© 2013 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 216/13 Üble Nachrede und Verleumdung Strafrechtliche Ahndung und zivilrechtliche Abwehr Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 2 Üble Nachrede und Verleumdung Strafrechtliche Ahndung und zivilrechtliche Abwehr Verfasser/innen: Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 216/13 Abschluss der Arbeit: 6. Dezember 2013 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Grundproblem: Konflikt zwischen Ehrenschutz und Meinungsfreiheit 5 2.1. Allgemeines 5 2.2. Ausgleich: Güter- und Interessenabwägung 5 2.2.1. Auslegung von (mehrdeutigen) Äußerungen 5 2.2.2. Ehrenschutz von Personen des öffentlichen Lebens 6 2.2.3. Veranlassung 7 2.2.4. Schutz vor Schmähkritik, Formalbeleidigung und Verletzung der Menschenwürde 7 3. Strafrechtliche Ahndung 8 3.1. In Betracht kommende Straftatbestände 8 3.1.1. Üble Nachrede (§ 186 StGB) 8 3.1.1.1. Abgrenzung Tatsachen und Werturteile 8 3.1.1.2. Eignung zur Verachtung und öffentlichen Herabwürdigung 9 3.1.1.3. Ehrenrührige Tatsache behaupten oder verbreiten 10 3.1.1.4. In Beziehung zu einem anderen 10 3.1.1.5. Nichterweislichkeit der Tatsache 10 3.1.2. Verleumdung (§ 187 StGB) 10 3.1.3. Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB) 11 3.1.3.1. Schutzzweck der Norm 11 3.1.3.2. Voraussetzungen 12 3.1.4. Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen (§ 90b StGB) 13 3.1.4.1. Verfassungsorgan 13 3.1.4.2. Verunglimpfung 13 3.2. Rechtfertigung durch Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) 14 3.2.1.1. Anwendungsbereich 14 3.2.1.2. Ausprägungen von Rechtfertigungsgründen in § 193 StGB 14 3.2.1.3. Fall der Wahrnehmung berechtigter Interessen 15 3.2.1.3.1. Berechtigte Interessen 15 3.2.1.3.2. Angemessenheit des wahrgenommenen Interesses 16 4. Zivilrechtliche Abwehr 17 4.1. Geltendmachung von Schadensersatz 17 4.1.1. Anspruchsgrundlagen 17 4.1.1.1. § 823 Abs. 2 i.V.m. einem Schutzgesetz 17 4.1.1.2. § 823 Abs. 1 BGB 17 4.1.2. Art und Umfang des Schadensersatzes 18 4.1.2.1. Wiederherstellung der Ehre 18 4.1.2.2. Geldersatz 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 4 4.1.2.3. Geldentschädigung 19 4.2. Rechtsschutz über § 1004 BGB 19 4.2.1. Unterlassungsanspruch 19 4.2.2. Beseitigungsanspruch 20 5. Prozessuale Besonderheiten 20 5.1. Strafprozess 20 5.1.1. Antragserfordernis im Rahmen der §§ 186, 187 und 188 StGB 20 5.1.2. Antragserfordernis im Rahmen des § 90b StGB 21 5.1.3. Beweisführung 21 5.1.4. Bekanntgabe der Verurteilung (§ 200 StGB) 22 5.2. Zivilprozess 22 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 5 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung behandelt die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten sich bieten, gegen üble Nachrede und Verleumdung vorzugehen. Hierbei wird zunächst auf das grundlegende Problem der Abwägung von Ehrenschutz und Meinungsfreiheit eingegangen (2.). Sodann werden die Grundlagen der Ahndung im Strafrecht (3.) und der zivilrechtlichen Abwehr (4.) von übler Nachrede und Verleumdung aufgezeigt. Abschließend werden prozessuale Besonderheiten dargestellt (5.). 2. Grundproblem: Konflikt zwischen Ehrenschutz und Meinungsfreiheit 2.1. Allgemeines Der Schutz der persönlichen Ehre ist eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, welches als Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG besonderen Schutz einräumt vor Äußerungen der Missachtung oder Nichtachtung, die zu einer Minderung des Rufs oder Ansehens einer Person in den Augen anderer, ihrer sozialen Geltung oder der äußeren Ehre führen.1 Das Grundrecht wird jedoch nicht vorbehaltlos gewährt, sondern durch die verfassungsmäßige Ordnung, die auch die Rechte Dritter umfasst, beschränkt. Dazu zählt unter anderem die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, die wiederum selbst ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen und dem Recht auf persönliche Ehre findet, Art. 5 Abs. 2 GG. Zu diesen allgemeinen Gesetzen gehören unter anderem §§ 185 ff. StGB und §§ 823, 1004 BGB. 2.2. Ausgleich: Güter- und Interessenabwägung Um der Bedeutung beider Grundrechte bei der Anwendung der straf- und zivilrechtlichen Normen gerecht zu werden, müssen sie in Ausgleich zueinander gebracht werden. Dies erfolgt im Rahmen einer Güter- und Interessenabwägung. Hierbei wird die Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits gegenübergestellt.2 2.2.1. Auslegung von (mehrdeutigen) Äußerungen Zunächst ist es für die Prüfung einer Grundrechtsverletzung erforderlich, den Inhalt der Aussage zu erfassen, um zu klären, in welcher Hinsicht nach dem objektiven Sinn der Äußerung eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung gegeben ist.3 Da der Sinn einer Äußerung den Grundrechtsschutz beeinflusst, darf er nicht ohne Rücksicht auf die Freiheiten ermittelt werden, um deren Ausgleich es geht.4 Abzustellen ist hierbei auf das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständi- 1 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 79. 2 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 30. 3 BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 31. 4 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 137. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 6 gen Dritten.5 Die herabsetzende Äußerung soll nicht ausschließlich aus der Perspektive des Opfers bestimmt werden.6 Gibt es mehrere, gleichermaßen denkbare Deutungen, die sich nicht gegenseitig ausschließen, ist der rechtlichen Bewertung die für den Äußernden günstigste Interpretation zugrunde zu legen.7 Um jedoch auch den Ehrenschutz nicht zu kurz kommen zu lassen, ist folgende Differenzierung geboten: Geht der Betroffene gegen eine in der Vergangenheit liegende Äußerung vor, gilt der „Grundsatz der verletzerfreundlichen Auslegung“8. Diese Schonung des Äußernden rechtfertigt sich dadurch, dass er sonst befürchten müsste, wegen einer Deutung, die den gemeinten Sinn verfehlt, mit Sanktionen (z.B. Strafe oder Schadensersatz) belastet zu werden . Diese Sanktionsmöglichkeiten könnten eine einschüchternde Wirkung auf die freie Meinungsbildung und –äußerung haben und damit die Meinungsfreiheit in ihrer Substanz treffen.9 Macht der Betroffene dagegen die Unterlassung zukünftiger Äußerungen geltend, dann ist der rechtlichen Kontrolle die rechtsverletzende Interpretation zugrunde zu legen. Da der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und klarzustellen, welcher Äußerungsgehalt zur Grundlage der Überprüfung gemacht werden soll, ist er insofern nicht so schutzwürdig.10 2.2.2. Ehrenschutz von Personen des öffentlichen Lebens Auswirkungen auf die Bestimmung der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht hat auch die Frage, ob es sich bei der betroffenen Person um eine solche des öffentlichen Lebens handelt. Wer sich als Prominenter oder Politiker gezielt in die Öffentlichkeit begibt oder wer im politischen Wettstreit gezielt versucht, die Meinungsbildung zu beeinflussen, muss ein größeres Interesse der Öffentlichkeit an seiner Person hinnehmen.11 In diesem Fall tritt der Ehrenschutz hinter der Meinungsfreiheit zurück. Der Persönlichkeitsschutz wird vor allem dann hintenangestellt, wenn sich Äußerungen auf Gegenstände des öffentlichen Interesses beziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt im öffentlichen Leben insoweit eine Vermutung für die Freiheit der Rede.12 Dies resultiert daraus, dass die Kommunikation einen Prozess darstellt, an dem stets mehrere Personen beteiligt sind, die abwechselnd die Rollen des Kommunikators, Mediators und Rezipienten einnehmen. Harte Interessengegensätze in einer pluralistischen Gesellschaft können in diesem Prozess schnelle Äußerungen, spontane Reaktionen und situative Anpassungen notwen- 5 BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 31. 6 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 137. 7 BVerfG, Beschluss vom 9.10.1991 – 1 BvR 1555/88, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1992, 1439 (1440). 8 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 137. 9 BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 33. 10 BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 34. 11 Lange/Schmidbauer, in: juris-Praxiskommentar BGB (jurisPK-BGB), 6. Auflage 2012, § 823 Rn. 66. 12 Grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.1.1958 - 1 BvR 400/57, juris Rn. 33. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 7 dig machen, mit der Folge von unvermeidlicher Einseitigkeit, Schärfen, Vorläufigkeiten, Irrtümern und Unrichtigkeiten.13 Daher müssten beunruhigende, schockierende, übertreibende und verletzende Formulierungen grundsätzlich hingenommen werden.14 Die Vermutungsregel darf jedoch nicht als Vorrangregel missverstanden werden, sodass in jedem Fall eine Abwägung vorgenommen werden muss. Liegen besondere Gründe vor, kann dann im Einzelfall der Schutz des Persönlichkeitsrechts vorgezogen werden.15 2.2.3. Veranlassung Wer sich mit Äußerungen in die Öffentlichkeit begibt, um einen Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf zu liefern, muss damit rechnen, dass seine Person selbst in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gerückt wird. Nur so kann eine chancengleiche öffentliche Meinungsbildung gewahrt werden. Eine scharfe, zuspitzende oder überzogene Stellungnahme kann im Sinne eines Gegenschlages eine vergleichbar harte Kritik herausfordern.16 Jedoch muss die Äußerung des Reagierenden nach Inhalt und Form eine verhältnismäßige Antwort darstellen. Maßstab für diese Verhältnismäßigkeit sind wiederum Art und Schwere der herausfordernden Äußerung.17 Die Grenze wird dann überschritten, wenn allein die Diffamierung des Gegners beabsichtigt ist. 2.2.4. Schutz vor Schmähkritik, Formalbeleidigung und Verletzung der Menschenwürde Der Vorrang der Meinungsfreiheit endet dann, wenn die Äußerung die Menschenwürde antastet, eine Formalbeleidung darstellt oder Schmähkritik enthält. In diesen Fällen geht es dem Äußernden nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache, sondern um die vorsätzliche und ausschließliche Herabsetzung und Kränkung der Person.18 Bei der Formalbeleidigung beruht diese Herabwürdigung insbesondere auf der Form der Äußerung oder den ihr zugrunde liegenden Umständen (vgl. § 192 StGB). Da solche Äußerungen zur geistigen Auseinandersetzung und öffentlichen Meinungsbildung von vornherein nicht beitragen können, treten sie gegenüber dem Schutz des Persönlichkeitsrechts zurück.19 Um der Bedeutung der Meinungsfreiheit jedoch hinreichend gerecht zu werden, muss der Begriff der Schmähkritik eng ausgelegt werden.20 Scharfe Abwertungen und starkes Polemisieren – selbst 13 Grimm, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: NJW 1995, 1697 (1703 f.). 14 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (Große Kammer), NJW 1999, 1315 (1316). 15 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 175 mit weiteren Nachweisen. 16 Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.6.1966 - VI ZR 261/64, NJW 1966, 1617 (1619); Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 171 f. mit weiteren Nachweisen. 17 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 172. 18 BGH, Urteil vom 22.9.2009 – VI ZR 19/08, NJW 2009, 3580 (3581). 19 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 156. 20 BGH, Urteil vom 22.9.2009 – VI ZR 19/08, NJW 2009, 3580 (3581). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 8 durch Verwendung von Schimpfwörtern – führen nicht automatisch zu einer unzulässigen Meinungsäußerung .21 Das Maß des Zulässigen bestimmt sich nach dem Gegenstand der Kommunikation . Je mehr der Äußernde eigennützige Ziele verfolgt und je weniger die Äußerung dem geistigen Meinungskampf dient, desto eher ist von einer unzulässigen Schmähkritik auszugehen.22 Umgekehrt muss sich der Äußernde nicht auf das mildeste Mittel zur Kritik verweisen lassen,23 denn er hat ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Äußerung auch die gewünschte Aufmerksamkeit erregt, da er nur dann sicher einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten kann. 3. Strafrechtliche Ahndung 3.1. In Betracht kommende Straftatbestände Der Ehrenschutz im Strafrecht wird durch die §§ 185 ff. StGB gewährleistet. Zudem finden sich im Bereich der Amtsdelikte mit §§ 90 ff. StGB Straftatbestände, die das Ansehen bestimmter „Amts- und Würdenträger“ schützen. Im Folgenden werden die Voraussetzungen derjenigen Vorschriften erläutert, mit denen üble Nachrede und Verleumdung strafrechtlich geahndet werden. 3.1.1. Üble Nachrede (§ 186 StGB) Der Tatbestand der üblen Nachrede ist dem Grunde nach erfüllt, wenn der Täter in Bezug auf den Betroffenen Dritten gegenüber eine ehrverletzende Tatsache kundgibt und diese geeignet ist, eine Missachtung des Empfängers gegenüber dem Betroffenen zu ermöglichen. 3.1.1.1. Abgrenzung Tatsachen und Werturteile Die Strafbarkeit des § 186 StGB erfordert zunächst die Behauptung oder Verbreitung von Tatsachen in Beziehung zu einem anderen, die geeignet sind, diesen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Nicht von dem Tatbestand hingegen umfasst sind Werturteile, wie beispielsweise Prognosen, Meinungsäußerungen oder Schlussfolgerungen. Solche führen unter bestimmten Voraussetzungen vielmehr zur Anwendung des Beleidigungstatbestandes gemäß § 185 StGB, so dass eine scharfe Abgrenzung zwischen Tatsachen und Werturteilen vorzunehmen ist.24 21 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 157. 22 BGH, Urteil vom 30.5.2000 - VI ZR 276/99, NJW 2000, 3421 (3422). 23 BGH, Urteil vom 1.2.1977 - VI ZR 204/74, GRUR 1977, 801 (803). 24 Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 186 Rn. 7; Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, §186 Rn. 3; BGH, Urteil vom 20.1.1959 - 1 StR 518/58, NJW 1959, 636. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 9 Tatsachen sind konkrete Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die sinnlich wahrnehmbar, in die Wirklichkeit getreten und daher dem Beweis zugänglich sind.25 Von Bedeutung ist dabei insbesondere die Nachweisbarkeit der Tatsache: Jede Kundgabe zukünftiger Ereignisse ist nicht mit prozessualen Mitteln feststellbar, sondern vielmehr eine Meinungsäußerung , die nicht vom § 186 StGB umfasst ist, es sei denn sie beruht auf Fakten.26 Allerdings stellt § 186 StGB auch innere, schwer nachweisbare Tatsachen unter Strafe, die sich in irgendeiner Weise nach Außen manifestiert haben, wie beispielsweise bestimmte Ansichten, Einstellungen und Charaktereigenschaften.27 Der Tatbestand ist auch unabhängig davon erfüllt, ob der Äußernde in Kenntnis der Wahrheit oder der Erweislichkeit handelte. Voraussetzung ist lediglich die billigende Inkaufnahme der Kundgabe einer Tatsachenbehauptung an einen Dritten.28 Häufig bereitet eine konkrete Abgrenzung Schwierigkeiten, so dass neben dem Wortlaut und der Form der Äußerung auch die äußeren Umstände, der Sinnzusammenhang und die Beziehung zwischen dem Äußernden und dem Betroffenen bedeutsam sein können. Die Grenzen sind fließend .29 Wie schon eingangs dargestellt (2.2.1.), ist bei der Prüfung von etwaigen mehrdeutigen Aussagen der Sinnzusammenhang meist prägend für den Umstand, ob es sich um eine Tatsache oder ein von der Meinungsfreiheit geschütztes Werturteil handelt. Und dieser Sinnzusammenhang ist des Öfteren nicht eindeutig zu bestimmen. Solch ein Zweifelsfall ist beispielsweise die Bezeichnung von Soldaten als „Mörder“30. Diese Äußerung, sofern sie sich auf ein konkretes Geschehen bezieht, kann sowohl eine Tatsachenbehauptung darstellen, als auch als ein abwertendes Urteil verstanden werden. Letztlich ist es eine Frage der tatrichterlichen Wertung und des Einzelfalls. Liegt jedoch eine Äußerung vor, die neben einem Tatsachenmoment auch ein trennbares , nicht beherrschendes Werturteil beinhaltet, so kommt Strafbarkeit gemäß § 186 StGB oder § 185 StGB in Betracht, die in Idealkonkurrenz zueinander stehen.31 3.1.1.2. Eignung zur Verachtung und öffentlichen Herabwürdigung Wird die Äußerung als eine Tatsachenbehauptung gewertet, so muss diese zur Erfüllung des Tatbestandes des § 186 StGB auch geeignet sein, den Betroffenen verächtlich zu machen oder ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Verächtlich macht eine Aussage eine Person dann, 25 BGH, Urteil vom 20.1.1959 – 1 Str 518/58, NJW 1959, 636; BVerfG, Beschluss vom 12.11.2002 – 1 BvR 232/97, NJW 2003, 660 (661). 26 Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 186 StGB, Rn. 5. 27 BGH, Urteil vom 20.1.1959 - 1 StR 518/58, BGHSt 12, 287 (289)= NJW 1959, 636. 28 Kühl, in: Lackner/Kühl, Strafrechtskommentar, 27. Auflage 2011, § 186 Rn. 10. 29 Kühl, in: Lackner/Kühl, Strafrechtskommentar, 27. Auflage 2011, § 186 Rn. 3. 30 Siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92 u. 1 BvR 221/92. 31 Kühl in: Lackner/Kühl, Strafrechtskommentar, 27. Auflage 2011, § 186 Rn. 3; Regge/Pegel in: Münchener Kommentar , 2. Auflage 2012, Band 4, § 186 StGB, Rn. 12, 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 10 wenn sie gegen die guten Sitten verstößt. Ähnlich ist auch die Herabwürdigung in der öffentlichen Meinung zu verstehen. Sie liegt vor, wenn der Ruf der Person geschmälert wird. Beide Formen dienen dem Ziel, die Ehre des anderen zu beeinträchtigen. Darüber hinaus ist eine Auswirkung auf die Öffentlichkeit notwendig und nicht schon ein überschaubarer Kreis von Adressaten, wie Freunde oder Verwandte ausreichend. Dennoch bedarf es keiner Tatsachen, die eine Ehrverletzung belegen – es genügt die Eignung der Tatsachenbehauptung als solche.32 3.1.1.3. Ehrenrührige Tatsache behaupten oder verbreiten Tathandlung ist entweder das Behaupten oder das Verbreiten der ehrverletzenden Tatsache. Der Tatbestand des § 186 StGB umfasst damit sowohl den Umstand, dass der sich Äußernde die Kundgabe der Tatsache sowohl mit als auch ohne eigene Überzeugung tätigt. Einschränkungen wie „ ich glaube…“ ändern daran nichts. Der Tatbestand ist dem Grunde nach sehr weitgefasst und lässt schon die Weitergabe eines ehrenrührigen Gerüchts genügen.33 3.1.1.4. In Beziehung zu einem anderen Schließlich muss die Tatsachenbehauptung auch in einer Beziehung zu einem anderen stehen. Dies ist der Fall, wenn ihr die Möglichkeit immanent ist, die Identität des Betroffenen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Eine konkrete Namensnennung ist nicht notwendig. Voraussetzung ist jedoch, dass der Äußerungsempfänger nicht mit der Person des Betroffenen identisch ist.34 3.1.1.5. Nichterweislichkeit der Tatsache Neben dem Behaupten oder Verbreiten einer ehrenrührigen Tatsache in Beziehung auf einen anderen ist Voraussetzung der Strafbarkeit der üblen Nachrede, dass diese Tatsache nicht erweislich wahr ist. Die Konsequenz dieser Klausel ist, dass eine Strafbarkeit stets dann ausgeschlossen ist, wenn die Wahrheit der behaupteten Tatsache bewiesen ist.35 3.1.2. Verleumdung (§ 187 StGB) Die objektiven Voraussetzungen für das Vorliegen des Tatbestands der Verleumdung in § 187 StGB entsprechen denen bei der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB. Danach muss der Täter in Beziehung zu einem Dritten eine ehrverletzende Tatsache behaupten oder verbreiten. Insoweit kann hier auf die Darstellung oben Bezug genommen werden. Ein Unterschied besteht allerdings auf der subjektiven Ebene. Demnach verlangt eine Verleumdung das Behaupten oder Verbreiten 32 Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 186 StGB, Rn. 14; Zaczyk in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 186. Rn. 5. 33 So auch Gillen, Das Verhältnis von Ehren-und Privatsphärenschutz im Strafrecht, 1998, S. 12. 34 Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 186 StGB, Rn. 20. 35 Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 186 StGB, Rn. 25; dort auch zur Diskussion über die systematische Einordnung der Nichterweislichkeitsklausel. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 11 einer „unwahren Tatsache wider besseren Wissens“. Der Täter muss insoweit mit dolus directus handeln, ein Eventualvorsatz genügt nicht.36 Oder anders gesagt, im Gegensatz zur üblen Nachrede wird hier die positive Kenntnis der Unwahrheit der Tatsache vorausgesetzt. An der Unwahrheit darf zudem kein Zweifel bestehen, diese muss festgestellt sein. 3.1.3. Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB) 3.1.3.1. Schutzzweck der Norm Die üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens gemäß § 188 StGB dient, unter Beachtung der Straftatbestände §§ 186, 187 StGB und mit einer erhöhten Strafandrohung , einem verstärkten Ehrenschutz eines bestimmten Personenkreises. Geschützt wird hier nicht das politische Amt an sich, sondern der Amtsinhaber als Person.37 Die Folgen der Tat haben aufgrund der Öffentlichkeit und der Schlüsselposition der Betroffenen für ihr politisches Wirken zumeist eine erhebliche Konsequenz, was einen höheren Strafrechtsschutz rechtfertigt, ohne zugleich gegen den Gleichheitsgrundsatz gegen Art. 3 Abs.1 GG zu verstoßen. Sinn und Zweck der Norm ist es, der „Vergiftung des politischen Lebens entgegenzuwirken“ und die Gewährung für eine sachliche Auseinandersetzung zu bieten. Zu der Vorgängernorm (§ 187 a StGB a.F.)38 hat das Bundesverfassungsgericht demgemäß ausgeführt: „Der erhöhte strafrechtliche Ehrenschutz wird den im politischen Leben stehenden Personen nicht um ihrer selbst willen gewährt, sondern um ihr öffentliches Wirken vor unsachlichen Beeinträchtigungen zu schützen und um einer erhöhten Gefährdung der Ehre dieser Personen Rechnung zu tragen. § 187 a StGB soll der Vergiftung des politischen Lebens durch Ehrabschneidung und Verunglimpfungen und der Verhetzung im politischen Kampf entgegenwirken (vgl. die Begründung zum Entwurf des StrRÄndG, Dt. BTI/1949, Drucks. Nr. 1307). Politische Auseinandersetzungen, die in üble Nachrede und Verleumdung ausarten, gefährden die Freiheit des politischen Handelns, also die Grundlage der Demokratie. Die Strafschärfung des § 187 a StGB dient daher der Erhaltung dieser Grundlage und des inneren politischen Friedens.“39 36 BGH, Urteil vom 18.2.1964 – 1 StR 572/63, NJW 1964, 1148 (1149); Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 187 Rn. 1-10. 37 Zaczyk in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 188 Rn. 1; Hilgendorf in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, 2010, § 188 StGB Rn. 1. 38 Die Vorschrift ist durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26.1.1998 (BGBl. I S.164) ohne inhaltlich Veränderung neu nummeriert worden. 39 BVerfG, Beschluss vom 30. 11. 1955 - 1 BvL 120/53, juris Rn. 14 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 12 3.1.3.2. Voraussetzungen Der § 188 StGB ist ein Qualifikationstatbestand zur üblen Nachrede gemäß § 186 StGB und zur Verleumdung gemäß § 187 StGB.40 Die Tathandlung kann insoweit nicht eine einfache Beleidigung sein, sondern setzt das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der üblen Nachrede oder der Verleumdung voraus. Darüber hinaus muss die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken der im politischen Leben des Volkes stehenden Person erheblich zu erschweren. Unbestritten sind Personen des politischen Lebens im Sinne des § 188 StGB der Bundespräsident und die Regierungsmitglieder sowie auch die Mitglieder des Bundestages und der Landtage. 41 Umstritten ist allerdings die Anwendbarkeit bei Betroffenen, die auf kommunaler Ebene und damit in einem begrenzteren Einflussbereich agieren. Zumindest ist eine Beeinträchtigung innerhalb des Wirkungsbereichs festzustellen, die sich insbesondere aus dem Umstand des öffentlichen Lebens heraus begründet. Wann das öffentliche Wirken der Person des politischen Lebens, zum Beispiel eines Abgeordneten , tatsächlich betroffen ist, lässt sich nicht einheitlich beantworten. Maßgebend ist nach Ansicht der Rechtsprechung der Inhalt der aufgestellten Behauptung.42 Der Eintritt eines etwaigen Erfolges ist nicht tatbestandlich erfasst. Allerdings verlangt der Wortlaut des Gesetzes eine „Eignung “ der Tat als solche, die sich neben dem objektiven Inhalt nur unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls ermitteln lässt. Zu berücksichtigen sind dabei etwa auch die Glaubwürdigkeit des Sichäußernden oder des Verbreitenden und die Größe des angesprochenen Adressatenkreises.43 Zumindest wird die Eignung in den Fällen bejaht, in denen die ehrenrührige Tatsache den Betroffenen des Vertrauens unwürdig erscheinen lässt, dessen er für sein öffentliches Wirken bedarf .44 Die Äußerung muss das Vertrauen und die Integrität des Betroffenen erschüttern können, welches ihm insbesondere zur Erfüllung seiner Aufgabe zukommt. Der Täter muss zumindest mit bedingtem Vorsatz handeln. Vorausgesetzt werden besondere Beweggründe , die mit der Stellung des Betroffenen im öffentlichen Leben zusammenhängen. Allerdings bedarf die ehrenrührige Äußerung keiner politischen Motivation. Es genügt insoweit ein 40 Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 188 StGB, Rn. 1. 41 BGH, Urteil vom 26.6.1952 - 5 StR 382/52, Beck’sche Rechtsprechungssammlung (BeckRS) 1981, 31107343; OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.12.1982 - Ss 444/82 - 342/82 II, NJW 83, 1211 (1212). 42 BGH, Urteil vom 8.1.1954 – 5 StR 611/53, NJW 1954, 649; BGH, Urteil vom 4.3.1981 - 2 StR 641/80, juris Rn. 19. 43 Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 188 Rn. 4; Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 188 StGB, Rn. 11-13. 44 Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 188 Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 13 Zusammenhang mit der Stellung des betroffenen Politikers.45 Eine konkrete Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich. 3.1.4. Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen (§ 90b StGB) Unter gewissen Voraussetzungen kann eine Strafbarkeit gemäß § 90b StGB wegen einer verfassungsfeindlichen Verunglimpfung eines Verfassungsorgans in Betracht kommen. Der Schutzzweck des § 90b StGB dient in erster Linie dem Ansehen bestimmter Verfassungsorgane und ihrer Mitglieder. Darüber hinaus ist auch der Bestand der Bundesrepublik Deutschland in ihrer verfassungsmäßigen Ordnung mit umfasst.46 Insoweit wird hier nicht der persönliche Ehrenschutz des Amtswalters selbst geschützt, sondern im Unterschied zu den oben dargestellten Tatbeständen der §§ 186 bis 188 StGB das Amt an sich. 3.1.4.1. Verfassungsorgan Als Maßstab einer verfassungsmäßigen Ordnung gilt dabei die Einhaltung der in § 92 Abs. 2 StGB definierten Verfassungsgrundsätze. Schließlich ist die Diskreditierung eines führenden Repräsentanten des Staates ein typisches Vorgehen von Verfassungsgegnern. Dennoch ist nicht jede kritische Äußerung schon unter Strafe gestellt. Dem geschützten Personenkreis von § 90b StGB unterfallen auch die Abgeordneten des Bundestages insoweit, als sich die Verunglimpfung auf ihre Mandatsinhaberschaft bezieht und nicht nur das einzelne Mitglied als Politiker Tatobjekt des Angriffs ist. Dennoch bedarf es keines ausdrücklichen Hinweises, dass durch den Angriff auf die Institution selbst Bezug genommen wird.47 3.1.4.2. Verunglimpfung Der Tatbestand setzt als Tathandlung eine Verunglimpfung voraus. Dies ist eine nach Form, Inhalt , Begleitumständen oder Beweggrund erhebliche Ehrenkränkung im Sinne der §§ 185 bis 188 StGB.48 Ohne Bedeutung ist dabei die Art der Verunglimpfung. Die Verunglimpfung kann gegeben sein in Form einer Tatsachenbehauptung, einer Meinungsäußerung oder eines Werturteils. Etwaige Abgrenzungen wie in den oben vorgestellten Tatbeständen sind hier nicht erforderlich. 45 Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 188 Rn. 4; Kühl in: Lackner/Kühl, Strafrechtskommentar , 27. Auflage 2011, § 188 Rn. 4; vgl. auch BGH, Urteil vom 19.3.1953 – 3 StR 42/53, NJW 1953, 869 (870). 46 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 90b Rn. 2; Steinmetz, in: Münchener Kommentar, 2. Auflage, 2012, § 90b Rn. 1. 47 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013,§ 90b Rn. 4. 48 BGH, Urteil vom 28.1.1959 - 3 StR 41/58, NJW 1959, 635; BGH, Urteil vom 1.12.1961 - 3 StR 38/6, NJW 1962, 402 (zu § 95 StGB a. F.); Paeffgen in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013,§ 90b Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 14 Dennoch ist in Übereinstimmung mit den Straftatbeständen oben eine lediglich unsachliche und polemische politische Kritik vom Tatbestand nicht mit erfasst.49 Insoweit bedarf es einer gewissen Einschränkung des weiten Tatbestandes mittels des Kriteriums der Erheblichkeit der Ehrenkränkung. Dieses Merkmal ist im Einzelfall auszulegen und findet eine deutliche Grenze im Schutzbereich der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG. Die Rechtsprechung ist dahingehend nicht eindeutig, tendiert jedoch zu einer großzügigen Ausweitung des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit im politischen Leben.50 Grundsätzlich ist harte politische Kritik bis zu der Grenze hinzunehmen, an der der Beschuldigte die Äußerung mit dem Ziel trifft, das Amt des Betroffenen schwerwiegend herabzusetzen. Beschimpfungen oder auch das Etikett „Lügnerpack“ kann unter Umständen in einer öffentlichen Auseinandersetzung als ein Ausdruck des Ärgers vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst sein. Hingegen erscheint die Erfüllung des Tatbestandes beispielsweise bei der Titulierung der Bundesregierung als „Verbrecherbande“ durchaus möglich. Die Gesamtumstände und die allgemeine Lebenserfahrung sind zu berücksichtigen . Teilweise wird die Rechtsprechung dahingehend kritisiert, sie verkenne die Tatsache, dass im politischen Leben nicht jedes Wort auf die Waagschale zu legen sei.51 3.2. Rechtfertigung durch Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) 3.2.1.1. Anwendungsbereich Die Vorschrift des § 193 StGB nennt besondere Rechtfertigungsgründe bei Ehrverletzungsdelikten und findet Anwendung bei den Straftatbeständen der §§185, 186 und 188 Abs.1 StGB. Nur in Ausnahmefällen können Gründe des § 193 StGB auch eine Verleumdungstat gemäß § 187 StGB rechtfertigen. Grundsätzlich ist die Verleumdung in Form einer wissentlich unwahren Tatsachenbehauptung mit der Verfolgung eines berechtigten Zwecks unvereinbar. Eine Rechtfertigung einer Verleumdung kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Tathandlung dem Feld von berechtigten Interessen auch zuordnen lässt.52 3.2.1.2. Ausprägungen von Rechtfertigungsgründen in § 193 StGB Der § 193 StGB normiert unterschiedliche Fälle, in denen Ehrverletzungen gerechtfertigt werden können. Als Konstellation eines entsprechenden Sachverhalts werden neben tadelnden Urteilen über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen auch Fälle im Rahmen der Ausführung oder Verteidigung von Rechten genannt. Auch können ausdrücklich Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile eines Beamten die Rechts- 49 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013,§ 90b Rn. 5. 50 Vgl. BGH, Urteil vom 28.1.1959 - 3 StR 41/58, NJW 1959, 635; BGH, Urteil vom 1.12.1961 - 3 StR 38/6, NJW 1962, 402 (zu § 95 StGB a. F.); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.9.1979 - 5 Ws 109/79, NJW 1980, 603 und LG Bamberg, Urteil vom 20.11.1952 - 2 KMs 8/52, NJW 1953, 675 (Leitsatz). 51 Steinmetz, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 3, § 90b Rn. 6. 52 Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 187 Rn. 6, § 193 Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 15 widrigkeit einer ehrverletzenden Äußerung entfallen lassen. Diese Fälle werden als konkrete Ausprägungen der Wahrnehmung berechtigter Interessen verstanden, so dass es diesem Merkmal im Besonderen Beachtung zu schenken gilt.53 3.2.1.3. Fall der Wahrnehmung berechtigter Interessen Die Prüfung, ob eine ehrverletzende Äußerung in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgte, ist im Wege einer Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. 54 Eine Rechtfertigung ist dann begründet, wenn im Fall der Kollision das Interesse des Täters das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Ehre überwiegt. Im Einzelnen muss sich die Handlung des Täters im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen und, unter Berücksichtigung des jeweils im Einzelfall betroffenen Grundrechts, als das angemessene Mittel zur Erreichung eines berechtigten Zwecks darstellen.55 3.2.1.3.1. Berechtigte Interessen Das vom Täter mit der Äußerung verfolgte Interesse, gleichviel ob öffentlicher oder privater, ideeller oder materieller Art, ist berechtigt, wenn es einen Zweck verfolgt, der dem Recht und den guten Sitten nicht entgegensteht. Ein berechtigtes Interesse, das der Täter solchermaßen wahrnehmen darf, gestattet den Angriff auf die Ehre eines anderen jedoch nur, wenn ein zureichender Verdacht für das Vorliegen eines Mangels an Ehre in dessen Person vorliegt. 56 Deshalb trifft den Täter die Sorgfaltspflicht, den Wahrheitsgehalt seiner Äußerung in den ihm zumutbaren Grenzen zu prüfen.57 Welcher Maßstab der Sorgfaltspflicht jedoch im Einzelnen angewendet wird, ist abhängig von der jeweiligen Konfliktsituation. Allerdings ist der Anknüpfungspunkt der den Beschuldigten treffenden Pflicht nicht die Erweislichkeit der Behauptung, sondern deren Wahrheit. In der Literatur wird dies damit begründet, dass vom Beschuldigten nicht die Erforschung eines Beweises verlangt werden kann, die dem Gericht selbst nicht gelingt. Diese Nichterweislichkeit kann keine Leichtfertigkeit begründen.58 53 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Auflage 2010, § 193 Rn. 1-4. 54 Vgl. BVerfG, Urteil vom 25.1.1961 - 1 BvR 9/57, juris Rn. 50; BVerfG, Urteil vom 5.3.1992 - 1 BvR 1770/91, juris Rn. 26; Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 193 Rn. 2; Lenckner/Eisele in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch - Kommentar, 28. Auflage 2010, § 193 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen. 55 BVerfG, Urteil vom 6.11.1968 - 1 BvR 501/62, juris Rn. 14. 56 Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 188 Rn. 18, 21. 57 BGH, Urteil vom 15.1.1963 - 1 StR 478/62, NJW 1963, 665 (666); Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 193 Rn. 17 u. 43f. 58 Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 188 Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 16 Neben der Frage, ob ein Interesse berechtigt ist, ist unter Umständen auch die Art des wahrgenommenen Interesses im Rahmen des § 193 StGB von besonderer Bedeutung. Die Prüfung eines berechtigten Informationsinteresses der Allgemeinheit beispielsweise ist in der Rechtsprechung und Literatur von hoher Relevanz. Jeder, der Teil der Allgemeinheit ist, kann ihre Interessen wahrnehmen, so dass § 193 StGB häufig auch im Rahmen von Beiträgen zur öffentlichen Meinungsbildung bezogen auf Fragen gesellschaftlicher oder politischer Art bedeutsam wird. Insbesondere in diesem Bereich kommt dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG in Abwägung mit dem Ehrenschutz des Betroffenen (als Ausprägung des Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) eine erhöhte Bedeutung zu. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt eine Tendenz zum Vorrang der Meinungsfreiheit aufgrund ihrer enormen Relevanz im „freien Meinungskampf“.59 Die zunächst im Rahmen von Art.5 Abs. 2 GG entwickelte Wechselwirkungstheorie ist im Wege der Rechtsprechung auch auf das Verhältnis der Meinungsfreiheit und dem Recht auf Ehre übertragen worden. Demnach besteht aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts eine Wechselwirkung zwischen den beiden Rechten mit Verfassungsrang. Das im Einzelfall zu urteilende Gericht hat das Recht auf Ehre, das die Meinungsfreiheit beschränkt, im Lichte der Bedeutung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zu bestimmen. Diese einschränkende Wertung des Ehrenschutzes führt häufig dazu, dass das Recht der Meinungsfreiheit überwiegt.60 3.2.1.3.2. Angemessenheit des wahrgenommenen Interesses Das dem Ehrenschutz des Betroffenen gegenüberstehende berechtigte Interesse muss nach Inhalt, Form, den begleitenden Umständen und der sich daraus begründenden Wirkung ein angemessenes Mittel der Interessenwahrnehmung sein.61 Wann die Grenze der Angemessenheit konkret überschritten ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten . Es besteht insbesondere im Rahmen des Allgemeininteresses bei „Beiträgen zum geistigen Meinungskampf“ oder der „Kritik an staatlichem Handeln“ ein weiter Beurteilungsspielraum .62 Die Rechtsprechung ist vielseitig in diesem Bereich. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass rein böswillige Schmähkritik und pure Beschimpfungen ohne Sachbezug unangemessen sind, soweit die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.63 Ausschlaggebend sind hier die konkreten Umstände des Einzelfalles. 59 Vgl. BVerfG, Urteil vom 15.1.1958 - 1 BvR 400/51; BVerfG, Beschluss vom 25.1.1961 - 1 BvR 9/57; BVerfG, Beschluss vom 13.5. 1980 - 1 BvR 103/77. 60 Lenckner/Eisele in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch - Kommentar, 28. Auflage, 2010, § 193 StGB Rn. 15; Otto, Der strafrechtliche Schutz vor ehrverletzenden Meinungsäußerungen, in: NJW 2006, 575 (576). 61 BVerfG, Beschluss vom 25.1.1961 - 1 BvR 9/57, juris Rn. 49 f. 62 Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, 2009, § 188 Rn. 25. 63 BVerfG, Urteil vom 26.6.1990 - BvR 1165/89, juris Rn. 41; BVerfG, Urteil vom 9.10.1991 - 1 BvR 1555/88, juris Rn. 48 ; Lenckner/Eisele in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch - Kommentar, 28. Auflage 2010, § 193 Rn. 12 mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 17 So zum Beispiel ist im Fall der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB die Art und Schwere der ehrenrührigen Tatsache und das damit zusammenhängende Gewicht des wahrgenommenen Interesses mit zu berücksichtigen. Auch die Wirkung für den Betroffenen bei Nichterweislichkeit der Tatsachenbehauptung, eine etwaige Breitenwirkung z.B. bei einer Vorstandssitzung sowie etwa zu erwartende Übertreibungen, beispielsweise im Rahmen des Wahlkampfs, sind in die Abwägung einzubeziehen.64 4. Zivilrechtliche Abwehr Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gehört zu den von § 823 Abs. 1 BGB geschützten sonstigen Rechten und kann damit verschiedene deliktsrechtliche Ansprüche auslösen. In Betracht kommen Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz und § 823 Abs. 1 BGB sowie Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung aus § 1004 Abs. 1 BGB analog. 4.1. Geltendmachung von Schadensersatz 4.1.1. Anspruchsgrundlagen Der Anspruch auf Schadensersatz wegen ehrverletzender Äußerungen kann sich aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz oder aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Sind die Voraussetzungen beider Anspruchsgrundlagen erfüllt, kommen sie nebeneinander zur Anwendung.65 4.1.1.1. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz Der Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der objektive und subjektive Tatbestand des Schutzgesetzes verwirklicht wurden. Dies beurteilt sich nach den jeweils für das Schutzgesetz geltenden Regeln.66 Kommen als Schutzgesetze die §§ 186, 187 bzw. 188 StGB in Betracht, bestimmt sich die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale folglich nach den strafrechtlichen Maßstäben . Auf die Erfüllung von Strafverfolgungsvoraussetzungen, wie beispielsweise die Stellung eines Strafantrags, kommt es aber nicht an, da es sich hierbei um rein strafprozessuale Fragen handelt.67 4.1.1.2. § 823 Abs. 1 BGB Der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – hier in der Gestalt des Rechts der persönlichen Ehre – voraus. 64 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Auflage, 2010, § 193 StGB Rn. 12. 65 Sprau, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Auflage 2012, § 823 Rn. 56. 66 Lange/Schmidbauer, in: jurisPK-BGB, 6. Auflage 2012, § 823 Rn. 178. 67 Lange/Schmidbauer, in: jurisPK-BGB, 6. Auflage 2012, § 823 Rn. 178. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 18 Die Rechtswidrigkeit wird im Falle des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht durch das Verhalten indiziert, welches zur Beeinträchtigung der persönlichen Ehre führt. Zur Begründung der Rechtswidrigkeit ist stattdessen eine Interessenabwägung vorzunehmen.68 Nur wenn die Schutzinteressen des Geschädigten die schutzwürdigen Belange des Schädigenden überwiegen, liegt eine rechtswidrige Handlung vor. Im Falle von Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch Äußerungen ist als schutzwürdiger Belang des Schädigenden die Meinungsfreiheit in die Abwägung einzustellen,69 wobei dann die eingangs dargestellten Maßstäbe zur Interessenabwägung zum Zuge kommen. Das Verschulden umfasst gemäß § 276 Abs. 1 BGB sowohl die fahrlässige als auch die vorsätzliche Tatbegehung. Insoweit geht diese Anspruchsgrundlage über den Schutz von § 823 Abs. 2 BGB hinaus, der – abgeleitet aus den strafrechtlichen Vorschriften §§ 186, 187 StGB – eine vorsätzliche Tatbegehung erfordert. 4.1.2. Art und Umfang des Schadensersatzes Der Schadensersatzanspruch ist nach § 249 Abs. 1 BGB auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands und damit auf den Ausgleich erlittener Nachteile gerichtet. Der Geschädigte soll so gestellt werden, als wäre die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nie erfolgt. 4.1.2.1. Wiederherstellung der Ehre Der Schadensersatzanspruch kann zum einen im Rahmen der Naturalrestitution auf die Wiederherstellung der Ehre gerichtet sein.70 In dieser Variante kann der Schädigende verpflichtet werden , die Äußerung zu widerrufen oder in sonstiger Weise zu beseitigen oder zu korrigieren. 4.1.2.2. Geldersatz Darüber hinaus kann der Geschädigte auch einen Ausgleich für erlittene finanzielle Einbußen verlangen. Zum Schadensumfang gehören grundsätzlich die Aufwendungen zur Schadensbegrenzung durch richtigstellende Anzeigenaktionen des Opfers.71 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Aufwendungen unter Beachtung der Interessen von Opfer und Schädiger das mildeste Mittel zur Schadensbekämpfung darstellen müssen. Als milderes Mittel kommen aber oftmals eine rasch durchzusetzende Gegendarstellung oder ein Widerruf auf Seiten des Verletzenden in Betracht, die daneben für eigene Abwehrmaßnahmen des Geschädigten keinen Raum lassen.72 68 Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, § 823 Rn. 242. 69 BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 30. 70 OLG Frankfurt, Urteil vom 6.9.2002 – 25 U 235/01, juris Rn. 29. 71 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 233. 72 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 233. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 19 Ein Anspruch auf Kostenersatz besteht in der Regel nur dann, wenn ein außergewöhnlicher, vornehmlich die berufliche oder wirtschaftliche Existenz treffender Schaden unmittelbar droht, der Schädiger sich einer Schadensverhütung oder -begrenzung verweigert und anderweitige gerichtliche Hilfe nicht zu erlangen oder nicht ausreichend ist.73 4.1.2.3. Geldentschädigung Neben dem Wiederherstellungsanspruch kann bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung auch ein Anspruch auf Geldentschädigung gegeben sein.74 Hierbei kommt es auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an. Maßgeblich für die Beurteilung der Schwere der Verletzung sind neben der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs auch der Beweggrund des Handelnden und der Grad seines Verschuldens.75 Weiterhin ist Voraussetzung des Anspruchs, dass die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Der Anspruch kann folglich auch dann gegeben sein, wenn der Schädigende gleichzeitig z.B. zum Widerruf verurteilt wird, sofern der Widerruf nicht zu einem befriedigenden Ausgleich führt.76 4.2. Rechtsschutz über § 1004 BGB In Ergänzung zu den deliktsrechtlichen Ansprüchen gewährt die Rechtsprechung darüber hinaus auch Rechtsschutz über die analoge Anwendung von § 1004 Abs. 1 BGB. 4.2.1. Unterlassungsanspruch Der Unterlassungsanspruch ist ein auf die Zukunft gerichteter präventiv wirkender Anspruch, der aus einer Analogie zu § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB hergeleitet wird. Der Anspruch ist dann erfüllt, wenn sich aus den tatsächlichen Umständen die drohende Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts erkennen lässt. Der Anspruch kann zum einen bestehen, wenn bereits eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts erfolgt ist. Aus dem rechtswidrigen Eingriff lässt sich dann eine tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr ableiten. Die Unterlassung kann zum anderen dann gefordert werden, wenn eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts noch nicht erfolgt ist, sofern eine Erstbegehungsgefahr gegeben ist.77 Dies setzt 73 BGH, Urteil vom 6.4.1976 - VI ZR 246/74, NJW 1976, 1198 (1201). 74 BGH, Urteil vom 15.12.1987 – VI ZR 35/87, NJW-RR 1988, 733; Urteil vom 30.01.1996 - VI ZR 386/94, NJW 1996, 1131 (1134). 75 BGH, Urteil vom 30.1.1996 - VI ZR 386/94, NJW 1996, 1131 (1134). 76 BGH, Urteil vom 15.12.1987 – VI ZR 35/87, NJW-RR 1988, 733 (734). 77 Seyfarth, Der Einfluss des Verfassungsrechts auf zivilrechtliche Ehrschutzklagen, in: NJW 1999,1287 (1288). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 20 voraus, dass die Verletzung ernsthaft drohen muss, also in nicht allzu ferner Zukunft greifbar bevorsteht. Die Gefahr der Rechtsverletzung muss hinreichend wahrscheinlich sein; die bloße Möglichkeit der Gefahr eines Eingriffs genügt insoweit nicht.78 Bei dem Unterlassungsanspruch handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Anspruch. Es kommt folglich nur auf das objektive Vorliegen einer Gefahr für die Unversehrtheit des Persönlichkeitsrechts an. 4.2.2. Beseitigungsanspruch Aus § 1004 Abs. 1, S. 2 BGB analog lässt sich auch ein Anspruch auf Widerruf, Beseitigung oder Berichtigung ableiten. Der Anspruch dient der Korrektur einer erfolgten, in der Vergangenheit liegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung. Es handelt sich um einen verschuldensunabhängigen Anspruch, der nur die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts fordert. Erforderlich ist das Vorliegen einer noch andauernden, gegenwärtigen und rechtswidrigen Störung, die den Anspruchsinhaber weiterhin belastet. Diese ist nicht schon dann zu verneinen, wenn der Verletzende seine herabsetzenden Äußerungen nicht erneuert oder zu wiederholen droht.79 5. Prozessuale Besonderheiten 5.1. Strafprozess Dem Strafprozess ist das Legalitätsprinzip zugrunde zu legen, welches seine Ausprägung u.a. in den §§ 152 Abs. 2, 160 und 163 StPO gefunden hat. Danach haben die Strafverfahrensbehörden die Pflicht, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, soweit sie Kenntnis vom Vorliegen einer Straftat erhalten haben und diese nicht nur auf Antrag verfolgbar sind. Bei den Tatbeständen gemäß §§ 185 bis 188 StGB und gemäß § 90b StGB handelt es sich jedoch um Antragsdelikte. Der Gekränkte oder Verletzte ist angehalten, einen Strafantrag gemäß §§ 77 StGB zu stellen, um eine Strafverfolgung überhaupt erst in Gang zu setzen. 5.1.1. Antragserfordernis im Rahmen der §§ 186, 187 und 188 StGB Grundsätzlich ist gemäß § 194 StGB als Prozessvoraussetzung für die Delikte der §§ 186, 187 und 188 StGB ein Strafantrag erforderlich. In Fällen, in denen ein Gesetzgebungsorgan oder eine politische Körperschaft von der Tat betroffen ist, bedarf es statt eines Strafantrages eine entsprechende Ermächtigung der betroffenen Körperschaft . Gemäß § 77e StGB finden bestimmte Vorschriften über den Strafantrag jedoch entspre- 78 BGH, Urteil vom 25.2.1992 - X ZR 41/90, NJW 1992, 2292 (2294). 79 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 220. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 21 chende Anwendung. So ist grundsätzlich der in seiner Ehre Verletzte zur Stellung des Antrags berechtigt gemäß § 71 Abs.1 StGB. Soweit sich die Tat jedoch gegen eine Behörde oder eine sonstige Stelle richtet, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist der Behördenleiter oder der Leiter der Aufsicht führenden Behörde antragsbefugt gemäß § 194 Abs. 3 S. 2 StGB. Der Strafantrag ist gemäß § 77 b StGB innerhalb von drei Monaten zu stellen. Erlangt der Antragsberechtigte Kenntnis von der Tat und der Person des Täters, so beginnt die Frist zu laufen. Im Rahmen der Fälle, die eine Ermächtigung der betroffenen Körperschaft bedürfen, findet § 77 b StGB keine Anwendung gemäß § 77e StGB. Die Ermächtigung ist fristlos zu gewähren. 5.1.2. Antragserfordernis im Rahmen des § 90b StGB Gemäß § 90b Abs. 2 StGB wird die Tat nur mit Ermächtigung des betroffenen Verfassungsorgans oder dessen Mitglieds verfolgt. Soweit sich die Tat gegen ein einzelnes oder mehrere Mitglieder richtet, so können auch nur diese eine entsprechende Ermächtigung aussprechen. Zusätzlich ist auch ein Strafantrag zu stellen, der auf die Verfolgung „aller rechtliche Gesichtspunkte “ gerichtet ist, um ein positives und umfassendes Strafverlangen deutlich zu machen.80 5.1.3. Beweisführung Gemäß § 186 2. Halbsatz StGB ist der Straftatbestand der üblen Nachrede nur dann erfüllt, wenn nicht die behauptete oder verbreitete Tatsache erweislich wahr ist. Wegen der widerstreitenden Interessen im Rahmen von ehrverletzenden Straftaten kommt der Erhebung des Wahrheitsbeweises im Strafverfahren des § 186 StGB besondere Bedeutung zu. Die Beweisführungslast trifft dabei nach dem gemäß §§ 155 Abs. 2 und 244 Abs. 2 StPO im Strafprozess geltenden Grundsatzes der Amtsermittlung nur das Gericht in Form einer Erforschungspflicht. Der Täter trägt lediglich das Beweisrisiko und damit die Gefahr, trotz einer möglicherweise der Wahrheit entsprechenden Tatsache verurteilt zu werden. Der Grundsatz in dubio pro reo findet insoweit keine Anwendung und auch der gute Glaube an die Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten Tatsache schützt ihn nicht vor Strafe.81 Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Wahrheitsbeweis erbracht ist, wenn der zentrale Gehalt der Äußerung festgestellt ist.82 Unerheblich sind kleine Abweichungen oder geringfügige Unterschiede. Zudem ist es nicht notwendig darzulegen, ob eine ehrenrührige Tatsache der Wahrheit entspricht oder nicht. Es genügt, wenn der sichere Schluss auf die Wahrheit möglich ist. 80 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 90b Rn. 15 f. 81 Kühl, in: Lackner/Kühl, Strafrechtskommentar, 27. Auflage 2011, § 186 Rn. 7a mit weiteren Nachweisen; Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 186 Rn.12. 82 BGH, Urteil vom 15. Januar 1963 – 1 StR 478/62 , NJW 1963, 665 (666). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 22 Gelingt der Wahrheitsbeweis, so entfällt eine Strafbarkeit gemäß § 186 StGB. Ihn zu führen, ist jedoch nicht leicht wegen des Umstands, dass die Tatsachenbehauptung in der Vergangenheit erfolgt ist. Auch die Beweiserhebung selbst birgt die Gefahr weiterer Ehrverletzungen für den Betroffenen in sich. Ziel des Strafverfahrens im Rahmen der ehrverletzenden Straftaten ist die Wiederherstellung des guten Rufs. Somit ist der Wahrheitsbeweis durch das Gericht insbesondere in den Fällen zu führen , in denen eine Rechtfertigung gemäß § 193 StGB zum Tragen kommt.83 Durch eine entsprechende Beweiserhebung kann dem vorrangigen Interesse des Verletzten an der Aufklärung des Sachverhalts und seiner Rehabilitation genüge getan werden. So kann entweder eine Wiederherstellung der Ehre des Opfers erfolgen, oder gegebenenfalls der Täter vom Makel der Lüge befreit werden. 5.1.4. Bekanntgabe der Verurteilung (§ 200 StGB) Im Falle der Verurteilung des Täters wegen einer Straftat aus §§ 90b, 186 und 187 bzw. 188 StGB können der Verletzte oder ein sonst zum Strafantrag Berechtigter gemäß § 200 StGB die Veröffentlichung des Urteils beantragen. Dadurch besteht für den Verletzten neben der Verurteilung eine weitere Möglichkeit Genugtuung zu erfahren. Voraussetzung dafür ist zum einen, dass das Gericht den Angeklagten aufgrund der Strafbarkeit verurteilt und ihn nicht gemäß § 199 StGB für straffrei erklärt hat. Zum anderen muss der Berechtigte einen konkreten Antrag bei Gericht stellen, der sein Verlangen nach der Bekanntgabe widerspiegelt. Liegen diese Voraussetzungen vor, so hat das Gericht die Pflicht, die Bekanntgabe der Verurteilung im Urteil anzuordnen. Über die Art und den Umfang der Bekanntgabe entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.84 5.2. Zivilprozess Im Zivilrecht gilt der Grundsatz, dass der Anspruchsteller grundsätzlich alle seinen Anspruch begründenden Tatbestandsmerkmale beweisen muss.85 Bei Ehrverletzungen aufgrund von ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen muss unterschieden werden zwischen Äußerungen, deren Unwahrheit zum Zeitpunkt der Äußerung feststeht, und solchen, bei denen die Unwahrheit zum Zeitpunkt der Äußerung noch offen ist. Handelt es sich daher um wissentlich falsche Informationen oder ist deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung nachgewiesen, obliegt insoweit die Darlegungslast dem Anspruchsteller. 83 Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 186 Rn. 31. 84 Regge/Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Band 4, § 200 Rn.8. 85 Foerste, in: Musielak, ZPO, 10 Auflage 2013, § 286 Rn. 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 216/13 Seite 23 Steht die Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung zum Zeitpunkt der Äußerung noch nicht fest, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass bei Inanspruchnahme von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB auch die Beweisregel von § 186 StGB zur Anwendung kommt.86 In diesem Fall trägt der Äußernde die Darlegungslast hinsichtlich der Wahrheit der Äußerung. Kann der Äußernde den Beweis der Wahrheit nicht erbringen, kommt es auf das jeweilige Anspruchsziel an, welches der Anspruchsteller verfolgt. Begehrt der Anspruchsteller die Unterlassung von weiteren Äußerungen in der Zukunft, kann er diese selbst dann verlangen, wenn die Äußerungen möglicherweise wahr sind.87 Daneben kann er Schadensersatzansprüche geltend machen.88 Begehrt der Anspruchsteller jedoch den Widerruf der Äußerung, obliegt ihm selbst die Beweislast für die Feststellung der Unwahrheit.89 Dies begründet sich damit, dass derjenige, der eine Tatsachenbehauptung widerruft, sie sinngemäß für unrichtig erklärt. Es handelt sich also gewissermaßen um ein implizites Eingeständnis. Dies ist ihm – auch im Hinblick auf die Vollstreckbarkeit nach § 888 ZPO durch Zwangsgeld oder Zwangshaft – aber nur dann zumutbar, wenn die Unrichtigkeit der Äußerung feststeht.90 Kann der Äußernde hingegen nachweisen, dass er in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Angelegenheit die Äußerung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) und unter Berücksichtigung der beeinträchtigten Rechtsgüter des Betroffenen für erforderlich halten durfte, geht die Nichterweislichkeit der Wahrheit entgegen § 186 StGB ausnahmsweise nicht zu Lasten des Äußernden.91 Der Äußernde muss hierbei nachweisen, dass er den Wahrheitsgehalt den Umständen entsprechend sorgfältig recherchiert hat.92 Gelingt dieser Nachweis, kann eine Unterlassung nicht verlangt werden, wenn der Anspruchsteller die Unwahrheit der Äußerung nicht beweisen kann. 86 BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 42, der die Anwendbarkeit von § 186 StGB nicht ausdrücklich auf § 823 Abs. 2 BGB beschränkt; weiterhin BGH, Urteil vom 30.1.1996 - VI ZR 386/94, NJW 1996, 1131 (1133). 87 OLG Frankfurt, Urteil vom 6.9.2002 – 25 U 235/01, juris Rn. 34. 88 Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Band 1, Anhang zu § 12 Rn. 151. 89 OLG Frankfurt, Urteil vom 6.9.2002 – 25 U 235/01, juris Rn. 35. 90 OLG Frankfurt, Urteil vom 6.9.2002 – 25 U 235/01, juris Rn. 35. 91 BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 44 f.; BGH, Urteil vom 30.1.1996 - VI ZR 386/94, NJW 1996, 1131 (1133). 92 BGH, Urteil vom 12.2.1985 - VI ZR 225/83, NJW 1985, 1621 (1622).