© 2014 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 222/14 Konkurrierende Nutzung des Salzstock Gorleben Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 222/14 Seite 2 Konkurrierende Nutzung des Salzstock Gorleben Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 222/14 Abschluss der Arbeit: 17. Oktober 2014 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 222/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtsrahmen 4 3. Sicherung des Status quo 5 4. Bestehender Erkundungsstandort 6 5. Fazit 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 222/14 Seite 4 1. Einleitung Der Salzstock Gorleben (bestehender Erkundungsstandort) und dessen gegenwärtige und künftige Nutzung ist nach wie vor Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung. Dieser bestehende Erkundungsstandort ist auch Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Klagen.1 Befürchtet wird, dass diesem Standort nach wie vor gegenüber anderen möglichen Endlagerstätten eine erhöhte Priorität beigemessen wird. Daneben waren auch bereits anderweitige künftige (Nach-) Nutzungen dieses Erkundungsstandortes in der Diskussion.2 Vor diesem Hintergrund soll der Frage nachgegangen werden, ob der Salzstock Gorleben rechtlich gegen eine konkurrierende bzw. anderweitige Nutzung abschließend gesichert ist. Hierzu wird zunächst der Rechtsrahmen vorgestellt, in dem sich der Salzstock Gorleben befindet (Ziffer 2.). Daraus ergeben sich dann Schlussfolgerungen für eine mögliche (Nach-) Nutzung des Salzstocks. Nach seinen Verfahrensgrundsätzen erteilen die Wissenschaftlichen Dienste keine Rechtsberatung im Einzelfall. Die nachfolgenden Ausführungen stellen daher summarisch und abstrakt-generell die derzeitige Rechtslage zur möglichen Nutzung des Salzstocks vor. 2. Rechtsrahmen Nachdem durch das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes3 ein nationaler Konsens über die Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität erzielt wurde und ein festes Enddatum hierfür eingeführt wurde, soll auch die Suche nach einer Lösung für die sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle im nationalen Konsens zwischen Bund und Ländern erfolgen. Nach § 9a Abs. 3 Satz 1 des Atomgesetzes (AtG)4 hat der Bund Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten. Für die Einrichtung eines Endlagers für insbe- 1 Vgl. hierzu Cornelia Deppe-Burghardt, Auf Standby als Atommüll-Endlager, unter Hinweis auf ein von Greenpeace in Auftrag gegebenes Kurzgutachten sowie eine Klageschrift vom 30.01.2014, abrufbar im Internet (Stand: 09.10.2014): https://www.greenpeace.de/themen/energiewende-atomkraft/atommuell/auf-standby-als-atommuellendlager . Vgl. auch Ulrich Wollenstreit, Gorleben und kein Ende, ZUR 2014, S. 323 – 329. 2 Vgl. bspw. Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V., Pressemitteilung vom 01.04.2011, abrufbar unter (Stand: 09.10.2014): http://www.bi-luechow-dannenberg.de/?m=20110401. Veröffentlichungen der Salinas Salzgut GmbH, abrufbar unter (Stand: 13.10.2014): http://salinas.de/main2.html?http://salinas .de/ziele/presseinfo/index.html. 3 Vom 31.07.2011 (BGBl. I S. 1704). 4 Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.07.1985 (BGBl. I S. 1565), zuletzt geändert durch Art. 5 Fünftes Gesetz zur Änderung des StVG und anderer Gesetze vom 28.08.2013 (BGBl. I S. 3313). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 222/14 Seite 5 sondere Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle ist ein Standortauswahlverfahren mit umfassender Erkundung und Untersuchung durchzuführen. Die Standortentscheidung soll danach durch den Gesetzgeber zur Voraussetzung für die Durchführung des anschließenden Zulassungsverfahrens gemacht werden.5 Mit dem Standortauswahlgesetz (StandAG)6 werden die einzelnen Verfahrensschritte für die ergebnisoffene Suche und Auswahl eines Standortes für den sicheren Verbleib der radioaktiven Abfälle festgelegt. Ziel dieses Standortauswahlverfahrens ist es - in einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren für die im Inland verursachten hoch radioaktiven Abfälle - den Standort für eine Einlagerung in der Bundesrepublik Deutschland zu finden, „der die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahre gewährleistet“ (vgl. § 1 Abs. 1 Stand AG). Ein derartiges Standortauswahlverfahren endet mit einer abschließenden gesetzlichen Standortentscheidung . Das StandAG enthält in seinen Schlussvorschriften den § 29, der sich speziell mit dem Salzstock Gorleben als bestehender Erkundungsstandort befasst. 3. Sicherung des Status quo Bereits vor dem Inkrafttreten des StandAG wurde zur Sicherung der Standorterkundung für eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle im Bereich des Salzstocks Gorleben ein Planungsgebiet nach der sogenannten Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung (Gorleben VSpV) vom 25. Juli 20057 festgelegt. In diesem Planungsgebiet dürfen in den näher festgelegten Gebieten die Standorterkundung erheblich erschwerende Veränderungen nicht vorgenommen werden. Es wird vermutet, dass Veränderungen des Untergrunds unterhalb näher festgelegten Tiefen die Standorterkundung erheblich erschweren. Die Gorleben-VSpV, die am 17. August 2015 regulär ausläuft, ist ebenso wie ein Planfeststellungsantrag aus dem Jahre 1977 und der Rahmenbetriebsplan Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Auseinandersetzungen.8 Zwischenzeitlich hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) einen neuen Hauptbetriebsplan für das Bergwerk Gorleben vorgelegt. Damit wird ein zentraler Bestandteil der Verständigung zu Gorleben zwischen dem Bundesumweltministerium, dem niedersächsischen Umweltministerium und dem BfS vom 29. Juli 2014 umgesetzt. 5 BT-Drucks. 13471, S. 1. 6 Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG) vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2553). Das StandAG wurde als Art. 1 eines Gesetzes vom 23.07.2013 beschlossen. Es ist nach dessen Art. 6 Abs. 2 am 01.01.2014 in Kraft getreten. Die §§ 3 bis 5 StandAG und die §§ 21 bis 30 StandAG sind nach Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes vom 23.07.2013 bereits am 27.07.2013 in Kraft getreten. 7 Verordnung zur Festlegung einer Veränderungssperre zur Sicherung der Standorterkundung für eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle im Bereich des Salzstocks Gorleben (Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung - Gorleben VSpV) vom 25.07.2005 (BAnz. 2005 Nr. 153 S. 12385 ). 8 Vgl. hierzu Wollenteit, oben Fn. 1, ZUR 2014, S. 323 (324). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 222/14 Seite 6 Zuvor war bereits der aus dem Jahr 1983 stammende Rahmenbetriebsplan aufgehoben worden. Das atomrechtliche Planfeststellungsverfahren ist mit Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes obsolet geworden und vom Bundesumweltministerium und dem Land Niedersachsen für erledigt erklärt worden. Mit den im neuen Hauptbetriebsplan vorgesehenen Arbeiten soll das Bergwerk Gorleben in den langfristigen Offenhaltungsbetrieb überführt werden. Im Offenhaltungsbetrieb werden beispielsweise lediglich zwei Schächte sowie die aus bergbaulichen Anforderungen notwendigen Teile des Infrastrukturbereiches für Frischluft und Fluchtwege weiterbetrieben. Hierzu gehört eine begehbare Verbindung zwischen den Schächten. Die Sicherungsanlagen werden auf den Stand einer normalen industriellen Anlage zurückgebaut. Selbst Besucherbefahrungen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit in das Bergwerk werden nicht mehr durchgeführt. Hintergrund für diese Maßnahmen ist insbesondere § 29 des StandAG. Nach dieser Vorschrift sind die Erkundungsarbeiten in Gorleben zu beenden. Zugleich wurde die Offenhaltung des Bergwerks festgelegt, die jetzt in dem neuen Hauptbetriebsplan näher definiert wird.9 4. Bestehender Erkundungsstandort Vor diesem Hintergrund erübrigt sich weitgehend die Frage, ob insbesondere durch die Regelung des § 29 Abs. 2 Satz 3 StandAG gewährleistet ist, dass der bestehende Erkundungsstandort Gorleben gegen eine „konkurrierende“ oder anderweitige Nutzung abschließend gesichert ist. Diese Regelung hat folgenden Wortlaut: „Das Erkundungsbergwerk wird bis zu der Standortentscheidung nach dem Standortauswahlgesetz unter Gewährleistung aller rechtlichen Erfordernisse und der notwendigen Erhaltungsarbeiten offen gehalten, sofern der Salzstock Gorleben nicht nach Absatz 1 aus dem Verfahren ausgeschlossen wurde.“ § 29 StandAG hat inhaltlich im parlamentarischen Beratungsverfahren nur eine geringfügige Änderung 10 erfahren, so dass auf die amtliche Begründung dieser Vorschrift im Gesetzentwurf zurückgegriffen werden kann: „Das Erkundungsbergwerk wird solange unter Gewährung aller rechtlichen Erfordernisse (z. B. Verlängerung der Gorleben-Veränderungssperre) und der notwendigen tatsächlichen 9 Vgl. hierzu im Einzelnen die gemeinsame Pressemitteilung vom 29.09.2014 des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMU) und des Niedersächsischen Umweltministeriums, Betrieb im Schacht Gorleben wird auf ein Minimum reduziert, abrufbar unter (Stand: 10.10.2014) : http://www.bfs.de/de/bfs/presse/pr14/pm07.html/printversion. Vgl. auch BfS, Bergwerk Gorleben - Varianten für einen Offenhaltungsbetrieb des Bergwerks, v. 16.04.2014, abrufbar unter ( Stand. 10.10.2014): http://www.bfs.de/de/endlager/gorleben/varianten.pdf. 10 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 17/14811, S. 7. Der bisherige § 21 wurde § 29 und der ursprüngliche Abs. 3 Satz 2 wurde aufgehoben. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 222/14 Seite 7 Erhaltungsarbeiten offen gehalten, wie der Standort Gorleben nicht nach dem Standortauswahlgesetz (siehe Absatz 1 Satz 5) ausgeschlossen wurde (Satz 3). Mit dem Offenhaltungsbetrieb des Erkundungsbergwerks wird die Verpflichtung, den Standort Gorleben in das Standortauswahlverfahren einzubeziehen, tatsächlich und rechtlich gewährleistet. Sicherheitsgerichtete Maßnahmen zur Offenhaltung sind jederzeit möglich. Die Offenhaltung erfolgt aber konsequenterweise nur so lange, wie sich der Standort Gorleben noch im Auswahlverfahren befindet. Der Betrieb eines Salzlabors, insbesondere zur standortunabhängigen Forschung zum Medium Salz als Wirtsgestein, ist ab dem Zeitpunkt nach Satz 1 unzulässig .“11 Hieraus ergibt sich zunächst, dass § 29 Abs. 2 Satz 3 StandAG nur dann Anwendung finden kann, wenn sich der Salzstock Gorleben in einem Standortauswahlverfahren befindet. Das Standortauswahlverfahren gliedert sich in verschiedene Verfahrensschritte (vgl. §§ 12 – 19 StandAG) und endet mit einer Standortentscheidung (§ 20 StandAG). In tatsächlicher Hinsicht war die bergmännische Erkundung des Salzstockes Gorleben mit Inkrafttreten des StandAG zu beenden (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 1 StandAG). Maßnahmen, die der Sicherung des Bergwerks dienen, sind zwar jederzeit möglich. Weitere bergmännische Erkundungen dürfen aber nur in den engen Grenzen des StandAG durchgeführt werden und müssen der Standortauswahl dienen (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 2 StandAG). Sie dürfen nur durchgeführt werden, „wenn im jeweiligen Verfahrensschritt des Standortauswahlverfahrens im Rahmen einer Abweichungsanalyse festgestellt werden sollte, dass basierend auf den dann geltenden Anforderungen und Kriterien noch Erkenntnisse für die zu treffenden Entscheidungen gewonnen werden müssen “.12 Der Anwendungsbereich des § 29 Abs. 2 Satz 3 StandAG endet, wenn der Salzstock Gorleben vom Standortauswahlverfahren ausgeschlossen wird. Die Ausschließungsgründe sind im Stand AG wohl abschließend enumerativ aufgeführt (vgl. § 29 Abs. 1 letzter Satz StandAG). Hiernach erfolgt der Ausschluss aus dem Standortauswahlverfahren, wenn der Salzstock Gorleben (1) nicht zu den nach § 13 StandAG ermittelten Regionen gehört, (2) nicht zu den nach § 14 StandAG festgelegten übertätig zu erkundenden Standorten gehört, (3) nicht zu den nach § 17 festgelegten untertätgig zu erkundenden Standorten gehört oder (4) nicht der Standort nach § 20 StandAG ist. Bei einem Ausschluss aus dem Standortauswahlverfahren bzw. einer Standortentscheidung für oder gegen den Salzstock Gorleben endet mithin der Anwendungsbereich des § 29 Abs. 2 Satz 3 StandAG. 11 BT-Drucks. 17/13471, S. 30. 12 BT-Drucks. 17/13471, S. 30. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 222/14 Seite 8 5. Fazit Der bestehende Erkundungsstandort Gorleben ist gegen eine konkurrierende oder anderweitige Nutzung gesichert, solange er sich im Standortauswahlverfahren befindet.13 Mit dem StandAG wurden die Erkundungsarbeiten in Gorleben beendet. Zugleich wurde die Offenhaltung des Bergwerks festgelegt, die in dem neuen Hauptbetriebsplan näher definiert wird. Nur dieser so definierte Offenhaltungsbetrieb stellt mithin eine zulässige Nutzung des Salzstocks Gorleben dar. 13 So auch BMU und BfS, oben Fn. 9.