Persönliche Managerhaftung Das Privatvermögen von Managern als Haftungsobjekt - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 212/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Persönliche Managerhaftung Das Privatvermögen von Managern als Haftungsobjekt Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 212/08 Abschluss der Arbeit: 19. November 2008 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - - Zusammenfassung - Der rechtliche Rahmen der Managerhaftung in Deutschland ist seit mehreren Jahren immer wieder Gegenstand der politischen Debatte. Eine rechtliche Bestandsaufnahme ergibt, dass im geltenden Recht bereits zahlreiche, durchaus strenge Maßstäbe anlegende Haftungsvorschriften existieren, die eine persönliche Schadensersatzpflicht von Managern begründen können – und zwar sowohl im Innenverhältnis gegenüber ihrem eigenen Unternehmen als auch im Außenverhältnis gegenüber Dritten. Unabhängig davon, ob es sich um eine Innen- oder Außenhaftung handelt, erfasst eine solche persönliche Haftung grundsätzlich das gesamte Privatvermögen des Haftenden und ist der Höhe nach nicht begrenzt. Maßstab für den jeweiligen Schadensersatzanspruch ist nach dem Ausgleichsprinzip allein die Höhe des eingetretenen Schadens, der auszugleichen ist. Derzeit in der Diskussion befindliche Reformüberlegungen werfen vor diesem gesetzlichen Hintergrund die Frage auf, ob sie sich in den bestehenden Haftungsrahmen sinnvoll integrieren ließen – und ob nicht die eigentliche Problematik der Managerhaftung eher faktischer denn rechtlicher Natur ist und in einer unter den Möglichkeiten bleibenden Geltendmachung der gesetzlich bestehenden Rechte liegt. - 4 - Inhalt 1. Einleitung 5 2. Haftungskonstellationen 5 2.1. Innenhaftung: Haftung gegenüber dem Unternehmen 6 2.1.1. Vorstand / Geschäftsführer 6 2.1.2. Aufsichtsrat 7 2.1.3. „Einfacher“ Manager 8 2.2. Außenhaftung: Haftung gegenüber Dritten 8 2.2.1. Allgemeine Haftung 8 2.2.2. Besondere Haftung gegenüber Anteilseignern, Anlegern oder Gläubigern 9 3. Haftungsumfang 10 3.1. Maßstab: Ausgleich für erlittene Nachteile 10 3.2. Grenzen 11 4. Versicherung des Haftungsrisikos 12 5. Rechtliche Ansätze zu einer Ausweitung der Haftung 14 5.1. Einräumung direkter Ansprüche 14 5.2. Einführung einer Mindest-Haftungssumme 15 5.3. Einführung eines obligatorischen Selbstbehalts 15 6. Ergebnis 17 - 5 - 1. Einleitung Der rechtliche Rahmen der Managerhaftung in Deutschland ist seit mehreren Jahren immer wieder Thema der politischen Debatte.1 Verstärkt in den Fokus geriet die Fragestellung jüngst durch die internationale Finanzkrise und die damit verknüpften Vorkommnisse im Bankensektor.2 Aufgrund der staatlichen Hilfen für Banken wird bisweilen das Unbehagen artikuliert, dass „Gewinne privatisiert, Verluste jedoch sozialisiert“ würden.3 Kritisiert wird auch, dass die bei den betroffenen Banken Verantwortlichen trotz der Verluste oder drohenden Insolvenz ihres Hauses keinerlei Einbußen an ihrem Privatvermögen hinnehmen müssten – während den Mittelständler oder den Normalbürger seine Insolvenz schwer treffe und oft wirtschaftlich vernichte. Dies gelte umso mehr, wenn den betreffenden Managern grobe Versäumnisse oder das wissentliche Wirtschaften in die eigene Tasche zulasten des Unternehmens vorzuwerfen seien. Die „Haftungsgrundlage“ solle in solchen Fällen „mindestens zwei Jahresgehälter“ umfassen .4 Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend übersichtsartig dargestellt werden, wie die Haftung von Managern mit ihrem Privatvermögen in der aktuellen Rechtslage ausgestaltet ist. Vor diesem Hintergrund werden abschließend bestimmte derzeit diskutierte Änderungsvorschläge summarisch bewertet.5 2. Haftungskonstellationen Für eigene Verfehlungen im Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit können Manager grundsätzlich gegenüber ihrem Unternehmen haften – sog. Innenhaftung. Direkte Ansprüche von Geschäftspartnern des Unternehmens selbst gegen die Manager (sog. Au- 1 Vgl. etwa die Plenardebatte vom 18. März 2005 anlässlich der Beratung des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), Plenarprotokoll 15/167, S. 15694 ff. 2 Vgl. hierzu etwa die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel, MdB, vom 7. Oktober 2008 zur Lage auf den Finanzmärkten und die anschließende Plenardebatte, Plenarprotokoll 16/181, S. 19321 ff. 3 Vgl. etwa Niejahr, Ringen um Gerechtigkeit, Die Zeit vom 30. Oktober 2008. 4 So etwa Rainer Brüderle, MdB, Neun-Punkte-Programm für einen neuen Ordnungsrahmen im Finanzsektor , 30. Oktober 2008. Abrufbar unter http://www.rainer-bruederle.de/files/4727/Papier_ zur_Finanzmarktkrise.pdf (Stand: 17. November 2008). Entsprechende Überlegungen gibt es laut Presseberichten auch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, vgl. Kuhr, Nur bei Vorsatz, Süddeutsche Zeitung vom 6. Oktober 2008, sowie Sauer, Persönliche Haftung ausweiten, Kölner-Stadt- Anzeiger vom 8. Oktober 2008. 5 Eine kurze, übersichtsartige Darstellung zur Managerhaftung findet sich bei Sigmund, Wann Manager für Fehler haften, Handelsblatt vom 8. Oktober 2008. - 6 - ßenhaftung) sind in der Regel ausgeschlossen. Der Grund hierfür ist, dass die Unternehmen eigenständige Rechtspersönlichkeiten sind und nur als solche Dritten gegenüber auftreten. Für das Unternehmen Handelnde hingegen werden nicht im eigenen Namen und als Privatperson tätig, sondern als Vertreter des jeweiligen Unternehmens. 2.1. Innenhaftung: Haftung gegenüber dem Unternehmen 2.1.1. Vorstand / Geschäftsführer Die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (AG) sind nach § 93 Abs. 1 AktG6 dazu verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sieht § 43 GmbHG7 entsprechende Regelungen vor: § 43 Haftung der Geschäftsführer (1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. (2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. Es ist allgemein anerkannt, dass diese Regelungen nicht allein den Verschuldensmaßstab normieren, sondern in einer Doppelfunktion daneben auch die allgemeinen Verhaltenspflichten der Unternehmensleiter in Form einer Generalklausel umschreiben.8 Dem entspricht, dass § 93 Abs. 2 AktG bestimmt, dass Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet sind. In Konkretisierung dieser Schadensersatzverpflichtung zählt § 93 Abs. 3 AktG beispielhaft ausdrücklich einzelne Handlungen auf, die Schadensersatzforderungen nach sich ziehen: Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz 1. Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt werden, 6 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. August 2008 (BGBl. I S. 1666). 7 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 19. April 2007 (BGBl. I S. 542). 8 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern, 4. Aufl. 2008, Rdn. 182. - 7 - 2. den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt werden, 3. eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden, 4. Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden, 5. Gesellschaftsvermögen verteilt wird, 6. Zahlungen entgegen § 92 Abs. 2 geleistet werden, 7. Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden, 8. Kredit gewährt wird, 9. bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden. Zusätzlich legt § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG eine Beweislastumkehr fest: Ist streitig, ob ein Vorstandsmitglied die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat, so trifft es hierfür die Beweislast. Dies erleichtert das Geltendmachen von Schadensersatzansprüchen ganz erheblich.9 Ein zentraler Grundstein der ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführung ist das Handeln für das Gesellschaftswohl.10 Das Wohl der Gesellschaft verlangt den uneigennützigen Unternehmensleiter; orientiert er im Widerspruch hierzu Entscheidungen an Eigeninteressen oder den Interessen Dritter, hat er die Grenzen des unternehmerischen Ermessens überschritten.11 Der Unternehmensleiter muss vernünftigerweise annehmen dürfen, dass die Maßnahme das Unternehmenswohl fördert – was grundsätzlich nur der Fall ist, wenn sie sich an den bewährten betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Grundregeln orientiert und eine nachvollziehbare Abwägung der Alternativen vorgenommen worden ist.12 2.1.2. Aufsichtsrat Der Aufsichtsrat ist gegenüber der Gesellschaft hauptsächlich dazu verpflichtet, die Geschäftsleitung zu kontrollieren.13 Er hat insofern ständig zu prüfen, ob Vorstand und 9 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 226. 10 Vgl. hierzu Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 193 ff. 11 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 193. 12 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 193. 13 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 245. - 8 - Geschäftsführung ihrerseits den weitreichenden Pflichtenkatalog erfüllen, den ihnen das Gesetz oder die Grundsätze ordnungsgemäßer Geschäftsführung aufgeben.14 Verletzen einzelne Aufsichtsratsmitglieder ihre Pflichten schuldhaft, haften sie der Gesellschaft für einen sich hieraus ergebenden Schaden in derselben Weise wie der Vorstand .15 Für die AG folgt dies aus § 116 AktG, der die Regelungen der Vorstandsinnenhaftung (§ 93 AktG) für entsprechend anwendbar erklärt, für die GmbH mit Aufsichtsrat ergibt es sich aus der Verweisung auf die aktienrechtlichen Vorschriften (§ 52 Abs. 1 GmbHG). 2.1.3. „Einfacher“ Manager Managementaufgaben werden in ganz wesentlichem Umfang von Personen unterhalb der Geschäftsführungs- oder Geschäftsleitungsebene von Unternehmen wahrgenommen . Diese (leitenden) Angestellten unterliegen im Grundsatz den allgemeinen für Arbeitnehmer geltenden Haftungsbestimmungen.16 Eine Schadensersatzhaftung gegenüber dem Unternehmen kommt für diese einfachen Manager nach allgemeinem Zivilrecht in Betracht. Voraussetzung dafür ist, dass sie arbeitsvertragliche Pflichten schuldhaft verletzt haben und dem Unternehmen dadurch ein Schaden entstanden ist, §§ 241 Abs. 2, 280 BGB17.18 Als Arbeitnehmer kommen einfache Manager allerdings in den Genuss der arbeitsrechtlichen Haftungsmilderung.19 Diese besagt, dass ein Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit lediglich bei Vorsatz und gröbster Fahrlässigkeit voll haftet, während bei leichter Fahrlässigkeit die Haftung entfällt und es bei mittlerer bis grober Fahrlässigkeit zu einer entsprechenden Aufteilung der Haftung kommt.20 2.2. Außenhaftung: Haftung gegenüber Dritten Neben dem Regelfall der Innenhaftung ist nach geltendem Recht in bestimmten Fällen auch eine direkte Haftung von Managern gegenüber Dritten – die sog. Außenhaftung – denkbar. 2.2.1. Allgemeine Haftung Da zwischen Dritten und den betreffenden, für ein Unternehmen handelnden Managern keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen, können sich Schadensersatz- 14 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 245. 15 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 236. 16 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 69. 17 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 30. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2122). 18 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 70. 19 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 73. 20 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 73. - 9 - ansprüche in diesem Verhältnis vor allem aus unerlaubter Handlung ergeben – der sog. deliktischen Haftung nach §§ 823 ff. BGB. Voraussetzung einer solchen Haftung des Managers ist, dass dieser bei der Erfüllung seiner Aufgaben in geschützte Rechtspositionen der Genannten eingegriffen oder gegen Schutzgesetze verstoßen hat.21 Verursacht ein Unternehmensleiter in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen bei Dritten Schäden, tritt eine etwaige persönliche Haftung neben eine solche des Unternehmens selbst – da nach § 31 BGB für sein Verhalten die Körperschaft einzustehen hat, als deren Organ er tätig war.22 Auch für einfache Manager kommt eine deliktische Haftung grundsätzlich in Betracht – ihre Voraussetzungen werden aber in praxi wegen des regelmäßig eher beschränkten Pflichtenkreises und dem damit geringeren Maß an faktischer Einwirkungsmöglichkeit auf absolut geschützte Rechtsgüter Dritter eher selten vorliegen.23 Hinzu kommt, dass dem einfachen Manager auch hier wiederum die arbeitsrechtliche Haftungsprivilegierung zu gute kommt – im entsprechenden Maße hat er aufgrund dessen einen Freistellungsanspruch gegen das Unternehmen als seinem Arbeitgeber .24 2.2.2. Besondere Haftung gegenüber Anteilseignern, Anlegern oder Gläubigern Neben der allgemeinen deliktischen Haftung können Manager des Weiteren gegenüber bestimmten Dritten, die zu dem Unternehmen in einer Rechtsbeziehung stehen, aufgrund verschiedener spezialgesetzlicher Bestimmungen haften – namentlich gegenüber Anteilseignern, Anlegern oder Gläubigern.25 Den Aktionären einer AG etwa steht ein Schadensersatzanspruch gegen Vorstände oder Aufsichtsräte zu, die sich im Zusammenhang mit der schädigenden Beeinflussung von Mitgliedern der Unternehmensverwaltung pflichtwidrig verhalten haben, falls hierdurch ein über den Wertverlust der Aktien hinausgehender Schaden eingetreten ist (§ 117 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG). Der Anspruch kann etwa dann vorliegen, wenn Vorstandsmitglieder oder Aufsichtsräte unter Verwendung ihres Einflusses andere leitende Mitarbeiter des Unternehmens zu schädigenden Handlungen veranlassen.26 Gegenüber Anlegern können sich falsche Ad-hoc-Meldungen als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellen und nach § 826 BGB eine Außenhaftung von Organmit- 21 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 33, 37. 22 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 33. 23 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 75. 24 S.o. unter 2.1.3 sowie Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 76. 25 Ausführlich hierzu Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) S. 173 ff. 26 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 395. - 10 - gliedern begründen. Diese Haftungsgrundlage stand in der jüngeren Vergangenheit wiederholt im Fokus der Rechtsprechung.27 Gegenüber Gläubigern des Unternehmens kann sich eine direkte persönliche Haftung von Managern für die Forderung ergeben, wenn der Manager als Vertreter des Unternehmens in besonderem Maße das persönliche Vertrauen des Geschäftspartners in Anspruch genommen hat oder sich durch eine besondere Nähe zum Verhandlungsgegenstand auszeichnet – etwa weil er selbst wirtschaftlich stark an einem Vertragsabschluss interessiert ist und aus dem Geschäft einen eigenen Nutzen anstrebt (sog. Sachwalterhaftung ).28 Denkbar ist eine direkte Außenhaftung eines Managers schließlich auch dann, wenn er gleichzeitig Anteilseigner des Unternehmens ist und er die rechtliche Selbstständigkeit des Unternehmens rechtswidrig ausgenutzt hat (sog. Durchgriffshaftung ).29 3. Haftungsumfang 3.1. Maßstab: Ausgleich für erlittene Nachteile Der Umfang der Schadensersatz-Haftung bemisst sich im deutschen Recht grundsätzlich allein nach dem eingetretenen, adäquat kausal verursachten Schaden. Dieser ist, soweit kein Mitverschulden des Geschädigten vorliegt, in voller Höhe auszugleichen, §§ 249 ff. BGB. Eine Begrenzung in der Höhe findet deshalb ebenso wenig statt wie eine unabhängig vom tatsächlichen Schaden erfolgende Fingierung einer „Mindesthaftungssumme “. Zweck der Ersatzpflicht ist damit nicht, den Schädiger zu bestrafen.30 Diese Straffunktion ist im deutschen Recht grundsätzlich dem Strafrecht vorbehalten. Damit unterscheidet sich die deutsche Schadensersatzkonzeption grundlegend von dem vor allem aus dem US-amerikanischen Recht bekannten Institut des Strafschadensersatzes („punitive Damages“). Bei diesem in bestimmten Fällen zur Anwendung kommenden Konzept wird nicht auf den entstandenen Schaden geblickt, sondern auf den Schädiger: Maßgeblich ist nicht, was erforderlich ist, um den erlittenen Schaden wieder gut zu machen, sondern was erforderlich ist, um vergleichbare Schädigungen durch den Schädiger für die Zukunft zu verhindern.31 Punitive Damages stehen dem Geschädigten nicht in Form eines Anspruchs zu, sondern werden von Geschworenen nach Billigkeits- 27 Vgl. etwa Bundesgerichtshof (BGH) NJW 2005, S. 2450 („EM.TV“); BGH NJW 2004, S. 2664 („Infomatec“). Weitere Nachweise bei Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 424 Fn. 57. 28 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 375 ff. 29 Vgl. hierzu Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 372 ff. 30 Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 249 Rdn. 8. 31 Thüsing in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 15 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ) Rdn. 16. - 11 - gesichtspunkten zugesprochen.32 Der Strafschadensersatz soll als ultima ratio auf den Plan treten, wenn in einem Fall weder der normale Schadensersatz noch andere Instrumente der Verhaltenssteuerung (Strafrecht, gesellschaftliche Sanktionen) hinreichend greifen, obwohl eine Rechtsverletzung offensichtlich ist.33 Als Beispiel genannt werden hierfür Fälle, wo ein Unternehmen lieber sehenden Auges das Entstehen von Schadensersatzforderungen und deren nachfolgende Regulierung in Kauf nimmt, als das ursächliche Verhalten zu ändern, weil dies in einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung lohnender sei.34 3.2. Grenzen Bei der Haftung eines Managers als natürlicher Person ist Haftungsobjekt sein gesamtes privates Vermögen.35 Grenzen für die Durchsetzung der persönlichen Haftung werden im Wesentlichen nur durch die allgemein bestehenden Pfändungsschutzbestimmungen der ZPO36 gezogen, die zum Zweck haben, die nach Art. 1, 20 Abs. 1 GG gebotene Sozialverträglichkeit der Individualvollstreckung sicherzustellen.37 Insbesondere legt § 811 ZPO die Unpfändbarkeit gewisser Sachen fest: § 811 Unpfändbare Sachen (1) Folgende Sachen sind der Pfändung nicht unterworfen: 1. die dem persönlichen Gebrauch oder dem Haushalt dienenden Sachen, insbesondere Kleidungsstücke, Wäsche, Betten, Haus- und Küchengerät, soweit der Schuldner ihrer zu einer seiner Berufstätigkeit und seiner Verschuldung angemessenen, bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung bedarf; (…) 2. die für den Schuldner, seine Familie und seine Hausangehörigen, die ihm im Haushalt helfen, auf vier Wochen erforderlichen Nahrungs-, Feuerungs- und Beleuchtungsmittel oder, soweit für diesen Zeitraum solche Vorräte nicht vorhanden und ihre Beschaffung auf anderem Wege nicht gesichert ist, der zur Beschaffung erforderliche Geldbetrag; 3. - 4a. (…) 32 Mörsdorf-Schulte, Strafschadensersatz – eine deutsche Hassliebe? NJW 2006, 1184, 1185. 33 Mörsdorf-Schulte a.a.O. (o. Fußn. 32) S. 1185. 34 Mörsdorf-Schulte a.a.O. (o. Fußn. 32) S. 1185. 35 Insofern wird seitens der Bundesregierung darauf hingewiesen, dass die einschlägigen Haftungsbestimmungen teilweise schärfer ausfallen als in den USA, vgl. Dettmer/Rosenbach, Beschränktes Risiko , Der Spiegel, 20. Oktober 2008. 36 Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026). 37 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl. 2007, Einf. vor § 850 Rdn. 2. - 12 - 5. bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände; 6. (…) 7. Dienstkleidungsstücke sowie Dienstausrüstungsgegenstände, soweit sie zum Gebrauch des Schuldners bestimmt sind, sowie bei Beamten, Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten und Hebammen die zur Ausübung des Berufes erforderlichen Gegenstände einschließlich angemessener Kleidung; 8. - 11. (…) 12. künstliche Gliedmaßen, Brillen und andere wegen körperlicher Gebrechen notwendige Hilfsmittel, soweit diese Gegenstände zum Gebrauch des Schuldners und seiner Familie bestimmt sind; 13. (…) (2) … Diese Aufzählung macht deutlich, dass mit ihr nicht ein Leben im zuvor erworbenen materiellen Luxus zementiert werden könnte, sondern dass nur das gemeinhin zum Leben Notwendige vor einer Vollstreckung geschützt wird. In diesem Zusammenhang kann auch das Institut der eidestattlichen Versicherung Bedeutung erlangen (vgl. § 807 Abs. 2 und 3, § 889 ff. ZPO). Diese „Eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der im Vermögensverzeichnis gemachten Angaben“ ist an die Stelle des früheren Offenbarungseids getreten. Nach diesen Vorschriften hat der Schuldner vor allem im Fall der Zahlungsunfähigkeit ein vollständiges Verzeichnis seines gesamten Vermögens vorzulegen und zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass er die Angaben darin nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. 4. Versicherung des Haftungsrisikos Zur Absicherung von Schadensersatzansprüchen wegen Pflichtverstößen gegen ein Unternehmen oder aber gegen Angehörige der Unternehmensleitung werden von Versicherungsunternehmen so genannte „Directors and Officers-“ bzw. D&O-Versicherungen angeboten, bei denen es sich um Berufs-Haftpflichtversicherungen für Manager handelt .38 Die von dem jeweiligen Unternehmen abgeschlossene D&O-Versicherung hat zwei Schutzrichtungen: Sie schützt das Privatvermögen des Managers (persönlicher 38 Ries/Peiniger, Haftung und Versicherung von Managern, 2007, S. 151. - 13 - Schutz) und das Vermögen des Unternehmens vor Schäden durch fehlerhaftes Managerverhalten (Unternehmensschutz).39 Soweit keine besonderen Vereinbarungen getroffen werden, ist dabei unerheblich, wer die Ansprüche geltend macht – also insbesondere auch, ob jenen eine Innen- oder Außenhaftung zugrunde liegt.40 Wie bei Haftpflichtversicherungen üblich, beinhaltet die D&O-Versicherung die Rechtsschutzfunktion (Prüfung der Haftpflichtfrage und Abwehr unberechtigter Ansprüche) und die Zahlungsfunktion (Übernahme der Entschädigungsleistung).41 Dass die D&O-Versicherung auch den intern durch einen Manager verursachten Vermögensschaden eines Unternehmens abdeckt, stellt eine deutsche Besonderheit dar, die im Ausland nahezu nicht zu finden ist.42 Insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtskreis sind Innenansprüche vom Versicherungsschutz zumeist ausgeschlossen.43 Nach den Versicherungsbedingungen der D&O-Policen sind die Organmitglieder des jeweiligen Versicherungsnehmers stets von der Versicherung erfasst.44 Regelmäßig werden hierbei pauschal alle Leitungsorganmitglieder versichert, ohne dass eine namentliche Nennung erfolgen würde.45 Weiterhin ist es dem Unternehmen möglich, in den Kreis der versicherten Personen auch Prokuristen und sonstige leitende Angestellte einzubeziehen.46 Die Versicherungssumme wird auf den jeweiligen Einzelfall individuell angepasst. Als Faustformel werden 10 % der Bilanzsumme oder 50 % der Eigenkapitalquote des Unternehmens als Obergrenze der möglichen Versicherungssumme genannt.47 Weiterhin sehen manche Policen einen Selbstbehalt vor, der häufig aus zwei Komponenten besteht : Zum einen wird im Schadensfall von der Schadenssumme der Selbstbehalt abgezogen ; zum anderen wird eine ggf. vorhandene Kapitalbeteiligung der etwaig schadensersatzpflichtigen , versicherten Person berücksichtigt. Letzteres drückt sich etwa in einer Klausel wie der folgenden aus: Besteht bei Schadensersatzansprüchen eines versicherten Unternehmens eine Kapitalbeteiligung der versicherten Person an diesem Unternehmen und haftet diese versicherte Person direkt oder indirekt, so umfasst die Versicherung nicht den Teil des Vermögensschadens, welcher dem Anteil aller zusammengefass- 39 Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 151. 40 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 461. 41 Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 152. 42 Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 160. 43 Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 160. 44 Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 156. 45 Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 156. 46 Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 157; Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 460. 47 Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 163. - 14 - ten direkten und indirekten (Familien-)Beteiligungen im Zeitpunkt des Fehlverhaltens entspricht.48 Ob ein Unternehmen einen Selbstbehalt vereinbart, bleibt ihm überlassen; allerdings enthält der Deutsche Corporate Governance Kodex49 in Ziff. 3.8 Abs. 6 eine ausdrückliche entsprechende Empfehlung.50 Einige Unternehmen schließen offenbar Policen ab, in denen für etwaig betroffene Vorstandsmitglieder ein Selbstbehalt in Höhe von 25 % der Jahresfestbezüge und für Mitglieder des Aufsichtsrates ein solcher in Höhe einer kompletten Jahresvergütung vorgesehen ist.51 Generell leisten D&O-Versicherungen nicht bei Vorsatz der handelnden Person; darüber hinaus schließen einige Policen auch die Deckung von Schäden infolge „wissentlicher Pflichtverletzung“, mithin bewusster Fahrlässigkeit aus.52 Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat 1997 erstmals Musterbedingungen für D&O-Policen erstellt und diese mehrfach überarbeitet. Die aktuelle Fassung mit Stand Januar 2008 ist als Anlage beigefügt. Hinzuweisen ist darauf, dass der in dieser Musterpolice vorgesehene weitgehende Ausschluss der Innenhaftung aus der Deckung nicht marktüblich ist.53 5. Rechtliche Ansätze zu einer Ausweitung der Haftung 5.1. Einräumung direkter Ansprüche Im Rahmen der Diskussion um die Managerhaftung wird u. a. eine vermehrte direkte Haftung von Unternehmensleitern mit ihrem Privatvermögen gefordert. Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, gibt es eine direkte Haftung aufgrund unterschiedlicher Bestimmungen bereits im geltenden Recht. Insbesondere bei einer etwaigen vorsätzlichen Schädigung des Unternehmens oder Dritter mit dem Ziel der Selbstbereicherung besteht bereits jetzt eine deliktsrechtliche Einstandspflicht eines verant- 48 Vgl. § 3 Ziff. 6 Abs. 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen OLA 2006 der CHUBB Insurance Company of Europe S.A., Nachweis bei Ries/Peiniger a.a.O. S. 164. 49 Deutscher Corporate Governance in der Fassung vom 6. Juni 2008, abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de/ger/download/D_Kodex%202008_final.pdf (Stand: 18. November 2008). 50 Ziff. 3.8 Abs. 6 lautet: „Schließt die Gesellschaft für Vorstand und Aufsichtsrat eine D&O- Versicherung ab, so soll angemessener Selbstbehalt vereinbart werden.“ 51 So laut Ries/Peiniger namentlich die Allianz Versicherungs-AG, vgl. Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 164 f. 52 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 473; Ries/Peiniger a.a.O. (o. Fußn. 38) S. 169. 53 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 479. - 15 - wortlich Handelnden mit seinem gesamten Privatvermögen, soweit die Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen vorliegen. Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Grundsatz, wonach Geschäftspartner eines Unternehmens sich zuerst an dieses zu halten haben, und nicht direkt an einzelne Personen herantreten können, die für dieses Unternehmen gehandelt haben, letztlich die Konsequenz daraus ist, dass das Unternehmen eine juristische Person ist. Wer mit einem Unternehmen als juristischer Person in Geschäftskontakt tritt, muss wissen, dass er sich grundsätzlich nur an dieses Unternehmen als solches halten kann, und nicht an die natürlichen Personen, die für dieses Unternehmen handeln. Dabei handelt es sich um einen tragenden Grundsatz des Handels- und Gesellschaftsrechts, der gerade auch unternehmerische Tätigkeit dadurch befördern soll, dass nicht jeder Handelnde stets zwangsnotwendig mit seinem gesamten Privatvermögen haftet. Etwas anderes gilt wie gesehen ausnahmsweise dann, wenn die oben beschriebenen besonderen Voraussetzungen vorliegen , die eine direkte Haftung der Handelnden rechtfertigen. 5.2. Einführung einer Mindest-Haftungssumme Wie bereits gesehen, wird weiterhin in der Diskussion erwogen, einen Mindest-Betrag festzulegen, für den ein Manager persönlich einstehen soll.54 Die Einführung einer solchen Mindesthaftung würde in einem diametralen Gegensatz zu den oben geschilderten Grundannahmen des geltenden Schadensersatzrechts stehen.55 Wie gesehen, ist im deutschen Zivilrecht entscheidend, welcher Schaden konkret eingetreten ist. Die Festlegung einer Ersatzpflicht unabhängig davon, wie hoch der Schaden tatsächlich ist – also insbesondere auch in dem Fall, dass der eingetretene Schaden geringer ausfällt –, würde sich nicht mehr als Schadensausgleich darstellen, sondern darüber hinaus tendenziell in die Richtung eines Strafschadensersatzes gehen. Damit würde eine solche Regelung einen Fremdkörper im deutschen Recht darstellen. 5.3. Einführung eines obligatorischen Selbstbehalts Als unbillig wird mitunter empfunden, dass nach Recht und Gesetz persönlich haftende Manager von ihrer jeweiligen Versicherung schadlos gestellt würden. Während der Deutsche Corporate Governance Kodex wie gesehen bereits eine entsprechende Empfehlung enthält56, wird in der Diskussion deshalb erwogen, darüber hinausgehend einen 54 S.o. Fn. 2. 55 S.o. Ziff. 3.1. 56 S.o. Fn. 50. - 16 - zwingenden Selbstbehalt in der Form einzuführen, dass der Schädiger bis zu einem bestimmten Betrag auch bei Bestehen einer Versicherung Zahlungen leisten muss.57 Es erscheint indes bereits fraglich, ob eine entsprechende zwingende Regelung rechtlich erfolgen könnte. Ein Beispiel dafür, wie eine derartige gesetzliche Regelung aussehen könnte, liefert insofern der 2004 von der Bundesregierung erarbeitete Referentenentwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes.58 Dessen Artikel 1 hatte eine Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes59 (WpHG) in Form eines neuen § 37a – Schadensersatz wegen unrichtiger Angaben oder verschwiegener Umstände – vorgesehen. § 37a Abs. 6 WpHG-Entwurf sah in diesem Kontext die verbindliche Anordnung eines entsprechenden Selbstbehalts vor: „Schließt die Gesellschaft für Mitglieder des Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans eine Versicherung ab, durch die eine Inanspruchnahme nach Absatz 2 abgedeckt werden soll, so ist ein Selbstbehalt zu Lasten des Versicherten in Höhe von fünfzig Prozent der Versicherungssumme zu vereinbaren.“ Diese Regelung wurde seitens des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des GDV kritisch kommentiert. Der Entwurf wurde seitens der Bundesregierung nicht weiterverfolgt. Die Manager-Versicherung als nicht gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung basiert bislang allein auf dem zwischen dem zu Versichernden bzw. dem zu seinen Gunsten handelnden Unternehmen und der Versicherungsgesellschaft geschlossenen privatrechtlichen Versicherungsvertrag. Es handelt sich mithin um ein rein privatrechtliches Rechtsverhältnis, hinsichtlich dessen der Grundsatz der Privatautonomie gilt, d. h. der Inhalt des Vertrages bleibt grundsätzlich den Vertragsparteien überlassen. Ein gesetzlicher Eingriff müsste mithin genau den Kreis der erfassten Versicherungsverträge festlegen und bei diesen Klauseln, die keinen Selbstbehalt vorsehen, verbieten, oder aber wie im KapInHaG-Entwurf positiv entsprechende Klauseln fordern. Im gesamten geltenden deutschen Recht ist kein Vorbild für eine ähnliche Regelung bekannt. Bekannt sind insbesondere bei gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtversicherungen allenfalls Regelungen, die zum Zweck des Dritt- und insbesondere des Verbraucherschutzes durch Verweis auf gesetzliche Haftungsnormen Mindest-Deckungssummen sowie etwa- 57 Vgl. Szent-Ivanyi, Strenges Gesetz, aber kaum Kläger, Berliner Zeitung vom 24. Oktober 2008. 58 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz – KapInHaG) vom 7. Oktober 2004, abrufbar unter http://www.jura.uni-augsburg.de/prof/moellers/materialien/materialdateien/040_deutsche_gesetz gebungsgeschichte/kapinhag/kapinhag_pdfs/kapinhag_ref_entw_2004_10_07_unveroeff.pdf (Stand: 18. November 2008). 59 Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. August 2008 (BGBl. I S. 1666). - 17 - ige Einstandspflichten von Versicherungen bei gesetzlich angeordneter Haftung vorsehen .60 Diese Regelungen haben jedoch eine ganz andere Stoßrichtung als etwaige verpflichtende Selbstbehalte, da sie zum Ziel haben sicherzustellen, dass Dritte im Schadensfalle nicht leer ausgehen, indem sie dem Insolvenzrisiko des Schadensersatzverpflichteten ausgesetzt sind. Die Vereinbarung von Selbstbehalten bleibt auch in jenen Fällen aber der Binnenbeziehung zwischen Versicherer und zu Versicherndem überlassen . Hier ist die Frage der Vereinbarung eines Selbstbehalts Teil des Gesamtpakets einer abzuschließenden Versicherung, bei der die Frage des Ob und Wie eines solchen Behalts in die Gesamt-Preisgestaltung Eingang finden wird. Vor diesem Hintergrund erscheint fraglich, ob ein solch deutlicher Eingriff in die Vertragsautonomie mit dem Ziel der Belastung eines Versicherungsnehmers bzw. eines Versicherungsbegünstigten rechtlich angemessen und gangbar wäre. Hinzuweisen ist auch auf die bereits oben beschriebenen ohnehin bestehenden Grenzen jeder D&O-Deckung: Wenn ein Unternehmensleiter mit (bedingtem) Vorsatz einen Schaden herbeiführt – etwa mit dem Ziel der Selbstbereicherung –, dann wird die Versicherung ohnehin aufgrund der Versicherungsbedingungen nicht leisten und der Manager müsste den Schaden komplett unter Heranziehung seines gesamten Privatvermögens restituieren.61 6. Ergebnis Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, bestehen nach geltendem Recht zahlreiche Haftungsvorschriften, die eine persönliche Schadensersatzpflicht von Managern begründen können. Eine solche persönliche Haftung besteht in der Regel im Innenverhältnis gegenüber dem jeweiligen Unternehmen, kann jedoch auch im Außenverhältnis gegenüber Dritten, insbesondere Anteilseignern, Aktionären und Gläubigern bestehen. Unabhängig davon, ob es ich um eine Innen- oder eine Außenhaftung handelt, erfasst eine persönliche Haftung grundsätzlich das gesamte Privatvermögen des Haftenden und ist insbesondere der Höhe nach nicht begrenzt. Maßstab für den jeweiligen Schadensersatzanspruch ist nach dem Ausgleichsprinzip allein die Höhe des eingetretenen Schadens, der auszugleichen ist. Die vorstehend beispielhaft aufgeführten derzeit diskutierten Reformansätze, die zu einer verstärkten persönlichen Inanspruchnahme von Managern führen sollen, wecken bereits bei einer summarischen Betrachtung Zweifel, ob sie mit dem geltenden Rechtssystem und insbesondere dem Haftungsregime sinnvoll in Einklang zu bringen wären. 60 Vgl. etwa § 94 i.V.m. § 88 AMG (Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 9 Abs. 1 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631)). 61 S.o. Ziff. 4. - 18 - Vor dem Hintergrund des bereits de lege lata vielfältigen Haftungsregimes sind die empfundenen Probleme bei der Managerhaftung deshalb möglicherweise insofern eher faktischer denn rechtlicher Natur. Dem entsprechend wird in der Literatur festgestellt, dass der Aufsichtsrat traditionell als denkbarer Verfolger von Innenhaftungsansprüchen oft aus Interessenskollisionsgründen oder mangels Qualifikation ausgefallen sei.62 Es habe nicht dem gesellschaftlichen Leitbild entsprochen, dass Unternehmen ihrer eigenen Manager belangten; diese hätten sich vielmehr eher von diesen getrennt.63 Dieses „Mentalitätsproblem“ könnte sich allerdings bereits gewandelt haben bzw. in einem Wandlungsprozess begriffen sein, wozu sowohl Rechtsprechung als auch Gesetzgebung bereits ihren Teil beigetragen haben dürften:64 So hat der Bundesgerichtshof in einer vielbeachteten Entscheidung bereits festgestellt, dass der Aufsichtsrat eines Unternehmens gehalten ist, die Geschäftsleitung nicht nur zu kontrollieren, sondern bei einem entsprechenden Fehlverhalten auch namens der Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen – ohne, dass dem Aufsichtsrat hierbei ein Ermessen zustände.65 Unterlässt er die Durchsetzung der Ansprüche, kann er sich selbst schadensersatzpflichtig machen.66 Weiterhin wurde im Rahmen des UMAG67 die Durchsetzung von Haftungsansprüchen erleichtert. Nach § 148 Abs. 1 AktG ist es nunmehr einer Aktionärsminderheit, die zusammen über einen Prozent des Grundkapitals oder Anteile zum Nennbetrag in Höhe von 100.000 Euro verfügt möglich, Klage einzureichen mit dem Ziel, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder oder gegen Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder im eigenen Namen geltend zu machen.68 Hat die Aktionärsminderheit mit ihrem Antrag Erfolg, kann sie bei Kostenübernahme durch die Gesellschaft den Haftungsanspruch gegen den Vorstand selbst und im eigenen Namen sowie mit ihrem eigenen Anwalt durchsetzen. 62 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 240, 453. 63 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 453. 64 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 454. 65 Sog. ARAG-Entscheidung, BGHZ 135, 244. Vgl. Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 10. 66 Thümmel a.a.O. (o. Fußn. 8) Rdn. 10. 67 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005, BGBl. I S. 2802. 68 Vgl. die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Justiz, Alfred Hartenbach, auf Frage von Klaus Ernst, MdB, BT-Drs. 16/2923 vom 13. Oktober 2006. - 19 - Insofern bestehen deutliche Indizien dafür, dass die in der Vergangenheit zu konstatierende eher zurückhaltende Geltendmachung rechtlich bestehender Ansprüche in Zukunft zugunsten einer vermehrten Durchsetzung abnehmen wird.