Vergewaltigung in der Ehe Strafrechtliche Beurteilung im europäischen Vergleich - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 7 - 307/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Vergewaltigung in der Ehe Ausarbeitung WD 7 - 307/07 Abschluss der Arbeit: 28.01.2008 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Die Informationen zur strafrechtlichen Lage in anderen europäischen Ländern (ausgenommen Schweiz und Österreich) wurden übermittelt vom Europäischen Zentrum für Parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Vergewaltigung in der Ehe ist seit Juli 1997 strafbar. Mit dem 33. Strafrechtsänderungsgesetz wurde das Merkmal außerehelich aus dem Tatbestand der Vergewaltigung, § 177 StGB, gestrichen, sodass seitdem auch die eheliche Vergewaltigung als ein Verbrechen geahndet wird. Es lässt sich feststellen, dass es nach der Erweiterung des Vergewaltigungstatbestandes einen leichten Anstieg dieser Straftaten gegeben hat. Es wird vermutet, dass sich die Zahl der Vergewaltigungen im häuslichen Bereich seitdem nicht erhöht, sondern vom Dunkel- ins Hellfeld verlagert hat. Trotzdem kommt, wie Dunkelfeldstudien belegen, ein Großteil der Sexualstraftaten zwischen Ehepartnern weiterhin nicht zur Anzeige. Studien belegen zudem, dass Sexualstraftaten sehr selten von Fremden begangen werden . Meistens findet sexuelle Gewalt im häuslichen Bereich statt, wobei es sich bei einem Großteil der Täter um den Ehemann bzw. Lebensgefährten des Opfers handelt. Da immer noch eine große Zurückhaltung im Anzeigeverhalten von Opfern sexueller Gewalt besteht und die Behandlung von Straftaten dieser Art naturgemäß besondere Schwierigkeiten beinhaltet, gibt es eine Vielzahl von Beratungs- und Hilfsangeboten. Auch die Gewalttäter sind inzwischen im Fokus von Hilfsprogrammen. Zudem werden Fortbildungen bei Polizei, Justiz und im Gesundheitswesen angeboten, die für die besonderen Umstände bei Fällen häuslicher Gewalt sensibilisieren sollen. Dabei wird die Vergewaltigung in der Ehe sowohl in Studien als auch in Aufklärungsund Hilfsmaßnahmen nicht konkret als Solches behandelt, sondern unter den Begriff der häuslichen Gewalt (gegen Frauen) gefasst. Gewalt gegen Frauen, vor allem im häuslichen Umfeld, steht seit einiger Zeit europaweit im Fokus von Förderprogrammen und Aktionsplänen, sodass dieses Problem inzwischen nicht mehr als ein privates angesehen wird, sondern in die Öffentlichkeit gerückt ist. Trotzdem lässt sich feststellen, dass Vergewaltigung in der Ehe gesellschaftlich nicht allgemein als Verbrechen betrachtet wird. Es halten sich weiterhin Vergewaltigungsmythen , die den Opfern eine Mitschuld geben, die Täter entschuldigen oder, entgegen des geltenden Straf- und Zivilrechts, behaupten, Vergewaltigung in der Ehe könne es gar nicht geben, da eine ständige sexuelle Bereitschaft Bestandteil des Ehevertrags sei. Die strafrechtliche Lage ist europaweit ähnlich. Vergewaltigung auf den außerehelichen Bereich zu beschränken wurde im Laufe der letzten zehn Jahre in fast allen europäischen Ländern abgeschafft. Zum Teil bestehen oder bestanden bis vor einigen Jahren jedoch Klauseln in den Strafgesetzen, die eine Strafverfolgung der Vergewaltigung in der Ehe vom Antrag des Opfers abhängig machten, oder, zum Zwecke der Versöhnung, zuließen, die Strafverfolgung des Ehemanns auf Verlangen der Ehefrau abzubrechen. Die Probleme solcher Privilegierungen wurden in Deutschland im Rahmen der Gesetzesreform 1997 erkannt und es wurde deshalb von der Aufnahme einer solchen Klausel abgesehen. Inhalt 1. Einleitung 5 2. Definition nach deutschem Recht 5 2.1. Gesetzeslage vor der Reform 5 2.2. Gesetzeslage nach der Reform 6 3. Zwischenbilanz nach der Gesetzesreform in der BRD 7 3.1. Statistische Erhebungen 7 3.2. Meinungen in der Rechtswissenschaft 9 4. Begleitende Umstände der Umsetzung 10 4.1. Aufklärung, Fortbildungen, Beratungsangebote für Opfer und Täter 10 4.2. Gewaltschutzgesetz (GewSchG) 11 4.3. DAPHNE- Programm der EU 12 5. Gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland 12 6. Strafrechtliche Lage in anderen europäischen Ländern 13 6.1. Schweiz 14 6.2. Österreich 14 6.3. Niederlande 15 6.4. Dänemark 15 6.5. Norwegen 16 6.6. Schweden 16 6.7. Großbritannien 17 6.8. Tschechische Republik 18 6.9. Finnland 18 6.10. Italien 19 6.11. Spanien 19 6.12. Griechenland 19 7. Anlagenverzeichnis 20 - 5 - 1. Einleitung Seit dem 4. Juli 1997, als der neue § 177 StGB in Kraft trat, ist auch die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Der Gesetzesänderung war eine sehr lange emotionsgeladene Diskussion vorausgegangen.1 Letztlich führte der fraktionsübergreifende Gesetzentwurf vom 21.03.1997 zum 33. Strafrechtsänderungsgesetz (StrÄG).2 Zum 1. April 1998 wurde das Sexualstrafrecht durch das 6.Gesetz zur Reform des Strafrechts (StrRG) abermals geändert, die wesentlichen Änderungen des 33. StrÄG wurden aber beibehalten . Inzwischen sind über 10 Jahre seit der Gesetzesreform vergangen, sodass eine Zwischenbilanz gezogen und untersucht werden kann, wie sich begleitende Umstände in der Umsetzung der strafrechtlichen Vorschriften darstellen. Außerdem ist, gerade auch im Hinblick auf die vorangegangene Diskussion, zu beleuchten inwieweit inzwischen gesellschaftliche Akzeptanz herrscht. Für eine bessere Einordnung der Situation in Deutschland ist zudem ein Blick auf die strafrechtlichen Bestimmungen anderer europäischer Länder von Interesse. Zunächst soll jedoch definiert werden, was strafrechtlich unter Vergewaltigung in der Ehe zu verstehen ist und wie sich der Tatbestand der Vergewaltigung durch die Gesetzesreform verändert hat. 2. Definition nach deutschem Recht 2.1. Gesetzeslage vor der Reform Die strafrechtliche Norm der Vergewaltigung, § 177 I StGB a.F., lautete bis zu seiner Änderung im Juli 1997 durch das 33. StrÄG wie folgt: Wer eine Frau mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zum außerehelichen Beischlaf mit ihm oder einem Dritten nötigt , wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. Aufgrund des Tatbestandsmerkmals außerehelich war Vergewaltigung in der Ehe daher nur als Nötigung gem. § 240 StGB und ggf. als Körperverletzung gem. § 223 ff. StGB strafbar, was einen geringeren Strafrahmen zur Folge hatte. Außerdem galt als Vergewaltigung lediglich der erzwungene Beischlaf. Alle anderen erzwungenen sexuellen Handlungen fielen unter den Tatbestand der sexuellen Nötigung gem. § 178 I StGB a.F., der ebenfalls nur außereheliche Aktivitäten umfasste. 178 II StGB a.F. sah eine Mindeststrafe von einem Jahr vor. 1 Vgl. dazu Lenckner, Theodor, Das 33. Strafrechtsänderungsgesetz – das Ende einer langen Geschichte , NJW 1997, S. 2801 ff., insbes. die Nachweise in Fn. 1. 2 BT-Drs. 13/ 7324; guter, kurzer Überblick über die politische Entwicklung bis dahin gibt Stolle, Christa, Keine Privatsache: Vergewaltigung in der Ehe, GRR 1998, S. 60 ff. - 6 - 2.2. Gesetzeslage nach der Reform Heute versteht man unter Vergewaltigung i.S.d § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB die sexuelle Nötigung in einem besonders schweren Fall (Regelbeispiel), bei der der Täter mit dem Opfer den außerehelichen oder ehelichen Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an einem weiblichen oder männlichen Opfer vornimmt oder an sich vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper des Opfers verbunden sind, wie die orale oder anale Penetration.3 Die Vergewaltigung in der Ehe fällt nun somit unter den Tatbestand der Vergewaltigung . Außerdem wurden dem Beischlaf ähnliche sexuelle Übergriffe gleichgestellt, wenn diese besonders erniedrigend sind.4 Dazu gehört insbesondere die orale oder anale Penetration, aber auch das Einführen von Gegenständen in Körperöffnungen und weitere belastende und erniedrigende Verhaltensweisen wie z.B. Fäkalerotik.5 Durch das 33.StrÄG wurden also die bisherigen §§ 177 (Vergewaltigung) und 178 (sexuelle Nötigung) StGB a.F. zu einem einheitlichen Verbrechenstatbestand zusammengefasst , dessen Regelstrafandrohung beim Grunddelikt (§ 177 Abs. 1 StGB) an der Untergrenze dem bisherigen § 178 StGB (1 Jahr Freiheitsstrafe) und an der Obergrenze dem bisherigen § 177 StGB (15 Jahren Freiheitsstrafe) entspricht. Die Vergewaltigung als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung ist gem. § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter 2 Jahren zu bestrafen. Es handelt sich um ein Offizialdelikt , d.h. die Vergewaltigung in der Ehe ist von Amts wegen zu verfolgen, auch wenn das Opfer kein Interesse an einer strafrechtlichen Verfolgung hat oder die Veranlassung einer solchen scheut. Eine Privilegierung der Vergewaltigung in der Ehe gegenüber der außerehelichen Begehung , wie es sie in anderen europäischen Ländern gegeben hat6, hat sich bei der Gesetzesreform nicht durchsetzen können. Sowohl eine „Versöhnungsklausel“ (SPD) als auch eine „Widerspruchsklausel“ (CDU/CSU), die jeweils vorsahen, von der Strafe bzw. von weiterer Strafverfolgung abzusehen, wenn das Opfer diesem widerspricht bzw. wenn dies der Aufrechterhaltung der Ehe dient, scheiterten. Es wurde befürchtet, dass diese Möglichkeit dazu genutzt werden könnte, das Opfer unter Druck zu setzen. 3 Creifelds, Rechtswörterbuch, 19. Aufl. 2007. 4 Lenckner, Theodor/ Perron, Walter/ Eisele, Jörg in Schönke/ Schröder, 27. Aufl. 2006, § 177 Rn. 20. 5 Folkers, Susanne, Die Reform der Notzuchttatbestände in den Jahren 1997 und 1998, NJW 2000, S. 3317ff. (3317). 6 Dazu unter 6. - 7 - 3. Zwischenbilanz nach der Gesetzesreform in der BRD 3.1. Statistische Erhebungen Zunächst ist festzustellen, dass Daten, die sich explizit auf die Vergewaltigung in der Ehe beziehen kaum verfügbar sind. Da es sich nicht um einen gesonderten Tatbestand handelt, wird meist auf § 177 StGB und § 178 StGB abgestellt. Eine Ausnahme bilden die beiden Periodischen Sicherheitsberichte (PSB) des Bundesministerium der Justiz und des Bundesministerium des Innern von Juli 2001 (1. PSB) und September 2006 (2. PSB)7, in denen vereinzelte Erkenntnisse zur Vergewaltigung in der Ehe zu finden sind. Im Übrigen lässt sich die Vergewaltigung in der Ehe unter den Oberbegriff der häuslichen Gewalt fassen, zu der etwas mehr Untersuchungen und Berichte vorliegen.8 Der 1. PSB9 stellt eine repräsentative Opferbefragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN) von 1992 vor, die das Dunkelfeld vor der Gesetzesreform abbildet.10 Es wird dargestellt, dass 2% der befragten Frauen im Alter von 20 bis 59 Jahren angaben, Opfer einer Vergewaltigung durch einen Täter geworden zu sein, mit dem sie zum Tatzeitpunkt in einem Haushalt lebten. In 76% dieser Fälle handelte es sich dabei um den Ehemann. Auf die weibliche Gesamtbevölkerung dieser Altersgruppe hochgerechnet, ist davon auszugehen, dass ca. 1,5%, d.h. ca. 350.000 Frauen im Zeitraum 1987-1991 von ihrem mit ihnen zusammenlebenden Ehemann vergewaltigt wurden. Dabei sind die Fälle, in denen der Ehemann als Täter getrennt von der vergewaltigten Ehefrau lebt noch nicht berücksichtigt. 93% der Vorfälle im familiären Bereich wurden nicht angezeigt. Von den Fällen, in denen es sich beim Täter um den Ehemann handelte, gelangte praktisch gar keiner zur Anzeige. Die Mehrzahl der betroffenen Frauen wird wiederholt Opfer und zudem meist gleichzeitig auch Opfer physischer Gewalt. Dem 2. PSB lassen sich demgegenüber Daten zu häuslicher Gewalt auch im Hellfeld entnehmen, die im Zusammenhang mit der Gesetzesreform zu sehen sind:11 Durch die Pönalisierung der Vergewaltigung in der Ehe haben sich die Fallzahlen, die nun unter §§ 177, 178 StGB subsumiert werden können, seit 1997 deutlich erhöht. Außerdem habe zusätzlich das Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes am 1. Januar 2002 in Kombi- 7 Einschlägige Auszüge finden sich in -Anlage 1 + 2 -; die PSB im Ganzen sind abrufbar unter: http://www.bmj.bund.de/enid/9cf143ec9b39490595105ef6bff6e7a6,0/Studien__Untersuchungen_un d_Fachbuecher/ss__Periodischer_Sicherheitsbericht_5q.html. 8 Siehe dazu auch noch unter 4. 9 1. PSB (Juli 2001), S. 75. 10 Wetzels, Peter/ Pfeiffer, Christian, Sexuelle Gewalt gegen Frauen im öffentlichen und privaten Raum, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V., Forschungsberichte Nr. 37, 1995; die folgenden Angaben sind der Zusammenfassung auf S. 17-20 entnommen. 11 2. PSB (November 2006), S. 81-85. - 8 - nation mit den damit zusammenhängenden Bemühungen einiger Länder um Schulung und Sensibilisierung von Polizeibeamten dazu beigetragen, dass vermehrt Sexualdelikte aus Ehe und Lebenspartnerschaft gemeldet werden. Des Weiteren hat die Gesetzesreform dazu geführt, dass frühere Vergewaltigungsversuche heute als vollendete sexuelle Nötigung gewertet werden, was sich in einem deutlichen Rückgang der Versuchsstrafbarkeit niederschlägt. Im Vergleich der Jahre 1995 und 2005 ist im Rahmen einer Analyse der Täter-Opfer- Beziehung bei Frauen mehr als eine Verdreifachung der Fälle zu verzeichnen, in denen die Opfer zum Täter in einer verwandtschaftlichen Beziehung standen. Die Daten aus der Analyse der Täter-Opfer-Beziehung deuten insgesamt daraufhin, dass durch die gesetzgeberischen Maßnahmen zunehmend jene Fälle polizeilich erfasst werden, die zuvor entweder gar nicht strafrechtlich als Sexualdelikte definiert wurden bzw. die im sozialen Nahbereich stattgefunden haben und in früheren Jahren nicht zur Anzeige gelangt sind. Weiter unterstreichen diese Daten, dass Sexualdelikte mehrheitlich Beziehungstaten im sozialen Nahbereich sind. Aus der Abnahme der Anzahl von Sexualstraftaten in Form von Straßenkriminalität lässt sich zudem ableiten, dass sich die Zunahmen der registrierten Fälle sexueller Gewalt weit überwiegend auf Tatorte beziehen, die außerhalb von Straßen und Plätzen angesiedelt und in ein Beziehungsgeschehen eingebettet sind. Für den immer noch sehr großen Teil der Sexualstraftaten im Nahbereich, der nicht zur Anzeige gelangt, wird im 2. PSB ebenfalls eine Dunkelfeldstudie vorgestellt, die sich mit körperlicher und sexueller Gewalt gegen Frauen beschäftigt.12 Die repräsentative Befragung von 10.264 Frauen im Alter zwischen 16 und 85 Jahren war Teil des Aktionsplans der Bundesregierung zur Gewalt gegen Frauen von 1999 und wurde von 2002- 2004 durchgeführt.13 Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Gewalt gegen Frauen überwiegend durch männliche Beziehungspartner im häuslichen Bereich verübt wird.14 13% der befragten Frauen, also etwa jede siebte in Deutschland lebende Frau, hat sexuelle Gewalt seit dem 16. Lebensjahr erlitten. Davon hat etwa die Hälfte der Frauen diese Gewalt durch (Ex-) Partner erlebt.15 Zum Anzeigeverhalten in Hinblick auf sexuelle Gewalt wird festgestellt, dass lediglich 8% der Betroffenen mindestens einmal die Polizei verständigt haben und somit das 12 2. PSB, S. 118-123. 13 BMFSFJ (Hrsg.), Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Kurzfassung , Berlin, 2004 (BMFSFJ-Studie), abrufbar unter: http://bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Publikationen/publikationsliste,did=20530.html 14 BMFSFJ-Studie, S. 13. 15 BMFSFJ-Studie, S. 14. - 9 - Dunkelfeld in diesem Bereich enorm groß ist.16 Andererseits scheint die Anzeigequote – relativ betrachtet – gestiegen zu sein, da sich eine rückläufige Entwicklung im Dunkelfeld bei gleichzeitiger Steigerung der Opferzahlen im polizeilichen Hellfeld abzeichnet .17 Auszüge aus der Polizeilichen Kriminalstatistik zu Vergewaltigung und sexueller Nötigung im Allgemeinen finden sich im Anhang. Als Ergebnis lässt sich im Vergleich der Erhebungen vor und nach der Gesetzesreform erkennen, dass Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in den polizeilichen Statistiken zugenommen haben und sich der größte Teil dieser Zunahmen auf registrierte Fälle bezieht , die im sozialen Nahraum der Betroffenen geschehen sind. Der Anteil der im Dunkelfeld verbleibenden Fälle ist sehr groß, hat aber über die Zeit abgenommen, was die Zunahmen im Hellfeld erklären könnte.18 Daraus ließe sich schlussfolgern, dass die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe zu einer größeren Wahrnehmung von Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich geführt hat. 3.2. Meinungen in der Rechtswissenschaft Die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe wird von vielen als Verbesserung angesehen , es bestehen aber naturgemäß erhebliche Schwierigkeiten bei der Beweisführung, da es meist keine weiteren Tatzeugen gibt und der Beschuldigte bzw. Angeklagte gem. § 136 S. 2 bzw. § 243 IV S. 1 StPO nicht verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Insofern wird der praktische Nutzen des § 177 StGB als eher fragwürdig angesehen.19 Auch wird die Ansicht vertreten, dass wegen der teils unbestimmten und weiten Fassung die Rechtsanwendung des neuen § 177 StGB zu erheblichen Rechtsunsicherheiten und Irritationen in der Praxis geführt hat, obwohl im Ergebnis mit der Änderung der §§ 177, 178 StGB a.F. ein ausgewogeneres und dem Unrechtsgehalt besser Rechung tragendes Sanktionsinstrumentarium zur Verfügung gestellt wurde.20 Kritisiert wird zudem, dass die Umwandlung der Vergewaltigung in ein bloßes Regelbeispiel die Handhabung gegenüber dem alten Recht schwieriger gemacht habe und daher im Gegensatz zum vorherigen Qualifikationstatbestand unglücklich sei.21 16 2. PSB, S. 120. 17 2. PSB, S. 120. 18 2. PSB, S. 59. 19 Ghattas, Kathrin, Gewalt in der Ehe, DVP 2001, S. 67 ff. (75). 20 Folkers, Susanne, NJW 2000, S. 3317 ff. (3321). 21 Lenckner, Theodor, NJW 1997, S. 2801 ff. (2802); Folkers, Susanne, NJW 2000, S. 3317ff. (3321). - 10 - Aus Sicht der feministischen Rechtswissenschaft sind die Änderung des § 177 StGB und das Gewaltschutzgesetz (dazu näher unter 4.1.) erste Schritte, die Ideologie der rechtsfreien Privatsphäre zu zerstören und diese aus dem Naturzustand, in dem das Recht des Stärkeren gilt, herüberzuholen in den bürgerlichen Zustand, in dem Rechte für alle gelten.22 Sexuelle Gewalt sei nicht das persönliche Problem einzelner Menschen, sondern ein gesellschaftliches, weshalb die Verfolgung der Vergewaltigung in der Ehe als Offizialdelikt zu begrüßen sei.23 Die Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Sexualstrafrechts wird als überwältigender Erfolg gewertet und dürfe als Richtungswechsel in der Familienpolitik angesehen werden.24 Kurz nach der Gesetzesänderung wurde Skepsis geäußert, ob Ehefrauen nun häufiger ihre vergewaltigenden Ehemänner anzeigen würden.25 Das Anzeigeverhalten betroffener Ehefrauen lässt laut Polizei immer noch eine sehr starke Zurückhaltung erkennen.26 Aufgrund dessen sei eine strafrechtliche Verfolgung allein nicht ausreichend, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern.27 Daher soll im Folgenden behandelt werden, ob und welche begleitenden Maßnahmen für eine Verbesserung der Situation für Frauen existieren . 4. Begleitende Umstände der Umsetzung Es ist zunächst erneut darauf hinzuweisen, dass es so gut wie keine Aktivitäten gibt, die sich explizit auf das Thema Vergewaltigung in der Ehe beziehen. Es wird vielmehr als Teil von häuslicher Gewalt bzw. Gewalt gegen Frauen behandelt. 4.1. Aufklärung, Fortbildungen, Beratungsangebote für Opfer und Täter Nicht nur aufgrund von zwei Aktionsplänen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen der Bundesregierung aus den Jahren 1999 und 2004 ist dieser Themenbereich inzwischen in die Öffentlichkeit gerückt worden. 22 Lembke, Ulrike, Stand und Gegenstand feministischer Rechtswissenschaft, Jura 2005, S. 236 ff. (237). 23 Vgl. Heither, Ulrike, Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar, Forum Recht online, Ausg. 3/1997. 24 Stolle, Christa, GRR 1998, S. 60 ff. 25 Stolle, Christa, GRR 1998, S. 60 ff. 26 Vgl. Aussagen des Landeskriminalamts Berlin, zitiert nach Tagesspiegel vom 26.07.2000, http://www.tagesspiegel.de/berlin/;art270,2223873. 27 Stolle, Christa, GRR 1998, 60 ff; Ghattas, Kathrin, DVP 2001, S. 67 ff. (75). - 11 - Unter http://bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/publikationen.html stehen eine Vielzahl von Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Verfügung, die sich mit dem Thema Gewalt gegen Frauen beschäftigen, darüber Aufklärung betreiben und Hilfe anbieten. Des Weiteren gibt es vielfältige Hilfs- und Beratungsangebote für Opfer von Vereinen und Organisationen wie Terre Des Femmes28, Europäische Frauenlobby29 oder den Bundesverband der Opferhilfen30, die sich unter anderem mit der Hilfe bei Vergewaltigung in der Ehe befassen, sowie Aktivitäten einzelner Ministerien der Bundesländer31. Zu nennen ist hier auch die Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt (BIG), in der sich Polizei, Zivil- und Strafgerichte, Jugend- und Sozialämter, Anti- Gewaltprojekte und die zuständigen politischen Entscheidungsträger zusammengetan haben, um neue Wege und Strategien gegen häusliche Gewalt zu entwickeln und einen breiten sowie handlungsfähigen Kooperationsverbund zwischen allen Stellen aufzubauen , die mit der Intervention bei häuslicher Gewalt befasst sind.32 Seit 2002 wird das Modell in ganz Deutschland aufgegriffen. In fast jeder deutschen Stadt gibt es, seit 1977 das erste in Berlin geöffnet wurde, Frauenhäuser , die sich ebenfalls den Opfern von Gewalt in Ehe und Familie annehmen. 2004 existierten ca. 400 Frauenhäuser in Deutschland. Hiervon sind ca. 1/3 autonom, während die anderen sich in der Trägerschaft von Kirche, Kommunen und Wohlfahrtsverbänden befinden.33 Beratung und Hilfe für Täter bieten inzwischen auch einige Stellen an. Sie sind organisiert in der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit häusliche Gewalt.34 4.2. Gewaltschutzgesetz (GewSchG)35 Zur Unterstützung eines effektiveren Vorgehens gegen Gewalt in Ehe und Familie trat am 1.1.2002 das GewSchG in Kraft, das Hilfe und Schutz gegen gewalttätige Ehemänner vorsieht. Im Wesentlichen geht es darum, dass nicht das Opfer die gemeinsame Wohnung verlassen muss, sondern dass dem Täter untersagt wird, die Wohnung zu be- 28 http://www.terre-des-femmes.de/. 29 http://www.womenlobby.org/. 30 http://www.opferhilfen.de/organisationen.html. 31 Z.B. des Sozialministeriums Baden-Württemberg, mehr unter: http://www.sozialministerium.de/de/ Frauen/80891.html, bzw. http://www.frauen-aktiv.de. 32 http://big-interventionszentrale.de/projekt/. 33 http://www.autonome-frauenhaeuser-zif.de/autonome.htm; hier findet sich auch eine Übersicht von Adressen der autonomen Frauenhäuser in Deutschland. 34 http://www.bag-taeterarbeit.de/. 35 BGBl. I 2001 S. 3513 (- Anlage 5 -). - 12 - treten. Die Wohnungszuweisung bzw. Räumung wird auf Antrag von den Zivilgerichten angeordnet. Im Zusammenhang mit der Einführung dieses Gesetzes werden Fortbildungen bei der Polizei und im Gesundheitswesen36 durchgeführt und bundesweit Interventionsstellen eingerichtet und öffentlich finanziert, die nach dem GewSchG beraten.37 4.3. DAPHNE- Programm der EU38 Die EU finanziert durch ihr Förderprogramm DAPHNE Projekte zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen, einschließlich der Gewalt in Form sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs. Es wurden 20 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Unter den Aktivitäten in der ersten Phase des Programms (2000-2003) stand die Bekämpfung sexueller Gewalt in all ihren Formen eindeutig an der Spitze der vom Programm finanzierten Projekte. Die zweite Phase (2004-2008) zielt darauf ab, jegliche Form von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen durch Präventionsmaßnahmen und durch Unterstützung der Opfer zu verhüten und zu bekämpfen. DAPHNE II stellt ferner darauf ab, die in diesem Bereich tätigen Organisationen zu unterstützen und ihre Zusammenarbeit zu fördern. Die Fördersumme für die zweite Phase beträgt 50 Mio. Euro. 5. Gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland Hinsichtlich schwerer sexueller Gewalt in der Familie hat in den modernen Gesellschaften ein Einstellungswandel stattgefunden, sodass diese nicht mehr gebilligt, sondern als illegitim und schädlich und damit als sozialer Kontrolle bedürftiges Problem begriffen wird.39 Dies ist im Wesentlichen der Frauen(haus)bewegung zu verdanken, die seit den 1970er Jahren daran arbeitet, dieses Problem in die Öffentlichkeit zu tragen und zu lösen . Die Tatsache, dass immer noch eine so große Zurückhaltung bei der Anzeige von sexueller Gewalt in Ehe und Partnerschaft herrscht, zeigt jedoch, dass diese Straftaten noch immer eine andere Kategorie darstellen als andere Straftaten. Es fällt betroffenen Frauen 36 Näheres auf der internet-Seite der Bundeskoordination Frauengesundheit, http://www.bkfrauengesundheit.de/cms/5_0_themen/detail.php?nr=554&kategorie=5_0_themen. 37 Z.B. Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt und Hotline in Köln, http://www.stadtkoeln .de/stadtinitiativ/gleichstellung/gegen_gewalt/beratung/artikel/07058/; Eine ausführliche Übersicht zur Implementation des GewSchG bietet die Auswertung einer Umfrage der Kommission Gewalt gegen Frauen und Kinder des Deutschen Juristinnenbundes (- Anlage 4 -). 38 http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l33062.htm (DAPHNE I, 2000-2003); http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l33299.htm (DAPHNE II, 2004-2008) 39 Vgl. Lamnek, Siegfried/ Ottermann, Ralf, Tatort Familie: Häusliche Gewalt im gesellschaftlichen Kontext, Opladen 2004, S. 173. - 13 - heute schon leichter über ihre Misshandlungsgeschichten zu reden, aber es fällt ihnen noch immer nicht leicht. Gewalt gegen Frauen ist zwar kein Tabuthema mehr, doch als Betroffene nicht zu schweigen, sich nicht zu schämen, sich nicht selbst die Schuld zu geben oder die Schuld zugewiesen zu bekommen, sind noch lange keine Selbstverständlichkeiten .40 Ein damit zusammenhängendes Problem ist die falsche Einordnung von Vergewaltigung als gewalttätige Sexualität und nicht als sexualisierte Gewalt, um die es sich tatsächlich handelt. Es bestehen in der Gesellschaft Vergewaltigungsmythen41, die dem Opfer eine Mitschuld an der Vergewaltigung geben (z.B. durch angeblich aufreizende Kleidung oder ein bestimmtes Verhalten). Eine medizinische Studie, kommt zu dem Ergebnis, dass Vergewaltigungsmythen die Prävention sexueller Gewalt erschweren und auch bei jenen Menschen verbreitet sind, die professionell mit Vergewaltigungsopfern zu tun haben.42 Es wird daher argumentiert, dass es neben den oben genannten Hilfsangeboten für Betroffene einer Ergänzung um Strategien bedürfe, die das Problem stärker in die Gesellschaft hineintragen.43 Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bestehe weiterhin darin, Ansichten auszuräumen, die Gewalt gegen Frauen als Kavaliersdelikt bewerten oder Frauen eine Mitschuld zuschreiben.44 6. Strafrechtliche Lage in anderen europäischen Ländern45 Die folgend Übersicht zeigt, dass die Vergewaltigung in der Ehe inzwischen in fast allen europäischen Staaten der außerehelichen Begehung gleichgestellt ist. Ausnahmen stellen Griechenland, Tschechien und Spanien dar: In Griechenland ist die eheliche Vergewaltigung nicht strafbar und in Tschechien gibt es eine Privilegierungsklausel im 40 Hack, Eva-K., Ein Schritt vor – und zwei zurück. Feministische Anti-Gewaltprojekte zwischen Gewaltschutzgesetz , Qualitätssicherung und Sozialabbau, Vortrag vom 25.11.2004 zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, Kassel, http://www.autonome-frauenhaeuserzif .de/pdf/autonome/af_01_hack.pdf, S. 2. 41 Dazu gehören verbreitete Aussagen wie: „Männer können ihre Sexualität nicht kontrollieren“ oder „Sie wollte es doch auch“ sowie die Annahme, dass es Vergewaltigung in der Ehe nicht gebe, weil die Einwilligung zum Beischlaf ständiger Bestandteil des Eheversprechens sei. 42 Brosi, Nicola, Untersuchung zur Akzeptanz von Vergewaltigungsmythen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen , Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin, München 2004, http://deposit.ddb.de/cgibin /dokserv?idn=97332550x&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=97332550x.pdf. 43 Vgl. Helfferich, Cornelia, Gewalt gegen Frauen – neue Strategien zur Bekämpfung eines alten Problems , AKTIV Ausg. 12 - 2/2001, www.frauen-aktiv.de/aktiv/12/seite3.php. 44 Vgl. Brosi, Nicola, aaO Fn. 42, S. 34-35. 45 Bei den folgenden Auszügen aus den Strafgesetzbüchern der europäischen Staaten in englischer Sprache handelt es sich (bis auf Großbritannien) um inoffizielle Übersetzungen. - 14 - Strafprozessrecht. Spanien sieht im Gegensatz dazu für Ehemänner, die ihre Frau vergewaltigt haben, zusätzliche Strafen und Auflagen vor. 6.1. Schweiz46 Vergewaltigung in der Ehe ist in der Schweiz seit 1992 gem. Art. 190 I StGB strafbar, der folgendermaßen lautet: Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. Art. 190 II StGB, der eine Strafverfolgung der Vergewaltigung in der Ehe nur auf Antrag vorsah, wurde durch das Bundesgesetz betreffend Strafverfolgung in der Ehe und der Partnerschaft mit Wirkung zum 1. April 2004 aufgehoben. Seitdem stellt die Vergewaltigung auch dann ein Offizialdelikt dar, wenn der Täter der Ehegatte des Opfers ist. Das gleiche gilt für Art. 189 StGB (sexuelle Nötigung), von dem alle nicht als Beischlaf zu qualifizierenden sexuellen Übergriffe erfasst werden. Aus der Schweiz gibt es zudem eine interessante Studie zu den Kosten familiärer Gewalt von 1998.47 Aus dieser Studie geht hervor, dass im Jahr 1993 mehr als 16.000 Frauen von ihrem Partner sexuell misshandelt und dass mehr als 220.000 Schweizerinnen irgendwann in einer Beziehung Opfer der sexuellen Gewalt ihres Partners wurden. 8% der Schweizer Bevölkerung gaben an, dass ihnen persönlich Fälle bekannt sind, in denen die Frau von ihrem Ehemann vergewaltigt wird. Die Folgen dieser häuslichen Gewalt kostet die öffentliche Hand in der Schweiz im Jahr über 440 Mio. SFr.48 6.2. Österreich Bis 1989 war in Österreich die Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar. Ab 1989 war der § 201 StGB StGB a.F. zwar nicht mehr auf die „außereheliche“ Begehung reduziert, es galt aber eine sog. „Privilegierung“ wenn es sich bei dem Täter um den Ehemann oder Lebensgefährten des Opfers handelte (§ 203 StGB a.F.). 46 Vgl. zum Folgenden: Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates und Gesetzentwurf des BG vom 3. Okt. 2003 (Strafverfolgung in der Ehe und der Partnerschaft), BBl. 2003, S. 1909 ff; S. 1937 ff. 47 Godenzi, Alberto/ Yodanis, Carrie, Erster Bericht zu den ökonomischen Kosten von Gewalt gegen Frauen, Freiburg (Schweiz) 1998. 48 Vgl. einige Hauptaussagen des Berichts bei Ghattas, Kathrin, DVP 2001 67 ff (72). - 15 - Das Sexualstrafrecht wurde aber auch in Österreich im Frühjahr 2004 geändert.49 Der § 203 StGB a.F., der bei einer Begehung in der Ehe oder Lebensgemeinschaft sowohl vorsah, dass es sich um ein Antragsdelikt handelte (Abs. 1), als auch eine Strafmilderungsklausel für den Fall bereithielt, dass die verletzte Person erklärte weiter mit dem Täter zusammenleben zu wollen (Abs. 2), wurde aufgehoben. Es handelt sich seitdem bei der Vergewaltigung in der Ehe um ein Offizialdelikt. Im Zuge dessen wurde auch der § 201 StGB neugefasst. Er lautet nun: Wer eine Person mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Alle sexuellen Übergriffe, die nicht unter den Begriff des Beischlafs fallen, werden auch nach dem österreichischen StGB als sexuelle (geschlechtliche) Nötigung (§ 202) mit einer geringeren Strafandrohung als bei der Vergewaltigung bestraft. 6.3. Niederlande Auch in den Niederlanden wird nicht zwischen ehelicher oder außerehelicher Vergewaltigung unterschieden. Beides fällt unter den Tatbestand der Vergewaltigung, der in Art. 242 des Niederländischen Strafgesetzbuchs geregelt ist und folgendermaßen lautet: Article 242 A person who by an act of violence or another act by threat of violence or threat of another act compels a person to submit to acts comprising or including sexual penetration of the body is guilty of rape and liable to a term of imprisonment of not more than twelve years or a fine of the fifth category. 6.4. Dänemark In Dänemark ist Vergewaltigung in der Ehe bereits seit 1960 strafbar und fällt ebenfalls unter die generellen Sexualstraftatbestände in §§ 216, 217 des Dänischen Strafgesetzbuches . Sie lauten: § 216 (1) Any person who enforces sexual intercourse by violence or under threat of violence shall be guilty of rape and liable to imprisonment for any tern not ex- 49 Das Strafrechtsänderungsgesetz 2004, BGBl. I 2004/15, trat am 1. Mai 2004 in Kraft. - 16 - ceeding 6 years. The placing of a person in such a position that that person is unable to resist the act shall be equivalent to violence. (2) If the rape has been of a particularly dangerous nature, or in particularly aggravating circumstances, the penalty may be increased to imprisonment for any term not exceeding 10 years. § 217 Any person who by other unlawful coersion (according to section 260 of this act) than violence or threat of violence, procures for himself sexual intercourse, shall be liable to imprisonment for any tern not exceeding four years. 6.5. Norwegen In Norwegen ist Vergewaltigung in § 192 des Norwegischen Strafgesetzbuchs unter Strafe gestellt. Darunter fällt auch die Begehung in der Ehe. Seit einer höchstrichterlichen Entscheidung im Jahre 1974 wird nicht mehr zwischen außerehelicher und ehelicher Vergewaltigung unterschieden. Gemäß § 192 ist zudem explizit auch eine grob fahrlässige Begehung strafbar.50 6.6. Schweden Vergewaltigung in der Ehe fällt in Schweden bereits seit 1965 unter den generellen Straftatbestand der Vergewaltigung. Bis dahin war man der Auffassung, dass mit der Ehe eine generelle Einwilligung zum Geschlechtsverkehr vorlag, sodass eheliche Vergewaltigung nicht als ein Akt gegen den Willen der Ehefrau betrachtet wurde. Im April 2005 ist das Sexualstrafrecht erneut reformiert worden, um das absolute Recht auf sexuelle Integrität und Selbstbestimmung jedes Menschen klarzustellen. Seitdem sind auch schwächere Formen von sexueller Gewalt als Vergewaltigung strafbar und die Anforderungen an die Drohungshandlung wurden gesenkt. Vergewaltigung ist in Kapitel 6 des Schwedischen Strafgesetzbuchs geregelt. § 1 lautet: A person who by assault or otherwise by violence or by threat of a criminal act forces another person to have sexual intercourse or to undertake or endure another sexual act that, having regard to the nature of the violation and the circumstances in general, is comparable to sexual intercourse, shall be sentenced for rape to imprisonment for at least two and at most six years. This shall also apply if a person engages with another person in sexual intercourse or in a sexual act which under the first paragraph is comparable to sex- 50 § 192 des Norwegischen Strafgesetzbuches findet sich in - Anlage 6 -. - 17 - ual intercourse by improperly exploiting that the person, due to unconsciousness , sleep, intoxication or other drug influence, illness, physical injury or mental disturbance, or otherwise in view of the circumstances in general, is in a helpless state. If, in view of the circumstances associated with the crime, a crime provided for in the first or second paragraph is considered less aggravated, a sentence to imprisonment for at most four years shall be imposed for rape. If a crime provided for in the first or second paragraph is considered gross, a sentence to imprisonment for at least four and at most ten years shall be imposed for gross rape. In assessing whether the crime is gross, special consideration shall be given to whether the violence or threat was of a particularly serious nature or whether more than one person assaulted the victim or in any other way took part in the assault or whether the perpetrator having regard to the method used or otherwise exhibited particular ruthlessness or brutality. 6.7. Großbritannien Bis 1991 konnte ein Ehemann in Großbritannien nicht wegen Vergewaltigung seiner Frau verurteilt werden. Danach änderte sich die Rechtsprechung und inzwischen ist auch die Vergewaltigung in der Ehe als Vergewaltigung strafbar. Als Resultat der Entwicklung in der Rechtsprechung ist außereheliche wie eheliche Vergewaltigung gleichermaßen in § 1 des Sexual Offences Act 2003 unter Strafe gestellt, der wie folgt lautet: Rape (1) A person (A) commits an offence if— a) he intentionally penetrates the vagina, anus or mouth of another person (B) with his penis, b) B does not consent to the penetration, and c) A does not reasonably believe that B consents. (2) Whether a belief is reasonable is to be determined having regard to all the circumstances, including any steps A has taken to ascertain whether B consents . (3) Sections 75 and 76 apply to an offence under this section. (4) A person guilty of an offence under this section is liable, on conviction on indictment, to imprisonment for life. - 18 - Außerdem stellen Urteils-Richtlinien klar, dass die Ausgangslage für die Verurteilung unabhängig davon ist, in welcher Beziehung Opfer und Täter zueinander stehen . 6.8. Tschechische Republik Auch in Tschechien wird Vergewaltigung in der Ehe vom generellen Vergewaltigungsstraftatbestand , § 241 des Tschechischen Strafgesetzbuchs, umfasst. Das Strafverfahrensrecht sieht allerdings vor, dass die Strafverfolgung von der Einwilligung des Opfers abhängt, wenn es sich bei dem Täter um den Ehemann handelt. § 241 lautet: (1) A person who forces someone else by violence or threat of immediate violence to a sexual intercourse or similar form of carnal knowledge, or who abuses someone else’s defencelessness to submit (to such act), shall be sentenced to a term of imprisonment of between two and eight years. (2) An offender shall be sentenced to a term of imprisonment of between three and ten years if an act pursuant to subsection (1) is committed against a person who is below the age of eighteen. (3) An offender shall be sentenced to a term of imprisonment of between five and twelve years if: d) he causes a serious bodily injury by his act pursuant to subsection (1), or e) he commits such an act against a person who is below the age of fifteen. (4) An offender shall be sentenced to a term of imprisonment of between ten and fifteen years if he causes death by his act pursuant the subsection (1). 6.9. Finnland Auch in Finnland gibt es keine speziellen Vorschriften, die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellen, das Delikt fällt aber unter die generellen Sexualstraftatbestände, die in §§ 1-3 von Kapitel 20 des Finnischen Strafgesetzbuchs geregelt sind. Gem. § 12 des Kapitels 20 besteht allerdings die Möglichkeit als verletzte Person eine Anklage zu verhindern .51 Dies gilt jedoch für alle Opfer einer Vergewaltigung, nicht nur für den Fall, dass Täter und Opfer verheiratet sind. Unabhängig vom Einwand des Opfers kann die Strafverfolgung unter den gleichen Voraussetzungen anderer Offizialdelikte von Amts wegen betrieben werden. 51 §§ 1-3 und 12 von Kapitel 20 des Finnischen Strafgesetzbuchs finden sich in - Anlage 7 -. - 19 - 6.10. Italien Gem. Art. 609-bis des Italienischen Strafgesetzbuchs wird Vergewaltigung, egal ob außerehelich oder in der Ehe mit Freiheitsstrafe von 5 bis 10 Jahren bestraft. Auch die Rechtsprechung macht in dieser Hinsicht keine Unterschiede. Die Tatsache, dass Täter und Opfer miteinander verheiratet sind, wird nicht als mildernder Umstand berücksichtigt . Es liegt ein Gesetzentwurf der Regierung vor, der im Gegenteil eine Strafschärfung vorsieht, wenn es sich bei dem Opfer der Tat um die Ehefrau, Lebensgefährtin oder eine andere in enger Beziehung zum Täter stehende oder im selben Haushalt wie der Täter lebende Person handelt.52 6.11. Spanien In Spanien existieren bereits zusätzliche Konsequenzen für Täter einer Vergewaltigung, die in der Ehe begangen wird. Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar nach §§ 57 Abs 2, 178 und 179 des Spanischen Strafgesetzbuches. § 57 Abs. 2 sieht für die eheliche Begehung zusätzlich vor, dass sich der Täter bis zu 10 Jahre dem Opfer nicht mehr nähern darf. In dieser Zeit ist außerdem eine Aussetzung von Besuchen der Kinder möglich. 6.12. Griechenland In Griechenland ist Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar. Außereheliche Vergewaltigung ist in Art. 336, 340, 187 und 187a des Griechischen Strafgesetzbuches geregelt. 52 Atto Camera 3241 - Reati di grave allarme sociale (A.C. 3241) vom 30.10.2007. - 20 - 7. Anlagenverzeichnis Erster Periodischer Sicherheitsbericht (in Auszügen) - Anlage 1 - Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht (in Auszügen) - Anlage 2 - Polizeiliche Kriminalstatistik, Berichtsjahr 2006 (in Auszügen) - Anlage 3 - Implementation des Gewaltschutzgesetzes. Auswertung der Umfrage der Kommission Gewalt gegen Frauen und Kinder des Deutschen Juristinnenbundes vom 06.03.2002 - Anlage 4 - Gewaltschutzgesetz - Anlage 5 - The General Civil Penal Code (Norwegen), section 192 - Anlage 6 - The Penal Code of Finland, Chapter 20, sections 1-3 and 12 - Anlage 7 -