen-Kosten-Verhältnisse) der Straßenprojekte – das durchschnittliche NKV der vordringlichen Bedarfsplanmaßnahmen beträgt 4,7 – führen Nutzenminderungen in der Größenordnung von 10 % jedoch nicht zu entscheidungsrelevanten Absenkungen des NKV, so dass in dieser Hinsicht der festgestellte Bedarf nicht in Frage zu stellen ist“.45 5.1. Einzelfragen zum Bedarf an Bundesfernstraßen Vor diesem Hintergrund stellen sich zur Überprüfung des Bedarfs an Bundesfernstraßen folgende Fragen: - Ist es aus rechtlicher Sicht zulässig – auch im Hinblick auf den haushaltsrechtlich geforderten Wirtschaftlichkeitsnachweis für jede einzelne investive Maßnahme –, dass diese Maßnahmen anders als bei Schienenwegen nicht einzeln bewertet wurden? - Erfüllt die zitierte Aussage auf Seite 15 („lassen darauf schließen“… „weitgehend“) den Anspruch an eine gesetzlich geforderte Überprüfung? 43 BMVBS (oben Fn. 1), S. 14. 44 BMVBS (oben Fn. 1), S. 15. 45 BMVBS (oben Fn, 1), S. 19/20, vgl. dazu auch Seite 29 im Bericht über die Bundesfernstraßen: „in der Regel > 3“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 14 - Erfüllt die zitierte Aussage auf Seite 19 f den Anspruch an eine gesetzlich geforderte Überprüfung und den haushaltsrechtlich gebotenen Wirtschaftlichkeitsnachweis, vor dem Hintergrund einerseits, dass zwar das durchschnittliche NKV bei 4,7 lag, aber durchaus eine Reihe von Projekten mit einem deutlich niedrigerem NKV in den Bedarfsplan aufgenommen wurden, und andererseits ein Rückgang der Verkehrsnachfrage von mehr als 10% bei nicht kleinräumiger als Regionaler Betrachtung für einzelne Projekte nicht ausgeschlossen werden kann? - Wie ist es zu bewerten, dass keine Untersuchungen der Kosten vorgenommen werden und dadurch keine Aussagen zu Änderungen des NKV einzelner Projekte möglich werden? - Wie ist es rechtlich zu bewerten, dass der Anforderung, „die bei der Bedarfsplanung berührten Belange, insbesondere die der Raumordnung, des Umweltschutzes und des Städtebaus einzubeziehen“, zumindest in Bezug auf die Umweltbelange und den Städtebau überhaupt nicht Rechnung getragen wurde? - Entspricht es der Vorgabe für die Bedarfsplanüberprüfung, dass die zitierte Aussage auf Seite 19 sich auf die Änderung des Verkehrs zwischen 2015 – 2025 bezieht (Anlage 10 des Berichts) und nicht auf die Änderung der Verkehrsnachfrage zwischen 2004 (Zeitpunkt der Verabschiedung des Bedarfsplans) und 2025 – bei der in einigen Regionen deutlich stärkere Verkehrsrückgänge zu verzeichnen sind (Anhang 7 des Berichts)? Zur letzten Frage ist festzustellen, dass der Bedarfsplan 2004 Maßnahmen enthält, für die auf Basis der Verkehrsprognose 2015 (und nicht aufgrund des Bedarfs im Jahr 2004) ein Bedarf festgestellt wurde. Insofern ist es konsequent und richtig, bei der Überprüfung des Bedarfsplans im Jahre 2010 die Änderung zwischen der Verkehrsprognose 2015 und der neuen Verkehrsprognose 2025 zu betrachten. Letztere schreibt nicht nur den Trend der Verkehrsprognose 2015 fort, sondern wurde auf Basis aktueller Daten und damit auch aktueller Verkehrsverhältnisse neu erstellt. Dies lässt sich auch aus den Ergebnissen ablesen, da in einigen Regionen der Verkehr zwischen dem in der Vergangenheit prognostizierten Verkehr 2015 und dem neu prognostizierten Verkehr für das Jahr 2025 abnehmen wird. Zu den übrigen Fragen liegen keine Erkenntnisse vor. Konkrete Vorgaben für die Überprüfung des Bedarfsplans, die die in den Fragen angesprochenen Bewertungen ermöglichen würden, gibt es wohl auch durch den Bundesrechnungshofes nicht. 5.2. Einzelfragen zum Bedarf an Bundesschienenwegen Bei den Bundesschienenwegen wurden 38 Projekte tatsächlich einzeln untersucht. Bei den meisten wurden auch aktuelle Kostenschätzungen vorgenommen. Hierbei wurden 9 Projekte mit einem NKV kleiner als 1 ermittelt. Diese dürften also derzeit nicht realisiert werden. Die Schlussfolgerung des BMVBS dazu ist: „Die nicht mehr wirtschaftlichen Schienenprojekte können im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege verbleiben. Nach der Bundeshaushaltsordnung46 und 46 BHO vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1284), zuletzt geändert durch Art. 4 Haushaltsgrundsätzemodernisierungsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2580). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 15 Haushaltsgrundsätzegesetz47 dürfen sie allerdings wegen fehlender Wirtschaftlichkeit derzeit nicht mit Bundeshaushaltsmitteln realisiert werden. Eine Gesetzesänderung ist nicht erforderlich .“48 Vor diesem Hintergrund stellt sich die folgende Frage. - Ist diese Schlussfolgerung rechtlich zulässig, also dass die Projekte im Bedarfsplan verbleiben dürfen – davon sechs im Vordringlichen Bedarf – und „nur“ derzeit nicht gebaut werden dürfen ? Mit anderen Worten: Wozu gibt es eine Revisionsklausel im Ausbaugesetz, die eine gesetzliche Anpassung vorgibt, wenn diese selbst bei festgestellter Unwirtschaftlichkeit einiger Projekte nicht angewendet wird? Gemäß § 1 Abs. 1 Bundesschienenwegeausbaugesetz ist der Bedarfsplan für die Bundesschienenwege eine Anlage zu diesem Gesetz. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Bundesschienenwegeausbaugesetz hat das BMVBS spätestens alle fünf Jahre zu prüfen, ob der Bedarfsplan der zwischenzeitlich eingetretenen Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung anzupassen ist. Die Anpassung und Aufstellung des Plans erfolgen durch Gesetz (§ 4 Abs.1 Satz 2 Bundesschienenwegeausbaugesetz). Dem Bedarfsplan kommt damit Gesetzeskraft zu. Eine Rechtspflicht, den Bedarfsplan anzupassen (also zu ändern) und unwirtschaftlich gewordene Projekte zu streichen oder zurückzustufen, ist vorliegend nicht ersichtlich. Adressat einer solchen Pflicht wäre angesichts der Gesetzeskraft des Plans nicht das BMVBS, sondern der Gesetzgeber . Eine Rechtspflicht, den Bedarfsplan anzupassen, könnte sich folglich grundsätzlich nur aus der Verfassung ergeben. Der Verfassungsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit zielt auf die Haushalts - und Wirtschaftsführung,49 also auf die Exekutive, nicht auf die Legislative. Auch die Gemeinwohlorientierung des Bundesschienenwegeausbaus als Ganzes50 dürfte durch das Verbleiben von neun unwirtschaftlich gewordenen Projekten im Bedarfsplan (bei einer Gesamtzahl von ca. 80 Vorhaben) noch nicht in Frage gestellt sein. Selbstverständlich bleibt es dem Gesetzgeber aber unbenommen, die Ergebnisse der Bedarfsplanüberprüfung aufzugreifen und den Plan gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 Bundesschienenwegeausbaugesetz durch Gesetz anzupassen. Demgegenüber ist das BMVBS – wie oben dargelegt – nach der „Revisionsklausel“ des § 4 Bundesschienenwegeausbaugesetz lediglich zur regelmäßigen Überprüfung des Bedarfsplans verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist das BMVBS jetzt nachgekommen und hat die Ergebnisse am 11. November 2010 mitgeteilt. Da das BMVBS als Teil der Exekutive gemäß § 7 BHO an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden ist, wäre allerdings zu erwarten gewesen, dass es von sich aus auf eine entsprechende Anpassung des Bedarfsplans hinwirkt und Änderungen hinsichtlich der als unwirtschaftlich erkannten Vorhaben in die Wege leitet. Es überrascht daher, wenn das BMVBS eine Gesetzesänderung ausdrücklich für nicht erforderlich hält. Hinzu kommt, 47 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG) vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1273), zuletzt genändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetzes vom 27. Mai 2010 (BGBl. I S. 671). 48 BMVBS (oben Fn. 1), S. 21. 49 Vgl. Art. 114 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG). 50 Vgl. Art. 87e Abs.4 GG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 16 dass ein Bedarfsplan, der unwirtschaftliche Vorhaben ausweist (die „derzeit nicht mit Bundesmitteln realisiert werden dürfen“), nicht nur zu einem Transparenzdefizit führt, sondern darüber hinaus in seiner Funktion beeinträchtigt ist, das aktuelle Ausbauprogramm für die Bundesschienenwege abzubilden und festzulegen.51 Das BMVBS weist in seinen Ergebnissen zur Überprüfung der Bedarfspläne auf folgendes hin: „Bei der Bedarfsplanüberprüfung Schiene wurde die Chance genutzt, Projekte teilweise neu zuzuschneiden – orientiert an veränderten Rahmenbedingungen und wirtschaftlicher Notwendigkeit . Ergebnis sind Projekte nach Maß.“52 Dies führt zu der Frage: - Muss dieser geänderte Projektzuschnitt im Bedarfsplan Schiene gesetzlich verankert werden? Ausgangspunkt ist die umgekehrte Betrachtung: Schienenbauprojekte und ihr „Zuschnitt“ müssen sich nach dem geltenden Bedarfsplan (mit Gesetzeskraft) richten. Solange der Bedarfsplan nicht geändert bzw. angepasst wird, dürfen Projekte nur insoweit „neu zugeschnitten“ werden, als dies mit seinen Bestimmungen zu vereinbaren ist. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Festlegungen im Bedarfsplan nur sehr grob sind und der Exekutive folglich einen weiten Gestaltungsspielraum eröffnen. So werden die ca. 80 dort aufgeführten Aus- und Neubauvorhaben zwar den Bedarfskategorien „Vordringlicher Bedarf“, „Weiterer Bedarf“ und „Internationale Projekte“ zugeordnet. Die Vorhabenbezeichnung selbst beschränkt sich aber in der Regel auf die Angabe des aus- oder neu zu bauenden Streckenabschnitts, teilweise ergänzt um die Angabe einer „Baustufe“ (z. B. „Ausbaustrecke (ABS) Hamburg – Büchen – Berlin“, „ABS Berlin – Dresden (1. Baustufe)“). Diesen weiten Rahmen unter anderem mit einem konkreten Projektzuschnitt zu füllen, ist grundsätzlich Aufgabe der Verwaltung, die auch hierbei gemäß § 7 BHO an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden ist. Ob das BMVBS diese Grundsätze bei den genannten „Neuzuschnitten“ (Projektänderungen) hinreichend beachtet hat, kann der Bundesrechnungshof gegenwärtig nicht beurteilen. Ebenso wenig liegen derzeit Erkenntnisse darüber vor, ob sämtliche Projektänderungen mit dem geltenden Bedarfsplan vereinbar sind (oder ob dieser insoweit „angepasst werden müsste“). In seinen Ergebnissen zur Überprüfung der Bedarfspläne führt das BMVBS aus: „Auch für aktuell nicht mehr wirtschaftliche Projekte müssen Lösungen gefunden werden, da mangelnde Wirtschaftlichkeit nicht gleichbedeutend mit fehlendem Bedarf ist.“ Hierzu stellt sich die Frage: - Steht diese Aussage im Einklang mit dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 4 Schienenausbaugesetz ? (Sind haushaltsrechtlichen Anforderungen an diese Projekte bei der Auslegung dieser Vorschrift zu berücksichtigen?). Wie oben zu Ziffer 5.2.1. ausgeführt, ist der Gesetzgeber bei der Aufstellung bzw. Anpassung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege (im Rahmen der Verfassung) grundsätzlich frei. Er könnte den Bedarf für ein Vorhaben ungeachtet der Wirtschaftlichkeit bejahen („politische Ent- 51 Vgl. § 1 Abs. 1 Bundesschienenwegeausbaugesetz: „Das Schienenwegenetz […] wird nach dem Bedarfsplan für die Bundesschienenwege ausgebaut, […]“. 52 BMVBS (oben Fn. 1), S. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 314/10 Seite 17 scheidung“) und die Verwaltung insoweit mit einer (gesetzlichen, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Bundesschienenwegebedarfsgesetz ) Änderung des Bedarfsplans von der Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 BHO) dispensieren1. Aus § 4 Bundesschienenwegebedarfsgesetz folgt nichts anderes, da diese Vorschrift nur die periodische Bedarfsüberprüfung durch das BMVBS sowie die Form der Aufstellung und Anpassung des Bedarfsplans regelt. In einem solchen Fall wäre es indes wünschenswert, die mit dem Vorhaben verfolgten Ziele möglichst konkret und nachprüfbar zu benennen, damit das Parlament bei einer späteren Evaluierung oder Prüfung punktgenau und aussagekräftig über den Erreichungsgrad informiert werden kann. Zur Bindung des BMVBS (als Teil der Exekutive) an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit wird im Übrigen auf die Ausführungen zu Ziffer 5.2.1. verwiesen.