© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 210/18 Integration des Raumordnungsverfahrens in das Planfeststellungsverfahren Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 210/18 Seite 2 Integration des Raumordnungsverfahrens in das Planfeststellungsverfahren Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 210/18 Abschluss der Arbeit: 8. Oktober 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 210/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesetzentwurf 4 3. Meinungsstand 5 4. Vermeidung von Doppelprüfungen 6 5. Gleichzeitige Durchführung von Raumordnungsverfahren und Planfeststellungsverfahren 6 6. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 210/18 Seite 4 1. Einleitung Das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur initiierte „Innovationsforum Planungsbeschleunigung“ hat am 24. Mai 2017 einen Bericht vorgelegt, in dem es Reformvorschläge zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren unterbreitet. Diese wurden ohne Anspruch auf Vollständigkeit und politische Kompatibilität sowie ohne abschließende rechtliche Prüfung erarbeitet. Das „Innovationsforum Planungsbeschleunigung“ schlägt unter anderem vor, die Belange der Raumordnung statt in einem eigenständigen Raumordnungsverfahren innerhalb eines zweistufigen Planfeststellungsverfahrens zu prüfen, mit dem Ziel, Doppelarbeiten sowie Doppelprüfungen so weit wie möglich zu vermeiden, Abschlussbericht des „Innovationsforums Planungsbeschleunigung“, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Seiten 5 und 26, abrufbar unter : https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/innovationsforum-planungsbeschleunigung -abschlussbericht.pdf?__blob=publicationFile [letzter Abruf: 8. Oktober 2018]. Gegenstand der vorliegenden Dokumentation ist die Darstellung des juristischen Streitstandes hinsichtlich der Frage, ob eine Integration des Raumordnungsverfahrens in das Planfeststellungsverfahren zulässig ist. 2. Gesetzentwurf Der unter anderem auf Grundlage des oben genannten Berichts verfasste Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10. August 2018 greift diesen Vorschlag nicht auf, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs - und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich vom 10. August 2018, BR-Drs. 389/18, abrufbar unter: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2018/0301- 0400/389-18.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [letzter Abruf: 8. Oktober 2018]. In einer Stellungnahme des Bundesrates vom 21. September 2018 wurde dies – entgegen der Auffassung der Ausschüsse des Bundesrates – nicht kritisiert, Stellungnahme des Bundesrates vom 21. September 2018 zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich, BT- Drs. 19/4459, Anlage 3, abrufbar unter: http://dip21.bundestag .btg/dip21/btd/19/044/1904459.pdf [letzter Abruf: 8. Oktober 2018]. Die Ausschüsse des Bundesrates waren in ihrer Empfehlung vom 10. September 2018 noch der Auffassung, dass der Gesetzentwurf nicht ausreichend sei, um zu einer effektiven Beschleunigung von Infrastrukturplanungen beizutragen. Insbesondere fehlten in dem Entwurf wichtige Punkte, wie die Integration des Raumordnungsverfahrens in die Planfeststellung, Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 210/18 Seite 5 Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates vom 10. September 2018, BR-Drs. 389/1/18, Seite 3, abrufbar unter: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen /2018/0301-0400/389-1-18.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [letzter Abruf: 8. Oktober 2018]. 3. Meinungsstand Ob eine Integration des Raumordnungsverfahrens in das Planfeststellungsverfahren möglich ist, wird, soweit ersichtlich, in der juristischen Literatur nicht diskutiert. Es wird aber teilweise kritisch hinterfragt, ob eine Reform des Verfahrensrechts tatsächlich zur Beschleunigung der Verwirklichung von Großvorhaben führt. So ist Durner der Auffassung, dass der lange zeitliche Abstand zwischen Abschluss des Raumordnungsverfahrens und der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens nicht aus verfahrensrechtlichen Defiziten herrühre, sondern unüberlegte Planungsentscheidungen, Zeitverluste im Verfahrensmanagement und fehlende finanzielle Mittel hierfür ursächlich seien, Durner, Möglichkeiten der Verbesserung förmlicher Verwaltungsverfahren am Beispiel der Planfeststellung, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2011, 354, 362. An anderer Stelle werden die Vorteile der Eigenständigkeit des Raumordnungsverfahrens hervorgehoben . Die erforderliche Neutralität bei der Berücksichtigung der vielfältigen Belange werde dadurch sichergestellt, dass dem Raumordnungsverfahren ein gesamtplanerisch orientierter Koordinierungsauftrag und nicht eine bestimmte fachliche Zielsetzung zugrunde liege. Zudem sei die Trennung zwischen der Planfeststellungsbehörde und der Behörde, die über das Raumordnungsverfahren entscheidet, wesentlich, Erbguth, Beschleunigung von Infrastrukturplanungen versus private oder staatliche Mediation : Warum wird das Raumordnungsverfahren übersehen? Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1992, 551. Es ist zweifelhaft, ob die Funktion des Raumordnungsverfahrens als staatliches Konfliktmittlungsinstrument im Falle einer Integration in das Planfeststellungsverfahren erhalten bliebe, da nach dem Vorschlag des „Innovationsforums“ nur noch eine Behörde für das Verfahren zuständig wäre, Abschlussbericht des „Innovationsforums Planungsbeschleunigung“, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Seite 26, abrufbar unter: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/innovationsforum-planungsbeschleunigung -abschlussbericht.pdf?__blob=publicationFile [letzter Abruf: 8. Oktober 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 210/18 Seite 6 4. Vermeidung von Doppelprüfungen Zudem erscheint fraglich, ob die Zusammenfassung des Raumordnungsverfahrens und des Planfeststellungsverfahrens für die Vermeidung von Doppelprüfungen tatsächlich erforderlich ist. Denn für die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) regelt bereits § 49 Abs. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), dass die Umweltverträglichkeitsprüfung im nachfolgenden Zulassungsverfahren auf zusätzliche erhebliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt werden kann. Diese Vorschrift hat gerade den Zweck, Doppelprüfungen in Bezug auf die Umweltverträglichkeitsprüfung zu vermeiden, vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27. Juni 2018 – 3 M 286/15 –, juris Rn. 77 zu § 16 Abs. 2 UVPG in der Fassung vom 29. Mai 2017, der gleichlautend mit § 49 Abs. 2 UVPG in der Fassung vom 20. Juli 2017 ist; Kment, Das Raumordnungsverfahren – Befristung und Verlängerung, NVwZ 2010, 542, 543. 5. Gleichzeitige Durchführung von Raumordnungsverfahren und Planfeststellungsverfahren Weiter stellt sich die Frage, ob eine Integration des Raumordnungsverfahrens in das Planfeststellungsverfahren für eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren erforderlich ist. Das Raumordnungsverfahren ist als selbstständiges Verfahren in § 15 Raumordnungsgesetz (ROG) geregelt. Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens entfaltet für das nachfolgende Planfeststellungsverfahren keine Bindungswirkung, ist aber als gutachterliche Äußerung im Rahmen der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen, Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. März 2006 – 4 A 1075/04 –, BVerwGE 125, 116 Rn. 137. Dies hat aber nicht zur Folge, dass ein Planfeststellungsverfahren erst eingeleitet werden kann, wenn das durchzuführende Raumordnungsverfahren abgeschlossen ist. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die gleichzeitige Durchführung eines Raumordnungsverfahrens und eines Planfeststellungsverfahrens zulässig, BVerwG, Urteil vom 16. August 1995 – 11 A 2/95 –, NVwZ 1996, 267, 269. 6. Fazit Der unter anderem auf der Grundlage des Berichts des „Innovationsforums Planungsbeschleunigung “ verfasste Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10. August 2018 greift den Vorschlag, das Raumordnungsverfahren in das Planfeststellungsverfahren zu integrieren, nicht auf. Diese Frage wird auch, soweit ersichtlich, in der juristischen Literatur nicht diskutiert. Es wird aber teilweise kritisch hinterfragt, ob eine Reform des Verfahrensrechts tatsächlich zur Beschleunigung der Verwirklichung von Großvorhaben führt. Doppelprüfungen werden hinsichtlich der Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 210/18 Seite 7 Durchführung einer UVP bereits durch § 49 Abs. 2 UVPG vermieden. Wirkungsvoller als die Integration des Raumordnungsverfahrens in das Planfeststellungsverfahren ist möglicherweise die nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts bestehende Möglichkeit, das Raumordnungsverfahren und das Planfeststellungsverfahren gleichzeitig durchzuführen. ***