© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 199/18 Rechtliche Vorgaben für die verpflichtende Vergabe von Vornamen für „Juden“ während des Nationalsozialismus Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 199/18 Seite 2 Rechtliche Vorgaben für die verpflichtende Vergabe von Vornamen für „Juden“ während des Nationalsozialismus Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 199/18 Abschluss der Arbeit: 11. September 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 199/18 Seite 3 Allgemeine Regelungen im Zusammenhang mit der erstmaligen Vergabe sowie der Änderung von Vornamen während des Nationalsozialismus waren insbesondere im als Anlage 1 beigefügten Personenstandsgesetz vom 3. November 19371 sowie im als Anlage 2 beigefügten Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 19382 enthalten. Nach dem Gesetzeswortlaut von § 21 Abs. 1 Nr. 4 PersStG war der Vorname des neugeborenen Kindes in das Geburtenbuch einzutragen und die Eintragung gemäß § 21 Abs. 2 PersStG von dem zur Anzeige der Geburt Erschienenen und dem Standesbeamten zu unterschreiben. Konnte der Anzeigende die Vornamen nicht angeben, mussten diese gemäß § 22 Satz 1 PersStG „binnen Monatsfrist “ angezeigt werden und wurden „am Rande des Geburtseintrags vermerkt“. Wurde ein neugeborenes Kind aufgefunden, bestimmte nach § 25 Abs. 2 PersStG die untere Verwaltungsbehörde die Vornamen und den Familiennamen des Kindes. Gemäß § 26 PersStG bestimmte der Reichsminister des Innern die Vornamen und den Familiennamen, wenn „im Reichsgebiet eine Person betroffen (wurde), deren Personenstand nicht festgestellt werden“ konnte. Gemäß § 11 NamÄndG in Verbindung mit §§ 1, 3 Abs. 1 NamÄndG durften Vornamen „nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.“ Darüber hinaus konnte nach § 7 Abs. 1 NamÄndG eine Namensänderung, die vor dem 30. Januar 1933 genehmigt worden war, bis zum 31. Dezember 1940 widerrufen werden, wenn diese Namensänderung „als nicht erwünscht anzusehen ist.“ Nach einem Runderlass vom 23. März 1938 wurden „insbesondere Namensänderungen , durch die der jüdische Name eines Juden in einen anderen Namen geändert worden ist“, als „unerwünscht“ eingestuft.3 Die Frist zur Durchführung der Widerrufsverfahren wurde durch die „Dritte Verordnung zur Durchführung des Namensänderungsgesetzes“ vom 24. Dezember 19404 bis zum 31. Dezember 1942 verlängert.5 1 Reichsgesetzblatt, Teil I (nachfolgend RGBl. I), 1937, S. 1146 ff. (nachfolgend PersStG). 2 RGBl. I, 1938, S. 9 f. (nachfolgend Namensänderungsgesetz - NamÄndG). 3 StAZ 1938, 103 – zitiert nach Stenz, Die geschichtliche Belastung des geltenden deutschen Namensänderungsrechts , in: das Standesamt, 3/2001, S. 61 ff. (63). 4 StAZ 1941, 2 – zitiert nach Stenz, Die geschichtliche Belastung des geltenden deutschen Namensänderungsrechts , in: das Standesamt, 3/2001, S. 61 ff. (63). 5 Stenz, Die geschichtliche Belastung des geltenden deutschen Namensänderungsrechts, in: das Standesamt, 3/2001, S. 61 ff. (63). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 199/18 Seite 4 Am 17. August 1938 wurde aufgrund von § 13 NamÄndG die „Zweite Verordnung zur Durchführung des Namensänderungsgesetzes“6 durch den Reichsminister den Innern erlassen. Nach dem Wortlaut der als Anlage 3 beigefügten Durchführungsverordnung war in § 1 Abs. 1 geregelt: „Juden dürfen nur solche Vornamen beigelegt werden, die in den vom Reichsminister des Innern herausgegebenen Richtlinien über die Führung von Vornamen aufgeführt sind.“ Diese als Anlage 4 beigefügten „Richtlinien über die Führung von Vornamen“ wurden durch einen Runderlass des Reichsministeriums des Innern am 18. August 1938 bekanntgemacht.7 Als „Anlage“ war den Richtlinien ein „Verzeichnis der jüdischen Vornamen“ angefügt, das 185 männliche Vornamen und 91 weibliche Vornamen beinhaltete.8 Soweit als Juden im Sinne der nationalsozialistischen Gesetze geltende Personen andere Vornamen führten, als nach § 1 Abs. 1 NamÄndDVO in Verbindung mit den o. g. Richtlinien geführt werden durften, mussten sie gemäß § 2 NamÄndDVO vom 1. Januar 1939 an „zusätzlich einen weiteren Vornamen annehmen, und zwar männliche Personen den Vornamen Israel, weibliche Personen den Vornamen Sara.“ Darüber mussten betroffene Personen gemäß § 2 Abs. 2 NamÄndDVO dem zuständigen Standesbeamten sowie der Ortspolizeibehörde schriftlich Anzeige erstatten. Nach § 3 NamÄndDVO mussten „Juden stets auch wenigstens einen ihrer Vornamen führen“, sofern es im Rechts- und Geschäftsverkehr als „üblich“ anzusehen war. Nach § 4 NamÄndDVO konnten bei Zuwiderhandlungen gegen §§ 2, 3 NamÄndVO Geld- oder Gefängnisstrafen verhängt werden. Im Übrigen bestimmte Absatz 15 der „Richtlinien über die Führung von Vornamen“ vom 18. August 1938: „Eine Vornamensänderung ist regelmäßig nur dann zu widerrufen, wenn sie von einem Juden zur Verschleierung seiner jüdischen Abstammung beantragt worden ist; insbesondere also, wenn ein in der Anlage aufgeführter Vorname durch einen anderen Vornamen ersetzt worden ist.“ 6 RGBl. I, 1938, S. 1044 (nachfolgend Durchführungsverordnung - NamÄndDVO). 7 Vgl. StAZ 1938, 339. 8 Vgl. den Wortlaut der Richtlinien sowie Arndt, Die Geschichte des familienrechtlichen Namensrechts in Deutschland unter Berücksichtigung des Vornamensrechts, 2003, S. 164. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 199/18 Seite 5 Sinn und Zweck der o. g. Bestimmungen war die nach außen erkennbare Abgrenzung von „Juden “ und „Nichtjuden“ im Sinne der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung.9 Hierzu ist bewusst auf die Auflistung solcher hebräischer Vornamen verzichtet worden, die zu damaliger Zeit auch in nichtjüdischen Personenkreisen üblich waren, und stattdessen für den deutschen Sprachgebrauch besonders fernliegende Vornamen ausgewählt.10 *** 9 Arndt, a. a. O, S. 164 f. m. w. N. Ausführlich zum Namensänderungsrecht und dessen Hintergründe im nationalsozialistischen Staat vgl. Wagner- Kern, Staat und Namensänderung, S. 233 ff. 10 Ebenda.