© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 207/18 Rechtslage und Praxis des Schwangerschaftsabbruchs sowie Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel in ausgewählten Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 2 Rechtslage und Praxis des Schwangerschaftsabbruchs sowie Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel in ausgewählten Staaten Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 207/18 Abschluss der Arbeit: 15. November 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Deutschland 4 2.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis 4 2.2. Verfassungsrechtliche Begründung 6 2.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel 6 3. Frankreich 8 3.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis 8 3.2. Verfassungsrechtliche Begründung 9 3.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel 9 4. Kanada 9 4.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis 9 4.2. Verfassungsrechtliche Begründung 10 4.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel 10 5. Die Niederlande 10 5.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis 10 5.2. Verfassungsrechtliche Begründung 12 5.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel 12 6. Schweden 13 6.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis 13 6.2. Verfassungsrechtliche Begründung 13 6.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel 13 7. Spanien 14 7.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis 14 7.2. Verfassungsrechtliche Begründung 16 7.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel 17 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 4 1. Einleitung Die gesetzliche Ausgestaltung des grundsätzlichen Verbots eines Schwangerschaftsabbruchs in §§ 218 ff. des Strafgesetzbuchs (StGB)1 rückte anlässlich der Verurteilung einer Ärztin wegen unzulässiger „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ nach § 219a StGB im November 20172 erneut in den Fokus der Öffentlichkeit. Es wird daher der Frage nachgegangen, wie in ausgewählten europäischen sowie nichteuropäischen Staaten der Schwangerschaftsabbruch gesetzlich geregelt ist und wie sich zudem die gesellschaftliche Praxis eines solchen Abbruchs darstellt. Auch soll beleuchtet werden, wie die geltende Gesetzeslage in den einzelnen Ländern verfassungsrechtlich begründet wird. Abschließend werden die in den untersuchten Ländern vorhandenen Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel vorgestellt.3 2. Deutschland 2.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis Die Rechtslage hinsichtlich Schwangerschaftsabbrüchen hat sich in Deutschland seit dem Jahr 2000 im Wesentlichen nicht geändert, weshalb insoweit verwiesen werden kann auf Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Gesetzliche Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Türkei und Kanada “, Sachstand vom 9. September 2014, Az. WD 7 - 3000 - 156/14, Ziffern 2.1 sowie 2.4 auf Seite 6 bis 9, -Anlage 1-. Seit November 2017 setzen sich jedoch vier der sechs in der 19. Wahlperiode im Bundestag vertretenen Fraktionen für eine Aufhebung beziehungsweise Einschränkung des § 219a StGB ein.4 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden. 2 Amtsgericht (AG) Gießen, Urteil vom 24. November 2017, 507 Ds 501 Js 15031/15 (nicht rechtskräftig), Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2018, 416. 3 Die Angaben zu der Rechtslage und gesellschaftlichen Praxis in den europäischen Ländern sowie Kanada basieren im Wesentlichen auf Auskünften der jeweiligen Parlamentsverwaltungen. Die Ausführlichkeit dieser Auskünfte variiert stark und erklärt die unterschiedlich ausgeprägten Darstellungen. Bei Abschluss der Arbeit lag keine Antwort aus Belgien vor. 4 Für eine Aufhebung: Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche, Bundestags-Drucksache (BT-Drs.) 19/93 vom 22. November 2017; Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) – Aufhebung von § 219a StGB, BT-Drs. 19/630 vom 2. Februar 2018; Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des § 219a des Strafgesetzbuches, BT-Drs. 19/1046 vom 2. März 2018. Für eine Einschränkung: Gesetzentwurf der Fraktion der FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Einschränkung des Verbots der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche , BT-Drs. 19/820 vom 20. Februar 2018. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 5 Diese Norm stellt die „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ unter Strafe, wenn öffentlich , in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften eines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise – eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder – Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung angeboten, angekündigt, angepriesen oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgegeben werden. Drei der vier Gesetzentwürfe zur Aufhebung beziehungsweise Einschränkung des § 219a StGB wurden bereits im Bundestag in einer ersten Lesung debattiert und anschließend zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Auch im Bundesrat wurde ein Gesetzesantrag zur Aufhebung des § 219a StGB von den Bundesländern Berlin, Brandenburg , Bremen, Hamburg und Thüringen eingebracht, der derzeit in den Ausschüssen beraten wird.5 Hintergrund der Diskussion über den als zu weitreichend empfundenen § 219a StGB war unter anderem ein im November 2017 ergangenes Urteil gegen eine Ärztin, die auf ihrer Internetseite über die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs und die von ihr vorgenommene Durchführung eines solchen Abbruchs informierte.6 Das Gericht hatte die Ärztin nach § 219a StGB verurteilt und ausgeführt, dass diese aufklärende Information bereits den Straftatbestand des § 219a StGB erfülle, da die Information mit dem Angebot der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen verknüpft wurde; dabei komme es – entgegen der amtlichen Überschrift der Norm – nicht darauf an, dass die Information werbenden Charakter aufweise.7 Hinsichtlich der gesellschaftlichen Praxis in Deutschland lässt sich nach der Schwangerschaftsabbruchstatistik der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE)8 festhalten, dass die Anzahl von Abtreibungen in Deutschland weiterhin abnimmt. Während die Gesamtzahl der Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2001 bei 134.964 lag, ging die Zahl im Jahr 2013 auf 102.802 zurück. Im Jahr 2017 sank die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche weiter auf 101.209. Aktuell wird die Schwangerschaft in etwa 90 % der Fälle im Zeitraum von fünf bis zwölf Wochen nach Empfängnis abgebrochen, in 8 % der Fälle im Zeitraum von unter fünf Wochen nach 5 Gesetzesantrag der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Thüringen, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung von § 219a StGB (Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft), Bundesrats-Drucksache (BR-Drs.) 761/17 (neu) vom 12. Dezember 2017. 6 Siehe Fußnote 2. 7 AG Gießen, Urteil vom 24.11.2017, 507 Ds 501 Js 15031/15 (nicht rechtskräftig), NStZ 2018, 416 (416). 8 Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Suchwort: „Schwangerschaftsabbruch“, Tabelle (gestaltbar): Schwangerschaftsabbrüche , u.a. nach Merkmalen der Schwangerschaftsabbruchstatistik, online abrufbar unter: http://www.gbe-bund.de/gbe10/pkg_isgbe5.prc_isgbe?p_uid=gast&p_aid=0&p_sprache=D [Stand: 17. September 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 6 Empfängnis und die restlichen circa 2 % im Zeitraum von zwölf bis 22 Wochen nach Empfängnis . Die Mehrheit der betroffenen Frauen (etwa 57 %) ist ledig, etwa 39 % sind verheiratet, die restlichen geschieden oder (selten) verwitwet. Der Schwangerschaftsabbruch erfolgt in 96 % der Fälle nach den in §§ 218a Abs. 1, 219 StGB festgelegten Voraussetzungen für die straflose Abtreibung, d.h. er wird innerhalb von zwölf Wochen und nach erfolgter Beratung durch einen Arzt vorgenommen (kombiniertes Beratungs- und Fristenmodell). In den anderen fast 4 % der Fälle wird die Schwangerschaft wegen einer Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der Schwangeren abgebrochen . Äußerst selten wird die Abtreibung aufgrund einer Sexualstraftat veranlasst. 2.2. Verfassungsrechtliche Begründung Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich in zwei maßgeblichen Urteilen 1975 sowie 1993 mit den verfassungsrechtlichen Fragen hinsichtlich eines Schwangerschaftsabbruchs zu befassen . Insoweit ist zu verweisen auf die Ausführungen in Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland“, Sachstand vom 10. Mai 2017, Az. WD 7 - 3000 - 064/17, Ziffern 2.1 und 2.2 auf Seite 5 bis 7, online abrufbar unter: https://www.bundestag .de/blob/514874/f2a95a4276de286f5233528983df76bb/wd-7-064-17-pdf-data.pdf [letzter Abruf: 14. November 2018], -Anlage 2-. 2.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel In Deutschland haben gemäß § 24a Abs. 2 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V)9 Versicherte nur bis zum vollendeten 20. Lebensjahr, also bis zum 20. Geburtstag, einen Anspruch auf eine Kostenübernahme von verschreibungspflichtigen Empfängnisverhütungsmitteln durch die gesetzliche Krankenversicherung.10 Ab einem Alter von 18 Jahren müssen die Versicherten bei der Kostenübernahme jedoch die gesetzliche Zuzahlung der Rezeptgebühr leisten. Ab dem 20. Geburtstag erfolgt keine Kostenübernahme mehr. Gemäß § 24a Abs. 2 Satz 2 SGB V besteht dieser Anspruch auf Kostenübernahme auch für nicht verschreibungspflichtige Notfallkontrazeptiva, vorausgesetzt diese wurden ärztlich verordnet. Hintergrund dieser Regelung ist, dass in Deutschland die levonorgestrel- und ulipristalacetathaltigen Notfallkontrazeptiva (umgangssprachlich als „Pille danach“ bekannt) im März 2015 aus der 9 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist, online abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/ [letzter Abruf: 17. September 2018]. 10 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Kostenübernahme für Empfängnisverhütungsmittel und Sterilisation durch die Gesetzliche Krankenversicherung“, Sachstand vom 25. Oktober 2017, Az. WD 9 - 3000 - 048/17, Seite 4 f., online abrufbar unter: https://www.bundestag .de/blob/535038/486bb3f427c9a077fa5a6cc5b49dd4e1/wd-9-048-17-pdf-data.pdf [letzter Abruf: 17. September 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 7 Verschreibungspflicht entlassen wurden.11 Bei einer ärztlichen Verordnung sollen die Kosten für diese Notfallkontrazeptiva bis zum vollendeten 20. Lebensjahr jedoch weiterhin von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Für alle weiteren nicht verschreibungspflichtigen Verhütungsmittel, beispielsweise für Kondome , besteht kein Anspruch auf Kostenübernahme. Für Sozialleistungsbezieher hatte der Sozialhilfeträger bis zum Jahr 2004 die Kosten für ärztlich verordnete Verhütungsmittel über das 20. Lebensjahr hinaus zu tragen.12 Durch entsprechende Gesetzesänderungen müssen fortan aber auch Sozialleistungsbezieher die Kosten für verordnete Verhütungsmittel ab dem 21. Lebensjahr, also ab dem 20. Geburtstag, selbst über den ihnen ausgezahlten Regelsatz finanzieren.13 Jedoch wird seit einigen Jahren von verschiedenen Seiten gefordert , die Kostenübernahme für Verhütungsmittel für Personen mit geringem Einkommen wieder einheitlich auf Bundesebene zu regeln. Beispielsweise reichte der pro familia Bundesverband 2015 eine öffentliche Petition ein, um eine dauerhafte bundesweite Regelung der Kostenübernahme bei ärztlich verordneten Verhütungsmitteln für Sozialhilfebezieher auch nach Vollendung des 20. Lebensjahres zu erreichen. Die Petition befindet sich derzeit noch in der Prüfung.14 Ende 2017 forderte der Bundesrat in einer Entschließung zu einer bundeseinheitlichen Regelung zur Kostenübernahme von ärztlich verordneten Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen die Bundesregierung auf, entsprechende rechtliche Voraussetzungen zu schaffen.15 Zum Teil existieren in den Bundesländern kommunale beziehungsweise regionale Lösungen für eine Kostenübernahme, insbesondere für bedürftige Frauen. In Berlin erfolgt beispielsweise über das Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung des Gesundheitsamtes eine Kosten- 11 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Kostenübernahme für Empfängnisverhütungsmittel und Sterilisation durch die Gesetzliche Krankenversicherung“, Sachstand vom 25. Oktober 2017, Az. WD 9 - 3000 - 048/17, Seite 5 f. 12 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII“, Sachstand vom 26. Oktober 2017, Az. WD 6 - 3000 - 059/17, Seite 4 f., online abrufbar unter: https://www.bundestag .de/blob/532610/700b6594a57fd53fbff47a1e16c2ae03/wd-6-059-17-pdf-data.pdf [letzter Abruf: 17. September 2018]. 13 Ebenda. 14 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Kostenübernahme von Verhütungsmitteln in den Bundesländern “, Kurzinformation vom 26. Juni 2018, Az. WD 6 - 3000 - 069/18, Seite 1, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/566244/5cfae08e2e2f0956552c67089272b645/wd-6-069-18-pdf-data.pdf [letzter Abruf: 17. September 2018]. 15 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Kostenübernahme von Verhütungsmitteln in den Bundesländern “, Kurzinformation vom 26. Juni 2018, Az. WD 6 - 3000 - 069/18, Seite 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 8 übernahme für Verhütungsmittel, hierbei auch für nicht verschreibungspflichtige wie etwa Kondome , wenn es sich um Frauen im Alter von mindestens 20 Jahren handelt, sie in Berlin gemeldet sind und ihr Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreitet.16 Seit 2016 wird ein Modellprojekt des pro familia Bundesverbandes namens „biko – Beratung, Information , Kostenübernahme bei Verhütung“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Dauer von drei Jahren gefördert, bei dem eine Kostenübernahme für Frauen erfolgt, die an einem der insgesamt sieben biko-Projektstandorten wohnen, mindestens 20 Jahre alt sind und entweder Sozialleistungen beziehen oder deren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegt.17 3. Frankreich 3.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis Die Rechtslage hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen hat sich in Frankreich seit dem Jahr 2014 nicht geändert, weshalb insoweit verwiesen werden kann auf Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Gesetzliche Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Türkei und Kanada “, Sachstand vom 9. September 2014, Az. WD 7 - 3000 - 156/14, Ziffer 7 auf Seite 15, -Anlage 1-. Allerdings gab es seit 2014 zwei Neurungen, die an dieser Stelle nennenswert sind. Mit dem Gesetz Nr. 2017-347 vom 20. März 2017 in Bezug auf die Ausweitung des Delikts der Behinderung des freiwilligen Schwangerschaftsabbruchs sollen gefälschte Websites bekämpft werden, die wie institutionelle Websites aussehen (beispielsweise die des Gesundheitsministeriums) und Frauen dazu bringen sollen, Schuldgefühle zu entwickeln und sich gegen den Abbruch der Schwangerschaft zu entscheiden. Darüber hinaus gibt es in der öffentlichen Meinung eine Debatte über die „Gewissensklausel“, die es einem Arzt ermöglicht, die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs zu verweigern. Das Gesetz zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs erlaubt es jedem Arzt, den Abbruch der Schwangerschaft zu verweigern, wenn er angibt, dass diese Handlung seinem Gewissen zuwiderläuft . In seinem im Jahr 2017 veröffentlichten Jahresbericht empfiehlt der „Hohe Rat für die Gleichstellung von Frauen und Männern“, diese Gewissensklausel, die speziell auf den Abbruch der Schwangerschaft abzielt, stark einzuschränken, mit der Begründung, dass sie den Zugang zu 16 Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung, Kostenübernahme von Verhütungsmitteln, online abrufbar unter (am Beispiel des Bezirksamts Marzahn-Hellersdorf von Berlin): https://www.berlin.de/projektemh /netzwerke/sexuelle-gesundheit/uebernahme-von-verhuetungsmitteln/ [letzter Abruf: 17. September 2018]. 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Aktuelle Meldung „Recht auf Familienplanung – Verhütungsmittel kostenfrei für Frauen mit wenig Geld“, 26. September 2017, online abrufbar unter : https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/verhuetungsmittel-kostenfrei-fuer-frauen-mit-wenig -geld/119726 [letzter Abruf: 17. September 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 9 einem Schwangerschaftsabbruch in einigen Teilen Frankreichs, die nur wenige Krankenhauseinrichtungen haben, stark beeinträchtigt. 3.2. Verfassungsrechtliche Begründung In seiner Entscheidung Nr. 74-54 DC vom 15. Januar 1975 wies der Verfassungsrat darauf hin, dass das Gesetz vom 17. Januar 1975 über die freiwillige Beendigung der Schwangerschaft verfassungskonform sei. Das Gesetz über die freiwillige Beendigung der Schwangerschaft respektiere die Freiheit von Personen, eine Abtreibung durchführen zu lassen, unabhängig davon, ob es sich um eine Notlage handelt oder ob ein therapeutischer Grund gegeben ist. Es verstoße daher nicht gegen den in Artikel 2 der Erklärung über die Rechte des Menschen und des Bürgers niedergelegten Grundsatz der Freiheit. Das Gesetz verletze weiterhin den in seinem Artikel 1 genannten Grundsatz des Respekts für jeden Menschen von Beginn des Lebens nur im Bedarfsfall und gemäß den darin festgelegten Bedingungen und Einschränkungen. Schließlich verstoße keine der in diesem Gesetz vorgesehenen Vorschriften gegen eine der durch die Gesetze der Republik anerkannten Grundprinzipien und das Gesetz missachte auch nicht den in der Präambel der Verfassung vom 27. Oktober 1946 niedergelegten Grundsatz, nach dem die Nation dem Kind den Schutz der Gesundheit garantiert, und auch keine der anderen Bestimmungen von Verfassungsrang , die in jedem Text zu finden sind. 3.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel Seit März 2013 können Mädchen zwischen 15 und 18 Jahren Antibabypillen, Hormonimplantate und Spiralen kostenlos und anonym erhalten. Die mit der Verhütung verbundenen Beratungen und Untersuchungen werden ebenfalls durch die Sozialversicherung finanziell unterstützt. 4. Kanada 4.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis Die Rechtslage hinsichtlich Schwangerschaftsabbrüchen hat sich in Kanada seit dem Jahr 2014 nicht geändert, weshalb insoweit verwiesen werden kann auf Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Gesetzliche Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Türkei und Kanada “, Sachstand vom 9. September 2014, Az. WD 7 - 3000 - 156/14, Ziffer 22.1 und 22.4 auf Seite 37 und 38, -Anlage 1-. Es sind derzeit keine Änderungen an dieser Rechtslage geplant. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Praxis ließen sich für das Jahr 2016 97.764 Schwangerschaftsabbrüche feststellen. Im Jahr 2015 waren es noch 100.104. 32,1 % der Schwangerschaftsabbrüche, die im Jahr 2016 von kanadischen Krankenhäusern (außer denen in Quebec) gemeldet wurden, wurden in den ersten acht Wochen der Schwangerschaft vorgenommen. Der Großteil, 36,0 %, wurde zwischen der neunten und der zwölften Schwangerschaftswoche vorgenommen. 7,2 % der Schwangerschaftsabbrüche erfolgten zwischen der 13. und 16. Woche und 3,7 % zwischen der 17. und 20. Schwangerschaftswoche. 2,7 % erfolgten in Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 10 der 21. Schwangerschaftswoche oder später und bei 18,3 % der Schwangerschaftsabbrüche ist der Zeitpunkt unbekannt. 4.2. Verfassungsrechtliche Begründung Im Hinblick die verfassungsrechtliche Grundlage für die aktuelle Rechtslage ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Kanada aus dem Jahr 1988 zu R v. Morgentaler von zentraler Bedeutung . Im Jahr 1988 stellte Dr. Morgentaler, zusammen mit Dr. Leslie Frank Smoling und Dr. Robert Scott, die Vereinbarkeit des Paragraphen 251 (jetzt Paragraph 287) des Strafgesetzbuchs mit der kanadischen Charta der Rechte und Freiheiten in Frage. Der Oberste Gerichtshof hob das Gesetz mit der Begründung auf, es verletze das Recht der Frau auf Sicherheit der Person und der Prozess , durch den eine Frau dieses Rechts beraubt werde, stehe mit der grundlegenden Gerechtigkeit nicht im Einklang. Das Interesse des Staates am Schutz des Fötus sei legitim, aber das Recht der schwangeren Frau auf Sicherheit der Person würde mehr verletzt, als zur Erreichung des Ziels des Schutzes des Fötus erforderlich sei. 4.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel In Kanada gibt es derzeit keine bundesweiten Regelungen in Bezug auf kostenfreie Verhütungsmittel . Dies ist jedoch ein Thema, das vor das kanadische Parlament gebracht wurde. Im Jahr 2016 stellte die Abgeordnete der Neuen Demokratischen Partei Irene Mathyssen einen Antrag bezüglich Dienstleistungen für sexuelle und reproduktive Gesundheit. Der Antrag würde, in Teilen, vorsehen, dass sich die kanadische Regierung nach Ansicht des Unterhauses dazu verpflichten sollte, die reproduktive Gesundheit und das Wohlbefinden von Individuen und ihrer Gemeinden zu unterstützen, indem sie erstens, Indikatoren für sexuelle Gesundheit erfasst und über sie berichtet , einschließlich Daten zur Empfängnisverhütung, um fundierte politische Entscheidungen in Bezug auf sexuelle und reproduktive Gesundheit zu treffen, zweitens, mit Provinzregierungen verhandelt, um die Kosten aller vorgeschriebenen Verhütungsmittel zu decken, und drittens, die Transfers vom Bund zu den Provinzregierungen erhöht, um diese Koste zu decken. Der Antrag muss noch im Unterhaus debattiert werden. Seit dem 10. August 2017 ist Mifegymiso, bei dem es sich zwar nicht um ein Verhütungsmittel, sondern ein Abtreibungsmedikament handelt, in der Provinz Ontario für Frauen mit einer gültigen Gesundheitskarte und einem Rezept kostenfrei erhältlich. New Brunswick und Alberta übernehmen ebenfalls die Kosten für Mifegymiso, ebenso wie die Regierung von Quebec seit Dezember 2017. 5. Die Niederlande 5.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis In den Niederlanden ist der Abbruch einer Schwangerschaft strafbar nach Artikel 296 des niederländischen Strafgesetzbuchs. Nach Abs. 5 der Vorschrift wird der Abbruch einer Schwangerschaft jedoch nicht bestraft, wenn er von einem Arzt in einem Krankenhaus oder in einer Abtreibungsklinik mit einer Lizenz nach dem niederländischen Gesetz über den Abbruch der Schwangerschaft durchgeführt wird. Die zentralen Vorschriften dieses Gesetzes sind diejenigen über die Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 11 sorgfältige Entscheidungsfindung. Nach seinem Artikel 5 darf ein Abbruch der Schwangerschaft nur stattfinden, wenn eine Notsituation der Frau ihn unvermeidbar macht. Dabei bezieht sich die Notsituation auf den auf der ungewollten Schwangerschaft beruhenden psychologischen Geisteszustand der Frau; eine physische und psychische Verletzung bzw. ihr Risiko ist nicht erforderlich . Das Gesetz stellt keine materiellen, allgemeinen Kriterien für die Prüfung bereit, ob die Situation der Frau einen Notfall darstellt oder nicht. Für die Entscheidung, ob eine Notsituation vorliegt, sind sowohl die Frau als auch der Arzt gemeinsam verantwortlich. Die eigentliche Entscheidung wird im Endeffekt jedoch von der Frau getroffen. Der Arzt soll die Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch ersucht, bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Für gewöhnlich werden die Gründe für das Ersuchen eines Schwangerschaftsabbruchs mit dem Arzt diskutiert. Diese Gründe sind sehr unterschiedlich und reichen von finanziellen und wohnraumbezogenen Beschränkungen über das Alter, einer bereits abgeschlossenen Familienplanung zu in die Brücke gegangenen oder unsicheren Beziehung und der fehlenden Möglichkeit, ein Kind aufzuziehen. Um sicherzustellen, dass die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch auf ausreichenden Überlegungen fundiert, ist zwischen dem ersten Ersuchen der Frau nach einem Schwangerschaftsabbruch und dem letztendlichen Abbruch der Schwangerschaft eine Wartezeit vorgesehen . Der Abbruch der Schwangerschaft darf nicht vor dem sechsten Tag nach dem ursprünglichen Ersuchen erfolgen. Es müssen zwischen den beiden Zeitpunkten also fünf volle Tage liegen. Hiervon kann eine Ausnahme gemacht werden, wenn ein Risiko für die Gesundheit oder das Leben der Frau besteht. Das niederländische Recht unterscheidet im Grundsatz nicht zwischen dem ersten und dem zweiten Trimester der Schwangerschaft. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Abtreibungskliniken für Schwangerschaftsabbrüche nach der zwölften Woche (also im zweiten Trimester) eine besondere Lizenz benötigen, um den Abbruch durchzuführen. Diese Regelung basiert jedoch nicht auf der Ansicht, dass der Fötus in diesem Entwicklungsstadium mehr rechtlichen Schutz verdient als im vorherigen Stadium, sondern vielmehr auf der Beobachtung, dass nach zwölf Wochen ein Schwangerschaftsabbruch sowohl psychologisch als auch medizinisch einen größeren Eingriff darstellt, und dass daher besondere Fähigkeiten und Methoden nötig sein können um ihn sicher auszuführen. Wenn die Lizenz vorliegt, kann der Schwangerschaftsabbruch im zweiten Trimester auf derselben Grundlage vollzogen werden wie ein Abbruch im ersten Trimester, solange er innerhalb der 24-Wochen-Grenze erfolgt. Die seit dem Jahr 2000 vorgenommenen Änderungen an den Vorschriften zum Abbruch der Schwangerschaft sind zum einen eine eingefügte Regelung, die es möglich macht, Hausärzte mit einem Bußgeld bis zu 33.500 Euro zu belegen, wenn sie die Voraussetzungen für die Registrierung des Schwangerschaftsabbruchs nicht erfüllen. Sie sind damit Ärzten in einem Krankenhaus oder einer Abtreibungsklinik gleichgestellt. Ferner ist am 1. Februar 2016 eine Regelung in Kraft getreten, die die Sorgfaltskriterien sowie die medizinischen und rechtlichen Erwägungen, die bei der Ausführung eines Schwangerschaftsabbruchs im späten Stadium und bei der Euthanasie von Neugeborenen, die unerträgliches Leid erfahren und keine Aussicht auf Besserung haben, in Betracht gezogen werden müssen, klarstellt. Die neue Vorschrift sieht auch vor, dass ein Überprüfungsausschuss jede Benachrichtigung über die Ausführung einer solchen Maßnahme untersucht und seine Erkenntnisse bekannt gibt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 12 Aktuell gibt es in den Niederlanden einen Gesetzesvorschlag, der er möglich machen soll, dass die sogenannte Abtreibungspille durch den Hausarzt für ungewollte Schwangerschaften bis zur neunten Woche zur Verfügung gestellt wird. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Praxis in den Niederlanden lässt sich seit dem Jahr 2000 ein Rückgang in der Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche feststellen. Dieser Trend wurde 2015 zwar unterbrochen, setzte sich jedoch im Jahr 2016 fort, in dem 30.144 Abbrüche vorgenommen wurden. Das waren 659 weniger als im Vorjahr 2015. 3.649 der Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2016 (12 %) wurden an Frauen vorgenommen, die im Ausland leben und zu diesem Zweck in die Niederlande gereist sind. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche wurden an Frauen zwischen 25 und 30 Jahren vorgenommen . Bis zum Jahr 2015 war die Altersgruppe der Frauen, an denen die meisten Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen wurden, die der 20 bis 25-Jährigen. In dieser Gruppe geht die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche jedoch seit einigen Jahren zurück. In der Gruppe der 25 bis 30-Jährigen ist seit dem Jahr 2007 ein allmählicher Anstieg zu vermerken. Seit dem Jahr 2002 geht auch die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche unter Teenagern zurück; im Jahr 2016 waren es beispielsweise 138 weniger als noch im Jahr 2015. Mehr als die Hälfte der Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2016 wurden in den ersten sieben Schwangerschaftswochen vorgenommen. 19 % fanden im zweiten Trimester statt. Bei 4,6 % der Schwangerschaftsabbrüche war das Ergebnis einer Pränataldiagnostik der Grund für die Entscheidung der Frau. 5.2. Verfassungsrechtliche Begründung Nach Art. 11 der der niederländischen Verfassung hat jeder das Recht auf Unverletzlichkeit seiner Person, unbeschadet der Beschränkungen, die durch Gesetz oder gemäß dem Gesetz des Parlaments festgelegt werden. Es gibt keine Vorschriften über die Beendigung des Lebens in Bezug auf Suizid, Sterbehilfe, Abtreibung und das Töten von Menschen mit Behinderungen. 5.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel Mädchen unter 18 Jahren werden die Kosten für Verhütungsmittel von der Grundversicherung rückerstattet. Diese Mädchen müssen keinen gesetzlichen persönlichen Beitrag zur Grundversicherung zahlen. Frauen zwischen 18 und 21 Jahren werden die Kosten für Verhütungsmittel ebenfalls von der Grundversicherung rückerstattet, sie müssen aber einen gesetzlichen persönlichen Beitrag zur Grundversicherung zahlen. Frauen über 21 Jahren werden die Kosten für Verhütungsmittel nicht mehr von der Grundversicherung rückerstattet. Frauen über 21 Jahren können jedoch eine ergänzende Versicherung abzuschließen, um die Kosten für Verhütungsmittel weiterhin rückerstattet zu bekommen. Es ist jedoch ratsam, vor Abschluss einer solchen Versicherung auszurechnen, ob sie sinnvoll ist. Denn wenn über die Verhütungsmittel hinaus keine zusätzliche Pflege notwendig ist, ist die Antibabypille oft preiswerter . Für Verhütungsmittel ist eine Verschreibung eines Hausarztes oder eines Facharztes notwendig. Kondome fallen nicht unter die Definition von Verhütungsmittel der Regierung. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 13 Frauen mit niedrigem Einkommen haben möglicherweise Anspruch darauf, dass ihre monatlichen Krankenversicherungsprämien (teilweise) von der Gesundheitsfürsorge gedeckt werden. 6. Schweden 6.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis Die Rechtslage und gesellschaftliche Praxis hinsichtlich Schwangerschaftsabbrüchen hat sich in Schweden seit dem Jahr 2014 im Wesentlichen nicht geändert, weshalb insoweit verwiesen werden kann auf Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Gesetzliche Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Türkei und Kanada “, Sachstand vom 9. September 2014, Az. WD 7 - 3000 - 156/14, Ziffer 17 auf Seite 31 und 32, -Anlage 1-. Es sind derzeit keine Änderungen an dieser Rechtslage geplant. 6.2. Verfassungsrechtliche Begründung In Schweden gibt es weder aktuell noch in der jüngeren Vergangenheit eine verfassungsrechtliche Debatte über Schwangerschaftsabbrüche. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Abbruch der Schwangerschaft vor über 80 Jahren legalisiert wurde und von den meisten Menschen nicht als kontrovers angesehen wird. Im Jahr 2017 entschied das schwedische Arbeitsgericht in einem Fall, der eine Hebamme betraf, der die Anstellung von drei unterschiedlichen Frauenkliniken aufgrund ihrer auf ihren christlichen Glauben zurückzuführenden Weigerung, bei Schwangerschaftsabbrüchen zu assistieren, Verhütungsspiralen einzusetzen und Patientinnen mit Notfallverhütungsmitteln zu versorgen, versagt wurde. Das Arbeitsgericht entschieden gegen die Hebamme und wies sowohl ihre Klage auf Schadensersatz wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch ihre Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem Diskriminierungsgesetz ab. 6.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel Seit dem 1. Januar 2017 sind Verhütungsmittel, die unter pharmazeutische Sozialleistungen fallen (Antibabypillen, Hormonspiralen, Implantate und Verhütungsspritzen), sowie Hormonpflaster und Vaginalringe für Personen unter 21 Jahren kostenfrei. Notfallverhütungsmittel (sog. „Pille danach“) sind nicht verschreibungspflichtig und können in Apotheken gekauft werden. Personen unter 26 Jahren können sie auch kostenlos in den Jugendberatungsstellen erhalten. Bezirksräte können über zusätzliche Subventionen innerhalb ihres geografischen Gebiets entscheiden . Beispielsweise zahlen Personen, die älter als 21 Jahre, aber noch nicht 26 Jahre alt sind und im Bezirk Stockholm registriert sind, nur 100 Schwedische Kronen (etwa 10 Euro) für 12 Monate Verhütungsmittel, oder 30 schwedische Kronen (ungefähr 3 Euro) für 3 Monate Verhütungsmittel . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 14 Sozialhilfe ist eine finanzielle Unterstützung nach dem Gesetz über soziale Dienste um Menschen , die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Hilfe zum Lebensunterhalt einer Person wird als Einkommensunterstützung bezeichnet und besteht aus einem Standard (dem nationalen Standard), zu dem angemessene Kosten für andere häufige Bedürfnisse wie Wohnraum und Strom hinzutreten. Verhütungsmittel sind nicht im nationalen Standard für Einkommensunterstützung enthalten. Eine Person kann jedoch Sozialhilfe für andere angemessene Lebenshaltungskosten beantragen, z.B. für die Kosten für Gesundheit und medizinische Versorgung. Da es Sache des zuständigen Sachbearbeiters ist, eine Einzelfallbeurteilung der angemessenen Lebenshaltungskosten auf der Grundlage der individuellen Situation des Antragstellers vorzunehmen, können je nach Lage des Einzelfalls Verhütungsmittel als angemessene Lebenshaltungskosten angesehen werden, die zu Sozialhilfe berechtigen, oder auch nicht. Im Allgemeinen werden Verhütungsmittel, die unter das System der pharmazeutischen Leistungen fallen, als angemessene Lebenshaltungskosten angesehen . 7. Spanien 7.1. Rechtslage und gesellschaftliche Praxis Der Schwangerschaftsabbruch ist in Spanien in Vorschriften mit dem höchsten Schutzniveau geregelt , insbesondere in dem Gesetz über die sexuelle und reproduktive Gesundheit und den freiwillige Abbruch der Schwangerschaft. Dieses wurde weiterentwickelt durch das Königliche Dekret über die teilweise Entwicklung des Gesetzes über die sexuelle und reproduktive Gesundheit und den freiwillige Abbruch der Schwangerschaft. Aus den Vorschriften dieses Gesetzes ergibt sich, dass der Zugang zum freiwilligen Abbruch der Schwangerschaft unter den in diesem Gesetz festgelegten Bedingungen garantiert werden soll. Diese Bedingungen sind in der für den Schutz und die Wirksamkeit der Grundrechte der antragstellenden Frau, insbesondere ihres Rechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf das Leben, auf körperliche und sittliche Unversehrtheit sowie auf Privatsphäre, auf ideologische Freiheit und Nichtdiskriminierung günstigsten Weise auszulegen. Das Gesetz nennt zunächst die allgemeinen Kriterien, die für den freiwilligen Abbruch einer Schwangerschaft erfüllt sein müssen: Er muss von einem Facharzt oder unter dessen Aufsicht durchgeführt werden, er muss in einem anerkannten öffentlichen oder privaten Gesundheitszentrum durchgeführt werden und er muss mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung der schwangeren Frau oder des gesetzlichen Vertreters gemäß den Bestimmungen des Gesetzes der Patientenautonomie und der Rechte und Pflichten in Bezug auf klinische Information und Dokumentation durchgeführt werden. Die freiwillige Beendigung der Schwangerschaft von Minderjährigen oder Personen mit eingeschränkter Rechtsfähigkeit erfordert neben ihrer Willensbekundung die ausdrückliche Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter. Die Schwangerschaft kann auf Antrag der Schwangeren innerhalb der ersten vierzehn Wochen abgebrochen werden, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: Die schwangere Frau wurde gemäß den Vorschriften dieses Gesetzes über die Rechte, Leistungen und öffentlichen Beihilfen zur Unterstützung der Mutterschaft informiert und zwischen dem Zeitpunkt der Information und der Durchführung des Eingriffs ist ein Zeitraum von mindestens drei Tagen vergangen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 15 Ausnahmsweise kann die Schwangerschaft aus medizinischen Gründen beendet werden, wenn einer der folgenden Umstände vorliegt: Die 22. Schwangerschaftswoche wurde nicht überschritten und es besteht ein ernstes Risiko für das Leben oder die Gesundheit der schwangeren Frau, was vor dem Eingriff in einem Gutachten von einem anderen Arzt oder Spezialisten als dem, der den Eingriff vornimmt, dargelegt worden ist. Im Falle eines lebensgefährlichen Risikos für die Schwangere kann auf den Bericht verzichtet werden. Der zweite Umstand ist der, dass die 22. Schwangerschaftswoche nicht überschritten ist und die Gefahr schwerwiegender Fehlbildungen beim Fötus besteht, was vor dem Eingriff in einem Bericht von zwei anderen Spezialisten als dem, der den Eingriff vornimmt, festgestellt worden ist. Der dritte Umstand ist der, dass mit dem Leben unvereinbare fötale Fehlbildungen festgestellt worden sind und dies in einem zuvor von einem anderen Arzt oder Facharzt als dem, der den Eingriff vornimmt, verfassten Gutachten angegeben ist, oder wenn zum Zeitpunkt der Diagnose eine extrem schwere und unheilbare Krankheit im Fötus festgestellt wird, was von einem klinischen Ausschuss bestätigt wird. Die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs an einer Frau ohne ihre Einwilligung oder mit einer durch Gewalt, Einschüchterung oder Betruge erlangten Einwilligung ist strafbar mit bis zu acht Jahren Haft und einem Berufsverbot bis zu zehn Jahren. Wird der Abbruch der Schwangerschaft mit Einwilligung der Frau aber außerhalb der gesetzlich zulässigen Fälle vorgenommen, kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und einem Berufsverbot bis zu sechs Jahren bestraft werden. Die Frau wird mit einer Geldstrafe bestraft. Mit Geldstrafe und Berufsverbot kann auch bestraft werden, wer einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt ohne nachgeprüft zu haben, dass die Frau zuvor hinreichend informiert wurde, ohne dass die gesetzlich festgelegte Wartezeit abgelaufen ist, ohne die vorherigen notwendigen Berichte erlangt zu haben, oder ihn außerhalb einer autorisierten öffentlichen oder privaten Institution vornimmt. Die schwangere Frau wird nach dieser Bestimmung nicht bestraft. Schließlich ist auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Verursachung eines Schwangerschaftsabbruchs vorgesehen. Auch diese Vorschrift nimmt die schwangere Frau ausdrücklich von einer Strafbarkeit aus. Änderungen an dieser Rechtslage sind aktuell nicht vorgesehen. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Praxis ließ sich 2016 feststellen, dass die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche seit 2011 kontinuierlich zurückgegangen ist. 2016 wurden 70 % der Schwangerschaftsabbrüche in den ersten acht Wochen vorgenommen und 23,5 % zwischen der neunten und 14. Woche nach Empfängnis. 6 % erfolgten zwischen der 15. und 22. Woche und die übrigen mehr als 23 Wochen nach Empfängnis. In Hinsicht auf die Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch erfolgten 90 % auf Anfrage der Frau. 6,4 % erfolgten als Folge eines ernsthaften Risikos für Leben oder Gesundheit der schwangeren Frau. Abbrüche aufgrund eines Risikos ernsthafter Fehlbildungen im Fötus und aufgrund mit dem Leben unvereinbarer fötaler Fehlbildungen repräsentieren jeweils 3,60 und 0,34 %. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 16 7.2. Verfassungsrechtliche Begründung Bei der Ausarbeitung des oben beschriebenen rechtlichen Rahmens für den Abbruch einer Schwangerschaft in Spanien wurde der verfassungsrechtlichen Doktrin, die aus den Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu diesem Thema abgeleitet wurde, besondere Aufmerksamkeit gewidmet. In seiner Entscheidung 53/1985 („STC“) hat das Verfassungsgericht einige Grundsätze zum Thema Schwangerschaftsabbruch formuliert. Einer dieser Grundsätze ist die Ablehnung der absoluten Natur der Rechte und Interessen, die bei der Regulierung des freiwilligen Abbruchs der Schwangerschaft in Konflikt geraten. Es bestehe vielmehr eine Pflicht des Gesetzgebers, die Güter und Rechte zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen und, wenn dies nicht möglich ist, die Bedingungen festzulegen, unter denen eines überwiegt. Auch wenn Ungeborene nicht als Träger des Grundrechts auf Leben angesehen werden können, das von der Verfassung garantiert wird, bedeutet dies nicht, dass sie jeglichen verfassungsrechtlichen Schutzes beraubt sind. Das ungeborene Leben ist ein schützenswertes Gut, das Schutz verdient , den der Gesetzgeber wirksam machen muss, ohne dabei zu ignorieren, dass die Art und Weise, wie dieser Schutz gewährt wird, immer durch die Gewährleistung der Grundrechte der Schwangeren beschränkt wird. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung berücksichtigt diese Grundsätze und die qualitativen Änderungen des Lebens während der Schwangerschaft und schafft so eine praktische Konkordant der Rechte und konkurrierenden Güter durch ein Modell von allmählicher Vormundschaft während der Schwangerschaft. Das aktuelle Rechtssystem erkennt das Recht auf freie Entscheidung zur Mutterschaft an, was bedeutet, dass Frauen die anfängliche Entscheidung über ihre Schwangerschaft treffen können, und dass diese bewusste und verantwortliche Entscheidung respektiert wird. Der Gesetzgeber hat es als angemessen erachtet, im Einklang mit den Angaben der Sachverständigen und der Analyse des Rechtsvergleichs, den Frauen eine Zeit von 14 Wochen zu gewähren, in denen sie eine freie und fundierte Entscheidung ohne Störung durch Dritte über den Abbruch der Schwangerschaft treffen können. Dies wird als bewusste Selbstbestimmung bezeichnet. Die Erfahrung zeigt, dass der Schutz des ungeborenen Lebens am effektivsten durch aktive Politiken zur Unterstützung der schwangeren Frau und Mutterschaft erreicht werden kann. Aus diesem Grund artikuliert sich der Schutz des rechtlichen Gutes im ersten Moment der Schwangerschaft durch den Willen der Frau und nicht gegen sie. Im Verlauf der Schwangerschaft gibt es einen besonderen Übergang, in dem das ungeborene Kind bereits für ein von der Mutter unabhängiges Leben empfänglich ist. Die Schwelle der Lebensfähigkeit des Fötus liegt nach allgemeinem, auf Studien gestützten Konsens der wissenschaftlichen Gemeinschaft um die 22. Schwangerschaftswoche herum. Daher kann nach der 22. Schwangerschaftswoche die Schwangerschaft nur besonderen Ausnahmefällen beendet werden, nämlich wenn fötale Fehlbildungen, die mit dem Leben nicht vereinbar sind, festgestellt werden, oder wenn extrem schwere und unheilbare Krankheiten im Fötus entdeckt werden. Die Hauptargumente für eine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes über die sexuelle und reproduktive Gesundheit und den freiwillige Abbruch der Schwangerschaft sind folgende: die Unbestimmtheit der Schwangerschaftsdauer, der Begriffe „Risiko von schwerwiegenden Fehlbildungen im Fötus“, „mit dem Leben unvereinbare fötale Fehlbildungen“ und „extrem schwere und unheilbare Krankheit“, die eine ernsthafte Rechtsunsicherheit erzeugt, welche den Schutz des ungeborenen Kindes negativ beeinflusst. Es wird bekräftigt, dass auf diese Weise die Möglichkeit Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 207/18 Seite 17 eines Gesetzesmissbrauchs eröffnet wird, indem jeder Fall in der für die schwangere Frau vorteilhaftesten und für das ungeborene Kind schädlichsten Art und Weise interpretiert werden kann. So würden die vor der Verfassungslehre verfolgten Ziele unwirksam. 7.3. Regelungen für kostenfreie Verhütungsmittel Spanien ist territorial in Gemeinden, Provinzen und autonome Gemeinschaften organisiert, die alle ihre jeweiligen Interessen in Selbstverwaltung verwalten. Im Bereich der Gesundheit teilen sich die autonomen Gemeinschaften Zuständigkeiten mit dem Staat. Im Allgemeinen sieht Spanien keine Finanzierung von Verhütungsmitteln vor. Nur einige Antibabypillen gelten als verschreibungspflichtige Verhütungsmittel und werden daher teilweise vom Staat finanziert. Umgekehrt sind die autonomen Gemeinschaften in der Lage, ihre eigenen Regelungen zu gestalten, was zu sehr heterogenen Rahmenbedingungen zwischen den autonomen Gemeinschaften führt. Das Verhütungspflaster und der Vaginalring werden jedoch in keiner autonomen Region finanziert . Die Kupferspirale wird in elf autonomen Gemeinschaften finanziert. Diejenigen, die sie nicht finanzieren sind die Balearen, Castilla-La Mancha, Katalonien, Madrid und Murcia. Kondome werden in nur vier autonomen Gemeinschaften kostenlos verteilt, nämlich in Asturien, Katalonien , Extremadura und Navarra, obwohl die Verteilung dort mit bestimmten Kampagnen verknüpft ist. Die sogenannte „Pille danach“ ist in neun autonomen Gemeinschaften kostenlos erhältlich , nämlich in Andalusien, Aragonien, den Balearen, Kantabrien, Katalonien, Valencia, Extremadura , Galicien und Navarra. In allen Fällen ist die Finanzierung unabhängig vom Alter oder Einkommen der Frau. ***