AUSARBEITUNG Thema: Zu möglichen vertraglichen Pflichten hinsichtlich der Beseitigung von Kontaminationen beim Verkauf einer ehemaligen Militärliegenschaft Fachbereich VII Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Verfasser: Abschluss der Arbeit: 15. Dezember 2005 Reg.-Nr.: 2. WF VII G - 205/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einführung 3 2. Umfang der Kostenübernahme für die Kampfmittelräumung 4 3. Vertraglicher Haftungsausschluss für versteckte Mängel 6 - 3 - 1. Einführung Zu der Anfrage wurde Folgendes mitgeteilt: Der Bund (Verkäufer) hat einem aus drei Gemeinden bestehenden Zweckverband (Käufer) ein militärisches Gelände verkauft, auf dem sich eine Munitionsanstalt der Wehrmacht befunden hatte, die am Ende des Zweiten Weltkrieges gesprengt und bombardiert wurde. Die Käufer nutzen das Gelände als Gewerbegebiet, wobei nach und nach Kampfmittel beseitigt und Altlasten geräumt werden. In Bezug auf die Kampfmittelräumung enthält der Kaufvertrag folgende Bestimmung : (1) „Der Bund verpflichtet sich, hinsichtlich des Kaufgrundstücks (…) sich an den Mehrkosten eventueller bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges durch Kampfmittel bzw. durch diese verursachten chemischen Boden- und Grundwasserverunreinigungen entstandener Kriegslasten im notwendigen Umfang zu beteiligen, sofern und soweit diese Kosten für die Herrichtung des Kaufgrundstücks (…) aufgewendet werden müssen und eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu beseitigen ist.“ Diese Verpflichtung soll laut Vertrag bis zum Jahr 2015 gelten. Im Zusammenhang damit bleiben auf dem Gelände nach Abschluss der Kampfmittelräumungen Krater, Aushubstellen und Erdhügel zurück und es sind aufwendige Renaturierungsmaßnahmen erforderlich, um den jeweiligen Abschnitt vermieten oder verkaufen zu können. Insoweit ergibt sich die Frage, ob die o. g. Vertragsbestimmung eine Kostenübernahme für die Wiederherstellung des ursprünglichen Geländebildes und Geländeverlaufes beinhalten könnte. Eine weitere Bestimmung des Kaufvertrages lautet wie folgt: (2) „Das Kaufgrundstück wird in dem dem Käufer bekannten Zustand verkauft ohne jede Gewähr für Größe, Güte, Beschaffenheit oder Eignung für den Vertragszweck und ohne Haftung für Sach- und Rechtsmängel, seien sie sichtbar oder nicht sichtbar.“ Diese Vertragsbestimmung ist im Hinblick darauf von Interesse, dass nach Abschluss des Vertrages und Übergabe des Grundstücks in ehemaligen Kellerräumen der vormaligen Munitionsanstalt sog. Kohlenschlacken entdeckt wurden, die nach heutigem Recht als Sondermüll entsorgt werden müssen. Es ergibt sich die Fragestellung, wer für die Entsorgung aufzukommen hat. Zu den angesprochenen Fragestellungen können im Rahmen einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste grundsätzlich keine Rechtsauskünfte im Einzelfall erteilt werden. Vor diesem Hintergrund können nachfolgend lediglich Argumente und Ge- - 4 - sichtspunkte dargestellt werden, die für die denkbaren unterschiedlichen Auffassungen angeführt werden könnten. 2. Umfang der Kostenübernahme für die Kampfmittelräumung Die o. g. Vertragsbestimmung (1) dürfte – für sich genommen – nicht eindeutig sein, soweit es um den Umfang der Kostentragungspflicht des Bundes als Verkäufer für die Kampfmittelräumung geht. Es ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB1) zu ermitteln, ob diese Vertragsbestimmung auch eine Pflicht zur Wiederherstellung des ursprünglichen Geländeverlaufs- und -bildes durch den Bund beinhaltet. Gegen eine volle Übernahme dieser Kosten durch den Bund spricht der Begriff „beteiligen “. Diese Wortwahl deutet auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht hin. Demgegenüber deuten die Voraussetzungen, die für eine „Kostenbeteiligung“ formuliert werden, auf eine Einbeziehung der Kosten für Renaturierungsmaßnahmen und andere Wiederherstellungsmaßnahmen hin. Die Formulierung „sofern und soweit diese Kosten für die Herrichtung des Kaufgrundstücks … aufgewendet werden müssen“ dürfte nach verständiger Würdigung so zu verstehen sein, dass der Verkäufer auch die Kosten für die Wiederherstellung zu übernehmen hat. Es ist grundsätzlich nicht im Interesse des Käufers, zwar einerseits ein von Kampfmitteln geräumtes Grundstück zu besitzen, dieses jedoch aufgrund der Kampfmittelräumung wirtschaftlich nicht sinnvoll nutzen zu können. Für eine solche Auslegung (Übernahme der Wiederherstellungskosten durch den Bund) spricht auch, dass mit Blick auf Mängelbeseitigungen aufgrund von Gewährleistungsrechten im Schuldrecht der Vertragsgegenstand wie auch sämtliche Rechtsgüter des Vertragspartners vom Gewährleistenden derart zu schützen sind, dass aufgrund der Mängelbeseitigungsarbeiten hieran keinerlei weitere Schäden auftreten. Überträgt man diesen Rechtsgedanken auf die vertraglich vereinbarte Kostenübernahme durch den Bund als Verkäufer, so spricht dies dafür, dass auch die Kosten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Geländeverlaufs- und -bildes vom Bund zu tragen sind. Der für die Käufer negativ veränderte Zustand des Grundstückes im Anschuss an die Kampfmittelräumung wird nämlich gerade durch diese herbeigeführt. Eine Belastung der Käufer mit diesen Kosten würde grundsätzlich dem Zweck der Bestimmung, diese vor einer unwirtschaftlichen Belastung mit Kampfmittelbeseitigungskosten zu schützen, zuwiderlaufen . 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I, S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. I 2003, S. 738). - 5 - Aus der Formulierung „unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ ergibt sich weder ein Argument für noch ein Argument gegen eine Übernahme der Wiederherstellungskosten durch den Bund. Mit diesem Begriff wird an das Vorliegen einer (unmittelbaren) polizei- und ordnungsrechtlichen Gefahr bzw. Störung angeknüpft .2 Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kampfmittelräumung ist – soweit ersichtlich – zwischen den Vertragsparteien nicht streitig. Das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) gibt ebenfalls keine Anhaltspunkte für die Auslegung der Vertragsbestimmung (1). Es regelt in § 4 die Pflichten zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung und nennt diejenigen Personen, die als Störer in Anspruch genommen werden können. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 BBodSchG ist der frühere Eigentümer eines Grundstücks zur Sanierung verpflichtet, wenn er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast hierbei kannte oder kennen musste. Vorliegend kommt es jedoch nicht darauf an, ob der Bund als Verkäufer hiernach als Störer in Betracht kommen könnte. In § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG ist geregelt, dass mehrere Verpflichtete (Störer) unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch haben. In § 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG wird klargestellt, dass ein solcher Ausgleichsanspruch gegenüber einer vertraglichen Vereinbarung nachrangig (dispositiv) ist.3 Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Klärung, ob nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG vorrangig der Verkäufer oder die Käufer als Störer heranzuziehen wären.4 Maßgeblich ist allein die vertragliche Regelung . Schließlich gibt auch die grundsätzliche Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern für die Kampfmittelbeseitigung keinen Anhaltspunkt für die Auslegung der Vertragsbestimmung (1). In den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sowie vom Bundesministerium der Verteidigung herausgegebenen Arbeitshilfen zur wirtschaftlichen Erkundung, Planung und Räumung von Kampfmitteln auf Liegenschaften des Bundes wird die Aufteilung der Kosten wie folgt dargestellt: - Der Bund sowie das Sondervermögen des Bundes tragen die Beseitigungskosten auf ihren eigenen Liegenschaften, unabhängig davon, ob es sich um ehemals reichseigene oder ausländische Kampfmittel handelt. 2 Die Pflichten zur Gefahrenabwehr sind heute in § 4 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten vom 17.03.1998, BGBl. I, S. 502) geregelt. 3 Ludger-Anselm Versteyl/Wolf Dieter Sondermann, Kommentar zum Bundes-Bodenschutzgesetz, 2. Auflage 2005, § 24, Rdn. 29. 4 Vgl. hierzu Bernd Becker, Überblick über die öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Folgen des Verkaufs und Kaufs eines kontaminierten Grundstücks unter dem neuen Bundes- Bodenschutzgesetz (BBodSchG), DVBl. 2000, S. 595/600. - 6 - - Der Bund trägt ebenfalls die Beseitigungskosten für ehemals reichseigene Kampfmittel auf nicht bundeseigenen Liegenschaften, ohne Vor-, Neben-, und Nacharbeiten. - Die Länder tragen die übrigen Beseitigungskosten, d. h. die Kosten für die Beseitigung der von den Alliierten verursachten Kampfmittelbelastung auf allen anderen als im Eigentum des Bundes stehenden Flächen.5 Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass in dem privatrechtlichen Vertrag zwischen dem Bund als Verkäufer und den drei Gemeinden als Käufer beabsichtigt war, dass die verfassungsrechtliche Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern (Art. 104a Abs. 1 GG; Art. 120 Abs. 1 GG) nachvollzogen werden sollte. Sollte es in der Vergangenheit bereits mehrfach Kampfmittelräumungen auf der Grundlage des Kaufvertrages gegeben haben und haben die Käufer es stets akzeptiert, die Wiederherstellungskosten zu tragen, so ist es denkbar, dass insoweit eine konkludente Vereinbarung über die Auslegung der Vertragsbestimmung (1) im Rahmen der Vertragsdurchführung geschlossen worden ist. Ob dieses der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. 3. Vertraglicher Haftungsausschluss für versteckte Mängel Zu der Frage, ob der Bund als Verkäufer zur Zahlung der nachträglich entdeckten Kohlenschlacken herangezogen werden kann, ist zunächst festzustellen, dass es sich hierbei nicht um Kosten für eine Kampfmittelbeseitigung handeln dürfte und somit die o. g. Vertragsbestimmung (1) nicht einschlägig sein dürfte. Somit ist zu erwägen, ob die Käufer insoweit Gewährleistungsrechte geltend machen könnten oder ob dies wegen der o. g. Vertragsbestimmung (2) ausgeschlossen wäre. Soweit dem Käufer durch die §§ 437 ff. BGB Rechte wegen Mängeln an dem Kaufobjekt gegeben werden, so sind diese Rechte gleichwohl dispositiv und vertraglich in bestimmtem Umfange abdingbar.6 Wurde der Kaufvertrag vor dem 1. Januar 2002 geschlossen 7, gilt dies für die Sachmängelansprüche nach den §§ 459 ff BGB a.F. ebenso.8 Die vor allem beim Grundstückskauf vorkommenden und als Freizeichnungsklauseln bezeichneten Formeln „wie es steht und liegt“, „wie besichtigt unter Ausschluss jeder 5 Arbeitshilfen Kampfmittelräumung AH KMR, Nr. 3.2 Abs. 2 (S. 13); im Internet abrufbar unter: www.ofd-hannover.de/KMR/KMRDocs/Downloads/Arbeitshilfen_KMR/ah_kmr_Maerz 2005.pdf (Stand: 9.12.2005) 6 H. P. Westermann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 3 – Schuldrecht, Besonderer Teil I, 4. Auflage 2004, § 437, Rdnr. 5. 7 Für Verträge, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden, gilt das BGB in der Fassung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB. 8 Huber in Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch – Kommentar, Band 3 – Schuldrecht II, 12. Bearbeitung 1991, § 459, Rdnr. 16. - 7 - Gewährleistung“ oder „jegliche Haftung für Größe, Güte und Beschaffenheit der Grundstücke wird ausgeschlossen“ werden von der Rechtsprechung ganz überwiegend so verstanden, dass die Sache vom Käufer so hinzunehmen ist, wie sie ist, egal ob der Mangel erkennbar war oder nicht.9 Eine Sachmängelhaftung ist daher ebenso für verborgene Mängel ausgeschlossen. Ein umfänglicher Haftungsausschluss auch für Mängel eines Grundstückes, die bei seiner Besichtigung nicht erkannt wurden, ist grundsätzlich zulässig, soweit der Mangel vor Vertragsschluss bereits vorhanden war.10 Der Verkäufer kann sich allerdings nach § 444 BGB nicht auf eine Vereinbarung berufen, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Dieser Vorschrift entspricht inhaltlich § 476 BGB a.F.11 Hiernach ist eine Vereinbarung , durch welche die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung wegen Mängel der Sache erlassen oder beschränkt wird, nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt.12 Unschädlich ist fahrlässige Unkenntnis des Verkäufers vom Mangel. Bei individuell vereinbartem Haftungsausschluss kommt des Weiteren im Einzelfall ein Verstoß gegen die §§ 138, 242 BGB in Frage, wenn der Käufer unter Berücksichtigung der Eigenart und des Gesamtinhalts des Kaufvertrags im Ergebnis rechtlos gestellt würde . Ob ein derartiger Sachverhalt vorliegt, der zur Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses führen würde, kann von hier aus nicht abschließend beurteilt werden. 9 Zur Rechtslage vor 2002: BGH, Urteil vom 14.10.1996 – V ZR 188/63, in Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1967, 32; so auch für die Rechtslage nach der Schuldrechtsmodernisierung H. P. Westermann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 3 – Schuldrecht, Besonderer Teil I, 4. Auflage 2004, § 444, Rdnr. 8. 10 BGH, Urteil vom 24.01.2003 – V ZR 248/02, in Deutsche Notar Zeitschrift (DNotZ) 2003, 687, 688. 11 Bürgerliches Gesetzbuch (gültig bis 31.12.2001; vor der Schuldrechts-Modernisierung) vom 18. August 1996 (RGBl. S. 1959, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.12.2001 (BGBl. I, S. 3574). 12 Die Unterscheidung zwischen der Rechtsfolge „unwirksam“ (§ 444 BGB) und „nichtig“ ist insoweit beachtlich, als nach § 444 BGB lediglich die Haftungsausschlussklausel ungültig ist, der Vertrag im Übrigen aber wirksam bleibt. Ist wie bei § 476 BGB a.F. die Nichtigkeit Folge, so kann dies unter Umständen über § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrages führen, was den Belangen des Käufers allerdings nicht entspräche.