Deutscher Bundestag Behördenidentität und Fristsetzung im Konsultationsverfahren nach der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme Die Schlussanträge des Generalanwalts in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 7 – 3000 – 203/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 203/11 Seite 2 Behördenidentität und Fristsetzung im Konsultationsverfahren nach der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme Die Schlussanträge des Generalanwalts in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 203/11 Abschluss der Arbeit: 26. September 2011 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 203/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 14. Juli 2011 4 3. Auswirkungen auf das nationale Recht 5 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 203/11 Seite 4 1. Einführung Der Court of Appeal in Northern Ireland hat sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt.1 Generalanwalt Yves Bot hat am 14. Juli 2011 seine Schlussanträge gestellt. Der Generalanwalt Yves Bot äußerte sich zu der Auslegung der Richtlinie 2001/42/EG2. Die Richtlinie regelt die Strategische Umweltprüfung (SUP). Die Vorlagefragen betrafen zwei Modalitäten des Konsultationsverfahrens. Dieser Verfahrensabschnitt betrifft die Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit. Erstens ging es um die Zulässigkeit der Identität von Planungs- und Konsultationsbehörde, der zweite Aspekt betraf die Fristsetzung. Das Urteil des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren steht noch aus. Im Folgenden werden die Schlussanträge zunächst dargestellt. In einem nächsten Schritt wird untersucht, ob die Aussagen des Generalanwalts in dieser Rechtssache – sollte der EuGH der Rechtsauffassung folgen – Auswirkungen auf das nationale Recht haben könnten. 2. Die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 14. Juli 2011 Durch die Richtlinie 2001/42/EG wurde eine SUP für bestimmte Pläne und Programme auf Ebene der Mitgliedstaaten verpflichtend. Die sog. SUP-Richtlinie enthält zudem Vorgaben hinsichtlich der Verfahrensausgestaltung der Prüfung. Die Aussagen des Generalanwalts betrafen die Aspekte des Konsultationsverfahrens, die in Art. 6 Abs. 2 und 3 der SUP- Richtlinie geregelt sind. Die betroffenen Absätze lauten: „(2) Den Behörden nach Absatz 3 und der Öffentlichkeit nach Absatz 4 wird innerhalb ausreichend bemessener Fristen frühzeitig und effektiv Gelegenheit gegeben , vor der Annahme des Plans oder Programms oder seiner Einbringung in das Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf des Plans oder Programms sowie zum begleitenden Umweltbericht Stellung zu nehmen. (3) Die Mitgliedstaaten bestimmen die zu konsultierenden Behörden, die in ihrem umweltbezogenen Aufgabenbereich von den durch die Durchführung des Plans oder Programms verursachten Umweltauswirkungen betroffen sein könnten.“ Der Generalanwalt konstatierte erstens, dass „Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie […] dahin auszulegen [ist], dass der Mitgliedstaat, wenn die für den Plan zuständige Stelle gleichzeitig die nach der nationalen Regelung für das Konsultationsverfahren bestimmte Behörde ist, verpflichtet ist, eine neue Behörde zu bestimmen, die nicht mit Ersterer identisch sein darf und unabhängig von dieser sein muss“3. Im Rahmen des Konsultationsverfahrens müsse es eine Behörde geben, die den Plan erstellt und eine weitere Behörde, die über eine Zuständigkeit in Umweltangelegenheiten verfüge, die eine fundierte Stellungnahme zu der Aus- 1 Registriert als Rs. C-474/10. 2 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl. L 197, 30. 3 Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 14. Juli 2011, Rs. C-474/10, Rn. 41. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 203/11 Seite 5 fertigung der Planungsbehörde abgeben könne. Nur auf diese Weise könnten die mit der Richtlinie verfolgten Ziele – der Grundrechts-und der Umweltschutz – erreicht werden.4 Zweitens vertrat Yves Bot die Rechtsauffassung, „dass die Frist für das Konsultationsverfahren von der für den Plan zuständigen Behörde jeweils im Einzelfall bestimmt [werden darf], unter der Voraussetzung allerdings, dass diese Frist ausreichend bemessen ist, um den konsultierten Behörden und der konsultierten Öffentlichkeit effektiv Gelegenheit zu geben, zum Entwurf des Plans Stellung zu nehmen“5. Die Richtlinie erfordere daher auf mitgliedstaatlicher Ebene keine Festsetzung einer starren Frist. 3. Auswirkungen auf das nationale Recht Die Umsetzung der für das Vorlageverfahren maßgeblichen Vorschriften der SUP-Richtlinie erfolgte in Deutschland mit der Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)6. So setzt § 14h UVPG Art. 6 Abs. 3 der SUP-Richtlinie um. § 14h UVPG lautet: „Die zuständige Behörde übermittelt den Behörden, deren umwelt- und gesundheitsbezogener Aufgabenbereich durch den Plan oder das Programm berührt wird, den Entwurf des Plans oder Programms sowie den Umweltbericht und holt die Stellungnahmen dieser Behörden ein. Die zuständige Behörde setzt für die Abgabe der Stellungnahmen eine angemessene Frist von mindestens einem Monat.“ Die Norm ist überschrieben mit dem Titel „Beteiligung anderer Behörden“7 und zudem ist der Wortlaut der Norm in einer Weise ausgestaltet, dass zwei unterschiedliche Behörden an dem Verfahren beteiligt sein müssen. Dies bestätigen auch die Erläuterungen zur Strategischen Umweltprüfung8 und die Gesetzesbegründung9. Das nationale Recht erlaubt daher den Fall der identischen Planungs- und Konsultationsbehörde nicht, sondern setzt voraus, dass es sich um zwei unterschiedliche Behörden handelt. § 14i Abs. 3 Satz 2 UVPG betrifft die Fristenreglung aus Art. 6 Abs. 2 der SUP-Richtlinie. Dieser lautet: 4 Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 14. Juli 2011, Rs. C-474/10, Rn. 26 ff. 5 Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 14. Juli 2011, Rs. C-474/10, Rn. 5. 6 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 28. Juli 2011 (BGBl. I S. 1690) geändert worden ist; BT Drs. 15/3441. 7 Hervorhebung durch die Verf. 8 Balla/Peters/Wulfert, Leitfaden zur Strategischen Umweltprüfung, 41 abrufbar unter http://www.bmu.de/umweltvertraeglichkeitspruefung/downloads/doc/43950.php (Stand 21.9.2011), es handelt sich dabei um ein Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes. 9 BT Drs. 15/3441, 33. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 203/11 Seite 6 „Die zuständige Behörde bestimmt für die Äußerung eine angemessene Frist von mindestens einem Monat.“ Es handelt sich somit um eine Fristenreglung, die im Einzelfall flexibel verlängert, aber nicht unterschritten werden kann. Diese flexible Handhabung bei der Fristsetzung ist nach den Schlussanträgen des Generalanwalts mit dem Unionsrecht vereinbar. Die Aussagen des Generalanwalts lösen demnach keinen Handlungsbedarf für den nationalen Gesetzgeber aus.