© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 233/18 Geldbußen für das Inverkehrbringen von Fahrzeugen ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung § 37 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung Ein Unternehmen, das „vorsätzlich“ ein Fahrzeug, welches nicht „mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen“ ist, „gewerbsmäßig feilbietet“, begeht eine Ordnungswidrigkeit , die mit einer Geldbuße „bis zu fünftausend Euro“ geahndet werden kann. Das ergibt sich aus § 37 Abs. 2 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV)1 in Verbindung mit § 37 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV, § 23 Abs. 2 und Abs. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG)2 sowie § 17 Abs. 2 und § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)3.4 Im Zusammenhang mit dem sog. VW-Dieselabgasskandal ist mehrfach die Frage aufgeworfen worden, ob die Veräußerung von Autos, die mit einer unzulässigen5 Abschalteinrichtung versehen sind, unter diesen Tatbestand falle und in der Folge gegen den Hersteller eine Geldbuße von 5.000 Euro pro betroffenem Auto verhängt werden könne.6 Bei der Beantwortung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte von wesentlicher Bedeutung. Erstens ist – auf der Tatbestandsseite – zu fragen, ob eine Übereinstimmungsbescheinigung „ungültig “ ist, wenn die Abgasreinigung des Autos mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist (dazu sogleich bei 2.). Wird diese Frage bejaht, so ist, zweitens – auf der Rechtsfolgenseite –, zu fragen, ob in dem Feilbieten solcher Autos „eine“ Handlung liegt, mit der lediglich mehrmals gegen denselben Bußgeldtatbestand verstoßen wurde, oder ob in Bezug auf jedes einzelne Auto von einer eigenständigen Handlung auszugehen ist. Nur in diesem Falle, der sog. Tatmehrheit , käme gemäß § 20 OWiG eine Geldbuße von 5.000 Euro pro Auto in Betracht. Ist hingegen nur von „einer“ Handlung auszugehen, also einem Fall der sog. Tateinheit, könnte gemäß 1 Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung – EG-FGV) vom 3. Februar 2011 (BGBl. I S. 126), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl. I S. 522). 2 In der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202). 3 In der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. August 2017 (BGBl. I S. 3295). 4 Bei Fahrlässigkeit kommt nur die Hälfte dieses Betrages, also 2.500 Euro, in Betracht (vgl. § 17 Abs. 2 OWiG). Bei fehlender Gewerbsmäßigkeit können maximal 2.000 Euro verhängt werden (§ 37 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. § 24 StVG). Auch hier halbiert sich die Geldbuße bei Fahrlässigkeit gemäß § 17 Abs. 2 OWiG auf 1.000 Euro. 5 Die grundsätzliche Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29.6.2007, S. 1). 6 Vgl. die im Bericht des 5. Untersuchungsausschusses des 18. Deutschen Bundestags wiedergegebenen diesbezüglichen Überlegungen innerhalb des Bundesverkehrsministeriums (BT-Drs. 18/12900 S. 453) sowie die Berichterstattung in verschiedenen Online-Medien, z.B. bei Bild.de vom 10. Oktober 2018, 5000 Euro Bußgeld im Gespräch (letzter Zugriff am 23. Oktober 2018); Welt.de vom 13. August 2017, Ministerium hält Bußgelder in Dieselabgas-Affäre für möglich (letzter Zugriff am 23. Oktober 2018); RP.Online vom 16. April 2018, 5000 Euro Strafe pro Diesel-Auto (letzter Zugriff am 23. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 233/18 Seite 5 § 19 Abs. 1 OWiG nur eine einzige Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro festgesetzt (dazu sogleich bei 3.). 2. Fehlen einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung? Die Frage, ob der Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Ungültigkeit der für die betroffenen Autos ausgestellten Übereinstimmungsbescheinigungen zur Folge hat, wird unterschiedlich beantwortet. Diejenigen, die sie bejahen,7 können sich insoweit vor allem auf den Wortlaut der Legaldefinition des Begriffs „Übereinstimmungsbescheinigung“ in der EG-Typgenehmigungs-Richtlinie8 stützen. Hiernach ist unter Übereinstimmungsbescheinigung das „in Anhang IX wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument“ zu verstehen, „mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht“.9 Ein Fahrzeug, so das Argument, welches mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sei, entspreche nicht „allen Rechtsakten“. Daher sei die Übereinstimmungsbescheinigung unzutreffend und in der Folge auch ungültig.10 Dem wird allerdings entgegengehalten, dass diese Begriffsbestimmung missverständlich sei.11 Der Sinn der Übereinstimmungsbescheinigung erschöpfe sich vielmehr darin zu bescheinigen, dass das ausgelieferte Auto mit dem genehmigten (Proto-)Typ übereinstimme und deshalb an der Legalisierungswirkung der EG-Typgenehmigung teilhabe. Der Ausdruck „gültige Übereinstimmungsbescheinigung “ in § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV beziehe sich lediglich auf die formalen Anforderungen , denen eine Übereinstimmungsbescheinigung genügen müsse (z.B. Fälschungssicherheit , Vollständigkeit, Form12). Die Frage, ob der Typ seinerseits mit den einschlägigen materiellen Vorschriften in Einklang stehe, sei hingegen durch die Erteilung der EG-Typgenehmigung bereits geprüft und bejaht worden. Könnte diese Frage unter dem Gesichtspunkt der „Gültigkeit“ der Übereinstimmungsbescheinigung erneut aufgeworfen werden, würde das Typgenehmigungsverfahren seinen Sinn verlieren. Der Hersteller könnte sich dann nicht mehr darauf verlassen, 7 Brenner, Rechtsgutachten für den 5. Untersuchungsausschuss des 18. Deutschen Bundestages, 2016, S. 22 (letzter Zugriff am 23. Oktober 2018); Klinger, Dieselgate öffentlich-rechtlich, ZUR 2017, S. 131 (131 ff., 136); Harke, Herstellerhaftung im Abgasskandal, VuR 2017, S. 83 (83, 92); LG Kleve, Urteil vom 31. März 2017 – 3 O 252/16, BeckRS 2017, 106026 Rn. 71. 8 Richtlinie 2007/46/EG vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 263 vom 9.10.2007, S. 1). 9 Art. 8 Nr. 36 Richtlinie 2007/46/EG (H.d.V.). 10 In diesem Sinne Klinger, ZUR 2017, S. 131 (131 ff., 136). 11 Vgl. – auch zum Folgenden – Schröder, Rechtsnatur, - wirkungen und -wirksamkeit von EG-Typgenehmigungen und Übereinstimmungsbescheinigungen für Kraftfahrzeuge, DVBl. 2017, S. 1193 (1202). 12 Vgl. § 6 Abs. 1 EG-FGV, Art. 18 Richtlinie 2007/46/EG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 233/18 Seite 6 dass die (von einem EU-Mitgliedsstaat) erteilte Typgenehmigung ihn tatsächlich dazu berechtigt, die entsprechenden Fahrzeuge (in allen Mitgliedsstaaten) zu vertreiben. 3. Tateinheit oder Tatmehrheit? Folgt man der Auffassung, dass die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Autos nicht über eine gültige Übereinstimmungsbescheinigung verfügen und somit der Tatbestand des § 37 Abs. 2, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV verwirklicht ist, stellt sich die Frage, ob in Bezug auf jedes einzelne betroffene Auto eine Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro verhängt werden kann. Das ist, wie bei 1. bereits dargestellt, zu verneinen, wenn das Feilbieten der betroffenen Autos als „eine“ Handlung im Sinne des § 19 Abs. 1 OWiG (Tateinheit) anzusehen und nicht in Bezug auf jedes betroffene Auto eine eigenständige Handlung anzunehmen ist (Tatmehrheit). Nur im Fall der Tatmehrheit könnte es gemäß dem in § 20 OWiG statuierten Kumulationsprinzip13 zur Festsetzung mehrerer Geldbußen zu je 5.000 Euro kommen, die anschließend schematisch zu addieren wären.14 Zu „einer“ Handlung im Sinne des § 19 Abs. 1 OWiG können auch mehrere Verhaltensweisen zusammengezogen werdem, wenn diese derart in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, dass sie sich bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches Tun darstellen.15 Dies wird angenommen, wenn die Verhaltensweisen dem äußeren Verlauf des Geschehens nach in einem zeitlich-räumlich-sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und auf einem einheitlichen Willensentschluss des Täters beruhen.16 Als Beispiele für eine derartige Handlungseinheit werden genannt der Händler, der mehrere verdorbene Äpfel in die Kiste legt, oder der Metzger, der während eines Produktionsvorgangs in verschiedene Wurstsorten verbotene Konservierungsstoffe füllt.17 Weitere Fälle, in denen die Rechtsprechung von nur einer Handlung ausgegangen ist, sind das mehrfache Sich-Hinwegsetzen über die Unwirksamkeit einer Kartellabsprache,18 die auf ei- 13 Insoweit unterscheidet sich das Ordnungswidrigkeitsrecht vom Asperationsprinzip des Strafrechts, das im Falle von Tatmehrheit keine Kumulation von Einzelstrafen vorsieht, sondern die Bildung einer Gesamtstrafe im Wege der Erhöhung der höchsten verwirkten Strafe (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 54 Rn. 3; Rogall, in: Mitsch [Hrsg.], Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 152). 14 Vgl. Mitsch, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 20 Rn. 3. 15 Vgl. Gürtler, in: Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, Vor § 19 Rn. 3 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 16 Vgl. Mitsch, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 10. 17 Vgl. Mitsch, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 11. 18 BGH, Beschluss vom 9. Juli 1984 – KRB 1/84 –, NJW 1984, S. 2372 (2373). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 233/18 Seite 7 nem Willensentschluss beruhende unerlaubte Beschäftigung mehrerer Leiharbeitnehmer an demselben Tag19 sowie das Veräußern von Teilmengen eines aus einem Beschaffungsvorgang stammenden Betäubungsmittelvorrats20. Allerdings verbietet sich insoweit eine schematische Betrachtung . Ein längerer räumlicher oder zeitlicher Abstand zwischen den einzelnen Verhaltensweisen kann einer Zusammenziehung zu einer einheitlichen Handlung entgegenstehen. So können mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen während einer Fahrt mehrere Handlungen oder nur eine Handlung darstellen, je nach den räumlichen und zeitlichen Verhältnissen.21 Auch im vorliegenden Zusammenhang würde sich die Frage der Handlungseinheit stellen, wie entsprechende im Bericht des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode dokumentierte gegenläufige Überlegungen innerhalb des Bundesverkehrsministeriums zeigen22. Der Untersuchungsausschuss selbst hat – ohne auf § 19 OWiG einzugehen – die Ansicht vertreten, dass „diese Bußgelder [nach § 37 EG-FGV] je einmal für jedes widerrechtlich in den Verkehr gebrachte oder gewerbliche vertriebene Fahrzeug vorgesehen sind.“23 4. Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte Die Frage „Tateinheit oder Tatmehrheit?“ ist im Ausgangspunkt eine des einfachen Rechts, nämlich der Auslegung der §§ 19, 20 OWiG. Selbstverständlich sind dabei aber auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Im wissenschaftlichen Schrifttum24 und in der Rechtsprechung 25 wird insoweit diskutiert, ob die Kumulation von Geldbußen im Falle der Tatmehrheit nach § 20 OWiG ab einem bestimmten Punkt verfassungsrechtliche Grenzen überschreiten kann. So hat zum Beispiel das Bayerische Oberste Landesgericht ausgeführt, dass „bei häufig wiederholter Begehungsweise das Kumulationsprinzip des § 20 OWiG das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens […] bzw. der Vorwerfbarkeit entsprechenden Ahndens berühren 19 BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 1999 – 3 ObOWI 50/99, BeckRS 1999, 31365331. 20 BGH, Beschluss vom 24. November 1998 – 4 StR 557-98 –, NStZ 1999, S. 192 (zu § 29a BtMG). 21 Mitsch, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 21. 22 Vgl. BT-Drs. 18/12900, S. 453. 23 BT-Drs. 18/12900, S. 505. So auch der von ihm beauftragte Sachverständige Brenner, Rechtsgutachten für den 5. Untersuchungsausschuss des 18. Deutschen Bundestages, 2016, S. 15, 20, 21, 22 (letzter Zugriff am 23. Oktober 2018). 24 Achenbach, Bußgeldverhängung bei Kartellordnungswidrigkeiten nach dem Ende der fortgesetzten Handlung, WuW 1997, S. 393 ff.; Cordes/Reichling, Grenzen ordnungsrechtlicher Sanktionierung bei Verbandsgeldbußen, NJW 2015, S. 1335 (1336); Geppert, Zur straf- und strafverfahrensrechtlichen Bewältigung von Serienstraftaten nach Wegfall der Rechtsfigur der „fortgesetzten Handlung“ – 2. Teil –, NStZ 1996, S. 118 (119 f.); Rogall, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 152. 25 BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 1996 – 3 ObOWi 54/94 –, NJW 1994, S. 2303 (2305). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 233/18 Seite 8 kann“.26 Der Fall betraf eine natürliche Person. Im wissenschaftlichen Schrifttum sind entsprechende Erwägungen aber auch in Bezug auf Verbandsgeldbußen angestellt worden.27 Um Verfassungsverletzungen durch übermäßige Kumulation zu vermeiden, wird beispielsweise vorgeschlagen , angemessen vom Opportunitätsprinzip (§ 47 OWiG) Gebrauch zu machen und nicht alle Verstöße zu verfolgen,28 oder die Geldbuße für die einzelne Ordnungswidrigkeit gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG im unteren Bereich des Bußgeldrahmens festzusetzen.29 Die Vorschläge zielen also nicht gegen die Kumulation also solche, sondern lediglich auf ihre angemessene Begrenzung in Extremfällen. 5. Abgrenzung Der Bußgeldtatbestand nach §§ 37, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV ist von dem der Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG zu unterscheiden. Ersterer bezieht sich auf das Feilbieten von Fahrzeugen ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung, letzterer auf das Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen , die erforderlich sind, um in einem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Sowohl bei § 37 EG-FGV als auch bei § 130 OWiG kann unter den Voraussetzungen des § 30 OWiG auch das Unternehmen, dessen Repräsentanten den Bußgeldtatbestand verwirklicht haben, belangt werden. Gestützt auf §§ 130, 30 OWiG (nicht auf § 37 EG-FGV, § 30 OWiG) haben die Staatsanwaltschaften Braunschweig und München II im Juni bzw. im Oktober 2018 Bußgelder gegen VW bzw. Audi verhängt. In beiden Fällen ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass eine fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung die Begehung vorsätzlicher Straftaten aus dem Unternehmen heraus ermöglicht habe. In beiden Fällen setzte sich die Geldbuße aus einem sog. Ahndungsteil in Höhe von 5 Millionen Euro und einen Gewinnabschöpfungsteil (vgl. § 17 Abs. 4 OWiG) zusammen, der im Falle von VW 995 Millionen Euro betrug und im Falle von Audi 795 Millionen Euro.30 *** 26 BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 1996 – 3 ObOWi 54/94 –, NJW 1994, S. 2303 (2305). 27 Vgl. Cordes/Reichling, Grenzen ordnungsrechtlicher Sanktionierung bei Verbandsgeldbußen, NJW 2015, S. 1335 (1336); Rogall, in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 152. 28 So Cordes/Reichling, Grenzen ordnungsrechtlicher Sanktionierung bei Verbandsgeldbußen, NJW 2015, S. 1335 (1337). 29 BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – KRB 33/95, NJW 1996, S. 1973 (1975); Mitsch in: Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 5. Auflage 2018, § 20 Rn. 3; Sackreuther in: Graf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar OWiG, 19. Edition, Stand: 15. Juni 2018, § 20 Rn. 7. 30 Presseinformation der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 13. Juni 2018, letzter Zugriff am 24. Oktober 2018; Staatsanwaltschaft München II, Pressemitteilung 13 vom 16. Oktober 2018, letzter Zugriff am 24. Oktober 2018.