© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 216/18 Die umweltrechtliche Verbandsklage in der Europäischen Union Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 2 Die umweltrechtliche Verbandsklage in der Europäischen Union Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 216/18 Abschluss der Arbeit: 12. Dezember 201827.12.2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Belgien 5 3. Deutschland 6 4. Estland 8 5. Finnland 9 6. Frankreich 9 7. Griechenland 9 8. Großbritannien 10 9. Italien 10 10. Kroatien 11 11. Lettland 11 12. Litauen 12 13. Niederlande 12 14. Österreich 13 15. Polen 14 16. Portugal 15 17. Rumänien 15 18. Schweden 16 19. Slowakei 17 20. Tschechien 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 4 21. Ungarn 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 5 1. Einleitung Diverse Richtlinien der Europäischen Union, allen voran die Umweltverträglichkeitsprüfungsrichtlinie , fordern, anknüpfend an die sog. Aarhus-Konvention, dass Nichtregierungsorganisationen , die sich für den Umweltschutz einsetzen, grundsätzlich die Möglichkeit haben müssen, Handlungen oder Unterlassungen, für die die Bestimmungen der entsprechenden Richtlinie gelten , gerichtlich überprüfen zu lassen, auch wenn sie nicht in eigenen Rechten verletzt sind.1 Dementsprechend wurden in den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union entsprechende Umweltverbandsklagemöglichkeiten eröffnet. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, fügt sich die Umweltverbandsklage unterschiedlich in die nationalen Rechtsschutzsysteme ein. In Staaten, in denen der Zugang zum Verwaltungsgericht traditionell im Grundsatz auf die Durchsetzung „eigener Rechte“ beschränkt ist, erscheint sie als Durchbrechung hergebrachter verwaltungsprozessualer Prinzipien. Das gilt etwa für Deutschland und Österreich. Wo die Klagebefugnis hingegen grundsätzlich schon bei Vorliegen eines in einer bestimmten Weise qualifizierten „Interesses“ am Klagegenstand bejaht wird, wie z.B. in Belgien, Frankreich und Großbritannien, fügt sich die Umweltverbandsklage harmonischer in das bestehende Rechtsbehelfssystem ein. Das gilt erst recht für Staaten wie Finnland und Griechenland, in denen die Klagebefugnis von Umweltorganisationen aus Verfassungsbestimmungen abgeleitet wird, die dem Einzelnen ein Recht auf eine intakte Umwelt garantieren, oder in denen, wie im Falle Portugals, die Verfassung sogar die Möglichkeit der Popularklage gewährleistet . Ergänzend sei auf eine auf der Homepage des Umweltbundesamtes veröffentlichte Studie zur Verbandsklage aus dem Jahre 2013 verwiesen, welche auch auf die Rechtslage in Polen, Österreich und den Niederlanden eingeht.2 2. Belgien Umweltorganisation wurde durch Gesetz vom 12. Januar 1993 eine Klagebefugnis in Umweltangelegenheiten eingeräumt. Diese setzt voraus, dass die Organisation gemeinnützig ist, seit mindestens drei Jahre existiert und den Umweltschutz zum Zweck hat. Die Vereinigung hat in ihrer Satzung das Gebiet anzugeben, auf das sich ihre Tätigkeit erstreckt. Andernfalls wird angenom- 1 Vgl. dazu im Einzelnen: Wissenschaftliche Dienste, Die Verbandsklage im Naturschutz- und Umweltrecht, Historische Entwicklung, europarechtliche Vorgaben, Klageberechtigung, WD 7-3000-208/18 vom 6. November 2018 (https://www.bundestag.de/blob/583690/fdd232be9af1080c21194c82c420a5e9/wd-7-208-18-pdf-data.pdf, letzter Abruf: 12. Dezember 2018), S. 6 ff. 2 Führ u.a., Evaluation von Gebrauch und Wirkung der Verbandsklagemöglichkeit nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG), 2013 (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen /texte_14_2014_evaluation_von_gebrauch_und_wirkung_der_verbandsklagemoeglichkeiten_0.pdf; letzter Abruf: 12. Dezember 2018), S. 4 ff., 104 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 6 men, dass sich dieses über ganz Belgien umfasst. Dies hat dann, jedenfalls bei formaler Auslegung des Gesetzes, zur Folge, dass die Vereinigung keine Maßnahmen angreifen kann, die ausschließlich lokale Interessen betreffen. Die Verwaltungsstreitsachenabteilung des Staatsrates kann ebenfalls von Umweltorganisationen angerufen werden. Diese müssen aber, wie jede andere natürliche oder juristische Person, „einen Nachteil oder ein Interesse“ nachweisen, wie es in Artikel 19 der Koordinierten Gesetze über den Staatsrat (lois coordonnées sur le Conseil d’Etat) heißt. Im Falle von Umweltorganisationen setzt dies nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Klagegenstand den satzungsmäßigen Zweck der Vereinigung berührt. Dabei muss das Interesse der Vereinigung durch den Satzungszweck so konkretisiert sein, dass es sich vom bloßen Allgemeininteresse wie auch von den persönlichen Interessen ihrer Mitglieder unterscheidet. Darüber hinaus kann eine Verwaltungsmaßnahme, die nur eine begrenzte geographische Auswirkung hat, nicht von einer Organisation angefochten werden, deren Satzung einen weitreichenden räumlichen Anwendungsbereich abdeckt. Etwas anderes gilt dann, wenn die Organisation einen spezialisierten Zweck hat. In zivilgerichtlichen Streitigkeiten können Umweltorganisationen derzeit nicht unter Berufung auf ihren Satzungszweck klagen, weil es an dem erforderlichen unmittelbaren und persönlichen Schaden fehlt. Es sind daher vorwiegend natürliche Personen, die das in Artikel 714 des Zivilgesetzbuches (Code civil) und Artikel 23 der Verfassung gewährleistete Recht, in einer intakten und gesunden Umwelt zu leben, einklagen. Der Kassationshof (Cour de Cassation) hat in einem Urteil vom 11. Juni 2013 allerdings anerkannt, dass sich Belgien durch die Ratifizierung der Aarhus- Konvention dazu verpflichtet hat, für Organisationen, die sich dem Umweltschutz widmen, den Rechtsweg zu eröffnen, wenn sie Handlungen oder Unterlassungen, die gegen das nationale Umweltrecht verstoßen, anfechten wollen. 3. Deutschland In Deutschland3 gilt im Grundsatz, dass eine staatliche Maßnahme nur von demjenigen gerichtlich angegriffen werden kann, der durch sie möglicherweise in eigenen Rechten verletzt wird. Die Möglichkeit, eine Maßnahme ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit gerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen, besteht prinzipiell nicht. Für bestimmte Maßnahmen im Bereich des Umweltschutzrechts wird dieser Grundsatz durchbrochen . Dies ist im Wesentlichen in einem speziellen Gesetz, dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, geregelt . Hiernach können staatlich anerkannte Vereinigungen, die Ziele des Umweltschutzes fördern , Klage gegen bestimmte im Gesetz aufgelistete Maßnahmen erheben, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen. Zuständig für diese sog. Verbandsklagen sind die Verwaltungsgerichte. Das Gesetz wurde im Jahre 2006 erlassen und in der Folge mehrfach geändert . Es bezweckt und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Umsetzung der in Artikel 9 der Århus-Konvention und in verschiedenen Richtlinien der Europäischen Union festgelegten Ver- 3 Dazu im Einzelnen: Wissenschaftliche Dienste, Die Verbandsklage im Naturschutz- und Umweltrecht, Historische Entwicklung, europarechtliche Vorgaben, Klageberechtigung, WD 7-3000-208/18 vom 6. November 2018 (https://www.bundestag.de/blob/583690/fdd232be9af1080c21194c82c420a5e9/wd-7-208-18-pdf-data.pdf, letzter Abruf: 12. Dezember 2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 7 pflichtung, „Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit“, einschließlich Nichtregierungsorganisationen , die sich für den Umweltschutz einsetzen, einen „weiten Zugang zu Gericht“ zu gewähren . Eine Klage nach dem Umweltrecht-Rechtsbehelfsgesetz kann nur von staatlich anerkannten Vereinigungen erhoben werden. Es kann sich um ausländische oder inländische Vereinigungen handeln . Die Anerkennung wird grundsätzlich vom Umweltbundesamt erteilt. Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass die Vereinigung nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend die Ziele des Umweltschutzes fördert. Ferner muss die Vereinigung im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre bestehen und in diesem Zeitraum und gemäß ihrer Satzung für den Umweltschutz tätig geworden sein. Weiterhin muss sie die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren . Darüber hinaus muss sie gemeinnützige Zwecke im Sinne des Steuerrechts verfolgen . Schließlich hat sie jeder Person, die die Ziele der Vereinigung unterstützt, den Eintritt als Mitglied zu ermöglichen. Eine Liste der nach diesem Verfahren anerkannten Vereinigungen ist im Internet zu veröffentlichen. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz listet die mit der Verbandsklage angreifbaren Maßnahmen im Einzelnen auf. Im Wesentlichen handelt es sich um Maßnahmen, gegen die nach den einschlägigen EU-Richtlinien, z.B. der Umweltverträglichkeitsprüfungsrichtlinie, eine entsprechende Anfechtungsmöglichkeit bestehen muss. So gehören Genehmigungen für öffentliche oder private Projekte, für die eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, zu den angreifbaren Maßnahmen. Seit 2017 ist darüber hinaus jede Projektgenehmigung angreifbar, deren Erteilung auf der Anwendung „umweltbezogener Rechtsvorschriften“ beruht, unabhängig davon, ob diese Vorschriften dem nationalen oder dem Unionsrecht angehören. Mit dieser Ergänzung des Katalogs der mit der Verbandsklage anfechtbaren Maßnahmen wollte der Gesetzgeber Artikel 9 Absatz 3 der Arhus-Konvention Rechnung tragen. Stets erforderlich für eine erfolgreiche Verbandsklage ist, dass die angegriffene Entscheidung gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung ist, und dass der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert . Nie erforderlich ist, dass die klagende Vereinigung durch die angegriffene Entscheidung in eigenen Rechten verletzt wird. Zu den Rechtsverstößen, die unter den genannten Voraussetzungen erfolgreich mit einer Verbandsklage angegriffen werden können, gehören auch Verstöße gegen Verfahrensvorschriften. Bestimmte Verfahrensfehler führen stets zur Aufhebung, z.B. wenn eine vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und auch nicht nachgeholt worden ist. Bei anderen Verfahrensfehlern kommt es darauf an, ob sie sich auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt haben. Im Zweifel wird aber vermutet, dass dies der Fall ist. Ansonsten variieren die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verbandsklage je nachdem, welche Art von Maßnahme angefochten wird. So können gegen Entscheidungen, die in einem Verfahren getroffen werden müssen, welches eine Beteiligung von bestimmten Verbänden vorsieht, nur solche Verbände klagen, die berechtigt waren, sich an dem vorangegangen Verwaltungsverfahren zu beteiligen. Sofern Pläne und Programme angegriffen werden, muss der klagende Verband auch tatsächlich von seinem Beteiligungsrecht Gebrauch gemacht haben, um anschließend gegen den Plan bzw. das Programm gerichtlich vorgehen zu können. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 8 Im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen . Dieser sog. Amtsermittlungsgrundsatz gilt auch für Verbandsklagen, erfährt hier jedoch eine gewisse Einschränkung. So muss die klagende Vereinigung ihre Klage innerhalb von zehn Wochen nach Klageerhebung begründen, indem sie die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angibt. Tatsachen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, dürfen grundsätzlich nicht mehr vom Gericht berücksichtigt werden. 4. Estland In Estland ist im Verwaltungsgerichtsverfahren grundsätzlich die Verletzung eigener Rechte zu rügen. Nur in gesetzlich normierten Ausnahmefällen reichen fremde Rechte oder das öffentliche Interesse für die Bejahung der Klagebefugnis aus. Eine solche Ausnahme ist im estnischen Umweltgesetz vorgesehen. Hiernach können Umweltorganisationen Verwaltungsmaßnahmen anfechten , welche die Umweltschutzziele oder -aktivitäten der Organisation betreffen. Es wird dann vermutet, dass die Rechte der Organisation betroffen sind. Mit der Einräumung dieser Klagemöglichkeit soll der Arhus-Konvention und den einschlägigen Vorgaben des Unionsrechts Rechnung getragen werden. Klageberechtigt sind zum einen nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete Vereinigungen oder Stiftungen, deren satzungsmäßiger Zweck und deren Tätigkeit auf den Schutz der Umwelt gerichtet sind. Ferner können auch Vereinigungen, die keine juristische Person sind, eine umweltrechtliche Verbandsklage erheben, wenn sie den Umweltschutz fördern und die Interessen eines signifikanten Teils der örtlichen Anwohner auf Basis einer schriftlichen Vereinbarung vertreten. Der Schutz der Umwelt kann auch um der menschlichen Gesundheit und des menschlichen Wohlbefindens willen sowie zum Zwecke der Erforschung der Natur und des natürlichen kulturellen Erbes gefördert werden. Die verbandsklageberechtigten Umweltorganisationen müssen nicht durch einen spezifischen Rechtsakt als solche anerkannt oder registriert sein. Es obliegt vielmehr dem Gericht zu prüfen, ob eine klagende Organisation die oben genannten Voraussetzungen erfüllt. Bei der Frage, ob eine Organisation den Umweltschutz fördert, spielt es auch eine Rolle, ob die Organisation tatsächlich in der Lage ist, die in der Satzung formulierten Ziele zu erreichen. Dabei berücksichtigt das Gericht die bisherigen Aktivitäten der Organisation, ihre Organisationsstruktur, die Anzahl ihrer Mitglieder und die Voraussetzungen für die Mitgliederaufnahme. Die mit der umweltrechtlichen Verbandsklage angreifbaren Maßnahmen werden nicht im Gesetz definiert. Es kann sich grundsätzlich um jede Art von Verwaltungsmaßnahme handeln, welche die Umweltschutzziele oder -aktivitäten der Organisation betrifft. Erfolgreich ist die Klage, wenn die angefochtene Maßnahme rechtswidrig ist. Geprüft werden sowohl formelle als auch materielle Aspekte, nationale wie internationale Vorschriften. Nach der Verwaltungsgerichtsordnung hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln , den Kläger treffen aber gewisse Klagebegründungspflichten. Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch für Umweltverbandsklagen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 9 5. Finnland Nach der finnischen Verfassung soll die staatliche Gewalt sich darum bemühen, jedem das Recht auf eine gesunde Umwelt zu garantieren sowie die Möglichkeit, Entscheidungen, die seine eigene Lebensumwelt betreffen, zu beeinflussen. Darin wurzeln auch die entsprechenden Mitwirkungsrechte von Nichtregierungsorganisationen in Umweltangelegenheiten. Die Rechtsfähigkeit von Vereinigungen setzt grundsätzlich eine Eintragung in das vom Patentund Registeramt geführte Vereinsregister voraus. Die Rechtsfähigkeit von ausländischen juristischen Personen wird aber anerkannt. Um eine Umweltverbandsklage erheben zu können, muss der Schutz der Umwelt Zweck der Vereinigung sein. Die Verbandsklagebefugnis wird unter anderem im finnischen Naturschutzgesetz geregelt. Hiernach steht das Recht, Klage zu erheben, zunächst jedem zu, „dessen Recht oder Interessen durch die Angelegenheit betroffen sind.“ In anderen als Entschädigungsangelegenheiten ist darüber hinaus aber „auch jede eingetragene lokale oder regionale Vereinigung klagebefugt, deren Zweck auf die Erhaltung der Natur oder den Schutz der Umwelt gerichtet ist.“ Ähnliche Vorschriften finden sich im Umweltschutzgesetz und im Wassergesetz. Eine gewichtige Rolle spielt im finnischen Umweltrecht das sogenannte Vorsichtsprinzip. Dieses Prinzip kommt dann zum Tragen, wenn die Auswirkungen einer geplanten Maßnahme auf die Umwelt nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden können. Dann ist im Zweifel davon auszugehen , dass die Maßnahme einen negativen Umwelteinfluss haben wird und zu unterlassen ist. Ansonsten ist die Anwendbarkeit der traditionellen Beweislastregeln in Umweltschutzprozessen nicht abschließend geklärt. Dem Gericht steht insoweit ein gewisser Ermessenspielraum zu. Gewöhnlich wird die Beweislast denjenigen treffen, der den Umweltschutz beschränken will. Eine Rolle kann aber auch spielen, welche Partei leichteren Zugang zu Beweismitteln (Archive, Dokumente etc.) hat. 6. Frankreich Umweltorganisationen müssen – nicht anders als natürliche Personen – ein Rechtsschutzinteresse (intérêt à agir) haben, um die gerichtliche Aufhebung eines Verwaltungsaktes beantragen zu können. Der angefochtene Akt muss sie hinreichend unmittelbar und eindeutig betreffen. Konkret bedeutet das, dass ihr satzungsmäßiger Zweck berührt sein muss. Eine Organisation, die zum Schutz des Waldes in der Pariser Region gegründet wurde, kann daher nicht eine Klage erheben, die dem Umweltschutz in der Bretagne dient. Durch eine Klage können die Umweltorganisationen die Nichtigkeit einer Verwaltungshandlung feststellen wie auch die Verwaltung zum Tätigwerden – etwa zur Wiederherstellung des vorherigen Zustands – verpflichten lassen. Der Antrag bei Gericht muss in ausreichendem Maße darlegen, gegen welche rechtliche Verpflichtung durch welche konkrete Handlung verstoßen wurde. 7. Griechenland Nach Artikel 24§1a der griechischen Verfassung ist der Schutz der natürlichen und kulturellen Umwelt eine Pflicht des Staates und ein Recht jeder Person. Grundsätzlich kann daher jeder ein- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 10 schließlich Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die sich nachteilig auf die Umwelt auswirken können, gerichtlich überprüfen lassen. Bei der Anerkennung eines entsprechenden Interesses legen die Gerichte einen weiten Maßstab zugrunde, bei dessen Konkretisierung sie Artikel 24 der Verfassung sowie die Vorgaben der Arhus -Konvention berücksichtigen. Ausreichend ist, dass der Umweltschutz unter die Satzung einer Organisation fällt, wobei eine ausdrückliche Erwähnung nicht erforderlich ist. Klagegenstand kann staatliches Handeln sein, aber auch das Unterlassen des Vollzugs umweltrechtlicher Vorgaben oder des Einschreitens gegen illegale umweltschädliche Aktivitäten sowie die Weigerung, Informationen über den Zustand der Umwelt herauszugeben. Typische Beispiele für Gegenstände umweltrechtlicher Klagen sind Genehmigungen für Industrieanlagen, Handwerksbetriebe , Deponien, Windparks, Mobilfunkmasten, Steinbrüche und Fischfarmen sowie Eingriffe in Waldgebiete. Unter Umstanden können auch Baugenehmigungen Gegenstand einer Verbandsklage sein. Die angegriffene Maßnahme wird auf ihre formelle und materielle Rechtmäßigkeit hin überprüft. Dazu gehört auch die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Rechtsvorschriften. Besondere Bedeutung kommt der unionsrechtlich verankerten Umweltverträglichkeitsprüfung zu. Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. 8. Großbritannien Der Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit setzt in Großbritannien grundsätzlich ein „ausreichendes Interesse“ (sufficient interest) des Klägers voraus. Darunter wird ein unmittelbares persönliches Interesse an der angegriffenen Entscheidung verstanden. Die Gerichte legen den Begriff weit aus. Es besteht daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Klagen von Bürgern, an deren Gegenstand ein großes öffentliches Interesse besteht, für zulässig erklärt werden, wenn sonst einer gerichtliche Klärung ausbleiben würde. Vor der Klageerhebung ist ein Vorverfahren (preaction protocol) durchzuführen. Die Klage muss, soweit spezialgesetzlich (wie etwa bei Planungsentscheidungen ) keine kürzere Frist festgelegt ist, innerhalb von drei Monaten erhoben werden. In Umweltrechtsstreitigkeiten wird den Vorgaben des einschlägigen EU-Sekundärrechts, z.B. denen der Umweltverträglichkeitsrichtlinie, Rechnung getragen. 9. Italien Nach Artikel 18.5 des Gesetzes Nr. 349/1986 sind vom Umweltminister per Dekret anerkannte Organisationen zur Erhebung einer umweltrechtlichen Verbandsklage berechtigt. Voraussetzung für die Anerkennung ist nach Artikel 13 dieses Gesetzes, dass die Organisation landesweit oder zumindest in fünf Regionen tätig ist. Maßgebend für die Anerkennung ist ferner die Zwecksetzung , die demokratische Binnenstruktur, die Dauer der Aktivitäten sowie das äußere Erscheinungsbild der Organisation. Die vom Umweltminister anerkannten Organisationen können den Rechtsweg bei Umweltschäden und bei rechtswidrigen Maßnahmen der Verwaltung beschreiten, ohne selbst unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein. Dabei legt die Rechtsprechung einen weiten Begriff des Umweltschutzes zugrunde. Der Schutz (ländlicher wie städtischer) Landschaften fällt ebenso hierunter Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 11 wie die Lebensqualität der Bürger. Umweltrelevante städteplanerische Maßnahmen können zum Gegenstand einer Verbandsklage gemacht werden wie auch öffentliche Infrastrukturmaßnahmen. Mit dem weiten Umweltschutzbegriff verbunden ist ferner, dass anerkannte Umweltorganisationen eine Verwaltungsmaßnahme bereits dann anfechten können, wenn diese einen Schaden an der Umwelt verursachen. Ein Verstoß gegen eine Vorschrift gerade des Umweltrechts ist nicht erforderlich. Neben dem Rechtsweg kann auch ein spezifisch für den Umweltschutz entwickeltes Verwaltungsverfahren nach dem Umweltgesetz angestrengt werden. Dadurch kann ein staatliches Eingreifen bei (drohenden) Umweltschäden ohne gerichtliches Verfahren beantragt werden, indem der Umweltminister über die Anschuldigungen und die negativen Umweltauswirkungen informiert wird. Dieses Recht steht neben anerkannten Umweltorganisationen auch örtlichen Behörden zu sowie natürlichen und juristischen Personen, die unmittelbar betroffen sind. 10. Kroatien Nach dem kroatischen Umweltschutzgesetz kann zunächst jede natürliche oder juristische Person zur Beschreitung des Verwaltungsrechtswegs befugt, deren Rechte durch eine umweltrelevante staatliche Maßnahme verletzt werden, sei es aufgrund der räumlichen Nähe zur Maßnahme , sei es aufgrund ihrer Natur oder ihrer Auswirkungen. Darüber hinaus wird in Umsetzung der Arhus-Konvention Umweltorganisationen, auch wenn sie selbst nicht unmittelbar betroffen sind, ein ausreichendes rechtliches Interesse an einer gerichtlichen Prüfung zugesprochen. Voraussetzung ist, dass die Organisation im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits zwei Jahre im Vereinsregister registriert ist, ihr satzungsmäßiger Zweck auf den Umweltschutz, einschließlich den Schutz der menschlichen Gesundheit und dem Schutz natürlicher Ressourcen, gerichtet ist und ihre Aktivitäten in den letzten beiden Jahren vor der Klageerhebung tatsächlich auf den Umweltschutz in dem Gebiet oder dem Ort, in dem sie registriert ist, gerichtet waren. Für die Klagen der Umweltorganisationen besteht eine Frist von dreißig Tagen ab dem Veröffentlichungsdatum der Entscheidung des Hoheitsträgers. Im Klageantrag muss dargelegt werden, worin die behauptete Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme besteht und welche Beweise den Vortrag stützen. Die gerichtliche Prüfung umfasst die formelle und die materielle Rechtmäßigkeit . 11. Lettland In Artikel 115 der der lettischen Verfassung wird das Recht eines jeden, in einer gesunden Umwelt zu leben, garantiert. Daraus wird ein Anspruch für natürliche Personen auf gerichtliche Überprüfung von Umweltbeeinträchtigungen abgeleitet. Das Umweltschutzgesetz stellt in Umsetzung der Arhus-Konvention klar, dass zudem Organisationen und Vereinigungen klagebefugt sein können. Sie können eine Klage jedoch nur dann auf Artikel 115 der lettischen Verfassung stützen, wenn durch eine hoheitliche Handlung die Rechte oder die legitimen Interessen der Umweltorganisation betroffen werden. Dies setzt nach der Rechtsprechung des lettischen Verfassungsgerichts voraus , dass sie nach ihrer Satzung den Schutz der Umwelt zum Ziel haben. Ferner müssen sie alle Registrierungserfordernisse nach lettischem Recht erfüllen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 12 Klagegegenstand kann jede Entscheidung oder Handlung eines Hoheitsträgers sein, die gegen umweltrechtliche Vorschriften verstößt oder die Umwelt schädigt oder zu schädigen droht. Die antragstellende Partei muss die Klage begründen und Beweise vorlegen, soweit sie über solche verfügt . Jedoch ist auch der Richter berufen, von Amts wegen zu ermitteln. 12. Litauen Nach dem litauischen Umweltgesetz können Umweltorganisationen als Teil der „betroffenen Öffentlichkeit “ klagebefugt sein. Zur „betroffenen Öffentlichkeit“ werden einzelne oder mehrere natürliche oder juristische Personen gezählt, die von umweltrechtlich relevanten Entscheidungen , Maßnahmen oder Unterlassungen betroffen sind, betroffen sein könnten oder wegen ihres Zwecks ein Interesse an einer gerichtlichen Prüfung der Maßnahme haben. Dazu gehören auch (legal gegründete und agierende) nichtstaatliche Organisationen, deren Zweck auf den Schutz der Umwelt gerichtet ist. Zuständig für diese Verbandsklagen sind die Verwaltungsgerichte. Die Klagen der Umweltorganisationen können neben der formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Maßnahmen oder Unterlassungen, die eine umweltrechtliche Relevanz haben, auch eine nicht ausreichende Berücksichtigung ihres gesetzlich normierten Informationsanspruchs in Umweltfragen zum Gegenstand haben. Umweltorganisationen können außerdem Anträge auf Maßnahmen zur Prävention oder Minimierung von Umweltschäden oder zur Wiederherstellung des umweltrechtlich vorgeschriebenen Ausgangszustands stellen. Sie können auch fordern, dass Personen, welche für Umweltschäden verantwortlich sind, oder als Beamte entsprechende Rechtsverletzungen begangen haben, bestraft werden. Das Gericht prüft im Einzelfall, ob ein objektiver Rechtsverstoß vorliegt und ob es der Umweltorganisation wegen einer Verletzung des öffentlichen Interesses zustand, sich an das Gericht zu wenden. Probleme bereitet dabei, dass das litauische Recht keine Definition für das „öffentliche Interesse“ enthält und auch die Rechtsprechung bisweilen uneinheitliche Anforderungen stellt. Die Organisationen müssen im Gerichtsverfahren darlegen, welche Maßnahmen aus welchen Gründen beanstandet werden und welche Beweismittel diese Ausführungen stützen. Das Gericht setzt hierfür eine Frist, die bei Umweltklagen in der Regel einen Monat beträgt. Das Gericht ist sodann verpflichtet, von Amts wegen alle für die Entscheidung relevanten Umstände zu ermitteln . 13. Niederlande Das niederländische Allgemeine Verwaltungsrechtsgesetz ermöglicht nichtstaatlichen Umweltorganisationen , die nicht in eigenen Rechten betroffen sind, Zugang zu den Verwaltungsgerichten als „interessierte Partei“. Eine „interessierte Partei“ ist dann klagebefugt, wenn sie nachweisen kann, dass eine behördliche Entscheidung ihre Interessen berührt. Sofern es sich bei dem Kläger – wie bei Umweltorganisationen – um eine juristische Person handelt, kann sie sich auch auf die Verletzung öffentlicher oder kollektiver Interessen berufen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Organisation ihren Standpunkt in den vorangegangenen behördlichen Entscheidungsprozess eingebracht hat, es sei denn, das Unterlassen der Abgabe einer Stellungnahme kann ihr nicht vorgeworfen werden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 13 In jedem Fall muss die Umweltorganisation nach ständiger Rechtsprechung nachweisen können, dass durch die Maßnahme ein Gegenstand, dessen Schutz satzungsmäßig als Zweck der Vereinigung ausgewiesen ist, betroffen sein könnte. Weiter muss erkennbar sein, dass dieser satzungsmäßige Zweck in der Vergangenheit auch tatsächlich gefördert wurde. Außerdem ist erforderlich, dass die Auswirkungen der angegriffenen Maßnahme auf die Umwelt eine gewisse Intensität erreichen , die über eine bloße Berührung von Umweltbelangen hinausgeht. Wann dies im Einzelnen der Fall ist, ist umstritten. Im gerichtlichen Verfahren unterliegt die behördliche Entscheidung einer vollumfänglichen formellen und materiellen Rechtmäßigkeitskontrolle. Dabei kann das Gericht als Besonderheit des niederländischen Verwaltungsprozessrechts auf ein unabhängiges Beratungsgremium zurückgreifen , um beispielsweise schwierige technische Fragestellungen besser beurteilen zu können.4 14. Österreich In Österreich gilt im Grundsatz, dass eine Klage vor den Verwaltungsgerichten nur zur Durchsetzung eigener Rechte möglich ist. Für anerkannte Umweltorganisationen besteht jedoch eine Ausnahme , die vornehmlich in § 19 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 20005 geregelt ist. Auch Ad-hoc-Bürgerinitiativen können (in eingeschränkterem Maße) die Verletzung von Umweltschutzvorschriften gerichtlich geltend machen. Die Anerkennung als (verbandsklageberechtigte) Umweltorganisation erfolgt per Bescheid durch das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaftsstandort und Digitalisierung. Anerkannt werden gemeinnützige Vereine oder Stiftungen nach österreichischem Recht, deren vorrangiger Zweck seit mindestens drei Jahren der Umweltschutz ist. Die Anerkennung erfolgt – je nach Tätigkeitsbereich der Organisation – für ganz Österreich oder für einzelne Bundesländer, wobei sich im letzteren Falle die Anerkennung nicht nur auf die Bundesländer erstreckt, in denen die Organisation in den letzten drei Jahren tätig war, sondern auch auf die an diese angrenzenden Bundesländer. Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus führt auf seiner Website eine öffentlich einsehbare Liste der anerkannten Organisationen.6 Ein weiteres Erfordernis ist seit einer Gesetzesänderung im Jahre 2018, dass der Verein mindestens 100 Mitglieder haben muss. Ferner ist das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen alle drei Jahre zu überprüfen sowie dann, wenn es die für die Umweltverträglichkeitsprüfung zuständige Behörde verlangt. Ergibt die Prüfung, dass nicht mehr 4 Führ u.a., Evaluation von Gebrauch und Wirkung der Verbandsklagemöglichkeit nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG), 2013 (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen /texte_14_2014_evaluation_von_gebrauch_und_wirkung_der_verbandsklagemoeglichkeiten_0.pdf; letzter Abruf: 12. Dezember 2018), S. 118. 5 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, Fassung vom 11.12.2018 (abrufbar unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010767; letzter Abruf: 11. Dezember 2018). 6 Liste der anerkannten Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000, Stand: 13.09.2018 (https://www.bmnt.gv.at/umwelt/betriebl_umweltschutz_uvp/uvp/anerkennung_uo.html, letzter Abruf: 11. Dezember 2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 14 sämtliche Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen, ist dies durch Bescheid festzustellen und die Liste der anerkannten Umweltorganisationen entsprechend zu aktualisieren. Das Verbandsklagerecht betrifft nicht nur Entscheidungen im Zusammenhang mit Umweltverträglichkeitsprüfungen , sondern auch Sanierungsmaßnehmen bei Umweltschäden, Genehmigungen im Anwendungsbereich der Industrieemissionsrichtlinie (IPPC-Anlagen nach dem Abfallwirtschaftsgesetz , dem Mineralrohstoffgesetz und der Gewerbeordnung) sowie bestimmte Maßnahmen nach dem Wasserrechtsgesetz und dem Immissionsschutzgesetz. Die Mitwirkungsrechte von Umweltorganisationen namentlich im Bereich Abfall-, Luft- und Wasserschutz wurden erst im Jahre 2018 durch das Aarhus-Beteiligungsgesetz erweitert, um europarechtlichen Vorgaben besser gerecht zu werden. So können künftig auch Luftreinhaltepläne indirekt zum Gegenstand einer Verbandsklage gemacht werden. Der Umfang und die Art und Weise der Geltendmachung des Verbandsklagerechts im Einzelnen hängt davon ab, welchen Bereich die angegriffene Maßnahme betrifft. In bestimmten Bereichen, z.B. im Bereich des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, kann die Verletzung sämtlicher Umweltvorschriften geltend gemacht werden, in anderen (z.B. im Abfallwirtschaftsgesetz, außer bei IPPC-Anlagen) kann nur die Verletzung von unionsrechtlich bedingten oder sogar nur ganz bestimmter Vorschriften gerügt werden (z.B. das Verschlechterungsverbot im Wasserrechtsgesetz ). Bei Klagen nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz sind Einwendungen oder Gründe, die erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, nur zulässig, wenn begründet wird, warum sie nicht bereits während der Einwendungsfrist im Verwaltungsverfahren geltend gemacht werden konnten und der Beschwerdeführer glaubhaft macht, dass ihn am Unterbleiben der Geltendmachung während der Einwendungsfrist kein oder nur ein minderer Grad von Verschulden trifft. Das Verwaltungsgericht kann aufgrund des Beschwerdevorbringens weitere Beweiserhebungen für notwendig erachten. Grundsätzlich gilt, dass der Kläger, also die Umweltorganisation , amtlichen Gutachten „auf gleichem fachlichem Niveau“ begegnen muss. Dies erfordert zumeist die Vorlage von eigenfinanzierten Gutachten und ist daher mit einem gewissen finanziellen Aufwand verbunden. 15. Polen Gemäß § 50 Abs. 1 des polnischen Gesetzes über das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten setzt die Klagebefugnis ein „rechtliches Interesse“ voraus. Umweltschutzorganisationen werden im Umweltschutzgesetz darüber hinaus spezielle Rechte zugestanden. Sie können vor den Verwaltungsgerichten Maßnahmen und Entscheidungen in solchen Verfahren prüfen lassen, an denen ein Interesse an einer Beteiligung der Öffentlichkeit besteht. Zur Erhebung einer solchen Klage sind Organisationen berechtigt, deren satzungsmäßiges Ziel auf den Umweltschutz gerichtet ist und die im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung schon mindestens zwölf Monate nach den gesetzlichen Vorschriften bestehen. Sie können behördliche Entscheidungen anfechten, bei denen im Verwaltungsverfahren eine öffentliche Beteiligung erforderlich war. Diese Beteiligungsnotwendigkeit ist in unterschiedlichen Rechtsgrundlagen geregelt. Gemeinsames Merkmal ist, dass sie umweltrechtliche Relevanz haben, wie etwa der Bau von Infrastrukturen. Die Maßnahmen werden vom Gericht sowohl auf Verfahrensfehler als auch auf ihre materielle Rechtmäßigkeit hin geprüft. Die Beweisaufnahme durch das Gericht erfolgt unabhängig von den durch die Parteien dargebotenen Beweisen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 15 16. Portugal Im portugiesischen Recht wird die umweltrechtliche Klagebefugnis der nicht-staatlichen Umweltorganisationen im Gesetz Nr. 10/87 vom 04. April 1987 geregelt. Gemäß Artikel 2 des Gesetzes sind rechtsfähige Organisationen klagebefugt, die keine Gewinnerzielungsabsichten verfolgen und ausschließlich dem Umweltschutz dienen. Gemäß Artikel 10 des Gesetzes können die Organisationen unabhängig von der Verletzung eigener Rechte den Rechtsweg gegen Maßnahmen hoheitlicher und privater Einrichtungen, die einen Umwelteinfluss haben, beschreiten. Sie können auch an entsprechenden zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verfahren mitwirken, z.B. indem sie Gutachten oder Prüfvorschläge beibringen. Die Organisationen sind von den anfallenden Verfahrenskosten befreit. In der portugiesischen Verfassung ist in Artikel 52 Absatz 3 darüber hinaus das Recht eines jeden , eine Popularklage erheben zu können, normiert. Voraussetzung ist die Geltendmachung eines allgemeinen Interesses. In Artikel 52 Abs. 3 Buchstabe a wird die Erhaltung der Umwelt als ein solches allgemeines Interesse definiert. Weiter wird in Artikel 66 der portugiesischen Verfassung das Recht eines jeden auf eine intakte Umwelt normiert. Im Gesetz Nr. 83/95 vom 31. August 1995 wird das Popularklagerecht einfachgesetzlich ausgestaltet. Die Popularklage ist hiernach jedem Bürger, allen Stiftungen und Verbänden sowie den lokalen Behörden, soweit sie Interessen aus ihrem Zuständigkeitsbereich geltend machen, eröffnet. Verbände und Stiftungen sind nur dann klagebefugt, wenn sie Interessen im Zusammenhang mit ihrem satzungsmäßigen Zweck geltend machen, rechtsfähig sind und keine unternehmerischen Ziele verfolgen. Im Popularklageverfahren sind Kläger von den Prozesskosten befreit, sofern die Klage nicht offensichtlich unbegründet ist. Im Verfahren der Popularklage ist der Richter unabhängig von den Beweisanträgen der Parteien zur Beweisaufnahme verpflichtet. 17. Rumänien Gemäß Artikel 148 der rumänischen Verfassung haben die Regelungen internationaler Abkommen , die von Rumänien ratifiziert wurden, Vorrang vor den nationalen Vorschriften. Über die Arhus -Konvention als von Rumänien ratifiziertes internationales Abkommen wird daher nichtstaatlichen Umweltorganisationen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Der Rechtsweg für die Umweltorganisationen wurde darüber hinaus durch die Notverordnung 195/2005 im nationalen Recht verankert. Umweltorganisationen können hiernach, soweit sie ein legitimes Interesse an einer gerichtlichen Befassung mit einer Maßnahme nachweisen können, die Gerichte anrufen. Beim Umweltschutz handelt es sich nach dem rumänischen Recht grundsätzlich um ein öffentliches Interesse, das von Organisationen geltend gemacht werden darf, wenn eine Maßnahme umweltschädigend ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Organisation nach ihrem satzungsmäßigen Zweck den Schutz der Umwelt fördert. Im Gerichtsverfahren selbst ist die Umweltorganisation als antragstellende Parte beweisbelastet. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 16 18. Schweden Die Klagebefugnis bezüglich umweltrelevanter Maßnahmen ist im schwedischen Umweltgesetz geregelt. Danach sind zunächst diejenigen Personen klagebefugt, die von der Maßnahme selbst betroffen sind (Kapitel 16, § 12). Daneben wird aber auch nichtstaatlichen Umweltorganisationen eine eigene Klagebefugnis eingeräumt, die von der persönlichen Betroffenheit unabhängig ist (Kapitel 16, §§ 13, 14). Diese im Jahre 1999e erstmals normierte Klagebefugnis wurde in der Folge mehrfach geändert, um Vorgaben der Aarhus-Konvention und des sekundären EU-Rechts sowie der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gerecht zu werden. Klagebefugt sind Organisationen, deren Hauptzweck auf den Schutz der Umwelt gerichtet ist, die keine Gewinnerzielungsabsichten verfolgen, bereits seit mehr als drei Jahren in Schweden aktiv sind und entweder mindestens 100 Mitglieder haben oder auf sonstige Weise zeigen, dass ihre Tätigkeit öffentliche Unterstützung findet. Die Rechtsprechung legt diese Anforderungen mit Blick auf europarechtliche Vorgaben großzügig aus. So hat der oberste schwedische Gerichtshof entschieden, dass eine Organisation, die nicht sämtliche genannte Voraussetzungen erfüllt, gleichwohl klagebefugt sein kann, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass sie das öffentliche Interesse an der Förderung des Natur- und Umweltschutzes vertritt. Zum Gegenstand einer Verbandsklage gemacht werden können auf dem Umweltgesetz beruhende Maßnahmen wie Genehmigungen, Erlaubnisse oder Befreiungen, die Aberkennung des Status als Schutzgebiet und die Beobachtung verschmutzter Gebiete. Auch bauplanerische Entscheidungen von einer gewissem Umweltrelevanz, z.B. Genehmigungen für Industrieanlagen, Supermärkte und Verkehrsinfrastruktur, sind anfechtbar. Die Verbandsklagebefugnis erstreckt sich schließlich auch auf Genehmigungen, die von der Regierung erteilt werden, etwa bei Bergbauprojekten oder den Bau von Stromleitungen. Ausgenommen von der Verbandsklage sind Maßnahmen, welche die Landesverteidigung betreffen. Im Gerichtsverfahren werden die Maßnahmen auf Rechtsverstöße hin überprüft. Im Ausgangspunkt ist es Aufgabe des Gerichts die angegriffene Entscheidung umfassend zu überprüfen. Im Bereich des Umweltrechts wird dieser Grundsatz allerdings in starkem Maße vom im Umweltgesetz verankerten Vorsorgeprinzip überlagert. Das hat zur Folge, dass im Grundsatz derjenige, der eine umweltrelevante Maßnahme trifft, nachweisen muss, dass er die einschlägigen rechtlichen Vorgaben beachtet. Eingeschränkt wird diese Beweislastverteilung lediglich durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz .7 7 Weitere Erläuterungen zum schwedischen Umweltrecht und zum Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten finden sich bei Darpö, Access to Justice in Environmental Decision-making in Sweden. Standing for the public concerned, the scope of review on appeal and costs, 2015 (http://jandarpo.se/wp-content/uploads /2017/07/2015-Scope-of-review-in-SE.pdf, letzter Abruf: 12. Dezember 2018) und in folgender Ausarbeitung der Schwedischen Naturschutzbehörde: Swedish Environmental Law, An introduction to the Swedish legal system for environmental protection, Report 6790, 2017 (http://www.naturvardsverket.se/Documents/publikationer 6400/978-91-620-6790-8.pdf?pid=21184, letzter Abruf: 12. Dezember 2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/18 Seite 17 19. Slowakei Nach dem slowakischen Verwaltungsprozessrecht kann auch die „betroffene Öffentlichkeit“ die Verwaltungsgerichte anrufen. Zur „betroffene Öffentlichkeit“ gehört jeder, der durch eine hoheitliche Entscheidung öffentlich betroffen ist, wahrscheinlich betroffen wird oder ein Interesse an ihr hat. Demnach können Umweltorganisationen in Umweltentscheidungen durch ihr Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung als „betroffene Öffentlichkeit“ anzusehen und folglich klagebefugt sein, ohne eine Verletzung eigener Rechte nachweisen zu müssen. Voraussetzung ist, dass die Organisation ihren Zweck auf den Umweltschutz gerichtet hat. Ferner muss sie seit mindestens zwei Jahren bei den zuständigen Stellen registriert ist, es sei denn, die angefochtene Maßnahme fällt unter das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz. Dann gilt das Zweijahreserfordernis nicht. Klagegegenstand sind behördliche Entscheidungen, die umweltrechtliche Relevanz haben. Die Prozessparteien sind gehalten, Beweise, die ihre Anträge stützen, beizubringen. Das Gericht kann aber auch Beweise bei seiner Entscheidung berücksichtigen, die nicht von den Parteien vorgelegt wurden. 20. Tschechien In Tschechien sind die Verbandsklagmöglichkeiten von Umweltorganisationen in starken Maße durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts und Obersten Verwaltungsgerichts geprägt. Hiernach hängt der Zugang vom Gegenstand und Umfang der Tätigkeit der Organisation ab, insbesondere davon, wie stark deren Bezug zur angegriffenen Maßnahme ist, sowie davon, wie lange die Organisation schon tätig ist. Diese Kriterien wurden ursprünglich für Fälle entwickelt, in denen die Organisation bereits am Verwaltungsverfahren, aus dem die gerichtlich angegriffene Maßnahme hervorging, beteiligt war. Nach neuerer Rechtsprechung sind Verbandsklagen aber auch in sonstigen Fällen möglich. Die Beteiligung von Umweltorganisationen am Verwaltungsverfahren ist derzeit ein rechtspolitischer Streitpunkt, weil im Jahre 2017 die Beteiligungsrechte im Bereich des Baurechts eingeschränkt wurden. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestimmen die Parteien den Umfang des Streitgegenstandes . Das Gericht ist jedoch berufen, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Die Beweislast ist nicht eindeutig geregelt, tendenziell dürfte sie aber beim Kläger liegen. 21. Ungarn In Ungarn besteht nach Auskunft der Parlamentsverwaltung für Umweltorganisationen, soweit sie nicht in eigenen Rechten verletzt sind, keine Möglichkeit, den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten . ***