© 2014 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 225/14 Allgemeine gesetzliche Regelung zum „ärztlich assistierten Suizid“ Mögliche Standorte für eine Regelung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 2 Allgemeine gesetzliche Regelung zum „ärztlich assistierten Suizid“ Mögliche Standorte für eine Regelung Verfasserin: Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 225/14 Abschluss der Arbeit: 23. Oktober 2014 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Möglichkeiten innerhalb des Gewerberechts und des Vereinsrechts 4 3. Möglichkeiten innerhalb der §§ 1901a ff. BGB 5 3.1. Rechtliche Ausgangslage zur Sterbehilfe 6 3.1.1. Hilfe im Sterben, indirekte Sterbehilfe und gerechtfertigter Behandlungsabbruch 7 3.1.2. Tötung auf Verlangen 8 3.1.3. Straflose Beihilfe zum Suizid 8 3.2. Die Regelungen der §§ 1901a ff. BGB 9 3.3. Bedeutung der Patientenverfügung im Rahmen der Sterbehilfe 10 3.3.1. Schnittpunkte zwischen der Patientenverfügung und der Sterbehilfe 10 3.3.2. Bedeutung der §§ 1901a ff. StGB für aktive Sterbehilfe 12 3.3.3. Bedeutung der §§ 1901a ff. StGB für einen assistierten Suizid 13 4. Notwendigkeit, einen Ausnahmetatbestand für Ärzte zu normieren 13 4.2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. März 2012 15 5. Möglichkeiten innerhalb des Landesrechts 18 6. Zusammenfassung 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 4 1. Einleitung In der vorliegenden Ausarbeitung ist zu klären, ob es jenseits des Strafrechts möglich ist, die organisierte Beihilfe zum Suizid zu verbieten, für Ärzte allerdings einen Ausnahmetatbestand zu schaffen. Es geht vor allem darum, geeignete Standorte für entsprechende Regelungen zu finden. Vorschläge reichen hier vom Gewerberecht, Vereinsrecht, Regelungen in den §§ 1901a ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)1 bis zu Regelungen, die in der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder liegen. 2. Möglichkeiten innerhalb des Gewerberechts und des Vereinsrechts Ärzte üben einen freien Beruf aus, so dass sie schon deshalb nicht den Bestimmungen der Gewerbeordnung (GewO)2 unterliegen3. Deshalb ist die Gewerbeordnung kein geeigneter Standort, um das anvisierte Verbot einer organisierten Beihilfe zum Suizid, das für Ärzte jedoch einen Ausnahmetatbestand schaffen soll, zu regeln. Ein Verbot, durch das einem Verein die organisierte Beihilfe zum Suizid verboten würde, kann nicht in den §§ 21 bis 79 BGB verankert werden, weil die genannten Vorschriften dem Privatrecht angehören. Ein solches Verbot wäre öffentlich-rechtlicher Natur und sollte deshalb auch nur in ein öffentlich-rechtliches Gesetz, zum Beispiel in das Strafgesetzbuch (StGB)4, aufgenommen werden. Ein solches öffentlich-rechtliches Gesetz ist auch das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz)5. Allerdings ist die Bildung von Vereinen im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz (GG)6, § 1 Vereinsgesetz frei. Ein Verein darf daher erst verboten werden, wenn 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. Juli 2014 (BGBl. I S. 1218); abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bgb/gesamt.pdf [Stand: 15. Oktober 2014]. 2 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), zuletzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348); abrufbar unter: http://www.gesetze-iminternet .de/gewo/BJNR002450869.html [Stand: 16. Oktober 2014]. 3 Pielow, in: Beck’scher Online Kommentar GewO, Stand: 1. Juli 2014, Edition 27, § 6 Rn. 45 f. 4 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. April 2014 (BGBl. I S. 410); abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet .de/stgb/BJNR001270871.html [Stand: 16. Oktober 2014]. 5 Vereinsgesetz vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198); abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/vereinsg /BJNR005930964.html [Stand: 16. Oktober]. 6 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S.1478); abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [Stand: 16. Oktober 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 5 durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 Vereinsgesetz. Die Anwendung des Vereinsgesetzes setzt also voraus, dass ein Strafgesetz bestimmte Tätigkeiten oder Zwecke, denen sich ein Verein widmet, verbietet. Erst dann kann aufgrund des Vereinsgesetzes gegen einen solchen Verein vorgegangen werden. Das Vereinsgesetz ist dagegen nicht der Standort , um die Tätigkeit eines bestimmten Vereins gesetzlich zu verbieten. Will man die organisierte Beihilfe zum Suizid verbieten, so müsste man ein solches Verbot im StGB verankern, um dann anschließend entsprechende Vereine mit dem Instrumentarium des Vereinsgesetzes verbieten zu können. 3. Möglichkeiten innerhalb der §§ 1901a ff. BGB In der neueren Debatte7 wurde vorgeschlagen, im Strafrecht ein Verbot organisierter Suizid-Assistenz zu verankern. Im betreuungsrechtlichen Teil des BGB soll dann eine Regelung hinzukommen , wonach ausschließlich Ärzte Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen8. Nach der neuen Rege- 7 Jüngst zur Debatte um die Sterbehilfe insgesamt, vgl.: Debatte um gesetzliche Regelung, EKD will Position zur Sterbehilfe überprüfen, SpiegelONLINE, 19. Oktober 2014; abrufbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/ekd-evangelische-kirche-will-position-zur-sterbehilfe -ueberpruefen-a-997911.html [Stand: 20. Oktober 2014]; Schmoll, Abgeordnete legen Eckpunkte zur Sterbehilfe vor, Vorbedingungen für Ärzte definiert, Frankfurter Allgemeine , 17. Oktober 2014; Urteil zur passiven Sterbehilfe, Karlsruhe: Zu hohe Anforderungen an Patientenwillen , Frankfurter Allgemeine, 17. Oktober 2014; Kamann, Verbot von organisierter Sterbehilfe rückt näher / Eine liberale Gruppe um Peter Hintze gibt Widerstand gegen verschärftes Strafrecht auf. Ärzten soll Suizid-Assistenz erlaubt sein, Die Welt, 17. Oktober 2014; Gajevic, Sterbehilfe entzweit Abgeordnete / Grünen-Politikerin Künast wendet sich gegen Vereinsverbot / Differenzen quer durch alle Fraktionen, Frankfurter Rundschau, 15. Oktober 2014; Wichtiges in Kürze – Mediziner gegen Sterbehilfe, Frankfurter Allgemeine, 10. Oktober 2014; Dalka, Leitartikel – Klare Regeln für Sterbehilfe, Frankfurter Rundschau, 9. Oktober 2014; Hospizverband gegen Sterbehilfe, Verband: Beihilfe zum Suizid übt Druck auf Kranke aus, Frankfurter Allgemeine , 2. Oktober 2014; Gajevic, Entschieden gegen Sterbehilfe, Hospizverband mahnt, Frankfurter Rundschau, 2. Oktober 2014; Kamann, Sterbehilfe für Unheilbare bald legal, Antrag aus Reihen von SPD und CDU – Sterbehilfevereine vor dem Aus, Die Welt, 1. Oktober 2014; Wichtiges in Kürze – Mehr Fälle von Sterbehilfe, Frankfurter Allgemeine, 1. Oktober 2014; Gericht bestätigt aktive Sterbehilfe, Frankfurter Allgemeine, 30. September 2014. Die katholische Kirche lehnt Sterbehilfe entschieden ab, vgl: Deutsche Bischofskonferenz, 12.09.2014: Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz zur aktuellen Diskussion über die Beihilfe zur Selbsttötung , Pressemeldung vom 12.09.2014 – Nr. 135; abrufbar unter: http://www.dbk.de/nc/presse/details/?presseid =2158 [Stand: 20. Oktober 2014]. 8 Sterbehilfe für Unheilbare bald legal, Antrag aus Reihen von SPD und CDU – Sterbehilfevereine vor dem Aus, Die Welt, 1. Oktober 2014, S. 5; abrufbar unter: http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article 132795517/Sterbehilfe-fuer-Unheilbare-bald-legal.html [Stand: 15. Oktober 2014]. Hintze und SPD wollen Sterbehilfe zivilrechtlich regeln, Handelsblatt, 28. September 2014; abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/erlaubnis-im-bgb-hinze-und-spd-wollen-sterbehilfe-zivilrechtlich -regeln/10765354.html [Stand: 15. Oktober 2014]. Kamann, Verbot von organisierter Sterbehilfe rückt näher / Eine liberale Gruppe um Peter Hintze gibt Widerstand gegen verschärftes Strafrecht auf. Ärzten soll Suizid-Assistenz erlaubt sein, Die Welt, 17. Oktober 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 6 lung soll es todkranken Patienten ausdrücklich erlaubt werden, bei schwerer unheilbarer Krankheit mithilfe eines Arztes aus dem Leben zu scheiden. Dabei ist vorgesehen, diese Regelung „im Umfeld“ des § 1901a BGB anzusiedeln9. Um diesen Vorschlag rechtssystematisch einordnen zu können, muss zunächst die aktuelle Rechtslage hinsichtlich der Sterbehilfe und der Regelungen in den §§ 1901a ff. BGB beleuchtet werden, um sodann zu klären, inwieweit es Schnittpunkte zwischen beiden Rechtsmaterien gibt. Erst dann kann abschließend beurteilt werden, ob und inwieweit sich der vorgestellte Vorschlag in die Regelungssystematik der §§ 1901a ff. BGB einfügt. Vorweg sei angemerkt, dass das anvisierte Verbot organisierter Sterbehilfe selbst nicht innerhalb der §§ 1901a ff. BGB geregelt werden sollte, weil es sich bei diesen Regelungen um privatrechtliche Normen handelt, in die ein öffentlich-rechtliches Verbot nicht passt. Das Verbot organisierter Sterbehilfe müsste daher in einem öffentlich-rechtlichen Gesetz, wie z.B. dem StGB, geregelt werden . Deshalb wird im Folgenden nur geklärt, inwieweit die von dem Verbot angedachte Ausnahmeregelung für Ärzte in die Systematik der §§ 1901a ff. BGB passt. 3.1. Rechtliche Ausgangslage zur Sterbehilfe Die Zulässigkeit und Grenzen der Sterbehilfe werden nach den allgemeinen Gesetzen, nämlich dem GG und dem StGB, bestimmt. Das Verbot, andere zu töten (§§ 211 ff. StGB), untersagt jedermann - auch dem Arzt - alle aktiven Maßnahmen, die eine Lebensverkürzung bezwecken und darauf abzielen, den Eintritt des Todes zu beschleunigen. Hervorzuheben ist in diesem Kontext die Regelung des § 216 StGB, wonach sich auch derjenige, der durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Sterbewilligen zu der Tötung bestimmt worden ist, strafbar macht. Daraus folgt, dass die Einwilligung in die eigene Tötung keine rechtfertigende Kraft entfalten kann. Auf diese Weise wird das im GG verankerte Gebot des absoluten Lebensschutzes nach Art. 1 und 2 GG im einfachen Recht fortgeführt. Der absolute Lebensschutz nach Art. 1 und 2 GG steht im Spannungsverhältnis zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG. Aufgrund seines Selbstbestimmungsrechts kann der Todkranke ärztliche Heileingriffe, die sein Leben verlängern, ablehnen. Dieses Spannungsverhältnis, in dem die Sterbehilfe steht, lässt sich nicht einfach auflösen; vielmehr ist im konkreten Einzelfall zu entscheiden. Bislang wurde die Auseinandersetzung über die Strafbarkeit der Sterbehilfe in der Rechtsprechung und Literatur anhand typischer Fallgestaltungen geführt. Dabei wurden Formen der indirekten, aktiven und passiven Sterbehilfe unterschieden . Dieser gängigen Kategorisierung des Fallmaterials ist die Rechtsprechung im Ansatz lange Zeit gefolgt. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat jedoch in seinem Grundsatzurteil vom 9 So die Darstellung der geplanten Regelung unter: Hintze und SPD wollen Sterbehilfe zivilrechtlich regeln, Handelsblatt , 28. September 2014; abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/erlaubnis-imbgb -hinze-und-spd-wollen-sterbehilfe-zivilrechtlich-regeln/10765354.html [Stand: 15. Oktober 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 7 25. Juni 2010 („Fuldaer-Fall“)10 eine Neuausrichtung der Sterbehilfediskussion durch Etablierung des verhaltensübergreifend einsetzbaren Begriffs des „Behandlungsabbruchs“ vorgenommen. Damit wurde die Kategorie der „passiven Sterbehilfe“ begrifflich aufgegeben und von dem normativ -wertenden Oberbegriff des „gerechtfertigten Behandlungsabbruchs“, der sowohl aktive als auch passive Verhaltensweisen des Behandlungspersonals umfasst, ersetzt. Infolgedessen werden nunmehr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Erscheinungsformen der Hilfe im Sterben, der indirekten Sterbehilfe, des gerechtfertigten Behandlungsabbruchs (vormals „passive Sterbehilfe“) und der Tötung auf Verlangen unterschieden. 3.1.1. Hilfe im Sterben, indirekte Sterbehilfe und gerechtfertigter Behandlungsabbruch Von der eigentlichen Sterbehilfe ist zunächst die Hilfe im Sterben zu unterscheiden. Hilfe im Sterben bezeichnet ärztliche und pflegerische Maßnahmen, durch die Schmerzen gelindert werden und der Sterbevorgang erleichtert wird, ohne im Gegensatz zur eigentlichen Sterbehilfe ein lebensverkürzendes Risiko auszulösen. Hierzu gehört die Basisbetreuung, wie die menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung und Körperpflege. Bei der Gewährung von Hilfe im Sterben handelt es sich um ein selbstverständliches Gebot der Humanität, so dass sie strafrechtlich irrelevant und nach der Rechtsprechung nicht vom Begriff der eigentlichen Sterbehilfe erfasst ist. Der Bundesgerichtshof erklärte in seinem Urteil vom 15. November 1996 erstmalig die indirekte Sterbehilfe für zulässig11. Sie liegt vor, wenn einem tödlich Erkrankten zum Zwecke einer medizinisch indizierten Schmerzlinderung ein Medikament verabreicht wird, dessen Einnahme mit der Gefahr einer Lebensverkürzung verbunden ist. Der Bundesgerichtshof führte in seiner Grundsatzentscheidung zur Straflosigkeit der indirekten Sterbehilfe aus, dass eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen bei einem Sterbenden nicht dadurch unzulässig werde, dass sie als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen könne. Denn die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen sei ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere sog. Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit länger leben zu müssen. Der gerechtfertigte Behandlungsabbruch bedeutet den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bei einer tödlich verlaufenden Erkrankung oder Verletzung. Diese Form der Sterbehilfe ist nach deutschem Recht dann nicht strafbar, wenn sie dem ausgesprochenen oder bei Bewusstlosigkeit dem vorab niedergeschriebenen Willen des Patienten entspricht. Dabei erfasst ein gerechtfertigter Behandlungsabbruch sowohl das Unterlassen, Begrenzen sowie das Beenden einer bereits begonnenen medizinischen Behandlung. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich festgestellt , dass es nicht darauf ankommt, ob der Behandlungsabbruch durch ein Unterlassen oder durch ein aktives Tun erfolgt. Entscheidend sei, dass der Behandlungsabbruch vom Patientenwillen getragen sei. Danach mache es juristisch keinen Unterschied, ob eine Therapie nicht eingeleitet werde, oder ob eine zunächst durchgeführte Behandlung beendet werde.12 Damit ist auch die 10 BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 - Az. 2 StR 454/09 (juris). 11 BGH, Urteil vom 15. November 1996 - Az. 3 StR 79/96, Rn. 25 (juris). 12 BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 - Az. 2 StR 454/09, Rn. 35 (juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 8 lange Zeit in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob das Abschalten eines Beatmungsgeräts als aktives Tun oder als „Unterlassen der Weiterbehandlung“ anzusehen ist, überholt 13. 3.1.2. Tötung auf Verlangen Liegt eine Situation des Behandlungsabbruchs nicht vor, ist also eine Behandlung weder eingeleitet noch unmittelbar bevorstehend, so rechtfertigt ein ausdrückliches Verlangen oder eine bloße mutmaßliche Einwilligung die gezielte Tötung oder Beschleunigung des Todes nicht14. Durch das Kriterium der Behandlungsbezogenheit sind daher die Fälle gezielter Eingriffe, welche die Beendigung des Lebens vom Krankheitsprozess abkoppeln, vom gerechtfertigten Behandlungsabbruch nicht erfasst15. Verlangt das Opfer ausdrücklich und ernstlich den Tod, dann ist eine Strafbarkeit nach § 216 StGB gegeben. Liegt ein solches Verlangen nicht vor, kann eine Strafbarkeit des Täters nach den Tatbeständen des Totschlags gemäß § 212 StGB oder Mordes gemäß § 211 StGB in Betracht kommen. 3.1.3. Straflose Beihilfe zum Suizid Die Tötungsdelikte nach den §§ 211 ff. StGB setzen die Tötung eines anderen Menschen voraus. Derjenige, der sich selbst tötet oder zu töten versucht, verwirklicht insoweit keinen Straftatbestand . Die Beihilfe zum Suizid oder zu einem versuchten Suizid ist nicht strafbar, da es an einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Haupttat i.S. des § 27 StGB fehlt. Hieraus folgt, dass im Einzelfall eine Abgrenzung zwischen der straflosen Beihilfe am Suizid und der Strafbarkeit wegen eines Tötungsdelikts erforderlich ist. Der Bundesgerichtshof stellt für die Abgrenzung zwischen strafloser Suizidteilnahme und strafbarer Fremdtötung auf Verlangen darauf ab, wer das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrscht hat16. Auf der Grundlage des Tatherrschaftskriteriums ist bei einem freiverantwortlichen Suizid entscheidend, bei wem die Tatherrschaft über den unmittelbar lebensbeendenden Akt liegt. Verbleibt dem Sterbewilligen nach dem letzten Akt des Mitwirkenden noch die freie Entscheidung über Leben und Tod, so ist regelmäßig eine straflose Mitwirkung am Suizid anzunehmen17. Trinkt der Sterbewillige beispielsweise den 13 BGH, Urteil vom 13. September 1994 – Az. 1 StR 357/94, Rn. 31 (juris); Heinz Schöch, Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen - Zugleich eine Besprechung der Sterbehilfeentscheidung des BGH vom 13. 9. 1994, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 1995, S. 153 (154). 14 Fischer, Strafgesetzbuch, 61, Auflage, München 2014, Vor §§ 211-216 Rn. 70. 15 Fischer, Strafgesetzbuch, 61, Auflage, München 2014, Vor §§ 211-216 Rn. 70. 16 BGH, Urteil vom 14. August 1963 - Az. 2 StR 181/63, Rn. 7 (juris). 17 Ralf Eschelbach, in: Bernd von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck´scher Online-Kommentar Strafrecht, Stand: 22. Juli 2013, § 216, Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 9 Giftbecher selbst aus, den ihm der Mitwirkende auf sein Verlangen zuvor besorgt hat, so beherrscht er allein das zum Tode führende Geschehen. Infolgedessen scheidet eine strafbare Fremdtötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB aus18. Nach derzeitiger Rechtslage sind also straflos: die Hilfe im Sterben, die indirekte Sterbehilfe, der gerechtfertigte Behandlungsabbruch und die Beihilfe zum Suizid, sofern die Tatherrschaft bei der Selbsttötung bis zum Schluss bei dem Sterbewilligen verbleibt. Strafbar sind dagegen die aktive Sterbehilfe und die Tötung auf Verlangen. 3.2. Die Regelungen der §§ 1901a ff. BGB Durch das am 1. September 2009 in Kraft getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts 19 wurde das zuvor lediglich durch die Rechtsprechung20 anerkannte Rechtsinstitut der Patientenverfügung nunmehr gesetzlich verankert, um in diesem Bereich für die Beteiligten mehr Rechtssicherheit zu schaffen21. § 1901a Abs. 1 BGB enthält eine Legaldefinition der Patientenverfügung. Danach legt ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit in einer Patientenverfügung schriftlich fest, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt. Liegt eine derartige Patientenverfügung vor, prüft der Betreuer bzw. der Bevollmächtigte im Fall der Einwilligungsunfähigkeit des Patienten, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer bzw. Bevollmächtigte dem Willen des Betreuten Geltung zu verschaffen. Die Entscheidung über einen Behandlungsabbruch setzt dabei gemäß § 1901b BGB ein Zusammenwirken von Betreuer bzw. Bevollmächtigtem und dem behandelnden Arzt voraus. Bei der Patientenverfügung handelt es sich um eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung , die für jede Person verbindlich ist, die am Entscheidungsprozess über die Vornahme oder 18 Rolf Dietrich Herzberg, Der Fall Hackethal: Strafbare Tötung auf Verlangen?, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 1986, S. 1635 (1644). 19 Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I, S. 2286), abrufbar unter http://www.bundesanzeiger-verlag.de/fileadmin/BT-Prax/Dokumente/Jubilaeum/03_Drittes_BtA- EndG_BGBl.pdf, [Stand: 21. Oktober 2014]. 20 Vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2003 – Az. XII ZB 2/03, Rn. 44 (juris). 21 Klöpperpieper, Patientenverfügung und Strafrecht, in: Familie, Partnerschaft, Recht (FPR) 2010, S. 260. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 10 Unterlassung einer medizinischen Maßnahme beteiligt ist22. Dies sind in erster Linie Ärzte, Betreuer , Bevollmächtigte und ein möglicherweise nach § 1904 BGB einzuschaltendes Gericht. Die Grenzen der Verbindlichkeit einer Patientenverfügung ergeben sich aus den strafrechtlichen Bestimmungen sowie der medizinischen Ethik. Daher sind Maßnahmen der Basisbetreuung, für die Ärzte und Pflegepersonal in jedem Fall Sorge zu tragen haben, von der Patientenverfügung nicht erfasst.23 Die Festlegung der Einwilligung in eine medizinische Behandlung oder ihrer Untersagung muss schriftlich erfolgen. Mündlich geäußerte Willensbekundungen fallen nicht unter den Begriff der Patientenverfügung. Sie können aber im Rahmen der Ermittlung des mutmaßlichen Willens relevant werden.24 Sind sich der behandelnde Arzt und der Betreuer bzw. Bevollmächtigte darüber einig, dass die Festlegung bezüglich einer Unterlassung bzw. eines Abbruchs einer lebenserhaltenden Maßnahme dem Willen des Patienten entspricht, so ist nach § 1904 Abs. 4 BGB eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich. Ist kein Betreuer bestellt und betrifft die Festlegung der Patientenverfügung unzweifelhaft die konkrete Situation, so kann der Arzt dem Patientenwillen auch ohne eine vorherige Bestellung eines Betreuers oder eine gerichtliche Genehmigung folgen25. 3.3. Bedeutung der Patientenverfügung im Rahmen der Sterbehilfe Damit stellt sich die Frage, ob es zwischen der Patientenverfügung und der Sterbehilfe Schnittpunkte gibt und ob diese Schnittpunkte es rechtfertigen, eine neue Regelung, wonach von Ärzten Beihilfe zur Selbsttötung geleistet werden darf, in die §§ 1901a ff. BGB aufzunehmen. 3.3.1. Schnittpunkte zwischen der Patientenverfügung und der Sterbehilfe Die Idee, neue Regelungen zur Sterbehilfe im Rahmen der §§ 1901a BGB anzusiedeln, mag auf dem Umstand beruhen, dass die Patientenverfügung sich vor allem anlässlich der sogenannten passiven Sterbehilfe (heute: gerechtfertigter Behandlungsabbruch) entwickelt hat. Wie oben beschrieben , ist diese Form der Sterbehilfe nicht strafbar, wenn sie dem ausgesprochenen oder bei Bewusstlosigkeit dem vorab niedergeschriebenen Willen des Patienten entspricht. Die Zulässigkeit der passiven Sterbehilfe bzw. des gerechtfertigten Behandlungsabbruchs hängt entscheidend davon ab, ob ein entsprechender Patientenwille vorliegt oder nicht. Da bei tödlich verlaufenden Erkrankungen oder Verletzungen die Patienten aber häufig ohne Bewusstsein sind, besteht das Problem, den wirklichen Patientenwillen zu ermitteln. Für diese Situationen hat sich in der Praxis nach und nach die Patientenverfügung entwickelt. Denn sie erspart den Angehörigen und Ärzten, nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten zu forschen. Da lange Zeit umstritten war, 22 Dieter Schwab, in: Franz Jürgen Säcker/Roland Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB (MüKo- BGB), 6. Auflage, Band 8, München 2012, BGB § 1901a, Rn. 8. 23 Schwab, in: MüKo (Fn. 9), § 1901a, Rn. 22. 24 Schwab, in: Müko (Fn. 9), § 1901a, Rn. 11. 25 Schwab, in: MüKo (Fn.9), § 1901a, Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 11 welcher Form solche Patientenverfügungen genügen müssen und unter welchen Voraussetzungen sie wirksam sind, hat der Gesetzgeber 2009 mit seinen Regelungen zur Patientenverfügung die entsprechende Klarheit geschaffen. Die Wirkungen der Betreuungsrechtsreform auf das Strafrecht hat der 2. Senat des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung vom 10. November 2010 („Kölner Fall“) hervorgehoben26. Danach sollen in Fällen, in denen es um einen rechtfertigenden Behandlungsabbruch auf der Grundlage des Patientenwillens geht, die Voraussetzungen der §§ 1901a, 1901b BGB beachtet werden. Die Vorschriften zur Patientenverfügung enthalten dabei „verfahrensrechtliche Absicherungen , die den Beteiligten bei der Ermittlung des Patientenwillens und der Entscheidung über einen Behandlungsabbruch Rechts- und Verhaltenssicherheit bieten sollen“27. Damit bestärkt der Bundesgerichtshof den das Betreuungsrecht prägenden Grundsatz des Vorrangs des Patientenwillens auch im Strafrecht und führt auf diese Weise eine Harmonisierung mit den zivilrechtlichen Regelungen zur Patientenverfügung herbei. Diese Rechtsprechung zeigt, dass die Grundsätze zur passiven Sterbehilfe bzw. zum gerechtfertigten Behandlungsabbruch nicht im Gegensatz zu den Regelungen der Patientenverfügung stehen. Vielmehr stellt die Patientenverfügung die Quelle für die Ermittlung des Patientenwillens für oder gegen einen Behandlungsabbruch dar und bietet damit die Grundlage für die Rechtfertigung einer an sich als Tötungsdelikt strafbaren Handlung. Der Patient kann demnach in einer Patientenverfügung anordnen, dass er für den Fall einer unheilbaren Erkrankung den natürlichen Verlauf der Erkrankung nicht durch ärztliche Maßnahmen beeinflusst sehen möchte.28 Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass der Schnittpunkt der Regelungen zur Patientenverfügung und der Sterbehilfe im Bereich der passiven Sterbehilfe bzw. des gerechtfertigten Behandlungsabbruchs liegt und zwar dann, wenn der Patient aufgrund von Bewusstlosigkeit einwilligungsunfähig ist. Der Patientenverfügung kommt zudem im Rahmen der sogenannten indirekten Sterbehilfe Bedeutung zu, wenn also einem tödlich Erkrankten zum Zwecke einer medizinisch indizierten Schmerzlinderung ein Medikament verabreicht wird, dessen Einnahme mit der Gefahr einer Lebensverkürzung verbunden ist29. Der Bundesgerichtshof führte in seiner Grundsatzentscheidung zur Straflosigkeit der indirekten Sterbehilfe aus, dass eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation bei einem Sterbenden nicht dadurch unzulässig werde, dass sie als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen könne30. Denn die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen sei ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht, unter schwers- 26 BGH, Beschluss vom 10. November 2010 - Az. 2 StR 320/10, Rn. 12 (juris). 27 BGH, Beschluss vom 10. November 2010 – Az. 2 StR 320/10, Rn. 12 (juris). 28 Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 132, Rn. 42. 29 Kindhäuser, in: Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2013, Vor §§ 211-222, Rn. 16. 30 BGH, Urteil vom 15. November 1996 – Az. 3 StR 79/96, Rn. 25 (juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 12 ten Schmerzen noch kurze Zeit länger leben zu müssen. Hieraus folgt, dass der einer Patientenverfügung zu entnehmende Wille des Patienten bezüglich einer solchen medizinischen Maßnahme die Grundlage für die Straflosigkeit des handelnden Arztes oder Betreuers bzw. Bevollmächtigten darstellt. Damit eröffnet die Patientenverfügung den Weg für die Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe, indem sie als Hilfsquelle zur Ermittlung des Patientenwillens Legitimierungsfunktion entfaltet. 3.3.2. Bedeutung der §§ 1901a ff. StGB für aktive Sterbehilfe Jedoch bildet der Wunsch des Patienten nach aktiver Sterbehilfe die Grenze für den Inhalt einer Patientenverfügung31. Unter aktiver Sterbehilfe versteht man eine gezielt auf die Lebensverkürzung abzielende Handlung zur Verhinderung von Schmerzen, welche nicht in Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung steht32. Eine solche Handlung ist stets nach den Tötungsdelikten der §§ 211 ff. StGB strafbar. Die meisten Fälle der Sterbehilfe dürften durch den Straftatbestand der Tötung auf Verlangen, § 216 StGB, erfasst werden. Nach § 216 StGB macht sich strafbar, wer durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Sterbewilligen zur Tötung bestimmt worden ist. Dieser Vorschrift ist eine Einwilligungssperre dergestalt zu entnehmen, dass die Einwilligung in die eigene Tötung keine rechtfertigende Kraft entfalten kann. Dies betrifft gezielte Eingriffe in das Leben des Menschen , die nicht in Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung stehen. Sterbehilfehandlungen außerhalb einer Behandlungssituation sind damit einer Rechtfertigung durch den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Sterbewilligen im Rahmen einer Einwilligung entzogen .33 Eine gemäß dem Verbot der aktiven Sterbehilfe unzulässige Tötungshandlung im Sinne der §§ 211 ff. StGB kann daher weder von einem einwilligungsfähigen Patienten noch von einem Betreuer bzw. Bevollmächtigten für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit des Patienten im Rahmen einer Patientenverfügung gefordert werden34. Beziehen sich die Festlegungen der Patientenverfügung auf eine solche unzulässige Tötungshandlung, so ist die Patientenverfügung als rechtsgeschäftsähnliche Handlung gemäß § 134 BGB unwirksam. Denn der Patient kann im Rahmen einer Patientenverfügung von dem Arzt keine Handlung verlangen, die nach dem StGB strafbar ist. Außerhalb medizinischer Behandlungen greift die rechtfertigende Wirkung der Patientenverfügung nicht, sondern es handelt sich um unzulässige aktive Sterbehilfe. 31 Rainer Kemper, in: Reiner Schulze u.a. (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 7. Auflage, 2012, BGB § 1901a, Rn. 5. 32 Hans-Ludwig Schreiber, Das Recht auf den eigenen Tod - Zur gesetzlichen Neuregelung der Sterbehilfe, in: NStZ 1986, S. 337 (345). 33 BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 – Az. 2 StR 454/09, Rn. 33 (juris). 34 Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts vom 6. März 2008, BT-Drs. 16/8442, S. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 13 3.3.3. Bedeutung der §§ 1901a ff. StGB für einen assistierten Suizid Wie oben beschrieben, ist eine Beihilfe zur Selbsttötung nur dann straflos, wenn der Sterbewillige bis zum Schluss die Tatherrschaft behält. Das setzt voraus, dass der Sterbewillige zur Zeit seiner Selbsttötung nicht bewusstlos ist und damit auch einwilligungsfähig ist. Das ist aber eine ganz andere Situation als die, wie sie in den §§ 1901a ff. BGB vorgesehen ist. Denn die Regelungen über die Patientenverfügung stellen auf jemanden ab, der in die Behandlung nicht mehr einwilligen kann, der einwilligungsunfähig ist. Eine neue Regelung innerhalb der §§ 1901a ff. StGB, nach der ein Einwilligungsfähiger sich für eine ärztliche Beihilfe zu seiner eigenen Selbsttötung aussprechen könnte, würde daher diametral zu der Situation stehen, die bisher im Fokus der Patientenverfügung steht, nämlich die Erklärung eines vormals Einwilligungsfähigen, nunmehr aber Einwilligungsunfähigen, der aufgrund seiner Bewusstlosigkeit selbst nicht mehr einwilligen kann. Außerdem ist zu befürchten, dass im Laufe der Zeit eine solche Regelung im Wege der systematischen Auslegung auf Einwilligungsunfähige erweitert werden könnte. Damit würde dann aber die Grenze aufgehoben, die das Strafrecht bisher zur Sterbehilfe gezogen hat: Wie oben beschrieben , ist eine Beihilfe zur Selbsttötung nur dann straflos, wenn der Betroffene bis zum Schluss die Tatherrschaft über seine Selbsttötung behält, er also auch jederzeit den Vorgang stoppen kann. Eine Ausdehnung der neu zu schaffenden Regelung im Wege der systematischen Auslegung auf einwilligungsunfähige Personen liefe daher darauf hinaus, aktive Sterbehilfe zuzulassen. Denn bei der Handlung der Ärzte ginge es dann nach strafrechtlichem Verständnis nicht mehr um eine Beihilfehandlung im Sinne von § 27 StGB, sondern um aktive Sterbehilfe und damit um eine Straftat, die nach den §§ 211 ff, 216 StGB zu bewerten wäre. Deshalb sind die §§ 1901a ff. BGB kein geeigneter Standort für eine Regelung, wonach Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten dürfen. 4. Notwendigkeit, einen Ausnahmetatbestand für Ärzte zu normieren Angesichts der bisherigen Ausführungen stellt sich zudem die Frage, ob überhaupt eine Notwendigkeit besteht, einen Ausnahmetatbestand zu schaffen, wonach Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten dürfen. Denn bereits nach der bestehenden Rechtslage ist es Ärzten strafrechtlich nicht verboten , Beihilfe zu einem Suizid zu leisten. Voraussetzung ist nur, dass der Sterbewillige bis zum Schluss die Tatherrschaft behält. Wenn dem so ist, wird der Arzt jedenfalls nicht wegen eines Tötungsdelikts belangt. Für einen Ausnahmetatbestand hinsichtlich ärztlicher Hilfeleistungen bestünde daher allenfalls insoweit eine Lücke, als es um die organisierte Beihilfe zum Suizid geht. Denn will man die organisierte Beihilfe verbieten, so könnte man die organisierte Beihilfe durch Ärzte gleichwohl zulassen . Beidem wird möglicherweise entgegengehalten, dass es Ärzten teilweise durch Standesrecht verboten sei, Beihilfe zu einem Suizid zu leisten. Im Jahre 2011 wurde die Regelung des § 16 der Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 14 (Muster-)Berufsordnung35 neu gefasst und enthält nunmehr ein explizites Verbot des ärztlich assistierten Suizids: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ 4.1. Berufsordnungen der Landesärztekammern Soweit die Kammerversammlungen der Landesärztekammern die Regelungen der (Muster-)Berufsordnung als Satzung beschlossen haben, entfalten diese Rechtswirkung, so dass bei Pflichtverletzungen nach Maßgabe der jeweiligen Kammergesetze Sanktionen erfolgen können. Als Sanktionen kommen beispielsweise Warnungen, Verweise, Geldbußen oder die Aberkennung der Mitgliedschaft in den Kammerorganen in Betracht. Einen Einfluss auf die Strafbarkeit hat ein solcher berufsrechtlicher Verstoß jedoch nicht. Macht sich der Arzt hingegen nach dem StGB strafbar , so wird in der Regel auch eine berufsrechtliche Pflichtverletzung vorliegen. Eine berufsrechtliche Sanktion ist dann auch nicht wegen des Verbots der doppelten Bestrafung nach Art. 103 Abs. 3 GG ausgeschlossen, da die berufsrechtliche Sanktion einen disziplinarischen und keinen bestrafenden Charakter hat. Während die Bundesärztekammer in der (Muster-)Berufsordnung die Beihilfe zum Suizid untersagt , sind die Landesärztekammern in dieser Hinsicht in ihren standesrechtlich verbindlichen Vorschriften teilweise nicht so strikt. Etwa die Hälfte der Landesärztekammern hat ihre Berufsordnung an die Änderung der (Muster-)Berufsordnung angepasst36. Wie bereits aufgezeigt, ist die Beihilfe zur eigenverantwortlichen Selbsttötung und damit auch der ärztlich assistierte Suizid nach deutschem Strafrecht straflos, so dass es beim ärztlich assistierten Suizid allein darum geht, inwieweit entsprechende Formulierungen in den Berufsordnungen der Landesärztekammern eine berufsrechtliche Sanktion nach sich ziehen können. In § 16 der Berufsordnung der Landesärztekammer Westfalen-Lippe37 heißt es abweichend: „Sie sollen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ 35 (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte- MBO-Ä 1997 - in der Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages 2011 in Kiel, abrufbar unter http://www.bundesaerztekammer .de/page.asp?his=1.100.1143 [Stand: 16. Oktober 2014]. 36 So die Sächsische Landesärztekammer, Landesärztekammer Brandenburg, Landesärztekammer Saarland, Landesärztekammer Hessen, Landesärztekammer Nordrhein, Landesärztekammer Bremen und Landesärztekammer Mecklenburg-Vorpommern. 37 Berufsordnung der Landesärztekammer Westfalen-Lippe, beschlossen von der Kammerversammlung am 26. November 2011, abrufbar unter http://www.aekwl.de/fileadmin/rechtsabteilung/doc/Berufsordnung_20111126_internet .pdf, [Stand: 21. Oktober 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 15 In § 16 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg38 heißt es: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen.“ Die Vorschrift des § 16 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin39 lautet: „Der Arzt darf – unter Vorrang des Willens des Patienten – auf lebensverlängernde Maßnahmen nur verzichten und sich auf die Linderung der Beschwerden beschränken , wenn ein Hinausschieben des unvermeidbaren Todes für die sterbende Person lediglich eine unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde. Der Arzt darf das Leben des Sterbenden nicht aktiv verkürzen. Er darf weder sein eigenes noch das Interesse Dritter über das Wohl des Patienten stellen.“ 4.2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. März 2012 In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung der 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. März 2012 anzuführen, in der die berufsrechtliche Untersagungsverfügung der Ärztekammer Berlin, anderen Personen todbringende Substanzen für deren beabsichtigten Suizid zum Gebrauch zu überlassen, aufgehoben wurde40. Das Verwaltungsgericht Berlin führte aus, dass die Ärztekammer die Berufsausübung ihrer Mitglieder auf der Grundlage des Berliner Kammergesetzes überwachen und bei drohenden Pflichtverstößen Untersagungsverfügungen erlassen dürfe. Ein Verbot der ärztlichen Beihilfe zum Suizid lasse sich allenfalls auf die gesetzliche Generalklausel zur gewissenhaften Berufsausübung in Verbindung mit der Generalklausel zur Beachtung des ärztlichen Berufsethos in der als Satzung erlassenen Berufsordnung der Ärztekammer Berlin stützen. Diese genüge aber unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten Freiheit der Berufsausübung und der Gewissensfreiheit des Arztes nicht als Rechtsgrundlage, um einem Arzt die Weitergabe todbringender Mittel an Sterbewillige generell zu untersagen.41 Diese Argumentation des Verwaltungsgerichts Berlin, die auf die Grundrechte der Ärzte Bezug nimmt, verdeutlicht die Problematik der ärztlichen Standesregeln, die in Satzungen festgesetzt sind. Denn wesentliche Entscheidungen, dazu gehören immer solche, die Grundrechte der Bürger 38 Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Dezember 2012, abrufbar unter https://www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/40merkblaetter/20recht/05kammerrecht /bo.pdf [Stand: 21. Oktober 2014]. 39 Berufsordnung der Ärztekammer Berlin vom 30. Mai 2005, zuletzt geändert durch den 4. Nachtrag zur Berufsordnung der Ärztekammer Berlin vom 23. September 2009 (ABl. 2010 S. 317), abrufbar unter http://aerztekammer -berlin.de/10arzt/30_Berufsrecht/06_Rechtsgrundlagen/30_Berufsrecht/331_BerufsO_aktuell.pdf [Stand: 21. Oktober 2014]. 40 VG Berlin, Urteil vom 30. März 2012 - Az. 9 K 63.09; abrufbar unter: http://www.kostenlose-urteile.de/VG-Berlin _VG-9-K-6309_Kein-uneingeschraenktes-Verbot-zur-Ueberlassung-todbringender-Medikamente-an-Sterbewillige .news13283.htm [Stand: 21. Oktober 2014]. 41 VG Berlin, Urteil vom 30. März 2012 - Az. 9 K 63.09; abrufbar unter: http://www.kostenlose-urteile.de/VG-Berlin _VG-9-K-6309_Kein-uneingeschraenktes-Verbot-zur-Ueberlassung-todbringender-Medikamente-an-Sterbewillige .news13283.htm [Stand: 28. Januar 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 16 berühren, müssen stets vom parlamentarisch legitimierten Gesetzgeber selbst geregelt werden42. Eine Satzung reicht dafür nicht aus. Deshalb ist bereits zweifelhaft, ob die in den einzelnen Satzungen der Bundesländer verankerten Verbote überhaupt einer verfassungsrechtlichen Überprüfung Stand halten würden. Dies gilt umso mehr, als das Verbot ärztlicher Hilfestellung zur Selbsttötung nicht nur die Ärzte, sondern auch die Bürger tangiert, die sich ihrerseits ebenfalls auf ihre Grundrechte, insbesondere Art. 2 Abs. 1, 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen können. In ihren Satzungen dürfen die Ärztekammern aber nur eigene Angelegenheiten regeln, nicht jedoch die Angelegenheiten Dritter. Dies gilt vor allem dann, wenn sich eine Regelung belastend auswirkt. Insoweit haben die Ärztekammern daher möglicherweise ihre Satzungsgewalt überschritten, als sie das in § 16 (Muster-)Berufsordnung vorgeschlagene Verbot in ihre Satzungen aufgenommen haben 43. Außerdem ist zweifelhaft, ob die standesrechtlichen Verbote der Länder, ärztliche Beihilfe zu einer Selbsttötung zu leisten, tatsächlich in der Praxis immer eine Sanktion nach sich ziehen muss. So wird bereits in der Literatur vertreten, dass angesichts der auch vom Verwaltungsgericht Berlin angedeuteten rechtlichen Probleme das Verbot nicht immer eine Sanktion des Standesrechts nach sich ziehen muss44. Die oben vorgestellten Beispiele aus landesrechtlichen Standesregeln belegen ebenfalls, dass das Verbot nicht in jedem Fall strikt gefasst ist. Für den Arzt, der Beihilfe zur Selbsttötung leistet, ändert sich jedenfalls auch durch eine standesrechtliche Regelung, die die Beihilfe zum Suizid verbietet, nichts daran, dass er nicht wegen eines Tötungsdelikts belangt werden kann, wenn der Sterbewillige bei seiner Selbsttötung bis zum Schluss die Tatherrschaft behält. Zu klären wird allerdings sein, inwieweit eine Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG)45 in Frage kommt46. Insoweit wäre zu prüfen, ob Änderungen im Betäubungsmittelrecht 42 Zur sogenannten Wesentlichkeitstheorie vgl. jüngst: Holterhus, Anfängerklausur – Öffentliches Recht: Staatsorganisationsrecht – Der beobachtete Abgeordnete, in: Juristische Schulung (Jus) 2014, 233, 237. Speziell im Bereich des Medizinrechts zur Wesentlichkeitstheorie vgl.: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auflage 2006, Rn. 24-30. 43 Vgl. dazu: Lindner, Verfassungswidrigkeit des – kategorischen – Verbots ärztlicher Suizidassistenz, NJW 2013, 136 ff.; zu dem medizinischen Für und Wider: Strätling, Assistierter Suizid – grundsätzlich „keine ärztliche Aufgabe“?, MedR (2012) 30, S. 283, 284 ff. 44 Pethke, in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, § 16 MBO Rn. 5-7; Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin , Ärztlich assistierter Suizid, Reflexionen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Medizinrecht MedR (2014) 32, S. 643, 645. 45 Betäubungsmittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), zuletzt geändert durch Artikel 4 Absatz 7 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154); abrufbar unter: http://www.gesetze -im-internet.de/bundesrecht/btmg_1981/gesamt.pdf [Stand: 21. Oktober 2014]. 46 Der BGH musste in einem Urteil (BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 – Az. 5 StG 474/00, juris) darüber entscheiden , wie jemand sich strafbar gemacht hat, der einem unheilbar Kranken Betäubungsmittel aus der Schweiz zum Suizid überließ. Im konkreten Fall hatte ein sogenannter Sterbebegleiter einer schweizerischen Sterbebegleitungsorganisation einer unheilbar erkrankten Ärztin 10 g Natrium-Pentobarbital in einem Glas Wasser aufgelöst und dieses der Ärztin zur sofortigen Einnahme gereicht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 17 erforderlich sind. Nach derzeitigem Recht gibt es nur spezielle Regelungen zur Palliativmedizin, vgl. § 4 Abs. 1 lit. f BtMG. Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob es überhaupt einer Regelung bedarf, die ausdrücklich Ärzten die Beihilfe zum Suizid erlaubt. Denn bereits nach derzeitigem Recht muss ein Arzt nicht mit einer strafrechtlichen Verurteilung rechnen, wenn er Beihilfe zu einer Selbsttötung leistet, solange der Sterbewillige bis zum Schluss die Tatherrschaft behält. Eine ausdrückliche Erlaubnis könnte vor allem dann, sofern sie rechtssystematisch in die §§ 1901a BGB eingefügt würde, zu falschen Schlüssen führen, etwa dazu, dass auch einem Einwilligungsunfähigen Beihilfe geleistet werden dürfte. Eine solche falsche Schlussfolgerung könnte den sogenannten „Dammbruch“ einleiten , weil solche Handlungen, wie oben ausgeführt, auf eine aktive Sterbehilfe hinausliefen. Sollte der Gesetzgeber die organisierte Sterbehilfe unter Strafe stellen, so wäre einzig zu prüfen, ob auch Ärzten die organisierte Beihilfe zum Suizid verboten werden soll und sich insoweit eine Ausnahmeregelung für Ärzte (nicht zu verwechseln mit der oben überprüften Ausnahmeregelung , wonach ein einzelner Arzt Beihilfe zum Suizid leisten darf !) anböte. Gegen eine solche Ausnahmeregelung für Ärzte sprechen jedoch alle Argumente, die gegen eine organisierte Beihilfe zum Suizid ins Feld geführt werden können. Bei einer organisierten Sterbehilfe ist zu befürchten , dass eine organisierte Gruppe versucht, mit dem Tod von Sterbewilligen ein Geschäft zu machen. Außerdem ist mit einer organisierten Tätigkeit der Anschein der Normalität verbunden , so dass das Handeln nicht weiter ethisch bedenklich zu sein scheint. Dieser Faktor sollte gerade im Hinblick auf die zu erwartenden hohen Gesundheitskosten einer immer älter werden Gesellschaft nicht aus den Augen verloren werden.47 Zuvor hatte der Sterbebegleiter geprüft, dass die Ärztin in vollem Besitz ihrer geistigen Kräfte war und ihr Todeswunsch nach wie vor bestand. Bei Natrium-Pentobarbital handelt es sich um ein Substrat, bei dem im Regelfall 3 g des Mittels die für einen Erwachsenen tödliche Dosis darstellen. Dabei wird durch diese Dosis zunächst das Bewusstsein ausgeschaltet, danach tritt eine tödliche Atemlähmung ein (zum Sachverhalt: Rn. 2, 3). Der BGH entschied, dass sich der Sterbehelfer nicht wegen eines Tötungsdelikts strafbar gemacht hat, sondern dass von einer straflosen Beihilfe zu einem selbstverantworteten Suizid auszugehen ist (Rn. 7, 22). Allerdings stellte der Bundesgerichtshof fest, dass Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Frage kommen, weil Natrium-Pentobarbital als Betäubungsmittel in Anlage III zu § 1 Abs. 2 BtMG erfasst ist (Rn. 5, 6- 14). 47 Die katholische Kirche lehnt Sterbehilfe entschieden ab, vgl: Deutsche Bischofskonferenz, 12.09.2014: Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz zur aktuellen Diskussion über die Beihilfe zur Selbsttötung , Pressemeldung vom 12.09.2014 – Nr. 135; abrufbar unter: http://www.dbk.de/nc/presse/details/?presseid =2158 [Stand: 20. Oktober 2014]. Katholische Kirche lehnt Sterbehilfe deutlich ab, Die Welt, 20. Oktober 2014. Debatte um gesetzliche Regelung, EKD will Position zur Sterbehilfe überprüfen, SpiegelONLINE, 19. Oktober 2014; abrufbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/ekd-evangelische-kirche-will-position-zur-sterbehilfe -ueberpruefen-a-997911.html [Stand: 20. Oktober 2014]. Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, Ärztlich assistierter Suizid, Reflexionen der Gesellschaft für Palliativmedizin , MedR (2014) 32, S. 643 ff.; Duttke, Der assistierte Suizid: Ein Dilemma nicht nur der Ärzteschaft, ein kritischer Kommentar zur den „Reflexionen“ der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), MedR (2014) 32, S. 621 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 18 5. Möglichkeiten innerhalb des Landesrechts Damit bleibt zu klären, inwieweit der Landesgesetzgeber die organisierte Beihilfe zum Suizid verbieten , für die Ärzte allerdings einen Ausnahmetatbestand schaffen könnte. Angesichts der oben gewonnenen Erkenntnisse bleibt für Regelungen der Landesgesetzgeber kein Raum: Wie gesehen, bewegt sich der Rahmen für legale Sterbehilfe innerhalb des GG, des StGB und der Regelungen der §§ 1901a ff. BGB, also innerhalb von Bundesgesetzen. Da sich der Bundesgesetzgeber damit dieser Materie angenommen hat, ist auch davon auszugehen, dass er sie abschließend im Sinne von Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG geregelt hat. Für landesrechtliche gesonderte Strafvorschriften bleibt damit kein Raum mehr. Entsprechendes gilt für das Vereinsrecht, Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 3 GG. Soweit es um die landesrechtlichen Regelungen zum Standesrecht geht, ist festzuhalten, dass den Ländern die Gesetzgebungskompetenz nur insoweit zusteht, als es um Berufsausübungsregelungen geht; ihre Gesetzgebungskompetenz ergibt sich insoweit aus Art. 70 GG48. Wie bereits angemerkt , erscheint das Verbot ärztlicher Beihilfe zum Suizid, wie es in § 16 (Muster-)Berufsordnung verankert ist und von einigen Landesärztekammern übernommen wurde, gleich unter mehrerlei Gesichtspunkten problematisch: Die Regelung beschneidet Grundrechte von Ärzten und Patienten und geht damit über eine bloße Berufsausübungsregelung hinaus. Damit liegt nahe, dass ein solches Verbot die Kompetenzen überschreitet, die den Ländern zur Regelung der Berufsausübung zustehen. Die Regelung erfolgt jeweils nur in Satzungen. Da diese Grundrechte von Ärzten und Patienten einschränken, ist zweifelhaft, ob sie den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie genügen. Es ist daher nicht ersichtlich, wie aufgrund von Landesrecht die organisierte Beihilfe zur Sterbehilfe mit einem Ausnahmetatbestand für Ärzte geregelt werden könnte. Sie liegt außerhalb der Kompetenzen der Bundesländer. 6. Zusammenfassung In der vorliegenden Ausarbeitung sollte geklärt werden, ob es außerhalb des Strafrechts geeignete Standorte gibt, die organisierte Beihilfe zum Suizid zu verbieten, für Ärzte allerdings einen Ausnahmetatbestand zu schaffen. Die Ausführungen haben Folgendes ergeben: Bei dem Verbot der organisierten Beihilfe an sich handelt es sich um eine öffentlichrechtliche Norm. Deshalb ist es ratsam, die entsprechende Regelung in einem öffentlich- 48 Wollersheim, in: Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2. Auflage 2013, Rn. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 225/14 Seite 19 rechtlichen Gesetz, wie zum Beispiel dem StGB, zu verankern. Eine Regelung des Verbots im Strafrecht bietet sich auch insoweit an, weil dann gegen Vereine, die organisierte Beihilfe betreiben wollen, nach den Vorschriften des Vereinsgesetzes vorgegangen werden kann. Ein Standort im Gewerberecht ist schon deshalb weniger geeignet, weil die Ausnahmeregelung für Ärzte dort nicht aufgenommen werden könnte. Denn Ärzte üben einen freien Beruf aus und fallen damit nicht unter das Gewerberecht. Die Ausnahmeregelung für den ärztlich assistierten Suizid in den §§ 1901a ff. BGB anzusiedeln , erscheint problematisch. Denn die §§ 1901a BGB sind darauf zugeschnitten, dass jemand für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit entsprechende Vorsorge trifft. Bei dem Sterbewilligen, der bei seinem Arzt um Beihilfe zu seiner Selbsttötung nachfragt, muss es sich um einen Einwilligungsfähigen handeln, weil ansonsten von einer straflosen Beihilfe keine Rede mehr sein kann. Denn straflose Beihilfe setzt voraus, dass der Sterbewillige bis zum Schluss die Tatherrschaft innehat. Die Tat beherrschen kann aber nur ein Einwilligungsfähiger. Zweifelhaft ist, ob es überhaupt einer Ausnahmeregelung für Ärzte bedarf, da die Beihilfe zum Suizid – auch für Ärzte – keine Bestrafung nach den §§ 211 ff. StGB nach sich zieht.