© 2014 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 227/14 Lärmschutz für Wohngebiete in der Nachbarschaft von Autobahnen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 2 Lärmschutz für Wohngebiete in der Nachbarschaft von Autobahnen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 227/14 Abschluss der Arbeit: 16. Oktober 2014 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Das Lärmschutzsystem im Überblick 4 2.1. Gliederung und Systematik 4 2.2. Finanzieller Umfang von Lärmschutz an Bundesfernstraßen 6 3. Lärmschutz an Autobahnen in den neuen Bundesländern 7 3.1. Die Entwicklung von Autobahnen und Lärmschutz in den neuen Bundesländern 7 3.2. Kein rechtlicher Sonderstatus für „Bestandsautobahnen“ aus DDR- Zeiten in Bezug auf Lärmschutz 8 4. Lärmschutz für Wohngebiete in der Nachbarschaft von Autobahnen 9 4.1. Lärmvorsorge 9 4.1.1. Rechtsgrundlage 9 4.1.2. Immissionsgrenzwerte 10 4.1.3. Rechtspflicht zur Umsetzung bzw. Entschädigung 11 4.2. Lärmsanierung 14 4.2.1. Rechtsgrundlage 14 4.2.2. Auslösewerte 15 4.2.3. Rechtspflicht zur Umsetzung bzw. Entschädigung 15 4.3. Problematik erhöhten Verkehrsaufkommens 16 5. Fazit 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand der vorliegenden Ausarbeitung ist folgende Fragestellung zum Lärmschutz für Wohngebiete in der Nachbarschaft von Autobahnen mit besonderem Augenmerk auf die Situation in den neuen Bundesländern. Dem lag die folgende Fragestellung zu Grunde: „Wie sind die Rechtspflichten hinsichtlich von baulichen Maßnahmen zur Reduzierung der Auswirkungen von Verkehrslärm auf angrenzende Wohngebiete an Bundesautobahnen in den neuen Ländern, die bereits zum Zeitpunkt der deutschen Einheit existierten und ergeben sich neue Pflichten infolge von erhöhtem Verkehrsaufkommen und damit verbundener Steigerung der Lärmemissionen nach 1990?“ Hierzu wird in einem ersten Teil (Gliederungspunkt 2) zunächst ein Überblick über die allgemeingültigen Grundzüge des Lärmschutzsystems gegeben. Sodann wird die tatsächliche und rechtliche Lärmschutzsituation (Gliederungspunkt 3) an bereits zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik bestehenden sowie an nach der Wiedervereinigung neu gebauten Autobahnen in den neuen Bundesländern vorgestellt werden. Der dritte Teil des Sachstandes (Gliederungspunkt 4) wird sich der Thematik der an Autobahnen angrenzenden Wohngebiete widmen und hier Voraussetzungen und Anspruchsinhalte für die Lärmschutzformen der Lärmvorsorge (4.1.) und Lärmsanierung (4.2.) beleuchten; zudem wird die Sonderproblematik einer Lärmzunahme durch ein sich erhöhendes Verkehrsauskommen behandelt werden (4.3.). Anzumerken ist, dass der Begriff „Wohngebiet“ im Folgenden in seiner weiten Ausprägung angewendet wird. Es wird daher nicht nur auf reine und allgemeine Wohngebiete im Sinne der §§ 3, 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO)1 abgestellt; vielmehr sollen hier auch Kern-, Dorf- und Mischgebiete sowie Kleinsiedlungen in die Betrachtung einbezogen werden. 2. Das Lärmschutzsystem im Überblick 2.1. Gliederung und Systematik Hinsichtlich des Lärmschutzes an Autobahnen ist zwischen der Frage der abstrakten Kostenträgerschaft und der Frage der konkreten Form von Lärmschutzmaßnahmen und -ansprüchen zu unterscheiden. 1 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom elften Juni 2013 (BGBl. I S. 1548), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/baunvo/gesamt .pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 5 Die Kostentragungspflicht für Lärmschutzmaßnahmen – gleich welcher Art – richtet sich grundsätzlich nach der Baulastträgerschaft für den dem Geräuschpegel zu Grunde liegenden Verkehrsweg . Da Bundesautobahnen gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 1 Bundesfernstraßengesetz (FStrG)2 dem Begriff der Bundesfernstraße unterfallen und § 5 Absatz 1 FStrG dazu wörtlich bestimmt „Der Bund ist Träger der Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen, soweit nicht die Baulast anderen nach gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen obliegt“, so ist gemäß §§ 1, 5 FStrG grundsätzlich der Bund Träger der Straßenbaulast für die Bundesautobahnen und mithin generell Verpflichteter und Kostenträger für ggf. notwendig werdende Lärmschutzmaßnahmen . In welchem Umfang sich aus dieser abstrakten Kostenträgerstellung sodann eine Pflicht zur tatsächlichen Realisierung von bzw. Kostenerstattung für Lärmschutzmaßnahmen ergibt, ist unter anderem davon abhängig, welche Ebene im System des Lärmschutzes von der konkreten Lärm(schutz)situation berührt ist. Das Lärmschutzsystem gliedert sich dabei auf drei Ebenen wie folgt: (1) Befindet sich die Verkehrsmaßnahme noch in der Planungsphase, so greift der planerische Lärmschutz: Gemäß § 50 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)3 sollen schon bei der Planung von Verkehrswegen schädliche Umwelteinwirkungen, also auch Verkehrslärm, weitestgehend vermieden werden – dies vor allem durch eine Verpflichtung zur Feststellung einer möglichst lärmmindernden Linienführung. (2) Ist das Planungsstadium abgeschlossen, so sind in der nächsten Realisierungsphase bei gänzlichem Neubau oder Vornahme wesentlicher Änderungen der Verkehrswege die Vorschriften der Lärmvorsorge zu beachten (siehe detailliert Gliederungspunkt 4.1.). (3) Besteht eine Straße bereits und sollen an ihr nur unwesentliche Veränderungen vorgenommen werden, so sind die Vorschriften der Lärmsanierung einschlägig (siehe detailliert Gliederungspunkt 4.2.). Eine in ihrer Systematik auf der zweiten und dritten Lärmschutzebenen wiederkehrende Unterscheidung , ist diejenige zwischen aktivem und passivem Lärmschutz: - Aktiver Lärmschutz umfasst alle Lärmschutzmaßnahmen am emittierenden Verkehrsweg selbst, insbesondere etwa die Errichtung von Lärmschutzwällen und –wänden, die Aufbringung lärmmindernder Fahrbahnoberflächen, die Konstruktion von Einschnitts-, Trogoder Hochlagen und bei Bedarf den Bau von Teil- beziehungsweise Vollabdeckungen. 2 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 1953 (BGBl. I S. 903), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 31. Mai 2013 (BGBl. I S. 1388), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/fstrg/BJNR009030953.html. 3 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 2. Juli 2013 (BGBl. I S. 1943), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bimschg/gesamt.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 6 - Passiver Lärmschutz hingegen bezieht sich auf Maßnahmen und Hilfsmittel, die an den vom Lärm betroffenen baulichen Anlagen der Umgebung durchgeführt bzw. angebracht werden und entsprechend entschädigt werden können. Hierzu zählen vor allem der Einbau von Lärmschutzfenstern und die Vornahme von schalldämmenden Verstärkungen an den Außenwänden und -türen sowie den Dächern betroffener Gebäude. 2.2. Finanzieller Umfang von Lärmschutz an Bundesfernstraßen Auf dem Gebiet der alten Bundesländer seit dem Jahre 1978 betrieben und insbesondere durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz detailliert ausgestaltet, hat der Lärmschutz an Autobahnen stetig an Bedeutung gewonnen. Dies spiegelt sich auch in der Entwicklung des finanziellen Umfangs der für Lärmschutz an Bundesfernstraßen (d.h. Autobahnen und Fernstraßen) aufgewendeten Mittel. Diese stellt sich über die vergangenen zwei Jahrzehnte wie folgt dar: - Im Jahre 1991 lagen die jährlichen Lärmschutzausgaben des Bundes bei 368 Millionen DM, der Gesamtausgabenstand belief sich auf 3,1 Milliarden DM.4 - Im Jahre 2000 wurden 338 Mio. DM für den Bereich der Lärmvorsorge und 25 Mio. DM für die Lärmsanierung ausgegeben; der Gesamtausgabenstand hatte sich auf 6,1 Mrd. DM erhöht.5 - Für das zuletzt ausgewiesene Berichtsjahr 2012 lag der Betrag für die Lärmvorsorge bei 187 Mio. €, für die Lärmsanierung bei 36 Mio. €; der Gesamtstand aller bis dato durch den Bund an Fernstraßen getätigten Ausgaben betrug 5,1 Mrd. €. 6 7 Der Investitionsrahmenplan für die Jahre 2011 bis 2015 des Bundesministeriums für Verkehr geht von durchschnittlichen jährlichen Ausgaben in Höhe von über 100 Mio. € für die Lärmvorsorge und etwa 50 Mio. € für die Lärmsanierung der Bundesfernstraßen aus.8 4 Drucksache 12/4068 vom 5.1.1993, Deutscher Bundestag – 12. Wahlperiode, Unterrichtung durch die Bundesregierung , Straßenbaubericht 1991, S. 5, 31. 5 Drucksache 14/5064 vom 5.1.2001, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode, Unterrichtung durch die Bundesregierung , Straßenbaubericht 2000, S. 40. 6 Drucksache 18/580 vom 18.2.2014, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode, Unterrichtung durch die Bundesregierung , Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2012, S. 211. 7 Für weitere Einzelheiten, u.a. zur Verteilung auf die einzelnen Bundeländer, vgl. die jährlichen Straßenbaubzw . Verkehrsinvestitionsberichte der Bundesregierung sowie die jährlichen Berichte zur Statistik des Lärmschutzes an Bundesfernstraßen. 8 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Investitionsrahmenplan 2011-2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP), Stand 15. März 2012, S. 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 7 3. Lärmschutz an Autobahnen in den neuen Bundesländern 3.1. Die Entwicklung von Autobahnen und Lärmschutz in den neuen Bundesländern Das zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern bestehende Autobahnnetz zeigte deutlich die Folgen eingeschränkter straßenbaulicher Finanzmittel beziehungsweise der Verschiebung der Prioritäten vom Autobahn- hin zum städtischen Verkehrswege- und Wohnungsbau . Der Straßenbaubericht der Bundesregierung für das Jahr 1991 führt in Bezug auf das gesamte Bundesfernstraßennetz aus: „ … sind in diesem Netz die deutlichen Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern nicht zu übersehen. Dies gilt sowohl für den Umfang , als auch insbesondere für den baulichen Zustand, die Kapazität der Querschnitte und die umwelt- und sicherheits-relevanten Merkmale des Fernstraßennetzes“9. Zum Stand 1. Januar 1992 betrug die Länge der Bundesautobahnen in den neuen Ländern etwa ein Fünftel (1871 km zu 9084 km) derjenigen der alten Bundesländer.10 Für die bestehenden Autobahnabschnitte waren häufig im Interesse der Verkehrssicherheit vollständige Instandsetzung und Grunderneuerung nötig. So erfolgte in den Jahren 1990/91 etwa eine Ausstattung mit (Mittel -)Schutzplanken auf 1100 km Länge, mit Standstreifen auf 100 km und zweiter Fahrbahn auf zunächst 15 km Länge. Weiterhin wurden Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen aus- beziehungsweise angebaut.11 Der Finanzrahmen zum Bedarfsplan Bundesfernstraßennetz der Jahre 1991 bis 2000 wurde 1991 für die neuen Bundesländer einschließlich Berlins mit 35 Milliarden DM ausgewiesen.12 Um dem sich aus dem Interesse an einer schnellen Herbeiführung von Ost-West-Anbindungen, an der Herstellung von Verkehrssicherheit und der Einführung von Umwelt- und Lärmschutzgesichtspunkten ergebenden Bedarf an Neu- und Ausbauten von Autobahnen in den neuen Bundesländern gezielt zu begegnen, hat die Bundesregierung am 9. April 1991 die 17 sogenannten „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ (VDE) beschlossen. Innerhalb dieses Programms zum Ausbau der Straßen-, Schienen- und Binnenschifffahrtswege in den neuen Bundesländern entfiel bei einer im Jahre 1991 veranschlagten Gesamtinvestition in Höhe von 56 Mrd. DM ein Anteil von 23 Mrd. DM und sieben Projekten auf den Bereich der Bundesfernstraßen.13 Zudem wurde am 7. Oktober 1991 durch Bund und neue Bundesländer14 die privatwirtschaftlich organisierte Projektmanagement -Gesellschaft DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und –bau GmbH) gegründet, der im Auftrag der jeweiligen Länderverwaltungen die Planung und Baudurchführung 9 Drucksache 12/4068 vom 5.1.1993, vgl. Fn. 4, S. 6. 10 Drucksache 12/4068 vom 5.1.1993, vgl. Fn. 4, S. 6, Tabelle 1. 11 Drucksache 12/4068 vom 5.1.1993, vgl. Fn. 4, S. 5, 17f. 12 Drucksache 12/4068 vom 5.1.1993, vgl. Fn. 4, S. 5; für die länderspezifische Verteilung mit Stand Dezember 1991 siehe S. 15. 13 Drucksache 12/4068 vom 5.1.1993, vgl. Fn. 4, S. 18. 14 Seit dem Jahre 2007 sind sukzessive einige alte Bundesländer als Gesellschafter der DEGES beigetreten; zu Einzelheiten vgl. den Internetauftritt der DEGES unter www.deges.de. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 8 für etwa 60 Prozent der VDE-Straßen übertragen wurden.15 Bei einer geplanten Gesamtlänge der VDE-Fernstraßen-Projekte von 2000 km waren zum zuletzt veröffentlichten Stand vom Dezember 2012 1890 km unter Verkehr, weitere 60 km im Bau begriffenen und ein tatsächliches Investitionsvolumen von 15,1 Mrd. € erreicht.16 3.2. Kein rechtlicher Sonderstatus für „Bestandsautobahnen“ aus DDR-Zeiten in Bezug auf Lärmschutz Mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 am 29. September 199017 galt das Verkehrsrecht der BRD in seiner Gesamtheit auch für die neuen Bundesländer. Gemäß Anlage I zum Einigungsvertrag, Kapitel XI, Sachgebiet F: Straßenbau, Abschnitt III, Nr. 1a wurden die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vorhandenen Autobahnen zu Bundesautobahnen erklärt; gleichzeitig wurde der Bund Träger der Straßenbaulast für diese Verkehrswege. Gemäß Nr. 1c waren zudem vor Inkrafttreten des Einigungsvertrages auf dem Gebiet der DDR anhängig gewordene Verfahren zum Neubau oder zur Änderung von Verkehrswegen nunmehr nach dem Verkehrs- und Verfahrensrecht der BRD zu Ende zu führen. Auch hatte die Überleitungsvorschrift der Anlage I zum Einigungsvertrag, Kapitel XII, Sachgebiet A: Immissionsschutzrecht, Abschnitt II Nr. c, die den § 67a BImSchG für die besondere Problematik von Immissionsschutz in den neuen Ländern einführte und eine Übergangsregelung für dortige genehmigungsbedürftige Anlagen festschrieb, keine Auswirkung auf die rechtliche Regelung des autobahnspezifischen Lärmschutzes, da öffentliche Verkehrswege und mithin auch Autobahnen ausweislich der Definition des § 3 Absatz 5 Nr. 3 BImSchG dem Begriff der Anlage gerade nicht unterfallen18. Das Straßenbau- und Lärmschutzrecht der BRD galt damit ab Inkrafttreten des Einigungsvertrages einheitlich und unterschiedslos für alle auf dem Gebiet der neuen BRD gelegenen Bundesautobahnen - d.h. auch für jene Autobahnen, die schon zu Zeiten der DDR existiert hatten. Lediglich zwei mittelbar lärmschutzrelevante Ausnahmen zur bundesweit einheitlichen Geltung waren in Bezug auf Autobahnen im Einigungsvertrag festgeschrieben worden: - Zum einen galt das DDR-Recht auf ehemaligen DDR-Verkehrswegen in Bezug auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit weiter (vgl. Anlage II, Kapitel XI, Sachgebiet B: Straßenverkehr , Abschnitt III, Nr. 4 b-d). 15 Drucksache 17/8700 vom 20.2.2012, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode, Unterrichtung durch die Bundesregierung , Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2010, S. 21. 16 Drucksache 18/580 vom 18.2.2014, vgl. Fn. 6, S. 9. 17 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889), in Kraft getreten am 29. September 1990 (BGBl. II S. 1360); für die Fassung der Bekanntmachung vom 31. August 1990 siehe: Die Verträge zur Einheit Deutschlands, Textausgabe mit Sachverzeichnis, Stand: 15. Oktober 1990, Nördlingen 1990, S. 43 ff. 18 Jarass, Bundesimmissionsschutzgesetz, Kommentar unter Berücksichtigung der Bundes- Immissionsschutzverordnungen, der TA Luft sowie der TA Lärm, 10. Auflage 2013, § 3 Rn. 78. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 9 - Zum anderen erfolgte auf diesen Verkehrswegen eine Güterverkehrshöchstzahlenbegrenzung (vgl. Anlage II, Kapitel XI, Sachgebiet B: Straßenverkehr, Abschnitt III, Nr. 2). In beiden Fällen zielte die entsprechende Regelung jedoch primär auf den Aspekt der Verkehrssicherheit ; dass eine Nicht-Regelung zu einer mittelfristig erhöhten Lärmbelastung geführt hätte und damit den Regelungen auch eine den Lärmschutz betreffende Wirkung zukam, dürfte hier eher von untergeordneter Bedeutung gewesen sein.19 4. Lärmschutz für Wohngebiete in der Nachbarschaft von Autobahnen Die im Folgenden darzustellenden Lärmschutzebenen der Lärmvorsorge und der Lärmsanierung unterscheiden sich im Allgemeinen wie auch in Bezug auf an Autobahnen angrenzende Wohngebiete im Besonderen sowohl hinsichtlich der mit ihnen jeweils verknüpften, einen Schutzanspruch auslösenden oder indizierenden Immissionsgrenzwerte, als auch bezüglich des tatsächlich durchsetzbaren Schutzumfanges. 4.1. Lärmvorsorge 4.1.1. Rechtsgrundlage Wie eingangs dargestellt, ist bei gänzlichem Neubau einer Autobahn oder der Vornahme wesentlicher Änderungen an derselben die Lärmschutzebene der Lärmvorsorge einschlägig. Für den Begriff der wesentlichen Änderung liegt in § 1 Absatz 2 der 16. Bundes-Immissionsschutzverordnung 20 eine Legaldefinition vor, wonach eine wesentliche Änderung dann gegeben ist, wenn durch einen Anbau der bestehende Verkehrsweg um mindestens einen durchgehenden Fahrstreifen erweitert wird (Variante 1, Absatz 2 Satz 1 Nr. 1) oder wenn der Anbau ursächlich dafür ist, dass ein Verkehrslärmanstieg zu verzeichnen ist, der bestimmte Werte derartig überschreitet, dass entweder eine erhebliche Lärmerhöhung vorliegt oder es nunmehr zu einer sehr hohen Lärmbelastung kommt (Variante 2 und 3, Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2)21. Umfassend geregelt wird die Lärmvorsorge im Bundes-Immissionsschutzgesetz. § 1 Absatz 1 BImSchG definiert den allgemeinen Gesetzeszweck als den Schutz vor jenen schädlichen Umwelteinwirkungen , die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Bezogen auf den gemäß 19 Zu den Motiven der Regelungen vgl. Drucksache 605/90 vom 11.9.1990, Bundesrat, Unterrichtung durch die Bundesregierung: Erläuterungen zu den Anlagen zum Vertrag zwischen Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 – Einigungsvertrag –, S. 166. 20 Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 19. September 2006 (BGBl. I S. 2146), abrufbar unter http://www.gesetze-iminternet .de/bundesrecht/bimschv_16/gesamt.pdf. 21 Verkehrslärmerhöhung um 3 dB(A) (Variante 2) oder auf über 70 dB(A) tags bzw. auf über 60 dB(A) nachts (Variante 3), vgl. § 1 der 16. BImSchV; für Einzelheiten: Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 26-30. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 10 § 3 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 BImSchG als eine solche Umwelteinwirkung zu qualifizierenden , von Autobahnen ausgehenden Schalllärm, bestimmen die §§ 41 ff. BImSchG, welche subjektiv-öffentlichen Rechte auf Lärmschutzmaßnahmen sich u.a. für die Bewohner anliegender Wohngebiete zur Vermeidung schädlicher Einwirkungen ergeben: § 41 Absatz 1 regelt den aktiven Lärmschutz, § 42 den passiven Lärmschutz. Der bei der Lärmvorsorge gemäß § 41 Absatz 2 grundsätzlich bestehende Vorrang des aktiven Lärmschutzes wird dabei durch den Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zwischen Kosten und angestrebtem Schutzzweck beschränkt.22 Die konkret zulässigen Immissionsgrenzwerte, deren Überschreitung einen Anspruch auf Lärmvorsorge begründet, sowie die technischen Anforderungen im Bereich der vom Bund sodann ggf. zu tragenden Lärmschutzmaßnahmen (insbesondere Art und Umfang) regeln auf Basis der Ermächtigungsgrundlage des § 43 BImSchG im Einzelnen die oben bereits angesprochene Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) und die Verkehrswegeschallschutzmaßnahmenverordnung (24. BImSchV)23. 4.1.2. Immissionsgrenzwerte Die abstrakte Schädlichkeitsschwelle bzgl. der Immissionen, d.h. den Lärmvorsorgeansprüche auslösenden Immissionsgrenzwert, konkretisiert § 2 Absatz 1 der 16. BImSchV für die verschiedenen Formen von Wohngebieten wie folgt: - Schutzkategorie Nr. 2, allgemeines Wohngebiet und Kleinsiedlungsgebiet: tags (6-22 Uhr) 59 dB(A), nachts (22-6 Uhr) 49 dB(A). - Schutzkategorie Nr. 3, Kerngebiet, Dorfgebiet und Mischgebiet: tags (6-22 Uhr) 64 dB(A), nachts (22-6 Uhr) 54 dB(A). Welche Schutzkategorie im Einzelfall anwendbar ist, bestimmt sich gemäß § 2 Absatz 2 Satz 1 der 16. BImSchV nach dem für das fragliche Gebiet geltenden Bebauungsplan. Besteht ein solcher nicht, so ist auf den sogenannten bodenrechtlichen Charakter des Grundstücks bzw. Gebietes abzustellen, d.h. unter Berücksichtigung der Umgebung ist zu entscheiden, welcher Kategorie das Gebiet in seiner tatsächlichen Schutzwürdigkeit am nächsten kommt.24 Die für den Schallpegel in einem an eine Autobahn angrenzenden Wohngebiet relevanten Faktoren sind überaus vielfältig: die durchschnittliche tägliche Verkehrsbelastung; die Verkehrszusammensetzung (LKW-Anteil); die zulässigen Fahrzeughöchstgeschwindigkeiten; die Art der Straßendecke; eine eventuelle Längsneigung der Fahrbahn (Steigung); sowie die Topographie (Höhe von Verkehrsweg und Immissionsort) und der Abstand vom Emissions- zum Immissionsort sind entscheidend. Sie alle fließen in den lokal zu ermittelnden Lärmpegel mit ein. Bei Vor- 22 Bracher, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 71. Ergänzungslieferung (2014), BImSchG, § 41 Rn. 83. 23 Vierundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrswege- Schallschutzmaßnahmenverordnung – 24. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 04. Februar 1997 (BGBl. I S. 172, 1253), zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 23. September 1997 (BGBl. I S. 2329), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bimschv_24/gesamt.pdf. 24 Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 11 liegen einer wesentlichen Änderung ist weiterhin zu beachten, dass bei Bestimmung des Schallpegels die Gesamtheit der vom Verkehrsweg ausgehenden Geräusche, und nicht nur der auf die Änderung entfallende Anteil, herangezogen wird.25 Die Ermittlung des mit den festgesetzten Grenzwerten zu vergleichenden Lärmpegels vor Ort erfolgt – unabhängig davon, ob es sich um einen gänzlichen Neubau oder eine wesentliche Änderung handelt – nicht etwa durch konkrete Messungen, sondern vielmehr durch Berechnung. Rechtsgrundlage der bindenden Berechnungsmethode sind die Richtlinien für Lärmschutz an Straßen (RLS-90)26, welche wiederum auf den Vorgaben der Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV beruhen. Im Gegensatz zum Messungsverfahren ist das festgeschriebene Berechnungsverfahren nebengeräusch- und witterungsunabhängig.27 4.1.3. Rechtspflicht zur Umsetzung bzw. Entschädigung Bezüglich des vorrangigen aktiven Schallschutzes postuliert § 41 BImSchG eine materiellrechtliche Grundpflicht des Kostenträgers des Verkehrsweges zur Abwendung von nach dem Stand der Technik28 vermeidbaren Lärmeinwirkungen, die den unter Gliederungspunkt 4.1.2. dargestellten Grenzwert überschreiten. Im Falle der an Autobahnen angrenzenden Wohngebiete trifft den Bund als Kostenträger daher eine Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht zu Gunsten all jener Bewohner des Wohngebietes, die als Nachbarn im Sinne des § 3 BImSchG zu klassifizieren sind. Dazu zählen neben den Grundstückseigentümern insbesondere auch die Haus- und Wohnungsmieter ; sie alle sind befugt, sich auf die drittschützende (d.h. nachbarschützende) Wirkung des § 41 BImSchG sowie auf die drittschützende Wirkung der 16. BImSchV zu berufen.29 Eine Rechtspflicht zur Vornahme aktiver Schallschutzmaßnahmen30 trifft den Kostenträger Bund bei Bundesautobahnen daher grundsätzlich immer dann, wenn die Schädlichkeitsschwelle der relevanten Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV überschritten ist. Von diesem Grundsatz ist allerdings in zwei Ausnahmefällen abzuweichen: - Eingeschränkt wird die Umsetzungspflicht hinsichtlich aktiven Schallschutzes zum einen durch die Bindung an das dem Stand der Technik nach Mögliche. Ist eine Umsetzung aktiver Lärmschutzmaßnahme in einem Umfang, der die Geräuscheinwirkung auf ein angrenzendes Wohngebiet unter die relevanten Immissionsgrenzwerte drücken würde, nach dem Stand der Technik nicht möglich, so bedeutet dies nicht, dass nunmehr auf die in 25 Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 33. 26 Bundesminister für Verkehr, Abteilung Straßenbau, Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, RLS-90, eingeführt durch Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 8/1990 – StB 11/14.86.22-01/25 Va 90 – des Bundesministers für Verkehr vom 10.4.1990 im Einvernehmen mit den obersten Straßenbaubehörden der Länder. 27 Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 40 ff. 28 Zum Begriff „Stand der Technik“ vgl. die Legaldefinition in § 3 Absatz 6 BImSchG. 29 Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 76. 30 Für eine Übersicht aktiver Schallschutzmaßnahmen vgl. die Auflistung auf S. 5 dieser Ausarbeitung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 12 Rede stehende Autobahn beziehungsweise ein Teilstück ganz verzichtet werden müsste oder zumindest eine Realisierung nur in einer Dimension rechtlich zulässig wäre, die die Immissionsgrenzwerte einhält. Vielmehr ist hier dennoch die Realisierung in vollem Umfang zulässig und rechtmäßig; der betroffene Anwohner wird in diesem Falle auf den passiven Lärmschutzanspruch des § 42 verwiesen.31 - Eine weitere wichtige Einschränkung erfährt die Rechtspflicht zur Umsetzung aktiver Schallschutzmaßnahmen zum anderen durch das Verhältnismäßigkeitsgebot32 des § 41 Absatz 2 BImSchG. Stehen die Kosten der angesichts der festgestellten Lärmsituation gebotenen aktiven Schallschutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck , so entfällt der Vorrang des aktiven vor dem des passiven Lärmschutzes. Erforderlich ist hier eine Gegenüberstellung von konkret zu ermittelnden Kosten für alle potentiell Lärmschutzberechtigten – unabhängig davon, ob sie Ansprüche tatsächlich bereits geltend gemacht haben – auf der einen Seite, und dem angestrebten Schutzzweck auf der anderen Seite.33 Hinsichtlich des Schutzzweckes ist dabei insbesondere auf die Schutzbedürftigkeit (Art des Gebiets) und Größe des betroffenen Wohngebietes, die Zahl der betroffenen Personen und eventuell bestehende Immissionsvorbelastungen abzustellen.34 Der Umstand allein, dass passive Schallschutzmaßnahmen kostengünstiger als aktive Schallschutzmaßnahmen zu realisieren sind, lässt wegen des festgeschriebenen grundsätzlichen Vorrangs aktiver Lärmschutzmaßnahmen die Verhältnismäßigkeit noch nicht entfallen35; hierzu bedarf es eines extremen Missverhältnisses zwischen beiden Schallschutzformen bezogen auf die Kosten und den schutzzweckrelevanten Mehrgewinn, den der aktive gegenüber dem passiven Lärmschutz bieten könnte. Fällt die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Lasten des aktiven Schallschutzes aus, so verbleibt beim Bund als Kostenträger nur die Rechtspflicht zur Kostenerstattung für passive Lärmschutzmaßnahmen. Die Überschreitung der Grenzwerte des § 2 Absatz 1 der 16. BImSchV sind in diesem Falle wiederum zulässig und rechtmäßig. Ist § 41 BImSchG wegen Verweises auf den Stand der Technik oder das Verhältnismäßigkeitsgebot nicht durchsetzbar oder werden die Immissionsschutzgrenzwerte gar rechtswidrig überschritten , so greift der Anspruch auf passiven Schallschutz gemäß § 42 BImSchG. 31 Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 55. 32 Im Einzelnen umstritten und höchstrichterlich noch nicht abschließend entschieden ist, ob § 41 Absatz 2 BIm- SchG als eigenständige oder planerische Abwägung zu qualifizieren ist. Der Streitstand hat Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolldichte bzgl. der von der zuständigen Behörde vorgenommenen Verhältnismäßigkeitsprüfung , vgl. Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 80; für eine Übersicht zum Streitstand siehe Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), 11. Senat, Urteil vom 15.3.2000, Az. 11 A 42/97, BVerwGE 110, 370-393, zitiert nach juris, Rn. 52 ff. 33 Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 62 ff. 34 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), 9. Senat, Urteil vom 13.5.2009, Az. 9 A 72/07, BVerwGE 134, 45-59, Rn. 64. 35 BVerwG, Az. 9 A 72/07, vgl. Fn. 34, Rn. 65. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 13 Bzgl. passiver Schallschutzmaßnahmen, d.h. bzgl. der Entschädigungspflicht des Bundes für lärmschutzbedingte Aufwendungen Dritter, gilt, dass es sich hier um „eine Ausprägung des (…) Grundsatzes planerischen Nachteilsausgleichs in öffentlich-rechtlich gestalteten Nachbarschaftsverhältnissen “36 handelt. Der Entschädigungsanspruch ist daher zum einen Ausgleich für die von hoheitlicher Seite auferlegte Verpflichtung, Immissionen zu dulden, und bietet zum anderen konkreten Aufwendungsersatz für jene Kosten passiven Schallschutzes37, die dem Lärmbetroffenen durch entsprechende selbst veranlasste Maßnahmen entstanden sind. Die Höhe des Anspruches auf Entschädigung für passive Schallschutzmaßnahmen richtet sich nach dem durch die 24. BImSchV konkretisierten, drei Aspekte vereinigenden Angemessenheitsbegriff des § 42 BImSchG. Dabei kommt vor allem § 2 sowie der Anlage zur 24. BImSchV zentrale Bedeutung zu: - Gemäß § 2 Absatz 1 der 24. BImSchV kommen sowohl Lärmdämmungs- als auch Lüftungseinrichtungen als ersatzfähige Lärmschutzmaßnahmen in Betracht. - Ferner besteht ein entsprechender Anspruch jedoch nur für sogenannte schutzbedürftige Räume – d.h. jene, die dem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind.38 - Drittes Element der Voraussetzungstrias ist die Erforderlichkeit der getätigten Maßnahme. Hier ist im konkreten Fall auf den Vergleich von Außenpegel und Innenraumpegel abzustellen und eine Orientierung am Immissionsgrenzwert vorzunehmen; ein Anspruch auf einen eine Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte herbeiführenden Schallschutz besteht nicht. Sind diese Bedingungen erfüllt, so trifft den Bund als Kostenträger im Anschluss an den erbrachten Nachweis der tatsächlich getätigten Maßnahmen durch den Anspruchsberechtigten eine Pflicht zur vollständigen Kostenübernahme durch Entschädigung. Bei der Durchführung passiver Schallschutzmaßnahmen ergibt sich im Vergleich zu den aktiven Maßnahmen des § 41 BImSchG hinsichtlich des Kreises der anspruchsberechtigten Personen eine nicht unerhebliche Besonderheit: Der Aufwendungsersatzanspruch gegenüber dem Kostenträger nach Vornahme der Aufwendung steht hier nur dem Eigentümer, nicht aber dem obligatorisch berechtigten Mieter oder dem dinglich berechtigten Nießbraucher zu.39 Gleichwohl sind auch diese bzgl. passiver Lärmschutzmaßnahmen nicht schutzlos. Da Lärmeinwirkungen bei entsprechender Intensität einen Mangel im Sinne des § 536 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen, können die bewohnenden Nichteigentümer hier über die mietvertragliche Sonderbe- 36 Jarass, a.a.O., § 42 Rn. 2. 37 Für eine Übersicht passiver Schallschutzmaßnahmen vgl. die Auflistung auf S. 5 dieser Ausarbeitung. 38 Diese Voraussetzung schließt etwa Treppenhäuser und Bäder von Ersatzansprüchen gemäß § 42 BImSchG aus. 39 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), 4. Senat, Beschluss vom 19.4.2006. Az. 4 BN 11/06, Rn. 5, zitiert nach juris. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 14 ziehung von den Eigentümern die Durchführung notwendiger passiver Schallschutzmaßnahmen verlangen.40 4.2. Lärmsanierung 4.2.1. Rechtsgrundlage Für bereits bestehende Straßen, an denen keine wesentliche Änderung im Sinne des § 1 Absatz 1 der 16. BImSchV erfolgt, greift für die Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen die Ebene der Lärmsanierung. Anders als bei der Lärmvorsorge gibt es für die Lärmsanierung keine gesetzliche Grundlage. Lärmsanierung ist nicht Regelungsgegenstand des BImSchG, dieses mithin nicht auf sie anwendbar . Dieser Umstand hat zur Folge, dass dem vom Lärm einer bestehenden Autobahn betroffenen Bürger bei Nichtvornahme einer wesentlichen Änderung de lege lata kein Anspruch auf Vornahme von Lärmsanierungsmaßnahmen zusteht. Die gesetzliche Normierung eines Lärmsanierungsanspruches ist in der Vergangenheit verschiedentlich diskutiert und gefordert41, bisher aber nicht realisiert worden. Statt eines Gesetzes sind Rechtsgrundlage für die Lärmsanierung an Autobahnen die Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an den Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchR 97)42. Zwar sind die VLärmSchR 97 ihrem Regelungsgehalt nach lediglich eine Verwaltungsvorschrift , welche grundsätzliche nur eine Selbstbindung der Verwaltung bewirkt, ohne dass mit ihr eine Außenwirkung und damit eine Anspruchsberechtigung Dritter – hier der Lärmbetroffenen – einhergehen würde. Jedoch kommt den in den VLärmSchR97 enthaltenen Richtlinien ausnahmsweise eine Außenwirkung zu, da sie sich auf einen gesetzlich nicht geregelten Bereich beziehen .43 Ist der Anwendungsbereich der VLärmSchR97 eröffnet, d.h. liegt eine emittierende, nicht in den Bereich des BImSchG fallende Bundesautobahn vor, kann der berechtigte Lärmbetroffene sich also auf diese Richtlinien berufen. Die für das Wesen von Lärmsanierungsansprüchen zentrale Aussage findet sich in Nummer 35 der VLärmSchR 97. Innerhalb der Lärmsanierungsebene ist eine Lärmschutzmaßnahme demnach 40 Jarass, a.a.O., § 42 Rn. 20. 41 Vgl. exemplarisch: Drucksache 17/2638 vom 26.7.2010, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gustav Herzog, Sören Bartol u.a., S. 4, Frage 13; Drucksache 13/6958 vom 18.02.1997, Deutscher Bundestag – 13. Wahlperiode, Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt, Gila Altmann u.a.. 42 Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchR 97), abrufbar unter http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/pdfs/vlschr97.pdf. 43 Es handelt sich hier um eine sogenannte gesetzesvertretende Verwaltungsvorschrift, die über den Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz I Grundgesetz mittelbare Außenwirkung erhält; für eine dogmatische Herleitung vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG Münster), 1. Senat, Urteil vom 6.10.2004, Az. 1 A 2470/03, abgedruckt in: Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder (Schütz BeamtR) ES/C IV 1 Nr. 72, Rn. 30-33 bei juris. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 15 als freiwillige Leistung des Kostenträgers einzuordnen, die nur im Rahmen vorhandener Haushaltsmittel durchgeführt werden kann.44 Dem Kostenträger Bund kommt hier also schon in Bezug auf das „Ob“ einer Rechtspflicht und nicht erst hinsichtlich des „Wie“ einer Maßnahme ein weitreichender Einschätzungsspielraum zu. 4.2.2. Auslösewerte Wie die Lärmvorsorge beruht auch das System der Lärmsanierung auf einer Orientierung an festgesetzten Grenzwerten. Im Unterschied zur Lärmvorsorge werden diese bei der Lärmsanierung nicht als Immissionsgrenzwerte, sondern als Auslösewerte bezeichnet. Die Ermittlung des tatsächlichen Pegels erfolgt nach dem für die Lärmsanierung und -vorsorge identischen Rechenverfahren der RLS-90. Die für die Lärmsanierung relevanten Auslösewerte legt Nr. 37.1 der VLärmSchR 97 fest. Zum Jahresbeginn 2010 erfolgte auf Basis des Nationalen Verkehrslärmschutzpaketes II vom 27. August 200945 durch Festschreibung in der Anlage zum Bundeshaushalt eine Absenkung dieser Werte um 3 dB(A)46. Akustisch entspricht dies einer Halbierung der Verkehrsmenge.47 Für die verschiedenen Formen von Wohngebieten ergeben sich damit derzeit die folgenden Auslösewerte : - Schutzkategorie Nr. 2, reines und allgemeines Wohngebiet und Kleinsiedlungsgebiet: tags (6-22 Uhr) 67 dB(A), nachts (22-6 Uhr) 57dB(A). - Schutzkategorie Nr. 2, Kerngebiet, Dorfgebiet und Mischgebiet: tags (6-22 Uhr) 69 dB(A), nachts (22-6 Uhr) 59 dB(A). Erkennbar liegen die Auslösewerte der Lärmsanierung dabei noch immer deutlich höher als die Immissionsgrenzwerte der Lärmvorsorge. 4.2.3. Rechtspflicht zur Umsetzung bzw. Entschädigung Trotz der Außenwirkung der VLärmSchR 97 ergibt sich bei Überschreitung der Auslösewerte kein genereller Lärmsanierungsanspruch dem Grunde nach, über den dann nur noch nach Art und Umfang im Einzelfall zu entscheiden wäre. Dies ergibt sich aus dem Wesen der Lärmsanierung als lediglich freiwillige Maßnahme des Kostenträgers Bund auf Grundlage haushaltsrechtlicher Regelungen. Konkret bedeutet dies, dass eine Überschreitung der Auslösewerte lediglich einen Sanierungsbedarf indiziert, ein Lärmsanierungsanspruch lärmbetroffener Dritter jedoch nur dann entsteht, 44 Vgl. VLärmSchR 97, S. 26, Nr. 35. 45 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau, Statistik des Lärmschutzes an Bundesfernstraßen 2012, Anhang 4: Nationales Verkehrslärmschutzpaket II, S. 7. 46 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Investitionsrahmenplan 2011-2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP), Stand 15. März 2012, S. 23. 47 Drucksache 18/580 vom 18.2.2014, vgl. Fn. 6, S. 211. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 16 wenn durch das zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Sanierungsmittel für die betroffene, emittierende Autobahnstrecke im Haushalt ausgewiesen worden sind.48 Besteht ein Lärmsanierungsanspruch dem Grunde nach, so gelten hinsichtlich Art und Umfang die der Lärmvorsorge zugrunde liegenden Grundsätze auch bei der Lärmsanierung. Dies gilt insbesondere für - die Art der zur Verfügung stehenden Lärmschutzmaßnahmen, sowohl hinsichtlich aktiven wie passiven Lärmschutzes,49 - die Ermittlung der Schutzkategorie des lärmbetroffenen Gebietes, - den Personenkreis der Anspruchsberechtigten bei aktivem wie passivem Lärmschutz, - die Angemessenheit der getätigten Aufwendungen im Rahmen der Entschädigung des passiven Lärmschutzes.50 Die Kosten für aktive Lärmschutzmaßnahmen trägt der Baulastträger Bund in voller Höhe. Die für passive Lärmschutzmaßnahmen getätigten Aufwendungen ersetzt er dem Anspruchsberechtigten – anders als im Rahmen der Lärmvorsorge – bei der Lärmsanierung dagegen nur bis zu einer Höhe von 75 Prozent.51 4.3. Problematik erhöhten Verkehrsaufkommens Eine gesonderte Problemstellung innerhalb des Lärmschutzsystems ergibt sich durch einen Anstieg des Lärmpegels infolge eines erhöhten Verkehrsaufkommens. Ein Lärmschutzanspruch kann sich in dieser besonderen Situation zumindest theoretisch auf Basis verschiedener Rechtsgrundlagen ergeben, wobei die praktischen Erfolgsaussichten ausgesprochen unterschiedlich zu bewerten sein dürften. Ein Lärmvorsorgeanspruch gemäß BImSchG ist in der gegeben Konstellation in drei Varianten denkbar: a. Ist das erhöhte Verkehrsaufkommen Ergebnis einer baulichen Erweiterung im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV, so greift die Lärmvorsorge, wenn ihre weiteren Voraussetzungen gegeben sind. 48 Für eine nach Bundesländern gegliederte Projektübersicht vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung , Investitionsrahmenplan 2011-2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP), Stand 15. März 2012, Anlage 2: Fünfjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen 2011-2015, Projektliste und Erläuterungen . 49 VLärmSchR 97, S. 27, Nr. 38, 39; vgl. Auflistung möglicher Maßnahmen auf S. 5. 50 VLärmSchR 97, S. 26-29, Nr. 37.1-46. 51 VLärmSchR 97, S. 28 Nr. 41. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 17 b. Gleiches gilt, wenn zwar keine bauliche Erweiterung, aber ein erheblicher baulicher Eingriff vorgenommen wurde, es durch diesen zu der in Rede stehenden Erhöhung des Verkehrsaufkommens und des mit diesem verbundenen Lärmanstieges gekommen ist, und der Lärmanstieg ein so erheblicher ist, dass eine Geräuschzunahme in Höhe von 3 dB(A) festgestellt wird (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Var. 1 der 16. BImSchV). c. Schließlich besteht ein Vorsorgeanspruch auch dann, wenn es durch die ehebliche bauliche Erweiterung nunmehr zu einem Verkehrsaufkommen kommt, dass eine sehr hohen Lärmbelästigung von mindestens 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts bedingt (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Var. 2 der 16. BImSchV). Da der Anspruch auf Lärmvorsorge keine Dauerverpflichtung des Kostenträgers enthält, sondern allein im Zeitpunkt des Neubaus bzw. der wesentlichen Änderung einer Straße greift52, sind die §§ 41, 42 BImSchG in allen anderen Situationen erhöhten Verkehrs- und Lärmaufkommens nicht anwendbar. Ist es baubedingt, aber ohne Vorliegen einer wesentlichen Änderung, zu einer Verkehrszunahme und deshalb zu einer Lärmerhöhung gekommen, so findet bei Überschreitung der entsprechenden Auslösewerte die Lärmsanierung der VLärmSchR 97 Anwendung. Wie oben dargelegt lässt sich auf sie jedoch nur sehr eingeschränkt ein durchsetzbarer Rechtsanspruch stützen. In Betracht kommen ferner straßenbauliche Lärmschutzmaßnahmen im Sinne verkehrslenkender Maßnahmen des Straßenrechts. Zwar sind gemäß § 45 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 Straßenverkehrs- Ordnung (StVO)53 Verkehrsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen zulässig, doch besteht hier grundsätzlich lediglich ein Anspruch auf ermessenfehlerfreie Abwägung zwischen den Individualinteressen auf der einen und der Funktionsfähigkeit des Verkehrsweges auf der anderen Seite54. Bezogen auf die überragende Bedeutung von Bundesautobahnen dürfte sich hier eine signifikante Verkehrsbeschränkung allein aus Lärmschutzinteressen wiederum kaum durchsetzen lassen. Schließlich ist ein Anspruch auf Lärmschutz in der fraglichen Situation ausnahmsweise auch unter den Voraussetzungen des § 75 Absatz 2 Satz 2 (VwVfG)55 denkbar56 und zwar dann, wenn die Verkehrszunahme und die mit ihr verknüpfte Lärmzunahme eine nicht voraussehbare nachteilige Wirkung bezogen auf den ursprünglichen, dem Autobahnbau zugrunde liegenden Plan- 52 Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 4. 53 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/stvo_2013/gesamt.pdf. 54 Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG Münster), 8. Senat, Urteil vom 1. Juni 2005, Az. 8 A 2350/04, Umwelt und Planungsrecht (UPR) 2006, S. 307-310. 55 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.Januar 2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 25. Juli 2013 (BGBl. I S. 2749), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/vwvfg/gesamt.pdf. 56 Ein Lärmschutzanspruch aus § 75 VwVfG wird in allen anderen denkbaren Konstellationen stets im Wege der Subsidiarität verdrängt durch Lärmvorsorge gemäß BImSchG oder Lärmsanierung gemäß VLärmSchR 97. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 227/14 Seite 18 feststellungsbeschluss, darstellen.57 Dies ist der Fall, wenn kumulativ 1. zum Zeitpunkt der Planfeststellung eine Prognose über die Verkehrsentwicklung einwandfrei ermittelt worden ist, die tatsächliche Entwicklung dieser Prognose aber nicht entspricht (fehlgeschlagene Prognose) und 2. der prognostizierte Lärmpegel um mindestens 3 dB(A) überschritten wird, wobei die Aufrundungsregelung der Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV herangezogen werden kann, mit der Folge, dass ab 0,1 dB(A) aufzurunden ist.58 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so besteht auf Basis von § 75 VwVfG nachträglich ein Anspruch auf Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen. 5. Fazit Ab Inkrafttreten des Einigungsvertrages galten im gesamten Bundesgebiet identische Lärmschutzregelungen zu Gunsten von Wohngebieten in der Nachbarschaft emittierender Bundesautobahnen . Den Kostenträger Bund trafen und treffen daher hinsichtlich der neuen wie alten Bundeländer die gleichen Rechtspflichten zur Lärmvorsorge und Lärmsanierung – sei es zur Durchführung eigener Lärmschutzmaßnahmen, sei es zur Kostenerstattung für Aufwendungen lärmbetroffener Dritter. Trotz gleicher Rechtspflicht ist dennoch für die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung ein faktischer Rückstand bezüglich der Durchführung von Lärmschutzmaßnahmen in den neuen Bundesländern zu konstatieren. Zwar war hier ein großer Lärmsanierungsbedarf aufgelaufen, zunächst aber stand die Herstellung von Verkehrssicherheit im Vordergrund. Die Notwendigkeit vieler Autobahnneubauten bzw. der Vornahme wesentlicher Änderungsanbauten im Autobahnsystem der neuen Länder hat gleichwohl dazu geführt, dass hier relativ betrachtet häufiger die Lärmschutzebene der Vorsorge - und die mit ihr verbundenen strengeren Grenzwerte sowie der Vorrang des aktiven Lärmschutzes - zur Anwendung kam.59 57 Jarass, a.a.O., § 41 Rn. 70 ff. 58 VLärmSchR 97, S. 24 Nr. 32; für Einzelheiten vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), 9. Senat, Urteil vom 7. März 2007, Az. 9 C 2/06, BVerwGE 128, 177-189. 59 Drucksache 12/6947 vom 2.3.1994, Deutscher Bundestag – 12. Wahlperiode, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige und der Gruppe BÜDNIS 90/DIE GRÜNEN, S. 3.