Aspekte zur Privatisierung kommunaler Wohnungsunternehmen Wettbewerbsrechtliche Grenzen beim Verkauf kommunaler Wohnungsunternehmen sowie die Erfolgsgeignetheit von Sozialchartas - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 7 - 278/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Aspekte zur Privatisierung kommunaler Wohnungsunternehmen Wettbewerbsrechtliche Grenzen beim Verkauf kommunaler Wohnungsunternehmen sowie die Erfolgsgeignetheit von sozialchartas Ausarbeitung WD 7 - 278/07 Abschluss der Arbeit: 30.11.2007 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Hinweise auf interne oder externe Unterstützung bei der Recherche bzw. Abfassung des Textes Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Weder Wettbewerbs- noch Kartellrecht vermögen die Privatisierung sozialen Wohnungsbaus zu begrenzen. Eine Sonderstellung kommt dem Beihilfen- und Vergaberecht zu. Der Erfolg von Sozialchartas ist noch offen, entbindet die öffentliche Hand aber nicht von ihrer Daseinsvorsorgepflicht. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Vergabe- und beihilfenrechtliche Grenzen 4 3. Lauterkeitsrechtliche Grenzen 4 4. Kartellrechtliche Grenzen 5 4.1. Art des in Frage kommenden Kartellverstoßes 5 4.2. Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts 6 4.2.1. Ermittlung des relevanten Marktes 6 4.2.1.1. Der sachlich relevante Markt 6 4.2.1.2. Ergebnis 7 5. Erfolg von Sozialchartas 8 - 4 - 1. Einleitung Auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus wird verstärkt die Frage diskutiert, ob die entsprechenden Tätigkeiten, die im Falle einer Privatisierung solcher Bestände vorgenommen werden, deutschen oder europäischen Gesetzen zuwiderlaufen. Die vorliegende Ausarbeitung versucht diese Frage mit Hinblick auf das Wettbewerbs- und Kartellrecht zu beantworten. 2. Vergabe- und beihilfenrechtliche Grenzen Bestandteil des europäischen Wettbewerbsrechts sind das Vergabe- und Beihilfenrecht, die bei der Privatisierung von kommunalem Wohnungseigentum eine Rolle spielen können. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die beigefügte Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes.1 3. Lauterkeitsrechtliche Grenzen Im deutschen Recht bilden Lauterkeitsrecht (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, im Folgenden UWG) und Kartellrecht (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, im Folgenden GWB) zusammen das Wettbewerbsrecht. Beiden ist gemeinsam, dass sie den Schutz des Wettbewerbs zum Gegenstand haben.2 Dieser Schutz erfolgt aber in unterschiedlicher Zielrichtung, denn das GWB schützt die Freiheit des Wettbewerbs, das UWG dagegen die Lauterkeit des Wettbewerbs.3 Mit Ausnahme des Marktmachtmissbrauchs 4 im GWB steht somit im UWG der Schutz der Marktteilnehmer gegen unlautere Wettbewerbshandlungen einzelner Unternehmen im Vordergrund.5 Es müsste insofern eine „Einzelaktion“ von Konkurrenten untereinander bewertet werden , wie es die Regelbeispiele der §§ 4 ff. UWG suggerieren, z.B. die Erzeugung falscher Vorstellungen in Kundenkreisen, die auf unzutreffenden Behauptungen eines Unternehmens beruhen; fortdauernde rufschädigende Äußerungen oder Hausfassaden mit wettbewerbswidriger, bzw. rechtsverletzender Gestaltung, etc. Solange eine solche Handlung nicht bekannt ist oder vorliegt, setzt das UWG keine weitere Grenze bei der Privatisierung kommunalen Wohnungseigentums. 1 Ausarbeitung WD 7 – 087/07 – Privatisierung kommunalen Wohnungseigentums, Anlage 1. 2 Köhler, WRP 2005, S. 645. 3 Lettl, KartellR, Rn. 469. 4 Dazu sogleich. 5 Hefermehl/Köhler/Fritzsche, § 8, rn. 156 m.w.N. - 5 - 4. Kartellrechtliche Grenzen Sofern es aber auf die Position eines Marktteilnehmers auf dem Markt ankommt, also die institutionellen Strukturen eines relevanten Marktes, wie z.B. die marktbeherrschende Stellung eines einzelnen Unternehmens, setzt das Kartellrecht zu beachtende Grenzen . 4.1. Art des in Frage kommenden Kartellverstoßes Sowohl das deutsche als auch das europäische Kartellrecht gliedern sich in drei voneinander zu unterscheidende Regelungsmaterien: das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen (Kartellverbot), den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Missbrauchskontrolle), bzw. einen Verstoß gegen die EG- Fusionskontrollverordnung (Zusammenschlusskontrolle).6 Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen verbietet Art. 81 EG-Vertrag auf europäischer und §§ 1 ff. GWB auf nationaler Ebene. Darunter fallen Vereinbarungen und Beschlüsse , bzw. jegliche Art von aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Im Falle des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung liegt bereits ein verzerrter Markt und insofern ein zu einem gewissen Grad von vorneherein beschränkter Wettbewerb vor, da auf dem relevanten Markt einer der Wettbewerber eine marktbeherrschende Stellung innehat. In diesem Fall beschränkt sich die gesetzliche Kontrolle darauf , dass der Marktbeherrscher seine mächtige Stellung nicht „missbraucht“, in dem er Konkurrenten oder Kunden ausbeutet, unbillig behindert oder in anderer Weise beeinträchtigt . Wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach Art. 82 EG-Vertrag, bzw. §§ 19 ff. GWB. Die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Fusionskontrollverordnung, FKVO) liefert einen rechtlichen Rahmen zur Beurteilung, Erlaubnis, Anmeldung etc. von Unternehmenszusammenschlüssen . Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Begutachtung, inwiefern einzelne Unternehmenszusammenschlüsse zu einer Konzentration von Marktanteilen und somit u.U. unnatürlich gewachsenen marktbeherrschenden Stellungen auf bestimmten Marktsegmenten führen. Zur Prävention einer solchen Machtkonzentration auf nationaler Ebene kennt das deutsche Kartellrecht die §§ 35-43 GWB, bzw. der FKVO. 6 Lange, Europäisches und deutsches Kartellrecht, UTB basics 2006, 1.5., S. 20. - 6 - 4.2. Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts Fusioniert ein Wohnungsbau- oder Immobilienunternehmen mit einem Konkurrenten oder kauft er diesen einfach auf und erzielt dieses neue Unternehmen einen erheblich größeren Marktanteil, könnte es durch sog. externes Wachstum eine marktbeherrschende Stellung einnehmen und somit unter die Fusionskontrolle fallen. Diesem Fall ist die Monopolisierung eines bestimmten Wohnungsmarktes durch einen Immobilieninvestor, der sämtliche Wohnbestände aus vormalig staatlichem Eigentum übernimmt, gleichzusetzen. 4.2.1. Ermittlung des relevanten Marktes Um die Behinderungs- bzw. Beherrschungssituation feststellen zu können, muss zunächst der betroffene relevante Markt im räumlicher, sachlicher und ggf. zeitlicher Hinsicht festgelegt werden.7 Erst in einem zweiten Schritt kann der Beherrschungsgrad auf diesem Markt ermittelt werden. Die Definition des Marktes dient dabei der genauen Abgrenzung des Gebietes, auf dem Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen. Hauptzweck der Marktdefinition im Rahmen der Fusionskontrolle ist die systematische Ermittlung der Wettbewerbskräfte, denen sich die beteiligten Unternehmen zu stellen haben.8 Die abgemessene Festlegung des relevanten Marktes ist also eine notwendige Voraussetzung, um den Einfluss eines Zusammenschlusses auf den Wettbewerb beurteilen zu können.9 Zu diesem Zweck muss ermittelt werden, in welchem geografischen, sachlichen und ggf. zeitlichen Markt sich die Unternehmen gegenüberstehen. 4.2.1.1. Der sachlich relevante Markt Der sachlich relevante Markt wird anhand des sog. Bedarfsmarktkonzepts ermittelt.10 In den sachlich relevanten Markt sind demnach nur diejenigen Waren, d.h. sämtliche Erzeugnisse bzw. Dienstleistungen, einzubeziehen, die aus Sicht der verständigen Marktgegenseite nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet und untereinander austauschbar sind.11 7 Lange, Europ. und dt. KartellR, S. 140 f. 8 Lange, aaO. 9 Rösler, NZG 2000, S. 761. 10 Vgl. dazu die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, Abl. Nr. C 372, v. 9.12.1997, S. 5 ff.; Rn. 13-17. 11 Lange, aaO., S. 84. - 7 - Vergegenwärtigt man sich besondere Eigenschaften von Sozialwohnungen (ursprüngliche staatliche Widmung und Konzeption, bzw. Baustruktur und städteplanerische Lage ), so könnte man auf den ersten Blick geneigt sein, in „ehemals“ staatlichen Sozialwohnungen ein eigenen, in sich geschlossenen Markt zu sehen. Der Kauf dieses gesamten Bestandes, z.B. in einer Kommune, führte dann tatsächlich zu einer Monopolstellung des Käufers und somit einer „unnatürlich“ gewachsenen Marktmacht, die eine Wettbewerbsverzerrung zur Folge hätte. Dies ist allerdings eine Differenzierung, die weder auf europäischer, noch nationaler Ebene vorgenommen wird. Die europäische Kommission unterteilt seit jeher den hier interessierenden Immobilienmarkt nur allgemein in Gewerbe- und Wohnraum.12 In diesem Fall müsste, je nach räumlicher Abgrenzung, der Privatinvestor durch den Kauf des staatlichen Sozialwohnungsbestandes den gesamten Wohnungsmarkt, z.B. einer Stadt, beherrschen. Von einer solchen Sachlage gehen die Autoren bei der Bearbeitung jedoch nicht aus. Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass die räumliche Abgrenzung von Immobilenmärkten vom Bundeskartellamt auf einen Umkreis von 20 km um die zu erwerbenden Immobilien gezogen wird.13 Insofern wäre eine strengere Marktabgrenzung auf nationaler Ebene von der Praxis der Kommission unbeeinflusst und insofern differenzierter auszugestalten. Allerdings unterscheidet auch das Bundeskartellamt bisher nur zwischen den sachlich relevanten Märkten für gewerbliche Immobilien und Wohnungen .14 Ein Kurswechsel in einem Fall wie der Woba Dresden GmbH, wo nahezu der gesamte Soziale Wohnungsbestand an einen Käufer veräußert wurde, ist mangels kartellbehördlichen Einschreitens nicht eingetreten. 4.2.1.2. Ergebnis Zwar mag ein privater Käufer durch den Erwerb des Gesamtbestandes von Sozialwohnungen einer Kommune wirtschaftlich seine Marktposition erheblich verbessern. Ferner mag auch denkbar sein, dass er von der kommunalen öffentlichen Hand, die ihrer Daseinsvorsorgepflicht gegenüber den Personen mit Belegungsrechten nach wie vor nachkommen muss, zukünftig nach Ablauf der vereinbarten Sozialchartas erhöhte, bzw. überteuerte Mieten verlangt, weil er nach wie vor attraktivster Vertragspartner für die Stadt ist, m.a.W. dass er den sich teilweise abzeichnenden Rückmietverkauf (Sale-and- Lease-Back) ökonomisch gesehen nach allen Möglichkeiten ausschöpft. Den hier inte- 12 Kommission Case No COMP/M.1975 – Deutsche Bank/Eurobank/lamda Development, S. 2 [“properties for commercial use (offices, shops and industrial property) and properties for residential use (housing)]; Case No COMP/M.2086 – Deutsche Bank/Hamburgische Immobilien Handlung/DLI, S. 2 m.w.N.; Case No COMP/M.2110 – Deutsche Bank/SEI/JV, S. 2. 13 Tätigkeitsbericht des BKartA, BT-Drs. 16/5710, S. 162. 14 BKartA, aaO. - 8 - ressierenden Wettbewerb verzerrt er dadurch aber nicht. Auch das Kartellrecht setzt hinsichtlich der Privatisierung sozialer Wohnungen folglich keine Grenze, solange diser Käufer nicht bereits eine erhebliche Zahl weiterer Wohnimmobilien einer Stadt, bzw. einer Kommune mit Umkreis von 20 km beherrscht und mit dem Zukauf weiterer Objekte (seien es Sozial- oder andere Wohnungen) in den relevanten Bereich der FKVO gerät. 5. Erfolg von Sozialchartas Sozialchartas vermögen in einem ersten Schritt den Mietern über den vereinbarten Zeitraum Schutz zu bieten. Dies vor allen Dingen hinsichtlich der wichtigen Punkte Kündigungsschutz , Mietpreiserhöhung, Mitbestimmungsrechte der Mieter, etc. Ihre allgemeine Erfolgsbilanz auf lange Sicht lässt sich zum gegeben Zeitpunkt aber nicht beurteilen. Es fehlt sowohl an repräsentativen Auswertungen als auch ausreichend vergangener Zeit, da die Laufzeit meist noch besteht. Insofern kann nur auf die beigefügten Presseartikel mit einzelnen Erfahrungen verwiesen werden. Allgemein festzustellen ist aber, dass nur durch die Auflösung staatlich subventionierter Sozialwohnungen die öffentliche Hand nicht ihre Daseinsvorsorge- und Sozialverpflichtungen gegenüber Belegungsberechtigten verliert. Wie und unter welchem Kostenaufwand 15 sie dieser zukünftig nachkommt (Wohngeld, Eigentumsförderung, etc.) bleibt ihr überlassen. 15 Vgl. den Artikel FAZ v- 20.07.2007, Nr. 166, S. 45, Anlage 2.