Vereinbarkeit des Ortsansässigkeiterfordernisses im Ausgleichsleistungsgesetz mit Europarecht - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 219/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Vereinbarkeit des Ortsansässigkeitserfordernisses im Ausgleichsleistungsgesetz mit Europarecht Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 219/08 Abschluss der Arbeit: 25.11.2008 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Das Ausgleichsleistungsgesetz dient der Regelung offener Vermögensfragen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Es ermöglicht unter anderem für bestimmte Personengruppen einen begünstigten Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Flächen in den neuen Bundesländern. Voraussetzung hierfür ist die Ortsansässigkeit des Erwerbers. Vor dem Hintergrund aktueller Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs untersucht die vorliegende Arbeit, ob das Erfordernis der Ortsansässigkeit als Voraussetzung für den begünstigten Flächenerwerb mit Europarecht vereinbar ist. Hierbei wird zunächst ein Überblick über Hintergrund, Inhalt und Ziel des Ausgleichsleistungsgesetzes gegeben. Anschließend werden sowohl der Inhalt des hier einschlägigen § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes, die durch diese Regelung betroffenen Personenkreise sowie die Voraussetzungen des begünstigten Flächenerwerbs dargestellt. Weiterhin werden die geplanten Änderungen des Ortsansässigkeitserfordernisses durch das Flächenerwerbsänderungsgesetz aufgezeigt. Der folgende Teil der Arbeit gibt einen Überblick über die relevante Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich der Erwerbsvoraussetzungen für landwirtschaftliche Flächen und erläutert das Urteil des Bundesgerichtshofs zu § 3 Abs. 2 Satz 3 Ausgleichsleistungsgesetz vom 4. Mai 2007. Anschließend erfolgt eine Bewertung des Ortsansässigkeitserfordernisses gemäß § 3 Abs. 2 Ausgleichsleistungsgesetzes anhand der vorgenannten Entscheidungen. Hierbei werden insbesondere auch zwei Entscheidungen der Europäischen Kommission zur Vereinbarkeit des § 3 Ausgleichsleistungsgesetz mit dem europäischen Beihilferecht berücksichtigt. Im Ergebnis bleibt daher die Frage der Vereinbarkeit des Ortsansässigkeitserfordernisses als Voraussetzung für den begünstigten Flächenerwerb mit Europarecht derzeit offen . Inwieweit der Europäische Gerichtshof die Erforderlichkeit des Ortsansässigkeitsmerkmals im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung angesichts der Sondersituation der Überwindung der Teilung Deutschlands anerkennen würde ist nicht vorauszusehen . Inhalt 1. Einleitung 4 2. Inhalt des Ausgleichsleistungsgesetzes 4 3. Die Regelung des § 3 AusglLeistG 5 4. Voraussetzungen des Flächenerwerbs gemäß § 3 AusglLeistG 7 4.1. Persönlicher Anwendungsbereich / Flächenerwerb durch Pächter 7 4.2. Ortsansässigkeit 9 4.3. Wegfall der Stichtagsregelung 10 5. Geplante Änderungen des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsverordnung 12 6. Neuere Rechtsprechung des EuGH zur Ortsansässigkeit beim Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen 13 6.1. Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG 14 6.2. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch Ortsansässigkeiterfordernis 14 6.3. Voraussetzungen der Rechtfertigung eines Eingriffs in die Kapitalverkehrsfreiheit 15 7. Vereinbarkeit des Ortsansässigkeitserfordernisses gemäß § 3 AusglLeistG mit Europarecht 17 7.1. Urteil des BGH vom 04.05.2007 17 7.2. Auffassung der Bundesregierung 19 7.3. Auffassung der Europäischen Kommission 20 7.4. Literatur 21 7.5. Bewertung 22 7.6. Zusammenfassung 26 - 4 - 1. Einleitung Das Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG)1 dient der Regelung offener Vermögensfragen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Es ermöglicht unter anderem für bestimmte Personengruppen einen begünstigten Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Flächen im Beitrittsgebiet. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 3 Abs. 2 AusglLeistG i.V.m. § 2 Abs. 2 der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV)2 die Ortsansässigkeit des Erwerbers . Das Kriterium der Ortsansässigkeit ist bereits seit Jahren sehr umstritten. Vor dem Hintergrund aktueller Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2007 untersucht die vorliegende Arbeit, ob das Erfordernis der Ortsansässigkeit als Voraussetzung für den begünstigten Flächenerwerb mit Europarecht vereinbar ist. 2. Inhalt des Ausgleichsleistungsgesetzes Das Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) trat als Art. 2 des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG)3 am 1. Dezember 1994 in Kraft. Nach den grundlegenden Vorgaben für die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse im Beitrittsgebiet durch den Einigungsvertrag und das Vermögensgesetz4 betraf das als Artikelgesetz formulierte EALG die Frage der Art und Höhe der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen für den Verlust von Vermögenswerten, bei denen eine Rückgabe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in Betracht kam.5 1 Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz – AusglLeistG) vom 27.09.1994 (BGBl. I S. 2624), neugefasst durch Bekanntmachung vom 13.07.2004 (BGBl. I S. 1665), geändert durch Art. 4 Gesetz vom 22.09.2005 (BGBl. I S. 2809). 2 Verordnung über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen, das Verfahren sowie den Beirat nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (Flächenerwerbsverordnung - FlErwV) vom 20.12.1995, BGBl. I S. 2072, zuletzt geändert durch Art. 538 der Verordnung vom 31.10.2006, BGBl. I S. 2407. 3 Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz – EALG), vom 27.09.1994 (BGBl. I S. 2624). 4 Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG), gültig ab 03.10.1990, neugefasst am 09.02.2005 (BGBl. I S. 205), zuletzt geändert durch Artikel 78 Abs. 14 des Gesetzes vom 23. 11. 2007 (mit Wirkung vom 30.11.2007, BGBl. I S. 2614). 5 Pechstein / Damm, EG-Beihilfeverbot und Flächenerwerbsprogramm des § 3 AusglLeistG, EWS 1996, 333. - 5 - Das AusglLeistG regelt die Wiedergutmachung von Vermögensverlusten, die auf entschädigungslose Enteignungen zurückgehen, die zwischen 1945 und 1949 in der sowjetischen Besatzungszone auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage vorgenommen wurden. Diese Enteignungen waren gemäß Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen beider deutschen Staaten6 vom 15. Juni 1990 und deren Umsetzung durch Art. 41 Abs. 1 Einigungsvertrag als rechtsbeständig anerkannt und von jeglichen Restitutionsansprüchen ausgenommen worden. Dieser Restitutionsausschluss wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit der Begründung bestätigt, die Bundesrepublik Deutschland treffe keine Wiedergutmachungspflicht für Unrecht fremder Staatsgewalt.7 Gleichwohl sei nach der Wertordnung des Grundgesetzes ein Härteausgleich für Besatzungs- und Reparationsschäden geboten, bei deren Ausgestaltung aber dem Gesetzgeber ein erheblicher Ermessensspielraum zukomme.8 Das Ausgl- LeistG sieht in § 1 Abs. 1 Satz 1 dementsprechend eine solche Kompensationsregelung vor. § 2 Abs. 1 AusglLeistG bestimmt im Grundsatz, dass die Berechtigten eine aus einem Entschädigungsfonds zu erbringende Ausgleichsleistung in Geld erhalten. Insoweit und wegen der Einzelheiten der Berechnung verweist das Gesetz auf die §§ 1 bis 9 Entschädigungsgesetz (EntschG).9 3. Die Regelung des § 3 AusglLeistG § 3 AusglLeistG betrifft die Privatisierung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen durch begünstigten Flächenerwerb. Er ermöglicht es bestimmten Erwerbergruppen, land- und forstwirtschaftliche Flächen zu deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen zu kaufen.10 Zu den begünstigten Erwerbern gehören vorrangig u.a. die derzeitigen Pächter, LPG-Nachfolgebetriebe, zwischen 1945 und 1949 oder zu DDR-Zeiten enteignete und mittlerweile wieder wirtschaftende sog. Wiedereinrichter sowie als Neueinrichter bezeichnete Pächter ohne vormaligen Grundbesitz 6 BGBl. II S. 1237. 7 Vgl. BVerfGE 84, 90 (122 f.,128 ff.); Pechstein / Damm, EG-Beihilfeverbot und Flächenerwerbsprogramm des § 3 AusglLeistG, EWS 1996, 333 f. 8 BVerfGE 84, 90 (128 f.). 9 Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz – EntschG) gültig ab 01.12.1994, neugefasst durch Bekanntmachung vom 13.07.2004 (BGBl. I S. 1658), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetz zur Modernisierung des Schuldenwesens des Bundes vom 12.07.2006 (BGBl. I S. 1466). 10 Der Umfang der gegenüber dem Verkehrswert deutlich vergünstigten Wertansätze ergibt sich aus § 3 Abs. 7 AusglLeistG. - 6 - im Gebiet der neuen Länder (§ 3 Abs. 2 AusglLeistG).11 Nachrangig erwerbsberechtigt sind die vor 1949 enteigneten und nicht restitutionsberechtigten Alteigentümer, die nicht wieder vor Ort tätig sind. Letztere sollen jedoch nur diejenigen Flächen erwerben können, die von den vorrangig Berechtigten nicht gekauft werden (§ 3 Abs. 5 Ausgl- LeistG). Die Einzelheiten des Erwerbs und des Verfahrens sind in der FlErwV geregelt. Innerhalb des § 3 AusglLeistG sind somit grundsätzlich zwei unterschiedliche Regelungskreise bzw. begünstigte Personengruppen zu unterscheiden12: Hinsichtlich der Alteigentümer, d.h. des Personenkreises, der durch entschädigungslose Enteignungen Grundbesitz im Bereich der Land- und Forstwirtschaft verloren hat, bietet § 3 AusglLeistG im Rahmen der nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG bestehenden Ausgleichsleistungsansprüche die Möglichkeit einer Sachentschädigung. Die Entschädigung wird allerdings nicht durch Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Ausgleich in Land gewährt, sondern durch die Einräumung der Möglichkeit zum vergünstigten Ankauf von landwirtschaftlichen Flächen. Vorrangig13 gewährt § 3 Abs. 2, 4 AusglLeistG aber denjenigen natürlichen oder juristischen Personen ein Recht zum vergünstigten Ankauf von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, die diese als sog. Wiedereinrichter oder Neueinrichter gegenwärtig im Besitz haben. Wiedereinrichter sind Landwirte, die früher in der Landwirtschaft selbständig tätig waren und ihren früheren Betrieb wieder eingerichtet haben, wobei nicht erforderlich ist, dass der Betrieb auf denselben Flächen eingerichtet wird, die dem Berechtigten oder seinen Rechtsvorgängern früher gehört haben. Neueinrichter sind Pächter im Sinne des § 3 Abs. 1 AusglLeistG, die früher nie als selbständige Landwirte tätig waren, nun aber auf einer gepachteten Fläche einen landwirtschaftlichen Betrieb selbständig führen.14 Zu dieser Erwerbergruppe gehören insbesondere auch die Nach- 11 Vgl. detailliert zum Berechtigtenkreis des § 3 Abs. 2 AusglLeistG Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 70. 12 Vgl. Wasmuth, Gilt das Ortsansässigkeitsprinzip des Flächenerwerbsprogramms auch für Kompensationsfälle i. S. von § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG, ZOV 2008, S. 17; Pechstein / Damm, EG- Beihilfeverbot und Flächenerwerbsprogramm des § 3 AusglLeistG, EWS 1996, 333, 334. 13 Problematisch ist, ob dieser Vorrang auch im Rahmen der zusätzlichen Erwerbsmöglichkeit gemäß § 3 Abs. 9 AusglLeistG für Flächen, die zum 01.01.2004 noch nicht privatisiert waren, gilt. Vgl. hierzu Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 180; a.A. Zimmermann in Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR –RVI–, Band II, Stand August 2008, § 3 AusglLeistG, Rn. 114. 14 Vgl. zu Definitionen sowie zu den jeweils umfassten Personenkreisen Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 71 ff; Zimmermann in Rechtshand- - 7 - folgebetriebe ehemaliger LPG. § 3 AusglLeistG enthält damit nicht nur Rückerwerbsmöglichkeiten für Ausgleichsleistungsberechtigte. Er ermöglicht vielmehr auch den Flächenerwerb für Personengruppen, die ansonsten nicht zu den Zielgruppen des Ausgl LeistG und auch nicht der übrigen Artikel des EALG gehören.15 Mit den Regelungen zum begünstigten Flächenerwerb wollte der Gesetzgeber zwei Zwecke erreichen: einerseits ein Wiedergutmachungsprogramm für Alteigentümer im Bereich der Land- und Forstwirtschaft und andererseits ein Förderprogramm zum Aufbau der privatnützigen Land- und Forstwirtschaft in den neuen Ländern.16 Dabei sollte mit der Regelung des § 3 AusglLeistG ein Ausgleich zwischen den Interessen der Opfer entschädigungsloser Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 und den Interessen der derzeitigen Nutzer am Erwerb dieser Flächen geschaffen werden.17 Ungeachtet der Möglichkeit zum begünstigten Flächenerwerb nach § 3 AusglLeistG besteht die Möglichkeit, Eigentum im Wege des freihändigen Kaufs nach den Regeln des Marktes zum Verkehrswert zu erwerben. Die Empfänger von Entschädigungs - oder Ausgleichsleistungen können dieses Kapital etwa zur Finanzierung eines solchen Kaufs einsetzen.18 4. Voraussetzungen des Flächenerwerbs gemäß § 3 AusglLeistG 4.1. Persönlicher Anwendungsbereich / Flächenerwerb durch Pächter § 3 Abs. 2 und 3 AusglLeistG regeln den Flächenerwerb durch Pächter. Diese müssen gemäß § 3 Abs. 1 AusglLeistG zum Zeitpunkt des Kaufantrages eine ehemals volkseigene , von der Treuhandanstalt zu privatisierende landwirtschaftliche Fläche langfristig, d.h. gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 FlErwV für mindestens sechs Jahre gepachtet haben.19 buch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR –RVI–, Band II, Stand August 2008, § 3 AusglLeistG, Rn. 38-41. 15 Dies hat historische Gründe. Ursprünglich war eine getrennte Regelung der Erwerbsmöglichkeiten von Ausgleichsleistungsberechtigten (sog. Landerwerb) und von Pächtern, Wieder- und Neueinrichtern (sog. Siedlungskauf) vorgesehen. Zur Entstehungsgeschichte der Norm vgl. Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 9 ff.; Ludden in Kimme, Offene Vermögensfragen, Kommentar, Band III, § 3 AusglLeistG, Rn. 1 ff. 16 BVerfG, 2 BvR 955/00 vom 26.10.2004, Rn. 131. 17 Pechstein / Damm, EG-Beihilfeverbot und Flächenerwerbsprogramm des § 3 AusglLeistG, EWS 1996, S. 333, 334. 18 Vgl. Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 1. 19 Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 62. - 8 - Der persönliche Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 AusglLeistG umfasst natürliche Personen als Wiedereinrichter (Satz 1 Hs. 1, Satz 3) oder Neueinrichter (Satz 1 Hs. 2) sowie juristische Personen (Satz 2) und ihre Gesellschafter (Satz 4), die auf ehemals volkseigenen, nach § 3 Abs. 1 AusglLeistG zu privatisierenden Flächen einen landwirtschaftlichen Betrieb eingerichtet haben und diesen selbst bewirtschaften.20 Wiedereinrichter sind wie bereits ausgeführt Landwirte, die bereits früher in der Landwirtschaft selbständig tätig waren. Dazu zählen Wiedereinrichter mit Restitutionsanspruch (§ 3 Abs. 2 Satz 1)21 sowie Wiedereinrichter ohne Restitutionsanspruch (§ 3 Abs. 2 Satz 3)22. Der Personenkreis der Wiedereinrichter umfasst damit insbesondere auch Alteigentümer, die nun als Pächter Flächen wieder selbständig bewirtschaften. Neueinrichter sind Landwirte, die früher nicht als selbständige Landwirte tätig waren, die aber z.B. als ehemalige Angestellte einer LPG nunmehr einen landwirtschaftlichen Betrieb führen oder einen solchen neu auf gepachteten Flächen im Beitrittsgebiet begründet haben.23 Sowohl Wiedereinrichter als auch Neueinrichter sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG zur Selbstbewirtschaftung der gepachteten Flächen verpflichtet. Das heißt, dass der Erwerber als Unternehmer oder Mitunternehmer im Betrieb tätig und nicht nur kapitalmäßig beteiligt sein muss. Mindestvoraussetzung ist die Übernahme des finanziellen Betriebsrisikos. Der Erwerber muss aber nicht in allen Bereichen der Betriebsführung selbst tätig sein.24 Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG ist sowohl für Wiedereinrichter mit Restitutionsanspruch als auch für Neueinrichter zwingende Voraussetzung für den begünstigten Flächenerwerb, dass der Erwerber ortsansässig ist. Gleiches gilt gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 AusglLeistG auch für die Gesellschafter juristischer Personen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG. Diese juristischen Personen des Privatrechts wiederum sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG selbst zum begünstigten Flächenerwerb berechtigt, wenn 20 Zum Begriff der Selbstbewirtschaftung vgl. § 2 Abs. 1 S. 4 FlErwV. 21 Das sind frühere Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, deren früheres land- und forstwirtschaftliches Vermögen zurückgegeben wurde (§ 3 VermG). Vgl. hierzu ausführlich Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 71; Ludden in Kimme, Offene Vermögensfragen, Kommentar, Band III, § 3 AusglLeistG, Rn. 40 ff. 22 Das sind frühere Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, denen land- und forstwirtschaftliches Vermögen gemäß § 1 Abs. 1, 3, 6, 7 VermG entzogen wurde, die aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keinen Restitutionsanspruch geltend machen können. Vgl. hierzu ausführlich Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 71; Ludden in Kimme, Offene Vermögensfragen, Kommentar, Band III, § 3 AusglLeistG, Rn. 45 f. 23 Vgl. Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 73. - 9 - ihre Anteilswerte zu mehr als 75 Prozent von ortsansässigen natürlichen Personen gehalten werden. Umstritten ist hingegen, ob das Kriterium der Ortsansässigkeit auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG gilt, ob also auch Wiedereinrichter ohne Restitutionsanspruch ortsansässig sein müssen, um vergünstigt landwirtschaftliche Flächen erwerben zu können.25 Insgesamt kommt dem Kriterium der Ortsansässigkeit damit eine sehr große Bedeutung für die Teilnahme am begünstigten Flächenerwerb zu.26 Eine Sonderregelung für Alteigentümer enthält § 3 Abs. 5 AusglLeistG. Danach können frühere Eigentümer ohne durchsetzbare Restitutionsansprüche, die keine berechtigten Pächter nach § 3 Abs. 1 und 2 AusglLeistG sind, solche Flächen nachrangig erwerben, die nicht für einen Erwerb gemäß § 3 Abs. 1 - 4 AusglLeistG in Anspruch genommen werden.27 Diese Sonderregelung erfordert, anders als der Flächenerwerb durch Pächter, keine Ortsansässigkeit. 4.2. Ortsansässigkeit Der Begriff der Ortsansässigkeit wird im AusglLeistG nicht näher erläutert. Die erforderliche Konkretisierung erfolgt in § 2 Abs. 2 FlErwV.28 Danach verlangt Ortsansäs- 24 Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 79. 25 Der Bundesgerichtshof hat am 04.05.2007 (Az.: V ZR 162/06) entschieden, dass auch der Erwerbstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG die Verpflichtung zur Ortsansässigkeit voraussetzt. Kritisch hierzu Wasmuth, Gilt das Ortsansässigkeitsprinzip des Flächenerwerbsprogramms auch für Kompensationsfälle i. S. von § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG, ZOV 2008, S. 17; Vgl. zur Diskussion auch Ludden in Kimme, Offene Vermögensfragen, Kommentar, Band III, § 3 AusglLeistG, Rn. 47 ff. 26 Hinsichtlich des Erwerbs forstwirtschaftlicher Flächen sieht § 3 Abs. 8 lit. a) und lit. b) AusglLeistG ebenfalls das Kriterium der Ortsansässigkeit der begünstigten Erwerber vor. Diese Regelung soll nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18.02.2008 zum Flächenerwerbsänderungsgesetz (BT-Drs. 16/8152) in Zukunft gestrichen werden. Vgl. hierzu Art. 1 des Gesetzentwurfs; zur Begründung vgl. BT-Drs. 16/8152 S. 17. 27 Zu den Voraussetzungen des § 3 Abs. 5 AusglLeistG vgl. Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar , Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG, Rn. 121 ff. 28 Der Begriff der Ortsansässigkeit beim Erwerb von Waldflächen gemäß § 3 Abs. 8 AusglLeistG wird durch § 4 Abs. 2 FlErwV definiert. Danach sind oder werden Personen ortsansässig im Sinne des § 3 Abs. 8 AusglLeistG, wenn ihr Hauptwohnsitz in der Nähe der Betriebsstätte liegt oder im Zusammenhang mit der Wieder-oder Neueinrichtung dorthin verlegt wird. Der Hauptwohnsitz muss spätestens innerhalb von zwei Jahren nach Erwerb der Waldflächen in der Nähe der Betriebsstätte genommen werden und dort für 20 Jahre beibehalten werden. Infolge der geplanten Streichung des § 3 Abs. 8 lit. a) und b) durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18.02.2008 zum Flä- - 10 - sigkeit den Nachweis der Hauptwohnsitznahme in der Nähe des Betriebssitzes bei natürlichen Personen bzw. der Betriebssitzbegründung in der Nähe der Betriebsstätte bei juristischen Personen. Hauptwohnsitz natürlicher Personen ist gemäß § 1 Abs. 3 FlErwV der Lebensmittelpunkt des Berechtigten, bei Verheirateten der Lebensmittelpunkt der Familie.29 Nach § 2 Abs. 2 FlErwV müssen die Berechtigten im Sinne des § 3 Abs. 2 AusglLeistG ihren Hauptwohnsitz oder Betriebssitz bis spätestens zwei Jahre nach Pachtbeginn, jedoch nicht vor dem 30. September 1998 in die Nähe der Betriebsstätte verlegen und dort für die Dauer von 20 Jahren beibehalten.30 Nicht näher bestimmt ist das Merkmal der Nähe zum Betriebssitz bzw. zur Betriebsstätte. In der Literatur wird es als ausreichend angesehen, wenn der Berechtigte den Betrieb in angemessener Zeit erreichen kann. Entfernungen von bis zu 50 km zwischen Wohnsitz und Betriebsstätte erfüllen das Merkmal der Nähe zum Betriebssitz.31 Der Nachweis der Wohnsitznahme in der Nähe des Betriebes erfordert die Vorlage einer Meldebescheinigung . 4.3. Wegfall der Stichtagsregelung Die Regelung des Flächenerwerbs nach dem AusglLeistG und der FlErwV in der vom EALG vorgesehenen Fassung war im Jahr 1998 Gegenstand einer beihilferechtlichen Überprüfung im Rahmen eines Hauptprüfungsverfahrens der Europäischen Kommission gemäß Art. 92 Abs. 3 EGV (jetzt Art. 88 EG).32 Ende 1998 entschied die Kommission , dass der die Regelungen zum Flächenerwerb teilweise mit EG-Recht unvereinbar seien.33 Nach Auffassung der Kommission handelte es sich bei dem Flächenerwerbsprogramm teilweise um eine staatliche Beihilfegewährung, die nach dem EG- Vertrag der Notifizierung bedurfte. Dabei betrachtete die EU nicht alle vom Flächener- chenerwerbsänderungsgesetz (BT-Drs. 16/8152) entfällt zukünftig auch § 4 Abs. 1, 2 FlErwV, vgl. Art. 2 Nr. 4 des Gesetzentwurfs. Vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen an die Ortsansässigkeit gemäß § 4 Abs. 2 FlErwV sowie zur Kritik an dieser Regelung Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 4 FlErwV, Rn. 2 ff. 29 Vgl. zu beabsichtigten Änderungen durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18.02.2008 zum Flächenerwerbsänderungsgesetz (BT-Drs. 16/8152) unten 5. 30 Vgl. hierzu näher Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 2 FlErwV, Rn. 7 ff. 31 Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 1 FlErwV, Rn. 20. Hinsichtlich der Bewirtschaftung von Forstbetrieben wird eine Entfernung von bis zu 100 km noch als betriebsnah qualifiziert, vgl. Hauer a.a.O. 32 Beschluss der EU-Kommission vom 18.03.1998, Schreiben Nr. SG(98) D/2532 vom 30.03.1998. Vgl. hierzu Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 26. 33 Vgl. hierzu ausführlich Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 26-37. - 11 - werbsprogramm erfassten Fälle als beihilferechtlich relevant. Hinsichtlich der Erwerbsberechtigung der Wiedereinrichter handelte es sich lediglich eine Kompensation für erlittene Vermögensverluste, die beihilferechtlich nicht zu beanstanden war. Für Neueinrichter bejahte die Kommission dagegen eine rechtswidrige Beihilfegewährung. Diese Entscheidung machte eine Überarbeitung und beihilferechtliche Notifizierung der Regelungen zum Flächenerwerb notwendig.34 Nach der ursprünglichen Fassung des § 3 AusglLeistG mussten Neueinrichter bereits am 3. Oktober 1990 ortsansässig gewesen sein, um am begünstigten Flächenerwerb teilnehmen zu können. Hierin sah die Kommission einen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot.35 Die Stichtagsregelung wurde daher durch Art. 3 des Vermögensrechtsergänzungsgesetzes (VermRÄndG)36 gestrichen. Die gemäß den Vorgaben der EU-Kommission überarbeiteten Regelungen zum Flächenerwerb traten am 22. September 2000 in novellierter Form in Kraft.37 Außerdem wurde durch Art. 3 VermRÄndG ein weiterer Stichtag in § 3 AusglLeistG gestrichen. Nach der früheren Fassung war Voraussetzung für die Inanspruchnahme des begünstigten Flächenerwerbs, dass Erwerber spätestens am Stichtag 1.Oktober 1996 einen langfristigen Pachtvertrag über die zu erwerbenden Flächen vorweisen konnten. Diese Regelung wurde zwar von der Kommission nicht als diskriminierend beanstandet, gleichwohl aber im Rahmen der Neufassung des AusglLeistG gestrichen.38 Anders als die Stichtagsregelung war das Merkmal der Ortsansässigkeit nach Ansicht der Kommission europarechtlich nicht zu beanstanden. Dementsprechend hat der Gesetzgeber im Rahmen der Änderung des AusglLeistG im Jahre 2000 deutlich gemacht , dass er nach wie vor an der Ortsansässigkeit als Erwerbsvoraussetzung – so wie sie in der FlErwV konkretisiert ist - festhalten will. Die derzeitige Regelung des Ortsan- 34 Vgl. hierzu Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 26-37. 35 Entscheidung der Kommission vom 20.01.1999, K (1999) 42, Abl. L 107/21 vom 24.4.1999. Vgl. hierzu auch ausführlich Entscheidung der Kommission vom 19.01.2000, SG (2000) D 100623, Rn. 25-45. Zum Gegenstand des Hauptprüfungsverfahrens sowie zur Entscheidung der Kommission eingehend Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG, Rn. 26-37. 36 Gesetz zur Änderung und Ergänzung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften (Vermögensrechtsergänzungsgesetz ) vom 15.09.2000, BGBl. I 2000, S. 1382. 37 Vgl. hierzu Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG Rn. 26-37. 38 Zur Begründung vgl. Hauer in Fieberg u.a., VermG, Kommentar, Bd. 2, Stand September 2007, § 3 AusglLeistG, Rn. 60 ff. - 12 - sässigkeitserfordernisses wurde von der Kommission in ihrer Folgeentscheidung aus dem Jahr 2000 ausdrücklich akzeptiert.39 Der Europäische Gerichtshof hat im Dezember 2005 eine beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften erhobene Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung der Kommission als unzulässig abgewiesen .40 Auch das BVerfG hat in mehreren Entscheidungen die Regelung des § 3 AusglLeistG verfassungsrechtlich nicht beanstandet.41 5. Geplante Änderungen des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsverordnung Aktuell liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten Flächenerwerb vor.42 Ziel des Gesetzes ist u.a. eine Lockerung der Anforderungen an die Ortsansässigkeit, da sich die bisherigen Regelungen nach Auffassung der Bundesregierung als zu unflexibel erwiesen haben sowie an z.T. geänderte tatsächliche Verhältnisse und den neuen Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor angepasst werden sollen.43 Hierzu sollen namentlich die Regelungen des § 3 AusglLeistG und §§ 1, 2, und 4 FlErwV geändert werden. An dem Erfordernis der Ortsansässigkeit für den zum begünstigten Flächenerwerb berechtigten Personenkreis wird aber weiterhin festgehalten. Allerdings soll es in Zukunft für die Ortsansässigkeit auch bei Verheirateten allein auf den Lebensmittelpunkt des Berechtigten und nicht mehr der Familie ankommen. Auch soll die Ortsansässigkeit in Zukunft nur noch für 15 anstatt wie bisher für 20 Jahre aufrechterhalten werden müssen. Auf die Dauer von 15 Jahren wird außerdem die bereits während der Dauer eines langfristigen Pachtverhältnisses gegebene Ortsansässigkeit angerechnet. Erforderlich ist damit nach 39 Vgl. Entscheidung der Kommission vom 22.12.1999, SG (2000) D 100623, ABl. C 46 vom 19.02.2000, S. 2. 40 EuGH, Entscheidung vom 13.12.2005, (2006/C36/03), ABl. C 36 vom 11.02.2006, S. 2; vorhergehend Gericht erster Instanz, Urteil vom 05.12.2002, (T-114/00), Slg. II, 5121, jeweils abrufbar unter http://curia.europa.eu/de/content/juris/index.htm. 41 Vgl. BVerfG, Beschl. vom 21.05.1996, BVerfGE 94, 334; Urt. vom 22.11.2000, 1 BvR 2307/94; Beschl. vom 26.10.2004, 2 BvR 955/00. Dazu auch Zimmermann in Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR –RVI–, Band II, Stand August 2008, Einf AusglLeistG, Rn. 5. 42 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten Flächenerwerb nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsverordnung (Flächenerwerbsänderungsgesetz – FlErwÄndG) vom 18.02.2008, BT-Drs. 16/8152. 43 Vgl. ausführlich BT-Drs. 16/8152, Seite 1 ff. - 13 - der vorgesehenen Neufassung, dass der Berechtigte insgesamt ununterbrochen für den Zeitraum von 15 Jahren ortsansässig im Sinne des § 3 AusglLeistG i.V.m. § 1 Abs. 3 FlErwV ist.44 Weiterhin wird die Regelung zum verbilligten Erwerb von Waldflächen nach § 3 Abs. 8 AusglLeistG mit Ausnahme der Alteigentümerregelung gestrichen, da sich der Zweck dieser Norm angesichts der geringen Größe der noch verbleibenden zu privatisierenden Flächen nicht mehr erreichen lässt. Aus demselben Grund soll auch § 3 Abs. 4 Ausgl- LeistG entfallen.45 6. Neuere Rechtsprechung des EuGH zur Ortsansässigkeit beim Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen Wie bereits ausgeführt, war die Regelung des § 3 AusglLeistG in der Vergangenheit bereits mehrfach Gegenstand sowohl europarechtlicher als auch verfassungsrechtlicher Überprüfungen, ohne dass das Ortsansässigkeitserfordernis beanstandet worden wäre. Fraglich ist allerdings, wie die im AusglLeistG und der FlErwV geforderte Ortsansässigkeit der begünstigten Erwerber vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des EuGH, namentlich in den Rechtssachen (Rs.) Ospelt46 und Festersen,47 zu bewerten ist. In der Rs. Ospelt bejahte der EuGH einen Verstoß einer österreichischen Regelung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, die den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke durch Erwerber ausschloss, die die betreffenden Grundstücke nicht selbst im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften und im Betrieb ihren Wohnsitz nehmen wollten. In seiner Entscheidung in der Rs. Festersen aus dem Jahr 2007 hat der EuGH eine dänische Regelung, die von dem Erwerber eines landwirtschaftlichen Grundstücks die Begründung seines Wohnsitzes auf dem Grundstück forderte, für mit Europarecht, namentlich mit der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV für unvereinbar erklärt. Die Entscheidung setzt die vom EuGH im Jahr 2003 begonnene Rechtsprechung in der Rechtssache Ospelt fort und konkretisiert die europarechtlichen Rahmenbedingungen, 44 Zur Begründung vgl. BT-Drs. 16/8152, Seite 13, 19. 45 BT-Drs. 16/8152, Seite 14, 17. 46 EuGH, Urteil vom 23.09.2003, C-452/01, abrufbar unter http://curia.europa.eu/de/ content /juris/index.htm 47 EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, abrufbar unter http://curia.europa.eu/de/content/ juris /index.htm. - 14 - an denen nationale Ortsansässigkeitsregelungen zu messen sind. Die wesentlichen Inhalte der Entscheidung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 6.1. Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG Sowohl in der Rs. Ospelt als auch in der Rs. Festersen misst der EuGH eine nationale Regelungen zum Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit . Kapitalverkehr im Sinne des Art. 56 EG umfasst u.a. Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ihren Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen.48 In der Rs. Festersen führt der EuGH daher aus, dass die Ausübung des die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG notwendig ergänzenden Rechts, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates Immobilien zu erwerben, zu Kapitalverkehr im Sinne des Art. 56 EG führt.49 Damit ist nach Auffassung des EuGH regelmäßig Art. 56 EG die für die Überprüfung des Ortsansässigkeitserfordernisses beim Erwerb landwirtschaftlicher Flächen maßgebliche Norm.50 Dies schließt die Anwendung anderer Grundfreiheiten, insbesondere der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG nicht grundsätzlich aus. Allerdings war in den bisher entschiedenen Fallkonstellationen das Interesse am Erwerb der Flächen regelmäßig größer als an der dauerhaften Bewohnung. Häufig lag das Problem des Falls gerade in der Ablehnung des Sichniederlassens auf dem landwirtschaftlichen Grundstücks.51 6.2. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch Ortsansässigkeiterfordernis Nach Bejahung der Anwendbarkeit des Art. 56 EG stellt der EuGH fest, die zu überprüfende dänische Ortsansässigkeitsregelung stelle zwar keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit dar, da die Regelung unterschiedslos auf dänische Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anzuwenden sei. Gleichwohl stelle das Verlangen nach der Begründung eines Wohnsitzes auf dem zu erwerbenden Grundbesitz eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar. Zu den Maßnahmen, die Art. 56 Abs. 1 EG als Beschränkung des Kapitalverkehrs verbiete, gehörten solche, die geeignet 48 EuGH, Urteil vom 23.09.2003, C-452/01, Rn. 24. Vgl. zum Begriff des Kapitalverkehrs Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band II, EUV/EGV, Art. 56 Rn. 16 ff. sowie EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 23 m.w.N. 49 Vgl. zum Verhältnis zwischen Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG und Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG sowie zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band II, EUV/EGV, Art. 56 Rn. 32-45. 50 Vgl. Buschle, Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rs. Festersen, EuZW 2007, S. 218; ähnlich auch schon EuGH, Urteil vom 23.09.2003, C-452/01, Rn. 24. 51 Buschle, Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rs. Festersen, EuZW 2007, S. 218. - 15 - seien, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort ansässigen Personen von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten.52 Dies ist nach Auffassung des EuGH hinsichtlich einer Pflicht zur Wohnsitznahme in einem Mitgliedstaat der Fall, da bei dem Kriterium des Wohnsitzes die Gefahr besteht, dass es sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt, da Gebietsfremde zumeist Ausländer sind.53 6.3. Voraussetzungen der Rechtfertigung eines Eingriffs in die Kapitalverkehrsfreiheit Der EuGH betont allerdings, dass eine solche, die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkende nationalstaatliche Maßnahme im jeweiligen Einzelfall zulässig sein kann. Voraussetzung hierfür sei, dass die Regelung ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt 54, nicht diskriminierend angewandt werde und den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genüge. Die Regelung müsse also zur Zielerreichung geeignet sein und dürfe nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist.55 Der EuGH prüft sodann die von der dänischen Regierung zur Rechtfertigung des Wohnsitzerfordernisses vorgetragenen Gründe (Erhaltung der Bewirtschaftung von Agrarflächen durch den Eigentümer als traditionelle Bewirtschaftungsform, Erhaltung einer beständigen Bevölkerung in ländlichen Gebieten als Raumordnungsziel, Förderung einer vernünftigen Nutzung der verfügbaren Flächen unter Bekämpfung des Drucks auf den Grundstücksmarkt) anhand dieses Maßstabes. Er bejaht zunächst die grundsätzliche Eignung dieser Ziele zur Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, da sie im Allgemeininteresse liegen und im Übrigen den Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik gemäß 52 Vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 24 m.w.N. 53 Vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 25; EuGH, Urteil vom 23.09.2003, C-452/01, Rn. 35; EuGH, Urteil vom 07.05.1998, C-350/96, Rn. 30. Ausführlich auch Pechstein, Das Ortsansässigkeitserfordernis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG im Lichte des Gemeinschaftsrechts, EWS 2007, S. 481 (484 f.). 54 Der EuGH stellt damit auf die ungeschriebenen Ausnahmen vom Verbot der Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ab, da die Rechtfertigungsgründe des Art. 58 EG im entschiedenen Fall von vornherein nicht in Betracht kamen. Vgl. hierzu Pechstein, Das Ortsansässigkeitserfordernis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG im Lichte des Gemeinschaftsrechts, EWS 2007, S. 481 (484). Einen Überblick über die in der Rechtsprechung des EuGH anerkannten Allgemeininteressen geben Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band II, EUV/EGV, Art. 56 Rn. 112 ff. m.w.N. 55 Vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 26 m.w.N.; Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band II, EUV/EGV, Art. 56 Rn. 110. - 16 - Art. 33 EG entsprechen.56 Aus mehreren Gründen verneint der EuGH allerdings die Verhältnismäßigkeit der dänischen Regelung. Zunächst stellt er fest, eine nationale Maßnahme, die eine Wohnsitzpflicht beinhalte, für den Erwerber eines landwirtschaftlichen Grundstücks aber keine Pflicht vorsehe, das Grundstück selbst zu bewirtschaften, sei zur Erreichung des Ziels der Erhaltung der traditionellen Form der Bewirtschaftung durch den Eigentümer nicht geeignet.57 Eine Wohnsitzpflicht könne zwar grundsätzlich dazu beitragen, die Bevölkerung in ländlichen Gebieten zu erhalten. Dieses Ziel werde aber nicht erreicht, wenn der Erwerb durch einen Landwirt erfolge, der bereits auf dem Grundstück eines anderen landwirtschaftlichen Betriebs wohne. In einem solchen Fall könne mittels einer Wohnsitzpflicht das Ziel der Regelung nicht erreicht werden. Hinsichtlich dieser Begründung verneint der EuGH damit die Eignung der Maßnahme zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels.58 Hinsichtlich der Zielsetzung, mit einer Wohnsitzpflicht den Druck auf den Grundstücksmarkt durch Verringerung der Zahl der möglichen Erwerber landwirtschaftlicher Grundstücke zu reduzieren, Spekulationen zu verhindern und vorrangig den Erwerb dieser Flächen durch Personen sicherzustellen, die sie bewirtschaften wollen, erkennt der EuGH zunächst an, dass es sich hierbei in Mitgliedstaaten, in denen landwirtschaftliche Flächen ein knappes Gut darstellen, ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird und die Maßnahme auch zur Zielerreichung geeignet ist.59 Allerdings verneint der EuGH die Erforderlichkeit einer solchen Regelung. Hierbei stellt er insbesondere darauf ab, dass die in Rede stehende dänische Wohnsitzverpflichtung nicht nur die Kapitalverkehrsfreiheit sondern auch das Recht des Erwerbers zur freien Wohnsitzwahl gemäß Art. 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)60 beschränkt. Hierin sieht der EuGH eine besonders einschränkende Maßnahme, für die folglich erhöhte Rechtfertigungsanforderungen gelten. Da das mit der Regelung verfolgte Ziel der Vermeidung von Spekulationen auf dem landwirtschaftlichen Grundstücksmarkt auch mit weniger belastenden 56 EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 28. 57 EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 30. 58 EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 32. 59 EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 34. 60 Europäische Menschenrechtskonvention vom 04.11.1950. - 17 - Maßnahmen wie z.B. Vorschriften über höhere Steuern beim Wiederverkauf von Grundstücken kurz nach deren Erwerb oder dem Erfordernis einer beträchtlichen Mindestdauer für die Pacht landwirtschaftlicher Flächen erreicht werden könne, verneint der Gerichtshof die Erforderlichkeit der Maßnahme zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels. Weiterhin stellt der EuGH hilfsweise fest, eine Verpflichtung, den Wohnsitz auf dem zu erwerbenden Grundstück für mindestens weitere 8 Jahre nach dem Erwerb beizubehalten , sei ebenfalls zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels nicht erforderlich, weil hierdurch die Grundfreiheit der freien Wohnsitzwahl unverhältnismäßig beschränkt werde. 7. Vereinbarkeit des Ortsansässigkeitserfordernisses gemäß § 3 Ausgl- LeistG mit Europarecht Angesichts der Ausführungen des EuGH in der Rs. Festersen ist festzustellen, dass Ortsansässigkeitserfordernisse im Bereich des landwirtschaftlichen Grundstückserwerbs nur noch unter engen europarechtlichen Voraussetzungen zulässig sind. Insbesondere müssen nationale Vorschriften, die die Wohnsitznahme zur Voraussetzung für den Erwerb solcher Flächen machen, immer am Maßstab der Verhältnismäßigkeit, das heißt ihrer Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Erreichung eines legitimen Ziels im Einzelfall , geprüft werden. Entscheidende Bedeutung kommt demnach den vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgten Zielen zu. Trotz der verschärften Anforderungen an die Rechtfertigung von Ortsansässigkeitspflichten gehen derzeit sowohl der Bundesgerichtshof (BGH) als auch die Bundesregierung und die Europäische Kommission davon aus, dass die Regelung des § 3 Abs. 2 AusglLeistG i.V.m. § 2 Abs. 2 FlErwV europarechtlich nicht zu beanstanden ist. 7.1. Urteil des BGH vom 4. Mai 2007 Der BGH hat am 4. Mai 2007 zu der Frage Stellung genommen, ob auch die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 3 AusglLeistG die Ortsansässigkeit der zum begünstigten Flächen- - 18 - erwerb berechtigten Wiedereinrichter voraussetzt.61 Diese Frage war umstritten, weil der Wortlaut der Norm die Ortsansässigkeit nicht explizit vorsieht.62 In diesem Urteil hat sich der BGH auch mit der Entscheidung des EuGH in der Rs. Festersen auseinandergesetzt . Der BGH verneint im Ergebnis einen Verstoß des Ortsansässigkeitsprinzips gemäß § 3 AusglLeistG gegen Europarecht. Nach Auffassung des BGH entfaltet das Ortsansässigkeitserfordernis keine die Grundfreiheiten beeinträchtigende Wirkung. Er verneint bereits einen Eingriff in eine der Grundfreiheiten (Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit ) sowie in das Grundrecht der freien Wohnsitzwahl mit dem Argument, dem Berechtigten werde durch das Ortsansässigkeitserfordernis der Zugang zu den Arbeits- oder Wirtschaftsmärkten anderer Mitgliedstaaten nicht erschwert oder verschlossen.63 Insofern liegen nach dem BGH durch das Ortsansässigkeitserfordernis des § 3 Abs. 2 AusglLeistG lediglich indirekte Auswirkungen auf wirtschaftliche Tätigkeiten der berechtigten Personen vor. Diese seien aber Folge der freien Entscheidung, an dem begünstigten Flächenerwerbsprogramm des AusglLeistG teilzunehmen, d.h. landwirtschaftliche Flächen zu deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen zu erwerben. Hierin sei keine Beschränkung der Freizügigkeitsrechte im weiteren Sinn zu sehen. Anders als in dem vom EuGH in der Rs. Festersen zu beurteilenden Fall, in dem die Ortsansässigkeit generelle Voraussetzung für den Erwerb jeglicher landwirtschaftlicher Flächen war, betreffe das Ortsansässigkeitserfordernis des § 3 Abs. 2 AusglLeistG nur Erwerber, die die besonderen Vergünstigungen des Flächenerwerbsprogramms gemäß § 3 Abs. 1-4 AusglLeistG in Anspruch nähmen. Personen, die nicht ortsansässig sein könnten oder wollten, könnten aber ohne weiteres Flächen auf dem freien Markt erwerben , ohne dabei der Ortsansässigkeits- oder Bewirtschaftungspflicht zu unterfallen.64 Weiterhin führt der BGH aus, selbst im Fall eines Eingriffs in eine der Grundfreiheiten sei ein solcher jedenfalls gerechtfertigt, da der Gesetzgeber mit dem Ortsansässigkeitserfordernis im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolge und dieses Erfordernis zur Erreichung dieser Ziele auch geeignet sei. Als mit der Regelung verfolgte Ziele führt der BGH insbesondere die 61 BGH, Urteil vom 04.05.2007, V ZR 162/05. 62 Vgl. hierzu oben 4.1 m.w.N. 63 BGH, Urteil vom 04.05.2007, V ZR 162/05, Rn. 36 f.; kritisch hierzu Pechstein, Das Ortsansässigkeitserfordernis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG im Lichte des Gemeinschaftsrechts, EWS 2007, S. 481 (482). - 19 - Schaffung neuer und funktionsfähiger Eigentumsstrukturen in Ostdeutschland, die Schaffung einer territorialen und regionalen Verbundenheit der die landwirtschaftlichen Flächen bewirtschaftenden Personen sowie die Verhinderung des Landerwerbs zu rein spekulativen Zwecken an.65 Er verweist darauf, dass die Europäische Kommission es als legitimes Ziel des deutschen Gesetzgebers anerkannt hat, besondere Regelungen zu schaffen, die dazu dienen, die ostdeutschen Eigentumsstrukturen nach der Wiedervereinigung an das neue Wirtschaftssystem anzupassen. Insbesondere habe die Kommission die Berücksichtigung einer territorialen Verbundenheit, die im Rahmen des § 3 Abs. 2 AusglLeistG die Grundlage für die Bevorzugung ortsansässiger Erwerbsinteressenten bilde, ausdrücklich als legitim anerkannt.66 Das Erfordernis der Ortsansässigkeit sei geeignet, um zu erreichen , dass die zu privatisierenden land- und forstwirtschaftlichen Flächen vorrangig in das Eigentum von Personen mit einer solchen territorialen Verbundenheit gelangten und sie nur von Interessenten verdrängt werden könnten, die bereit sind, eine vergleichbare regionale Verbundenheit aufzubauen. Zu der Frage, ob die nähere Ausgestaltung des Ortsansässigkeitserfordernisses über das hinausgeht, was zur Erreichung der genannten gesetzgeberischen Ziele erforderlich ist, ob also in jedem Fall der Erstwohnsitz in der Nähe der Betriebsstätte begründet werden muss und für wie lange die Ortsansässigkeit verlangt werden kann, hat der BGH mangels Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall nicht Stellung genommen.67 Eine gegen die Entscheidung des BGH gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.68 7.2. Auffassung der Bundesregierung Die Bundesregierung geht ausweislich der Begründung zum Entwurf des Flächenerwerbsänderungsgesetzes 69 davon aus, dass das Ortsansässigkeitserfordernis des 64 BGH, Urteil vom 04.05.2007, V ZR 162/05, Rn. 37-39. 65 BGH, Urteil vom 04.05.2007, V ZR 162/05, Rn. 40 f. 66 BGH, Urteil vom 04.05.2007, V ZR 162/05, Rn. 40; vgl. hierzu auch Entscheidung der Kommission vom 20.01.1999, K (1999) 42, ABl. L 107/ vom 24.4.1999. 67 BGH, Urteil vom 04.05.2007, V ZR 162/05, Rn. 41. 68 BVerfG, Beschluss vom 13.09.2007, 1 BvR 1712/07. - 20 - § 3 Abs. 2 AusglLeistG auch vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH in der Rs. Festersen europarechtlich weder in der derzeitigen noch in der geplanten Fassung zu beanstanden ist.70 Die europarechtlich garantierten Grundfreiheiten der Arbeitnehmerfreizügigkeit , Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit sowie das gemäß Art. 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK gewährleistete Recht zur freien Wohnsitzwahl werde nicht unzulässig beschränkt. Eine Einschränkung der Grundfreiheiten sei gerechtfertigt, da die Ortsansässigkeitsregelung ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolge, in nichtdiskriminierender Weise angewendet werde und verhältnismäßig sei. Die Zielsetzung des fördernden Flächenerwerbsprogramms, für den Bereich der ostdeutschen Land- und Forstwirtschaft neue Eigentumsstrukturen und damit funktionsfähige Grundlagen für Erhalt und Fortentwicklung dieser Erwerbszweige zu schaffen, könne nur durch ortsansässige Erwerber erreicht werden. Die Bundesregierung verweist insbesondere auf die Entscheidung des BGH vom 4. Mai 2007 sowie die Nichtbeanstandung der Ortsansässigkeitsregelung durch die Europäische Kommission. Im Übrigen verweist die Bundesregierung darauf, dass Anforderungen an die Ortsansässigkeit in der geplanten Neufassung des AusglLeistG gegenüber der bisherigen Gesetzesfassung deutlich gelockert werden sollen.71 7.3. Auffassung der Europäischen Kommission Die Europäische Kommission hat in einer Antwort vom 3. September 200872 auf eine Parlamentarische Anfrage73 die Auffassung vertreten, das Ortsansässigkeitsprinzip verstoße nicht gegen europäisches Recht. Sie hat darauf verwiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland durch Streichung der Stichtagsregelung (Ortsansässigkeitserfordernis zum 3. Oktober 1990) den Forderungen der Kommission in den Entscheidungen zum 69 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten Flächenerwerb nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsverordnung (Flächenerwerbsänderungsgesetz – FlErwÄndG) vom 18.02.2008, BT-Drs. 16/8152; vgl. hierzu oben 5. 70 Vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Flächenerwerbsänderungsgesetzes vom 18.02.2008, BT-Drs. 16/8152, S. 15. 71 Vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Flächenerwerbsänderungsgesetzes vom 18.02.2008, BT-Drs. 16/8152, S. 13, 15. 72 Antwort der Kommissarin Fischer-Boel im Namen der Kommission vom 03.09.2008, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=P-2008-4303&language=DE. 73 Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten des Europäischen Parlaments, Andreas Schwab vom 23.07.2008, P-4303/08, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=- //EP//TEXT+WQ+P-2008-4303+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE. - 21 - EALG vom 20. Januar 1999 und vom 19. Januar 2000 nachgekommen ist. Die derzeitige Rechtslage ohne das Erfordernis der Ortsansässigkeit der begünstigten Erwerber zum 3. Oktober 1990 entspricht nach Meinung der Kommission der Entscheidung vom 19. Januar 2000, mit der das Flächenerwerbsprogramm als mit dem EG-Vertrag vereinbar angesehen wurde. 7.4. Literatur Vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rs. Festersen hat sowohl die Regelung des § 3 AusglLeistG als auch die Entscheidung des BGH vom 4. Mai 2007 teilweise deutliche Kritik erfahren. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist ein Ortsansässigkeitserfordernis hinsichtlich des Erwerbs landwirtschaftlicher Flächen wie es § 3 Abs. 2 AusglLeistG vorsieht, nach der neueren EuGH-Rechtsprechung nicht mehr zulässig.74 Danach begründet das Ortsansässigkeitserfordernis ein Zuzugshindernis z.B. für erwerbswillige EU-Ausländer, die als Neueinrichter gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 AusglLeistG zu privatisierende Flächen erwerben wollen, weil sie gezwungen sind, sich im Inland anzusiedeln.75 Dies sei angesichts der Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Festersen europarechtlich nicht zu rechtfertigen. Insbesondere sei das vom BGH in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2007 herangezogene Kriterium der Verhinderung der Spekulation vom EuGH für ungeeignet gehalten worden, Beschränkungen der Grundfreiheiten zu rechtfertigen. Weiterhin verstößt nach dieser Ansicht die Ortsansässigkeitsregelung gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG. Die Verknüpfung des Ortsansässigkeitserfordernisses mit der preisbegünstigten Erwerbsmöglichkeit des § 3 AusglLeistG stelle eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit hinsichtlich am Flächenerwerb interessierten EG-Ausländern, die nicht Alteigentümer und damit Beihilfenempfänger sind, dar. Denn insbesondere diese Personengruppe werde gegenüber bereits ortsansässigen Pächtern, die zumeist Inländer seien, in unzulässiger Weise dadurch be- 74 Eingehend Pechstein, Das Ortsansässigkeitserfordernis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG im Lichte des Gemeinschaftsrechts, EWS 2007, S. 481 ff. 75 Pechstein, Das Ortsansässigkeitserfordernis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG im Lichte des Gemeinschaftsrechts , EWS 2007, S. 481 (482). - 22 - nachteiligt, dass sie die Vergünstigungen des Flächenerwerbsprogramms nur um den Preis einer Wohnsitzverlegung ins Inland in Anspruch nehmen können.76 7.5. Bewertung Legt man die vom EuGH in der Rs. Festersen aufgestellten Kriterien an die Regelung des § 3 Abs. 2 AusglLeistG an, so erscheint tatsächlich fraglich, ob entgegen der Ansicht des BGH durch das Ortsansässigkeitserfordernis als Voraussetzung der Inanspruchnahme der vergünstigten Flächenerwerbsmöglichkeit ein Eingriff in eine der Grundfreiheiten, namentlich die Kapitalverkehrsfreiheit,77 vorliegt. Denn nach dem EuGH ist das Verlangen nach der Begründung eines Wohnsitzes auf dem zu erwerbenden Grundbesitz geeignet, eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zu bewirken, da bei dem Kriterium des Wohnsitzes die Gefahr besteht, dass es sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt, da Gebietsfremde zumeist Ausländer sind.78 Selbst wenn man allerdings das Vorliegen eines Eingriffs in die Grundfreiheiten durch das Ortsansässigkeitserfordernis des § 3 Abs. 2 AusglLeistG bejaht, ist weiterhin zu prüfen, ob dieser Eingriff am Maßstab des Europarechts gerechtfertigt werden kann. Hier und insbesondere bei der Frage der Verhältnismäßigkeit liegt auch der Schwerpunkt der Prüfung durch den EuGH in der Rs. Festersen. Voraussetzung für die europarechtliche Rechtfertigung eines solchen Eingriffs ist, dass die Regelung ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt79, nicht diskriminierend angewandt wird und den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt. Die Regelung muss 76 Pechstein, Das Ortsansässigkeitserfordernis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG im Lichte des Gemeinschaftsrechts , EWS 2007, S. 481 (486). 77 Vgl. oben 6.1 zur Kapitalverkehrsfreiheit als Prüfungsmaßstab nach der Rechtsprechung des EuGH. Auch in den zu § 3 AusglLeistG diskutierten Fällen besteht das Problem zumeist in der Ablehnung des Sichniederlassens auf dem landwirtschaftlichen Grundstück. 78 Vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 25; EuGH, Urteil vom 23.09.2003, C-452/01, Rn. 35; EuGH, Urteil vom 07.05.1998, C-350/96, Rn. 30. 79 Der EuGH stellt damit auf die ungeschriebenen Ausnahmen vom Verbot der Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ab, da die Rechtfertigungsgründe des Art. 58 EG im entschiedenen Fall von vornherein nicht in Betracht kamen. Vgl. hierzu Pechstein, Das Ortsansässigkeitserfordernis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG im Lichte des Gemeinschaftsrechts, EWS 2007, S. 481 (484). Einen Überblick über die in der Rechtsprechung des EuGH anerkannten Allgemeininteressen geben Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band II, EUV/EGV, Art. 56 Rn. 112 ff. m.w.N. - 23 - also zur Zielerreichung geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist.80 Insoweit ist zu beachten, dass dem Urteil des EuGH in der Rs. Festersen eine Regelung zugrunde lag, die ausweislich der von der dänischen Regierung im Verfahren vorgebrachten Begründung zumindest teilweise eine andere Zielrichtung verfolgte als die Regelung des § 3 AusglLeistG. Vor dem Hintergrund der historisch einzigartigen Situation der deutschen Wiedervereinigung war Ziel des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 3 AusglLeistG neben der Verhinderung des Landerwerbs zu rein spekulativen Zwecken81 insbesondere auch die Schaffung neuer und funktionsfähiger Eigentumsstrukturen und damit der Grundlagen für Erhalt und Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges in Ostdeutschland sowie die Schaffung einer territorialen und regionalen Verbundenheit der die landwirtschaftlichen Flächen bewirtschaftenden Personen. Diesem Ziel dienen insbesondere die Regelungen des § 3 Abs. 1 bis 4, 7 und 8.82 Das Erfordernis der Ortsansässigkeit soll ausschließen, dass Personen ohne regionalen Bezug Flächen erwerben und mit einem ortsansässigen Betriebsleiter bewirtschaften. In Konkurrenz zu den ortsansässigen Interessenten sollen andere Personen Flächen nur dann pachten und begünstigt erwerben können, wenn sie sich vor Ort engagieren.83 Insofern bestand und besteht mit der Wiedervereinigung eine besondere Situation in der Bundesrepublik Deutschland, die eine andere Beurteilung der zur Überwindung der Teilung Deutschlands getroffenen Maßnahmen zur Neuordnung der Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der landwirtschaftlichen Flächen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR rechtfertigen könnte. Diese Sondersituation wurde u.a. auch von der Europäischen Kommission in den Entscheidungen vom 20. Januar 1999 und 19. Januar 2000 im Rahmen einer ausführlichen Prüfung der Vereinbarkeit des Ortsansässigkeitserfordernisses mit den europäischen Grundfreiheiten besonders berücksichtigt.84 Die Kommission bezeichnet es als legitimes Ziel des deutschen Gesetzgebers, besondere Regelungen zu 80 Vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 26 m.w.N.; Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band II, EUV/EGV, Art. 56 Rn. 110. 81 Vgl. zur Legitimität dieses Ziels EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 34. 82 Vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2007, V ZR 162/05, Rn. 40 f.; BVerfGE 94, 334 (350). 83 Vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2007, V ZR 162/05, Rn. 40. 84 Vgl. Entscheidung der Kommission vom 20.01.1999, K (1999) 42, Abl. L 107/21 vom 24.4.1999 (Seite 44 f.). Vgl. hierzu auch ausführlich Entscheidung der Kommission vom 19.01.2000, SG (2000) D 100623, Rn. 25-45. - 24 - schaffen, die dazu dienen, die ostdeutschen Eigentumsverhältnisse nach der Wiedervereinigung an das neue Wirtschaftssystem anzupassen. Sie weist darauf hin, dass es in den meisten anderen Mitgliedstaaten Bodenreformen gegeben hat, die es Bauern ermöglichte , die von ihnen bewirtschafteten Flächen zu erwerben. Die Berücksichtigung einer so verstandenen territorialen Verbundenheit, die die Grundlage für die begünstigte Erwerbsmöglichkeit Ortsansässiger bildet, hat die Kommission ausdrücklich als legitimes Ziel des Gesetzgebers akzeptiert. Anders als in der Rs. Festersen bestehen hinsichtlich der grundsätzlichen Geeignetheit des Ortsansässigkeitserfordernisses gemäß § 3 AusglLeistG zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele keine durchgreifenden Bedenken, da § 3 Abs. 2 AusglLeistG anders als die vom EuGH überprüfte dänische Regelung neben der Verpflichtung zur Ortsansässigkeit auch eine Selbstbewirtschaftungsverpflichtung als Voraussetzung des begünstigten Erwerbs vorsieht.85 Damit konzentriert sich die Frage der europarechtlichen Zulässigkeit des Ortsansässigkeitserfordernisses auf die Frage der Erforderlichkeit. Insofern ist einerseits zu berücksichtigen , dass die Kommission die Frage der Erforderlichkeit der Ortsansässigkeit im Rahmen der beihilferechtlichen Überprüfung des § 3 AusglLeistG bereits eingehend geprüft hat und keinen Grund zur Beanstandung sah. Sie hat unter besonderer Betonung der bereits dargestellten Sondersituation Deutschlands lediglich das Erfordernis der Ortsansässigkeit zum Stichtag 3. Oktober 1990 als nicht erforderlich beurteilt, die Ortsansässigkeit als solche aber unbeanstandet gelassen.86 Der Kommission war dabei bewusst , dass die derzeitige Regelung Elemente aufweist, die Ostdeutsche bei ansonsten gleichwertigen Kriterien bevorzugen können. Sie hat diese Begünstigung aber als unter der legitimen Zielsetzung der Umstrukturierung der Landwirtschaft in Ostdeutschland gerechtfertigt angesehen.87 Andererseits hat der EuGH in der Rs. Festersen zahlreiche andere staatliche Maßnahmen angeführt, die er als ebenfalls zur Zielerreichung geeignet aber gegenüber einem Ortsansässigkeitserfordernis als für den Einzelnen als weniger belastend ansieht. Auch hat der EuGH in dieser Entscheidung einen Zeitraum von 8 Jahren, während dessen 85 Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 32. Soweit ersichtlich wird die Eignung des Ortsansässigkeitserfordernisses auch seitens der Literatur nicht in Zweifel gezogen. 86 Entscheidung der Kommission vom 20.01.1999, K (1999) 42, Abl. L 107/21 vom 24.4.1999 (Seite 45). Ebenso auch Entscheidung der Kommission vom 19.01.2000, SG (2000) D 100623, Rn. 111. - 25 - die Ortsansässigkeit bestehen musste, als zu lange und damit zur Zielerreichung nicht erforderlich angesehen88 Insofern ist es als offen anzusehen, ob der EuGH, der zwar an die Rechtsauffassung der Kommission nicht gebunden ist, gleichwohl aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Interessen im Einzelfall zu treffen hat,89 die Regelung des § 3 AusglLeistG, die z.B. eine 20-jährige bzw. 15-jährige Dauer der Ortsansässigkeit vorsieht, angesichts der besonderen Situation der deutschen Einigung als verhältnismäßig beurteilen würde. Dies umso mehr, als der EuGH auch in der Rs. Festersen die spezifischen Gründe für die Einführung der dänischen Regelung ungewöhnlich eingehend am Maßstab der Verhältnismäßigkeit geprüft und sich dabei detailliert mit den gesetzgeberischen Zielen auseinandergesetzt hat. Hinzu kommt, dass der vom EuGH in der Rs. Festersen zu beurteilende Fall auch insoweit anders gelagert war, als dass dort die Wohnsitzpflicht nicht zur Bedingung für die Erlangung eines bestimmten wirtschaftlichen Vorteils gemacht, sondern allein an die Ausübung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit, nämlich den Erwerb einer Immobilie geknüpft wurde.90 Demgegenüber gewährt die Regelung des § 3 AusglLeistG dem Berechtigten einen wirtschaftlichen Vorteil durch Einräumung einer bevorzugten und vergünstigten Erwerbsmöglichkeit. Unbenommen bleibt aber, anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall, die Möglichkeit des freihändigen Kaufs zum Marktpreis ,91 so dass sich die Frage stellt, ob die Entscheidung des EuGH in der Rs. Festersen tatsächlich 1:1 auf die Regelung des § 3 AusglLeistG übertragen werden kann.92 Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Argumentation des EuGH, dass eine Vorschrift, die 87 Entscheidung der Kommission vom 19.01.2000, SG (2000) D 100623, Rn. 123. 88 Vgl. oben 6.3. 89 Vgl. Buschle, Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rs. Festersen, EuZW 2007, S. 218 (219). 90 Buschle, Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rs. Festersen, EuZW 2007, S. 218 (219); BGH, Urteil vom 04.05.2007, V ZR 162/05, Rn. 38; kritisch hierzu Pechstein, Das Ortsansässigkeitserfordernis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG im Lichte des Gemeinschaftsrechts, EWS 2007, S 481 ff. 91 Vgl. hierzu „Konzept für die weitere Privatisierung der landwirtschaftlichen Flächen der BVVG“, abrufbar unter http://www.bvvg.de/INTERNET/internet.nsf/vBroInfo/iPrivatisierungsgrundsatz?Opendocument, (Stand 20.11.2008). 92 Diesbezüglich weist auch Pechstein, Das Ortsansässigkeitserfordernis .nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Ausgl LeistG im Lichte des Gemeinschaftsrechts, EWS 2007, S. 481 (485) darauf hin, dass „grundfreiheitlich nicht eindeutig“ sei, dass sich ein Anspruch auf Grunderwerb im Rahmen etwa der Niederlassungsfreiheit auch auf konkrete Grundstücke zu konkreten Preisen bezieht, oder ob er nur grundsätzlich zu befriedigen sein muss. - 26 - die Möglichkeit zum Erwerb eines Grundstücks generell von der Wohnsitznahme auf diesem Grundstück abhängig macht, einen besonders intensiven Eingriff darstellt,93 nämlich einen Eingriff in das Recht der freien Wohnsitzwahl gemäß Art. 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK. Einen solchen „Zwang zur Immobilität“94 begründet die Regelung des § 3 AusglLeistG gerade nicht. Hierauf weist auch der BGH in seinem Urteil vom 4. Mai 2007 ausdrücklich hin.95 Was den Vorwurf angeht, die Regelung des § 3 Abs. 2 AusglLeistG bewirke eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit hinsichtlich am Flächenerwerb interessierten EG-Ausländern, die nicht Alteigentümer und damit Beihilfenempfänger sind, ist anzumerken, dass auch der EuGH in der Rs. Festersen eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit durch das Ortsansässigkeitserfordernis hinsichtlich einer Regelung verneint hat, die wie § 3 Abs. 2 AusglLeistG unterschiedslos auf Inländer und Ausländer angewendet wurde.96 Hinzu kommt, dass insbesondere auch die Kommission die Frage nach der diskriminierenden Wirkung des Ortsansässigkeitserfordernisses im Rahmen der beihilferechtlichen Prüfung eingehend überprüft und verneint hat.97 7.6. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Frage der Vereinbarkeit des Ortsansässigkeitserfordernisses als Voraussetzung für den begünstigten Flächenerwerb mit Europarecht derzeit nicht abschließend beurteilt werden kann. Für die Vereinbarkeit eines solchen Erfordernisses mit den Grundfreiheiten spricht insbesondere, auch nach der Auffassung des BGH, dass die Europäische Kommission in zwei Entscheidungen zwar die früher vorgesehene Stichtagsregelung beanstandet hat, das Ortsansässigkeitserfordernis sowie die damit vom deutschen Gesetzgeber verfolgte Zielsetzung aber ausdrück- 93 Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 25.01.2007, C-370/05, Rn. 35: „in besonderem Maße einschränkend“. 94 Buschle, Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rs. Festersen, EuZW 2007, S. 218 (219). 95 Ähnlich Buschle, Buschle, Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rs. Festersen, EuZW 2007, S. 218 (219), der darauf hinweist, dass Wohnsitzpflichten nicht generell unzulässig sind, sondern insbesondere als Voraussetzung für die Erlangung wirtschaftlicher Vorteile zur Verfolgung legitimer Zwecke wie etwa der Förderung der Besiedlung bestimmter Gebiete zulässig sein können. Vgl. hierzu auch EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 03.05.2006, E-3/05, Slg. 2006, 102. 96 Vgl. oben 6.2. 97 Entscheidung der Kommission vom 20.01.1999, K (1999) 42, Abl. L 107/21 vom 24.4.1999 (S. 44 f.) - 27 - lich anerkannt und für mit den Vorschriften des europäischen Beihilferechts für vereinbar gehalten hat.98 An dieser Auffassung hält die Kommission wie ausgeführt auch weiterhin fest. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH in der Rs. Festersen besonderes Augenmerk auf die Prüfung der Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels gerichtet hat. Inwieweit der EuGH, gerade auch vor dem Hintergrund der besonderen und mit der Situation keines anderen europäischen Mitgliedstaats vergleichbaren Ausgangslage der Überwindung der Teilung Deutschlands , die Erforderlichkeit des Ortsansässigkeitsmerkmals im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung anerkennen würde, ist nicht vorauszusehen. 98 Vgl. zum Verhältnis zwischen Beihilferecht und Grundfreiheiten Koenig/Kühling in Streinz, EUV/EGV, Art. 87 EGV Rn. 17-21.