© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 201/18 Nachstellung durch schuldunfähige Täter Schutzmaßnahmen und deren Durchsetzbarkeit Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung § 238 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB)1 stellt das unbefugte Nachstellen einer Person, das auch als Stalking bezeichnet wird, unter Strafe. Sofern ein Täter die Tat aber in schuldunfähigem Zustand begeht, bleibt er grundsätzlich2 straffrei.3 Neben den strafrechtlichen Rechtsfolgen drohen einem Täter aber auch zivilrechtliche und polizeirechtliche Maßnahmen, die entweder präventiv eine tatsächliche Begehung des Delikts oder die Wiederholung von Nachstellungshandlungen verhindern sollen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich eine Schuldunfähigkeit auf die Umsetzung dieser Schutzmaßnahmen auswirkt. Im Folgenden wird erläutert, welche gerichtlichen oder polizeilichen Maßnahmen grundsätzlich zum Schutz vor Nachstellung zur Verfügung stehen (Ziff. 2.1.), welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden können, wenn der Täter krankheitsbedingt schuldunfähig ist (Ziff. 2.2.) und welche Besonderheiten sich bei der Vollstreckung solcher Maßnahmen, vornehmlich in Bezug auf schuldunfähige Täter, ergeben (Ziff. 3.). 2. Maßnahmen zum Schutz vor Nachstellung Schutzmaßnahmen gegen Nachstellung zielen entweder darauf ab, die Begehung einer Straftat durch gefahrenabwehrrechtliche und somit polizeirechtliche Maßnahmen zu verhindern, begangene Straftaten zu ahnden oder die Wiederholung von Nachstellungshandlungen zivilrechtlich zu untersagen. 2.1. Allgemeine Schutzmaßnahmen Strafrechtliche Rechtsfolgen können nach der schuldhaften Verwirklichung einer Nachstellung im Sinne des § 238 Abs. 1 StGB entweder in Form von klassischen Strafen mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren4 oder mit der Verhängung von Maßregeln zur Besserung und Sicherung 5, etwa der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB, ergriffen werden. Eine polizeirechtliche Schutzmaßnahme stellt zum Beispiel die Ingewahrsamnahme des Täters durch die Polizei dar. Diese richtet sich, als sogenannte Standardmaßnahme, nach den jeweiligen 1 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/StGB.pdf, [letzter Abruf: 10. September 2018]. 2 Von seltenen Sonderkonstellationen, wie der „actio libera in causa“, abgesehen. 3 Vgl. § 20 StGB; Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder StGB, 29. Aufl. 2014, § 20 Rn. 43. 4 Bei der Verwirklichung des Grunddelikts, vgl. § 238 Abs. 1 StGB. 5 Vgl. §§ 61 ff. StGB. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 201/18 Seite 5 Polizeigesetzen der Länder.6 Eine weitere, deutlich einschneidendere polizeirechtliche Maßnahme ist die ordnungsrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Voraussetzungen einer solchen Unterbringung sind ebenfalls in den jeweiligen Landesgesetzen7 geregelt .8 Spezialgesetzliche zivilrechtliche Schutzmaßnahmen gegen Nachstellungshandlungen sind im Gewaltschutzgesetz (GewSchG)9 normiert.10 Aus dem GewSchG ergibt sich jedoch kein materiellrechtlicher Anspruch. Die Norm schafft vielmehr die verfahrensrechtliche Grundlage für die Einleitung gerichtlicher Schutzmaßnahmen, also für die sogenannten Schutzanordnungen.11 Die Anordnungen setzen ihrerseits einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Unterlassung der Verletzung der in § 1 GewSchG genannten Rechtsgüter voraus. Dieser Anspruch ergibt sich regelmäßig aus §§ 823 i.V.m. 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)12 analog als quasinegatorischem Unterlassungsanspruch.13 Zuständig zum Erlass solcher Schutzmaßnahmen ist gemäß §§ 23a Abs. 1 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)14, 111 Nr. 6 Gesetz über das 6 Beispielsweise: §§ 30 ff. Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Bln), abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=ASOG+BE&psml=bsbeprod .psml&max=true&aiz=true#jlr-ASOGBE2006pP30, [letzter Abruf: 10. September 2018];§§ 35 ff. Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW), abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal /?quelle=jlink&query=ASOG+BE&psml=bsbeprod.psml&max=true&aiz=true#jlr-ASOGBE2006pP30, [letzter Abruf: 10. September 2018]; Art. 17 ff. Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayrischen Staatlichen Polizei (PAG), abrufbar unter: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayPAG, [letzter Abruf: 10. September 2018]. 7 Beispielsweise: Psychisch-Kranken-Gesetz (Berlin, abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal /?quelle=jlink&query=PsychKG+BE&psml=bsbeprod.psml&max=true&aiz=true, [letzter Abruf: 10. September 2018]; Nordrhein-Westfalen, abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen ?v_id=10000000000000000086, [letzter Abruf: 10. September 2018]); Unterbringungsgesetz (Bayern, http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayUnterbrG?AspxAutoDetect CookieSupport=1, [letzter Abruf: 10. September 2018]. 8 Cirullies, „Stalker ohne Schuld – Opfer ohne Schutz?“, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 2014, 1901 (1903). 9 Gewaltschutzgesetz (GewSchG) vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3513), zuletzt geändert durch den Art. 4 des Gesetzes vom 1. März 2017 (BGBl. I S. 386), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gewschg/Gew SchG.pdf, [letzter Abruf: 10. September 2018]. 10 Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 b i.V.m. § 1 Abs. 1 GewSchG. 11 Oberlandesgericht Frankfurt a. M., Beschluss vom 20. Mai 2010, Az.: 5 UF 26/10, Beck-Rechtsprechung (BeckRS) 2010, 27552, S. 3. 12 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BGB.pdf, [letzter Abruf: 10. September 2018]. 13 Götz, in: Johannsen/Henrich, Kommentar zum Familienrecht, 6. Aufl. 2015, GewSchG § 1 Rn. 4. 14 Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/gvg/BJNR005130950.html, [letzter Abruf: 10. September 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 201/18 Seite 6 Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)15 das Familiengericht. In Folge einer schuldhaft begangenen Nachstellung16 ermöglicht das GewSchG dem Familiengericht nach einem entsprechenden Antrag des Geschädigten, Schutzanordnungen zu erlassen, mittels derer dem Täter beispielsweise untersagt werden kann, die Wohnung des Antragstellers zu betreten oder sich diesem tatsächlich oder durch die Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln zu nähern beziehungsweise Kontakt zu ihm aufzunehmen, § 1 Abs. 1 und 2 GewSchG. Für den Fall, dass ein Nachstellungstäter bei der Tatbegehung aufgrund des Konsums geistiger Getränke oder ähnlicher Mittel vorübergehend in seiner Zurechnungsfähigkeit beschränkt oder gänzlich unzurechnungsfähig war, enthält § 1 Abs. 3 GewSchG die Ausnahmeregelung, dass gegen ihn gleichwohl Schutzanordnungen erlassen werden dürfen. Die Schuldunfähigkeit des Nachstellungstäters führt zwar, unabhängig davon aus welchen Umständen sie resultiert, dazu, dass eine Straftat nach § 238 StGB nicht verwirklicht wurde. Durch die Nachstellungshandlung wird jedoch regelmäßig auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt, das als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist und in diesem Fall die Grundlage des Unterlassungsanspruchs17 darstellt.18 Aus dieser konkreten Ausnahmeregelung ist im Umkehrschluss zu folgern, dass das Gericht grundsätzlich nur dann ermächtigt ist, Schutzanordnungen zu erlassen, wenn der Täter die Rechtsverletzung, respektive die Nachstellung, schuldhaft begangen hat.19 Sofern ein Mangel der Schuldfähigkeit auf anderen Gründen, als der in § 1 Abs. 3 GewSchG normierten 15 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/famfg/BJNR258700008.html, [letzter Abruf: 10. September 2018]. 16 Der Unterlassungsanspruch des Geschädigten ergibt sich dabei aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 238 StGB, 1004 BGB analog. 17 Der materiell-rechtliche Anspruch ergibt sich im Fall der Schuldunfähigkeit des Täters aus §§ 823 Abs. 1 i.V.m. 1004 BGB analog. 18 Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 25. Mai 1954, Az.: I ZR 211/53, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 1955, 197; BGH, Urteil vom 15. November 1994, Az.: VI ZR 56/94, GRUR 1995, 224. 19 Ganz herrschende Auffassung: vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 20. Mai 2010, Az.: 5 UF 26/10, BeckRS 2010, 27552; OLG Celle, Beschluss vom 24. August 2011, Az.: 17 UF 3/11, Neue Juristische Online-Zeitschrift (NJOZ) 2011, 2075; § 1 Rn. 5; Krüger, in: Münchener Kommentar BGB, 7. Aufl. 2017, GewSchG § 1 Rn. 14; a.A. Schumacher, „Mehr Schutz bei Gewalt in der Familie“, FamRZ 2002, 645-660. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 201/18 Seite 7 selbstverschuldeten Unzurechnungsfähigkeit, beruht, wie etwa auf einer geistigen Grunderkrankung, ist das GewSchG somit nicht anwendbar.20 2.2. Maßnahmen gegen schuldunfähige Täter Gegen schuldunfähige Täter können keine Strafen verhangen werden, sodass in strafrechtlicher Hinsicht nur auf die Maßregeln der Besserung und Sicherung, insbesondere auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB, zurückgegriffen werden kann. Anders als Strafen setzen Maßregeln zwar eine rechtswidrige, aber keine schuldhaft begangene Tat voraus.21 Polizeirechtliche Maßnahmen können grundsätzlich unabhängig von der Schuldfähigkeit des Täters ergriffen werden, da sie sich an der von dem Handelnden ausgehenden Gefahr für die Öffentlichkeit orientieren. Sowohl strafrechtliche als auch ordnungsrechtliche Unterbringungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie strengen Anforderungen bezüglich einer ausreichenden Gefährlichkeitsprognose unterliegen, da die Maßnahmen einen schwerwiegenden Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Täters darstellen, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz standzuhalten haben .22 Den zivilrechtlichen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch23 kann der Geschädigte auch unabhängig vom GewSchG geltend machen.24 Dieser Anspruch setzt weder Vorsatz noch Verschulden voraus.25 Die in § 1 Abs. 1 S. 3 Nr. 1–5 GewSchG aufgelisteten Schutzmaßnahmen kann das Gericht dem Täter dann außerhalb des Verfahrens des GewSchG auferlegen.26 Obgleich zivilrechtliche Unterlassungsansprüche grundsätzlich der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit zugewiesen sind, ist in diesen Fällen, gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 GVG analog, weiterhin das Familiengericht zuständig, weil nur so ein umfassender und durchgängiger Schutz der Interessen des Stalking- Opfers gewährleistet werden kann.27 20 Krüger, in: Münchener Kommentar BGB, 7. Aufl. 2017, Band 8, GewSchG § 1 Rn. 15; Cirullies, „Stalker ohne Schuld – Opfer ohne Schutz?“, FamRZ 2014, 1901 (1902); OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 20. Mai 2010, Az.: 5 UF 26/10, BeckRS 2010, 27552; OLG Celle, Beschluss vom 24. August 2011, Az.: 17 UF 3/11, NJOZ 2011, 2075. 21 Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder StGB, 29. Aufl. 2014, Vorb. zu §§ 61 ff., Rn. 5. 22 BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011, Az.: XII ZB 488/11, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2012, 1448. 23 Vgl. §§ 823 Abs. 1 i.V.m. 1004 BGB analog. 24 Krüger, in: Münchener Kommentar BGB, 7. Aufl. 2017, Band 8, GewSchG § 1 Rn. 15. 25 Cirullies, „Stalker ohne Schuld – Opfer ohne Schutz?“, FamRZ 2014, 1901 (1903). 26 Reinken, in: Beck‘scher Online-Kommentar BGB, 46. Edition, Stand: 1. Mai 2018, GewSchG § 1 Rn. 18. 27 OLG Celle, Beschluss vom 24. August 2011, Az.: 17 UF 3/11, NJOZ 2011, 2075; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 20. Mai 2010, Az.: 5 UF 26/10, BeckRS 2010, 27552. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 201/18 Seite 8 3. Vollstreckung der Schutzmaßnahmen Ein materiell-rechtlicher Anspruch ist für den Geschädigten nur dann wertvoll, wenn dieser, notwendigenfalls auch mit Zwang, gegen den Täter durchgesetzt werden kann. 3.1. Allgemeine Vollstreckungsverfahren Die Vollstreckung strafrechtlicher Maßregeln durch staatliche Gewalt vollzieht sich nach Maßgaben der §§ 463 i.V.m. 449 ff. der Strafprozessordnung (StPO)28 und spezieller landesrechtlicher Strafvollzugsgesetze der jeweiligen Bundesländer. Gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen, wie die zwangsweise Ingewahrsamnahme, werden ebenfalls nach den jeweiligen Polizeigesetzen der Länder vollstreckt.29 Die Vollstreckung zivilrechtlicher Ansprüche erfolgt nach den Maßgaben der §§ 704 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO)30. Die Vollstreckung von Schutzanordnungen, die aufgrund von § 1 GewSchG erlassen wurden, wird, über den Verweis in § 95 f. FamFG, nach den §§ 890, 891 ZPO vollzogen.31 § 890 Abs. 1 ZPO normiert für den Fall, dass der Anspruchsgegner entgegen des Unterlassungsanspruchs handelt, verschiedene Zwangsmaßnahmen, wie Ordnungsgeld oder -haft, die der Staat ergreifen kann, um den Anspruch durchzusetzen. 3.2. Vollstreckung bei Schuldunfähigkeit In Bezug auf die Vollstreckung strafrechtlicher Maßregeln oder polizeirechtlicher Maßnahmen ergeben sich keine Besonderheiten im Umgang mit schuldunfähigen Tätern. Hervorzuheben ist wiederum, dass sowohl die strafrechtliche, als auch die polizeirechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an besonders hohe Voraussetzungen geknüpft wird32, sodass diese Maßnahmen regelmäßig erst ergriffen werden, wenn der Täter bereits durch massive und nachhaltige Nachstellungshandlungen aufgefallen ist. In Bezug auf eine Ingewahrsamnahme wird die Voraussetzung, dass von dem Täter eine gegenwärtige Gefahr ausgeht, bei der Ausführung von Nachstellungshandlungen regelmäßig gegeben sein. Allerdings ist darauf zu verweisen, dass 28 Strafprozessordnung (StPO), in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/StPO.pdf, [letzter Abruf: 10. September 2018]. 29 Die entsprechenden Normen zur Vollstreckung von Standardmaßnahmen sind diesbezüglich anwendbar – beispielsweise : §§ 51 ff. PolG NRW (Nordrhein-Westfalen); Art. 70 ff. PAG (Bayern). 30 Zivilprozessordnung (ZPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/ZPO.pdf, [letzter Abruf: 10. September 2018]. 31 Krüger, in: Münchener Kommentar BGB, 7. Aufl. 2017, Band 8, GewSchG § 1 Rn. 28. 32 Vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2014, Az.: 4 StR 111/14, BeckRS 2014, 15881; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011, Az.: XII ZB 488/11, NJW 2012, 1448. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 201/18 Seite 9 diese polizeirechtliche Standardmaßnahme, im Unterschied zur strafrechtlichen oder polizeirechtlichen Unterbringung sowie zu den zivilrechtlichen Schutzmaßnahmen, nur für eine äußerst begrenzte Dauer Abhilfe schaffen kann.33 Bezüglich zivilrechtlicher Ansprüche hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jedoch bereits 1966 entschieden, dass die in § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel einen repressiven strafähnlichen Charakter aufweisen, sodass deren Verhängung eine Schuld im strafrechtlichen Sinne erfordere.34 Die Schuldfähigkeit des Anspruchsgegners stellt folglich eine Vollstreckungsvoraussetzung dar. Für titulierte zivilrechtliche Unterlassungsansprüche gegen schuldunfähige Nachstellungstäter, die außerhalb des GewSchG erstritten werden, bedeutet dies, dass die titulierten Ansprüche nicht erzwingbar und somit nicht gegen den Willen des Antragsgegners durchzusetzen sind.35 Sofern der Nachstellungstäter den gerichtlichen Vorgaben also nicht freiwillig nachkommt und von weiteren Nachstellungshandlungen absieht, kann ihm zivilrechtlich nichts entgegengehalten werden und ihm mit keinerlei Konsequenzen begegnet werden. Sofern der Täter seine Schuldfähigkeit irgendwann zurückerlangt, kann der Unterlassungsanspruch immerhin 30 Jahre36 lang vollstreckt werden. 4. Zusammenfassung Abschließend ist festzustellen, dass zivilrechtliche Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von Nachstellunghandlungen sowohl gegen schuldfähige als auch gegen schuldunfähige Täter angeordnet werden können. Vollstreckungsmaßnahmen, zur Gewährleistung der tatsächlichen Umsetzung dieser Maßnahmen, können aber gerade nicht gegen Schuldunfähige ergriffen werden. Die Schutzmaßnahmen können gegen schuldunfähige Täter also nicht effektiv durchgesetzt werden, sodass sie letztlich wirkungslos sind. Als rechtliche Reaktion auf Nachstellungshandlungen durch Schuldunfähige stehen somit ausschließlich die gerichtlich angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als strafrechtliche Maßregel der Besserung und Sicherung oder als ordnungsrechtliche Rechtsfolge sowie die polizeirechtliche Ingewahrsamnahme des Täters zur Verfügung. Diese Instrumente gewähren dem Betroffenen jedoch keinen umfassenden Schutz, zumal die Maßnahmen entweder 33 Ohne richterliche Entscheidung, darf der Störer höchstens bis zum Ablauf des Folgetages in Gewahrsam gehalten werden, vgl. beispielsweise Berlin: §§ 30 Abs. 1, 33 Abs. 1 Nr. 3 ASOG Bln; Nordrhein-Westfalen: §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW; Bayern: Art. 17 Abs. 1, 20 Nr. 1 PAG. 34 BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1966, Az.: 2 BvR 506/63, NJW 1967, 195 (196). 35 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1966, Az.: 2 BvR 506/63, NJW 1967, 195; BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1981, Az.: 1 BvR 575/80, NJW 1981, 2457; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 04. Juni 2014, Az.: 5 WF 110/14, BeckRS 2014, 12978. 36 Vgl. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 201/18 Seite 10 erst nach gravierenden Rechtsgutsverletzungen oder nur für einen kurzen Zeitraum zulässig sind.37 *** 37 Cirullies, „Stalker ohne Schuld – Opfer ohne Schutz?“, FamRZ 2014, 1901 (1904).