WD 7 - 3000 – 219/18 (27. September 2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Aktuellen Medienberichten zufolge sollen für mobile Endgeräte bestimmte Apps angeboten werden , mittels welcher Privatpersonen andere Personen direkt bei der Polizeibehörde eines ausländischen Staates melden können. Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen von dieser Möglichkeit Gebrauch machende Personen sich hiermit ihrerseits nach deutschem Recht gemäß § 241a StGB (Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 [BGBl. I S. 3322], das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 [BGBl. I S. 3618] geändert worden ist) strafbar machen könnten. Der Tatbestandswortlaut Gemäß § 241a Absatz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft , „wer einen anderen durch eine Anzeige oder eine Verdächtigung der Gefahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkürmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden“. Gemäß § 241a Absatz 2 StGB, wird ebenso bestraft, „wer eine Mitteilung über einen anderen macht oder übermittelt und ihn dadurch der in Absatz 1 bezeichneten Gefahr einer politischen Verfolgung aussetzt.“ Der Versuch ist ebenfalls strafbar (§ 241a Absatz 3 StGB). Wird in der Anzeige, Verdächtigung oder Mitteilung gegen den anderen eine unwahre Behauptung aufgestellt oder ist die Tat in der Absicht begangen, eine der in § 241a Absatz 1 StGB bezeichneten Folgen herbeizuführen, oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so kann gemäß § 241a Absatz 4 StGB auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren erkannt werden. Historischer Hintergrund Der Straftatbestand der politischen Verdächtigung wurde durch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit im Jahr 1951 vor dem Hintergrund von Verschleppungen in den kommunistischen Machtbereich in das Strafgesetzbuch eingefügt (Sinn, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Rn. 3). Eine Besonderheit des Tatbestands ist, dass er bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auch inhaltlich wahre Anzeigen bzw. Mitteilungen unter Strafe stellt (Koch, NJW 2005, 943, 944), da entscheidend ist, dass wegen des Adressaten eine Verfolgung aus politischen Gründen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen droht. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Der Straftatbestand des § 241a StGB – Politische Verdächtigung Kurzinformation Der Straftatbestand des § 241a StGB – Politische Verdächtigung Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Die einzelnen Tatbestandsmerkmale Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen vollendeter politischer Verdächtigung nach § 241a StGB ist, dass das Opfer in die konkrete Gefahr politischer Verfolgung gebracht wird (Sinn, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Rn. 7). Dies ist nicht schon deshalb ausgeschlossen , weil sich das Opfer noch im Inland befindet; bei Opfern im Inland ist vielmehr darauf abzustellen, ob sie bei Betreten des fraglichen ausländischen Gebiets der Verfolgung ausgesetzt wären (Sinn, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Rn. 7). Für die Verwirklichung des § 241a StGB ist es dabei unerheblich, ob die Gefahr der Verfolgung sich tatsächlich realisiert – und unerheblich ist auch, ob die gemachten Angaben richtig oder falsch sind, da in beiden Fällen die Gefahr politischer Verfolgung bestehen kann (Toepel, in: Kindhäuser /Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, Rn. 10; Sinn, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Rn. 4, 7). Es genügen Mitteilungen jeder Art, zum Beispiel über den Aufenthaltsort, sofern der andere dadurch der Verfolgung ausgesetzt wird (Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, Rn. 2). Unerheblich ist, ob sich der Adressat – sei es eine Einzelperson, sei es eine amtliche Stelle – im In- oder Ausland befindet (Eser/Eisele , in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, Rn. 3). Entscheidend ist, dass dem Opfer „politische Verfolgung“ droht: „Politisch ist jede Verfolgung, die entweder durch kein Gesetz erlaubt ist oder deren Rechtsgrundlage rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspricht. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich vor allem dann, wenn das Gesetz formal kriminelles Unrecht beschreibt, die Bestrafung aber politisch motiviert ist. Von politischer Verfolgung ist in solchen Fällen dann auszugehen, wenn die Straftatbestände dem Erhalt des totalitären Regimes zu dienen bestimmt sind und der diese Normen Übertretende deshalb als politischer Gegner angesehen wird. Schwierigkeiten ergeben sich dann weiter, wenn die Straftat auch in einem Rechtsstaat verfolgt wird, wie dies bei der Spionage der Fall ist. Der BGH (Bundesgerichtshof, Anm. d. Verf.) nahm eine politische Verdächtigung auch in den Fällen wahrheitsgemäßer Angaben über die Spionage gegen einen totalitären Staat an, weil eine ‚politische Deutung und Auswertung‘ möglich sei.“ (Sinn, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Rn. 8) „Die drohenden Verfolgungsmaßnahmen müssen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen stehen und sich als Gewaltoder Willkürmaßnahmen erweisen. Das ist immer dann der Fall, wenn die Verfolgung in grober Art und Weise gegen die Menschenrechte verstößt. Indiz dafür kann sein, wenn eine Rechtsgrundlage fehlt, Verfahrensrechte willkürlich beschnitten werden, der Anlass der Verfolgung gering ist oder die Verhältnismäßigkeit von Anlass und Sanktion nicht gewahrt wird. Die Verfolgung muss jedoch stets politisch motiviert sein und die Kennzeichnung als Gewalt- oder Willkürmaßnahme verdienen.“ (Sinn, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Rn. 9) Vom Schutzbereich des § 241a StGB erfasst sind bei einer Tatbegehung im Inland sowohl In- als auch Ausländer (Sinn, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Rn. 1). Gemäß § 5 Absatz 1 Nr. 6 lit. a 2. Alt. StGB ist § 241a StGB unabhängig vom Recht des Tatorts auch auf im Ausland begangene Taten dann anwendbar, wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat Deutsche ist und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Fazit Ob sich Personen, indem sie von Deutschland aus durch Meldungen über eingangs beschriebene Apps andere Personen melden, nach § 241a StGB strafbar machen, kann nur im jeweiligen Einzelfall unter Einbeziehung jeglicher Umstände des konkreten Sachverhalts beurteilt werden. Wollen Personen dieses Strafbarkeitsrisiko von vornherein vermeiden, besteht die Möglichkeit, et- Kurzinformation Der Straftatbestand des § 241a StGB – Politische Verdächtigung Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 waig in ihren Augen strafbares oder Gefahrenpotentiel bergendes Verhalten Dritter bei den zuständigen Behörden im Inland anzuzeigen, da deutsche Behörden nach herrschender Meinung nicht unter § 241a StGB fallen (Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, Rn. 3; Koch, NJW 2005, 943, 944). * * *