Deutscher Bundestag Die Strafbarkeit des Lesens und Verbreitens fremder, vertraulicher Briefe Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 7 – 3000 – 227/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 2 Die Strafbarkeit des Lesens und Verbreitens fremder, vertraulicher Briefe Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 227/11 Abschluss der Arbeit: 30. September 2011 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Strafbarkeit wegen der Verletzung des Briefgeheimnisses gemäß § 202 Abs. 1, 2 des Strafgesetzbuches 4 2.1. Strafbarkeit nach § 202 Abs. 1 StGB 4 2.2. Strafbarkeit nach § 202 Abs. 2 StGB 5 3. Strafbarkeit wegen des Ausspähens von Daten gemäß § 202a Abs. 1 StGB 6 4. Strafbarkeit wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß § 203 Abs. 1, 2 StGB 7 5. Strafbarkeit wegen der Verwertung fremder Geheimnisse gemäß § 204 Abs. 1 StGB 9 6. Strafbarkeit wegen Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB 10 7. Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 123 Abs. 1 StGB 11 8. Strafbarkeit wegen der unbefugten Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes 11 9. Strafbarkeit wegen des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gemäß § 17 Abs. 1, 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 13 10. Ergebnis 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 4 1. Einleitung Die nachfolgenden Ausführungen behandeln die Strafbarkeit des Lesens und Verbreitens fremder, vertraulicher Briefe. Dabei wird der folgende Sachverhalt zu Grunde gelegt: Ein Brief, in dessen Adressfeld das Wort „PERSÖNLICH“ vermerkt ist, wird von der Sekretärin des Empfängers geöffnet und innerhalb des Büros des Empfängers auf dessen Schreibtisch gelegt. Zwischen dem Empfänger und der Sekretärin ist vereinbart, dass die Sekretärin auch solche Briefe öffnen darf. Ein Dritter betritt das Büro des Empfängers und bemächtigt sich des Briefs, scannt diesen ein und verbreitet ihn ohne Kenntnis des Absenders und des Empfängers per E-Mail. 2. Strafbarkeit wegen der Verletzung des Briefgeheimnisses gemäß § 202 Abs. 1, 2 des Strafgesetzbuches In Betracht kommt zuvörderst eine Strafbarkeit nach § 202 Abs. 1, 2 des Strafgesetzbuches (StGB)1. Die Norm lautet: „(1) Wer unbefugt 1. einen verschlossenen Brief oder ein anderes verschlossenes Schriftstück, die nicht zu seiner Kenntnis bestimmt sind, öffnet oder 2. sich vom Inhalt eines solchen Schriftstücks ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 2062 mit Strafe bedroht ist. (2) Ebenso wird bestraft, wer sich unbefugt vom Inhalt eines Schriftstücks, das nicht zu seiner Kenntnis bestimmt und durch ein verschlossenes Behältnis gegen Kenntnisnahme besonders gesichert ist, Kenntnis verschafft, nachdem er dazu das Behältnis geöffnet hat.“ 2.1. Strafbarkeit nach § 202 Abs. 1 StGB Eine Strafbarkeit kommt zunächst nach § 202 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht. Tatobjekt ist dabei ein verschlossener Brief. Verschlossen sind Briefe in der Regel dann, wenn sie mit Vorkehrungen versehen sind, die dem Zugriff auf den gedanklichen Inhalt zumindest ein 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 23. Juni 2011 (BGBl. I S. 1266) geändert worden ist. 2 Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 5 symbolisches Hindernis bereiten.3 Bei Briefen kommt als derartige Vorkehrung insbesondere der Umschlag in Betracht. Der Brief war jedoch in dem vorliegenden Fall bereits aus dem Umschlag herausgenommen worden, so dass dieser nicht mehr als Verschluss dienen konnte. Es ist daher fraglich, ob dennoch von einem verschlossenen Brief gesprochen werden kann, auch wenn die ursprüngliche Schutzvorkehrung nicht mehr vorhanden war.4 Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalls.5 So heißt es in einer Kommentierung zu § 202 Abs. 1 Nr. 1 StGB: „[Im Einzelfall können] auch Schleifen, die nicht eindeutig dekorativen Charakter besitzen, die Rolle von symbolischen Schranken übernehmen (NK1-Jung Rn 4; Hillenkamp S. 71; aA LK-Schünemann Rn 15). Die dem Verschluss zukommende Signalwirkung geht nicht automatisch verloren, wenn der ursprünglich angebrachte Verschluss nicht mehr voll intakt ist (aA MK-Graf Rn 15). Auch hier kommt es entscheidend darauf an, ob infolge des noch verbleibenden Hindernisses ein Verschlusswille erkennbar ist (weitergehend Wiechert S. 41).“6 Danach könnte erwogen werden, das Wort „PERSÖNLICH“ in der Adresszeile als Vorkehrung einzuordnen. Dagegen spricht jedoch, dass eine Kenntnisnahme allein dadurch in tatsächlicher Hinsicht nicht erschwert wird.7 Als symbolisches Hindernis kann der Schriftzug gleichwohl eingestuft werden, da dem Dritten deutlich erkennbar war, dass sich der Inhalt des Schreibens allein an den Empfänger richtete. Die Bejahung des Tatbestands ist daher abhängig von der Auslegung des Merkmals „verschlossen“. 2.2. Strafbarkeit nach § 202 Abs. 2 StGB In Betracht kommt ferner eine Strafbarkeit nach § 202 Abs. 2 StGB. Dieser erfasst im Unterschied zu Abs. 1 auch offene, aber in einem Behältnis verschlossene Schriftstücke. Die Norm setzt voraus, dass der Dritte das verschlossene Behältnis geöffnet hat, das gegen Kenntnisnahme besonders gesichert war. Es ist fraglich, ob der Geschäftsraum, in dem das Schriftstück offen lag, als ein verschlossenes Behältnis im Sinne der Vorschrift angesehen werden kann. Dieser Begriff findet sich 3 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2010, § 202, Rn. 7 m.V.a. BT-Drs. 7/550, 237; Hoyer, in: Rudolphi/Wolter /Samson (Begr.)/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 56. Lfg. Mai 2003,§ 202, Rn. 11. 4 Ablehnend: Graf, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 3, 1. Auflage 2003, § 202, Rn 15. 5 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, § 202, Rn. 7 m.V.a. „RG 16 287, 42 288“. 6 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2010, § 202, Rn. 7. 7 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, § 202, Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 6 auch in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB und wird daher in der gleichen Weise interpretiert.8 Behältnisse sind danach umschlossene Räume, die zur Verwahrung und Sicherung von Sachen dienen, jedoch nicht dazu bestimmt sind, von Menschen betreten zu werden.9 Legt man diese Definition zu Grunde, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass Schriftstücke, die in einem verschlossenen Raum offen aufbewahrt werden, durch § 202 Abs. 2 StGB nicht geschützt sind. 10 Selbst wenn man den Raum als Behältnis qualifizierte, erfordert der subjektive Tatbestand, „dass der Täter das Behältnis in der Absicht öffnet, sich vom Inhalt der darin befindlichen Schriftstücke Kenntnis zu verschaffen“11. Ob hier ein derartiger Vorsatz zur Zeit des Betretens des Raumes gegeben war, ist Tatfrage. Im Ergebnis besteht daher keine Strafbarkeit nach § 202 Abs. 2 StGB. 3. Strafbarkeit wegen des Ausspähens von Daten gemäß § 202a Abs. 1 StGB Es ist fraglich, ob sich der Dritte nach § 202a Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat. Dieser lautet : „Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Daten im Sinne von § 202a Abs. 1 StGB sind gemäß § 202a Abs. 2 StGB „nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden“. Das Kriterium der fehlenden Wahrnehmbarkeit ist dann erfüllt, wenn die Daten „erst durch technische Umformung (Disketten, Magnetbänder) oder mittels technischer Vergrößerung (Microfilm, CD) sinnlich registriert werden können“12. Briefe können demnach nicht als Daten im Sinne der Norm eingestuft werden, da sie ohne Hinzutreten weiterer Erfordernisse sinnlich wahrnehmbar sind. Eine Strafbarkeit nach § 202a Abs. 1 StGB kommt demnach nicht in Betracht. 8 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, § 202, Rn 18. 9 Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), 28. Auflage 2010, § 243, Rn. 22 m.w.N. 10 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, § 202, Rn. 18; Hoyer, in: Rudolphi/Wolter /Samson (Begr.)/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 56. EL, Mai 2003, § 202, Rn. 12. 11 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, § 202, Rn. 18; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2010, § 202, Rn. 15. 12 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2010, § 202a, Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 7 4. Strafbarkeit wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß § 203 Abs. 1, 2 StGB Zudem gilt es, die Strafbarkeit nach § 203 Abs. 1, 2 StGB zu untersuchen. Dieser lautet: „(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als 1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs , der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, 2. Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung , 3. Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder Organ oder Mitglied eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts -, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft , 4. Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist, 4a. Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, 5. staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder 6. Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als 1. Amtsträger, 2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 8 3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt, 4. Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates, 5. öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder 6. Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1 stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfaßt worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.“ Laut Sachverhaltsangaben ist offen, ob der Täter die besonderen Tätermerkmale des § 203 Abs. 1, 2 StGB erfüllt. Diese müssten zur Zeit des Anvertrauens bzw. sonstigen Bekanntwerdens vorgelegen haben.13 Hätte ein Tätermerkmal im Sinne der Vorschrift vorgelegen, so wäre zudem zweifelhaft, ob dem Täter das Geheimnis anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist. „Anvertraut ist ein Geheimnis dem Täter […], wenn es ihm in innerem Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs mündlich, schriftlich oder auf sonstige Weise […] unter Umständen mitgeteilt worden ist, aus denen sich die Anforderung des Geheimhaltens ergibt.“14 Das Merkmal des sonstigen Bekanntwerdens ist dann erfüllt, wenn der Täter das Geheimnis nicht über „einen an ihn adressierten Kommunikationsakt“15 erfahren hat. Es bedarf allerdings auch hier einer inneren Verbindung zwischen der Aufgabenwahrnehmung durch den Täter und der Erlangung der Kenntnis.16 „Sonst bekannt geworden“ ist dem Täter ein 13 Hoyer, in: Rudolphi/Wolter /Samson (Begr.)/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch , 56. EL, Mai 2003, § 203, Rn. 38. 14 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, § 203, Rn. 13. 15 Hoyer, in: Rudolphi/Wolter /Samson (Begr.)/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch , 56. EL, Mai 2003, § 203, Rn. 25 m.w.N. 16 Hoyer, in: Rudolphi/Wolter /Samson (Begr.)/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch , 56. EL, Mai 2003, § 203, Rn. 25 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 9 Geheimnis auch dann, wenn er selbst den Sachverhalt aufgeklärt hat, so dass das Auffinden des Briefs erfasst sein könnte. Es ist allerdings umstritten, ob zudem auch für dieses Merkmal ein durch beruflichen Kontakt vermitteltes Vertrauensverhältnis erforderlich ist17 oder ob es ausreichend ist, dass überhaupt ein Zusammenhang zu dem Beruf des Täters besteht18. Für eine restriktive Auslegung des Merkmals spricht, dass die Vorschrift nicht so weitgehend interpretiert werden sollte, dass die besonderen Tätermerkmale derart in den Hintergrund träten, dass jeder nur denkbare Zusammenhang ausreichend wäre.19 Da die Sonderstellung des Täters nicht bekannt ist, kann auch die Frage nach dem inneren Zusammenhang nicht beantwortet werden. Eine Strafbarkeit nach § 203 Abs. 1, 2 StGB kommt nur unter den genannten Umständen in Betracht. 5. Strafbarkeit wegen der Verwertung fremder Geheimnisse gemäß § 204 Abs. 1 StGB § 204 Abs. 1 StGB lautet: „Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis , zu dessen Geheimhaltung er nach § 203 verpflichtet ist, verwertet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Auch für eine Strafbarkeit nach § 204 Abs. 1 StGB ist es erforderlich, dass der Täter die besonderen Merkmale des § 203 Abs. 1, 2 StGB erfüllt. Zudem muss dem Geheimnis ein „gewisser Vermögenswert“20 innewohnen. Die Tathandlung „verwerten“ bedeutet, dass der Täter den im Geheimnis verkörperten Wert zum Zweck der Gewinnerzielung nutzt, gleichgültig , ob dies zum eigenen oder fremden Vorteil geschieht.21 Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich den Angaben des Sachverhalts jedoch nicht ermitteln. Eine Strafbarkeit nach § 204 Abs. 1 StGB kommt nur unter den genannten Umständen in Betracht. 17 So z.B. Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), Strafgesetzbuch , 28. Auflage 2010, § 203, Rn. 15. 18 Cierniak, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 3, 1. Auflage 2003, § 203, Rn. 46. 19 Vgl. zum Streitstand ausführlich und m.w.N. Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch , 3. Auflage 2010, § 203, Rn. 15 f. 20 Hoyer, in: Rudolphi/Wolter /Samson (Begr.)/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch , 56. EL, Mai 2003, § 204, Rn. 5 m.w.N. 21 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, § 204, Rn. 5/6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 10 6. Strafbarkeit wegen Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB In Betracht kommt zudem eine Strafbarkeit nach § 246 Abs. 1 StGB. Dieser lautet: „Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet , wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“ Zunächst gilt es zu untersuchen, was das Tatobjekt darstellt. Als Tatobjekt kommen allein fremde bewegliche Sachen, folglich körperliche Gegenstände, in Betracht. Der Dritte hat den Brief vom Schreibtisch des Empfängers entwendet und benutzt, um diesen zu scannen. Dem Dritten kam es allein auf den Inhalt des Schreibens, folglich etwas Ideelles an. Ideelle Güter, Pläne, Forderungen und sonstige Rechte sind keine Sachen, sondern allein die Urkunden , in denen sie verkörpert sind, fallen unter den Sachbegriff. 22 Nur der Brief als solcher ist eine Sache und damit ein taugliches Tatobjekt. Auf den Wert der Sache kommt es dabei nicht an.23 Geschütztes Rechtsgut ist das fremde Eigentum.24 Es ist in diesem Zusammenhang fraglich, ob der Empfänger des Briefs Eigentümer war. Selbst wenn man die Auffassung verträte, dass zur Eigentümerstellung bei Schriftstücken zwangsläufig Kenntnisnahme gehöre,25 ist die Kenntnisnahme der Sekretärin dem Empfänger zuzurechnen, da der Brief in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Kenntnisnahme zu rechnen ist. Es ist aber zweifelhaft, ob sich der Täter die Sache zueignen wollte. Unter dem Begriff „Zueignung “ ist die dauerhafte Enteignung und die zumindest vorübergehende Aneignung der Sache zu verstehen.26 Es ist jedoch aus dem Sachverhalt nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob der Täter den Eigentümer tatsächlich dauerhaft aus der Eigentümerstellung verdrängen wollte, ob er den Brief tatsächlich behalten will.27 22 Vgl. etwa Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch 3. Auflage 2010, § 242, Rn. 9 f. 23 Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch 3. Auflage 2010, § 242, Rn. 11 m.w.N. 24 Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder (Begr.)/Eser (Gesamtredaktion der 28. Auflage), Strafgesetzbuch, 28. Auflage 2010, § 246, Rn. 1; Hoyer, in: Rudolphi/Wolter /Samson (Begr.)/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 56. EL, Mai 2003, § 246, Rn. 1. 25 Ablehnend Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2010, § 202, Rn. 29. 26 Vgl. nur Mitsch, Strafrecht. Besonderer Teil, Band 2, Teil 1, 2. Auflage 2003, 184. 27 Im Falle der Bejahung einer Verletzung des Briefgeheimnisses nach § 202 StGB stellt sich die Frage nach der Subsidiarität der Unterschlagung. § 246 Abs. 1 StGB ordnet selbst die Subsidiarität an, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Damit sind allerdings nur solche Vorschriften gemeint, die eine ähnliche Schutzrichtung haben und das Unrecht voll erfassen, Da die Bejahung der anderen Tatbestände abhängig von der Sachverhaltskonstellation und der jeweiligen Rechtsauf- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 11 Eine Strafbarkeit nach § 246 Abs. 1 StGB kommt allenfalls im Hinblick auf den Brief als körperlichen Gegenstand in Betracht. 7. Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 123 Abs. 1 StGB Nachfolgend wird eine Strafbarkeit nach § 123 Abs. 1 StGB untersucht. Dieser lautet: „Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt , wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Es ist fraglich, ob der Dritte in das Büro eingedrungen ist oder ob ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vorliegt. Den Angaben ist nicht zu entnehmen, ob der Täter die Geschäftsräume generell betreten durfte. War dies der Fall, so ist zweifelhaft, ob dieses Einverständnis auch dann greift, wenn der Dritte sein Recht zum Betreten missbraucht. Eine Auffassung geht davon aus, dass auch in diesem Fall kein Eindringen vorliegt, eine andere bejaht die Tatbestandsmäßigkeit.28 Durfte er die Räume nicht betreten, so hätte er sich in jedem Fall strafbar im Sinne der Vorschrift gemacht. 8. Strafbarkeit wegen der unbefugten Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes In Betracht käme eine Strafbarkeit gemäß § 44 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)29. Dieser lautet: „Wer eine in § 43 Abs. 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG lautet: fassung im Hinblick auf die anderen Tatbestände ist, kann die Frage nach der Subsidiarität an dieser Stelle nicht beantwortet werden, Hoyer, in: Rudolphi/Wolter /Samson (Begr.)/Günther (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 56. EL, Mai 2003, § 246, Rn. 48. 28 Darstellung des Streitstands bei Schäfer, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 2/2, 1. Auflage 2005, § 123, Rn. 33. 29 Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 12 „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt oder verarbeitet […].“ Gemäß § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener ). Den Sachverhaltsangaben ist über den Inhalt des Schreibens nichts zu entnehmen , so dass diese Voraussetzung nicht geprüft werden kann. Als Tathandlung kommt das Verarbeiten der Daten in Betracht. Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG ist darunter „das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten“ zu verstehen. § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 lit. a) BDSG definiert das Übermitteln . Darunter ist „das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener personenbezogener Daten an einen Dritten in der Weise, dass a) die Daten an den Dritten weitergegeben werden“ zu verstehen. Der Täter hat das Schreiben eingescannt und per E-Mail verbreitet, so dass diese Tathandlungsvariante erfüllt ist. Aus den Ausführungen geht nicht hervor, ob der Täter etwa in Schädigungsabsicht handelte . Für die Bejahung einer Schädigungsabsicht genügt jeder vom Täter beabsichtigte Nachteil .30 Im Übrigen ist das BDSG nur für bestimmte Bereiche anwendbar. So heißt es in § 1 Abs. 2 BDSG: „Dieses Gesetz gilt für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch 1. öffentliche Stellen des Bundes, […] 3. nicht-öffentliche Stellen, soweit sie die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeiten, nutzen oder dafür erheben oder die Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeiten, nutzen oder dafür erheben, es sei denn, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten erfolgt ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten.“ Fand der Vorfall in einem Abgeordnetenbüro statt, so handelt es sich nicht um eine öffentliche Stelle des Bundes im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 BDSG. § 2 Abs. 1 Satz 1 BDSG enthält eine Legaldefinition: „Öffentliche Stellen des Bundes sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.“ 30 Ambs, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, 184. Ergänzungslieferung 2011, § 44, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 13 Zur Auslegung des Behördenbegriffs kann § 1 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)31 hinzugezogen werden. Danach ist eine Behörde jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Das Abgeordnetenbüro arbeitet einem Mitglied des Bundestages zu. Dieses Mitglied ist Teil der Legislative und nimmt keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Gleiches gilt auch für die Mitarbeiter des Büros. Sie sind nicht Teil der Bundestagsverwaltung. Es handelt sich um eine privatrechtliche Ausgestaltung der Arbeits- bzw. Werkverträge. Dies gilt auch, soweit dem Abgeordneten ein Aufwendungsersatz dafür gewährt wird, § 12 Abs. 3 des Abgeordnetengesetzes (AbgG)32. So heißt es in Satz 6 und 7 der Norm: „Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes. Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und der Verwaltung des Bundestages.“ Ein Abgeordnetenbüro erfüllt daher die Voraussetzungen der Legaldefinition nicht. In Betracht käme ferner die Erfassung des Büros als nicht-öffentliche Stelle im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG. Jedoch erfüllt das Büro in der Regel nicht die Voraussetzungen, da dort personenbezogene Daten nicht „automatisiert oder dateigebunden“33 verarbeitet werden . Wenn die Anwendbarkeit des BDSG gleichwohl bejaht würde, so kommt eine Strafbarkeit nach § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG in Betracht. Das setzt voraus, dass der Täter unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, verarbeitet hat und dies gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, geschah. 9. Strafbarkeit wegen des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gemäß § 17 Abs. 1, 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb Es ist überdies eine Strafbarkeit nach § 17 Abs. 1, 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)34 zu prüfen. Dieser lautet: „(1) Wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis , das ihr im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten 31 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102). 32 Abgeordnetengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 1996 (BGBl. I S. 326), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. August 2011 (BGBl. I S. 1748) geändert worden ist. 33 Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, 10. Auflage 2010, § 1, Rn. 20. 34 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 14 oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen , 1. sich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis durch […] c) Wegnahme einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist, unbefugt verschafft oder sichert oder […] unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt.“ Den Sachverhaltsangaben ist nicht zu entnehmen, ob es sich um ein Unternehmen handelt und ob der Dritte eine bei diesem Unternehmen beschäftigte Person ist. Auch ist offen, ob der vertrauliche Inhalt ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis35 betraf und der Dritte aus den in der Norm genannten Zwecken36 handelte. Es ist für diese Norm ausreichend, dass das Geheimnis zugänglich gemacht wurde. Diese Voraussetzung ist auch dann zu bejahen, wenn der Täter heimlich Kenntnis davon erlangte.37 Ein Schriftstück ist als Sache, die ein Geheimnis verkörpert, im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) UWG zu verstehen.38 Wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt wären, kommt eine Strafbarkeit nach § 17 Abs. 1 UWG wegen der Mitteilung des vertraulichen Inhalts des Briefs und eine Strafbarkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) UWG wegen des Entwendens des Briefs aus dem Büro in Betracht. 35 Eine „Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache , die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers, der auf einem ausreichenden wirtschaftlichen Interesse beruht, geheim gehalten werden soll“, vgl. Ohly, in: Piper/Ohly/Sosnitza (Hrsg.), Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 5. Auflage 2010, § 17, Rn. 5 36 Der Täter handelt „zu Zwecken des Wettbewerbs, wenn mit dem Verrat der Zweck verfolgt wird, zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern“, Janssen/Maluga, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 1. Auflage 2010, § 17 UWG, Rn. 59. „Der Täter handelt aus Eigennutz, wenn er bei der Tathandlung das Motiv hat, sich selbst einen Vorteil zu verschaffen.“, vgl. Janssen/Maluga, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 1. Auflage 2010, § 17 UWG, Rn. 61. Der Täter handelt in Schädigungsabsicht, wenn er mit seinem Handeln einem anderen einen Nachteil zufügen will, Janssen /Maluga, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 1. Auflage 2010, § 17 UWG, Rn. 64. Das Merkmal „zu Gunsten eines Dritten“ wird weit verstanden, Janssen/Maluga ordnen dies als einen „Auffangtatbestand“ ein, vgl. Janssen/Maluga, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 1. Auflage 2010, § 17 UWG, Rn. 63. 37 Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig (Hrsg.), Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb , 2. Auflage 2009, § 17, Rn. 9. 38 Janssen/Maluga, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 1. Auflage 2010, § 17 UWG, Rn. 81. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 227/11 Seite 15 10. Ergebnis Der Täter hat sich, je nach Sachverhaltskonstellation und Rechtsauffassung, nach den §§ 202 Abs. 1 Nr. 1, 203 Abs. 1 oder 2, 204 Abs. 1, 246 Abs. 1, 123 Abs. 1 StGB, § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG, § 17 Abs. 1, 2 Nr. 1 lit. c) UWG strafbar gemacht.