© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 194/18 „Politisch motivierte Kriminalität“ – Begriffserklärungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 2 „Politisch motivierte Kriminalität“ – Begriffserklärungen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 194/18 Abschluss der Arbeit: 7. September 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 5 2.1. Erfasste Straftaten 6 2.2. Phänomenbereiche als Kategorisierung 7 3. Extremistisch motivierte Straftaten als Teilmenge der PMK 8 4. Gewalttaten als Teilmenge der PMK 11 5. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 4 1. Einleitung Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wird die freiheitliche demokratische Grundordnung (FDGO) im Sinne des Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG)1 als eine Ordnung beschrieben, „[…] die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.“2 Für einen effektiven Schutz der FDGO ist eine umfassende Information sowohl der staatlichen Organe als auch der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Entwicklungen erforderlich.3 Der vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) herausgegebene jährliche Verfassungsschutzbericht dient der Aufklärung und Informationsvermittlung über Art und Umfang extremistischer Bedrohung in Deutschland und beruht auf den Erkenntnissen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als Verfassungsschutzbehörde des Bundes zusammen mit den jeweiligen Landesbehörden gewonnen hat.4 Die im Verfassungsschutzbericht genannten Zahlen zu politisch motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA), welches die Fallzahlen der „Politisch motivierte[n] Kriminalität (PMK)“ bundesweit erfasst und auswertet.5 Diese Auswertung wird jährlich durch das BMI in mehreren PMK-Statistiken veröffentlicht, beispielsweise in folgenden Statistiken zur „Politisch motivierte[n] Kriminalität“: – Fallzahlen PMK 2017 - Bundesweite Fallzahlen PMK 2017 - Deliktsbereiche – Statistiken zur Hasskriminalität PMK 2017 - Hasskriminalität 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist, online abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/ [letzter Abruf: 6. September 2018]. 2 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 23. Oktober 1952, 1 BvB 1/51, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1952, 1407, Leitsatz 2; zuletzt bestätigt mit Urteil vom 17. Januar 2017, 2 BvB 1/13, NJW 2017, 611, Rn. 531. 3 Vgl. ausführlich Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 14, online abrufbar unter: https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2017.pdf [letzter Abruf: 6. September 2018]. 4 BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 19. 5 BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 23; Internetseite BMI, Startseite < Themen < Sicherheit < Kriminalitätsbekämpfung & Gefahrenabwehr < Politisch motivierte Kriminalität, online abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/DE/themen/sicherheit/kriminalitaetsbekaempfung-und-gefahrenabwehr/politischmotivierte -kriminalitaet/politisch-motivierte-kriminalitaet-node.html [letzter Abruf: 6. September 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 5 PMK 2017 - Entwicklung der Hasskriminalität 2001-2017 – Straftaten gegen Asylunterkünfte PMK 2017 - Straftaten gegen Asylunterkünfte.6 In den PMK-Statistiken werden zur Kategorisierung politisch motivierter Straftaten verschiedene Begrifflichkeiten verwendet, die sich auch im Verfassungsschutzbericht wiederfinden. Im Folgenden werden das Definitionssystem „Politisch motivierte Kriminalität“ und einige der in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffe überblicksartig dargestellt.7 2. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Zum 1. Januar 2001 wurden mit Beschluss der Innenministerkonferenz das Definitionssystem „Politisch motivierte Kriminalität (PMK)“ sowie die „Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)“ eingeführt, um für politisch motivierte Straftaten eine einheitliche Datenerhebung, -erfassung und -auswertung zu ermöglichen .8 6 Vgl. für einen Überblick über die verschiedenen Statistiken: Internetseite BMI, Startseite < Themen < Sicherheit < Kriminalitätsbekämpfung & Gefahrenabwehr < Politisch motivierte Kriminalität. 7 An die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurde eine Anfrage gestellt, die auf die Thematik Begrifflichkeiten in Kriminalstatistiken abstellt und für folgende Begriffe eine entsprechende Einordnung in die Begrifflichkeiten dieser Statistiken abfragt: rechtspolitisch motivierte Straftat, rechtspolitisch motivierte Gewalttat, rechtsextremistische Straftat, rechtsextremistische Gewalttat, linkspolitisch motivierte Straftat, linkspolitisch motivierte Gewalttat, linksextremistische Straftat, linksextremistische Gewalttat, religiös motivierte Straftat, religiös motivierte Straftat gegen Deutsche, religiös motivierte Gewalttat, religiös motivierte Gewalttat gegen Ausländer. 8 Internetseite BMI, Startseite < Service < Lexikon < P < Politisch motivierte Kriminalität, online abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/DE/service/lexikon/functions/bmi-lexikon.html?cms_lv2=9391090 [letzter Abruf: 6. September 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 6 2.1. Erfasste Straftaten Der PMK werden alle Straftaten zugeordnet, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen – dies unabhängig davon, ob eine politische Motivation im Einzelfall festgestellt werden kann.9 Zu den Staatsschutzdelikten zählen: – Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates: §§ 80a-83, 84-91 des Strafgesetzbuches (StGB)10, – Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit: §§ 94-100a StGB, – Straftaten gegen ausländische Staaten: §§ 102-104a StGB, – Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und Abstimmungen: §§ 105- 108e StGB, – Straftaten gegen die Landesverteidigung: §§ 109-109h StGB, – Bildung terroristischer Vereinigungen, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland sowie Volksverhetzung: §§ 129a-130 StGB, – Verschleppung und Politische Verdächtigung: §§ 234a, 241a StGB.11 Neben den Staatsschutzdelikten fallen unter die PMK auch diejenigen Straftaten, „[…] die in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (wie z. B. Tötungs- und Körperverletzungsdelikte , Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen) […], wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind, weil sie – den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, – sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung beziehungsweise eines ihrer Wesensmerkmale , den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, 9 Ebenda. 10 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist, online abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/ [letzter Abruf: 6. September 2018]. 11 BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 22. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 7 – durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, – sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit , Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten (sogenannte Hasskriminalität); dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden.“12 2.2. Phänomenbereiche als Kategorisierung Die von der PMK erfassten Straftaten werden folgenden staatsschutzrelevanten Phänomenbereichen zugeordnet:13 – PMK-rechts: Straftaten, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie einer rechten Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elements der FDGO zum Ziel haben muss, insbesondere wenn Bezüge zum völkischen Nationalismus, Rassismus, Sozialdarwinismus oder Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren.14 – PMK-links: Straftaten, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie einer linken Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elements der FDGO zum Ziel haben muss, insbesondere wenn Bezüge zu Anarchismus oder Kommunismus einschließlich Marxismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren.15 12 BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 22 f. (Hervorhebungen durch die Verfasser). 13 BMI, Politisch Motivierte Kriminalität im Jahr 2017 – Bundesweite Fallzahlen, Stand: 8. Mai 2018, Seite 2, online abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2018/pmk- 2017.pdf?__blob=publicationFile&v=4 [letzter Abruf: 6. September 2018]. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Bereiche „PMK-ausländische Ideologie“ sowie „PMK-religiöse Ideologie“ erst 2017 eingeführt wurden und den bis dahin geltenden Bereich „Politisch motivierte Ausländerkriminalität (PMAK)“ abgelöst haben. 14 Internetseite Der Polizeipräsident in Berlin, Startseite < Dienststellen < Landeskriminalamt < LKA 5 < Begriffsbestimmungen zu den Phänomenbereichen, online abrufbar unter: https://www.berlin.de/polizei/dienststellen /landeskriminalamt/lka-5/artikel.95692.php [letzter Abruf: 6. September 2018]. 15 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 8 – PMK-ausländische Ideologie: Straftaten, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine aus dem Ausland stammende nichtreligiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war, insbesondere wenn die Tat darauf gerichtet ist, Verhältnisse und Entwicklungen im In- und Ausland zu beeinflussen.16 – PMK-religiöse Ideologie: Straftaten, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine religiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war und die Religion zur Begründung der Tat instrumentalisiert wird.17 – PMK-nicht zuzuordnen: Bei diesen Straftaten konnte keine Zuordnung zu einem der obigen Bereiche getroffen werden. 3. Extremistisch motivierte Straftaten als Teilmenge der PMK Im Rahmen der PMK wird weiter zwischen politisch und extremistisch motivierten Straftaten unterschieden. Der Begriff Extremismus kann zunächst wie folgt umschrieben werden:18 „Als extremistisch werden Bestrebungen bezeichnet, die den demokratischen Verfassungsstaat und seine fundamentalen Werte, seine Normen und Regeln ablehnen und darauf abzielen , die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen und sie durch eine nach den jeweiligen Vorstellungen formierte Ordnung zu ersetzen. Gewalt wird dabei häufig als ein geeignetes Mittel zur Durchsetzung der eigenen Ziele gutgeheißen, propagiert und sogar praktiziert.“19 16 Der Polizeipräsident in Berlin, Politisch motivierte Kriminalität in Berlin 2017 – Kurzüberblick, Seite 4, dort Fußnote 1, online abrufbar unter: https://www.berlin.de/sen/inneres/sicherheit/polizei/kriminalstatistiken-undlagebilder /2017/artikel.651329.php [letzter Abruf: 6. September 2018]. 17 Antwort der Bundesregierung vom 4. Juni 2018 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2188 – Politisch motivierte Gewalttaten in Deutschland, BT-Drs. 19/2456, Seite 10; Der Polizeipräsident in Berlin, Politisch motivierte Kriminalität in Berlin 2017 – Kurzüberblick, Seite 4, dort Fußnote 2. 18 Eine Legaldefinition des Begriffs „Extremismus“ gibt es hingegen nicht. So hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München mit Beschluss vom 25. Oktober 2017 – n 5 ZB 17.340 – ausgeführt: „Für den Begriff ‚rechtsextremistisch ‘ gibt es keine allgemein anerkannte, erst recht keine rechtlich verbindliche, normative Definition […].“, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report (NVwZ-RR) 2018, 251, Leitsatz 2. 19 Internetseite BMI, Startseite < Service < Lexikon < E < Extremismus (Hervorhebungen durch die Verfasser), online abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/DE/service/lexikon/functions/bmi-lexikon .html?cms_lv2=9391100 [letzter Abruf: 6. September 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 9 Extremistisch motivierte Straftaten sind demnach Taten, bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die FDGO prägend sind.20 Zu solchen Verfassungsgrundsätzen zählen etwa – die Garantie der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und die damit umfasste elementare Rechtsgleichheit, – das Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GG und der daraus folgenden Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung sowie die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk, – die aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnde Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte sowie – die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Einzelnen, dass die Anwendung physischer Gewalt den gebundenen und gerichtlicher Kontrolle unterliegenden staatlichen Organen vorbehalten ist (Gewaltmonopol des Staates).21 Politisch motivierte Straftaten, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie auf die Beeinträchtigung der FDGO abzielen, werden also als extremistisch motiviert eingestuft und stellen als solche eine Teilmenge der PMK dar.22 Die extremistische Ausprägung politisch motivierter Straftaten kann bei Straftaten in allen Phänomenbereichen (siehe Ziffer 2.2) vorliegen.23 Wird beispielsweise PMK-rechts dadurch beschrieben, dass in diesem Bereich Straftaten erfasst werden, die zwar einer rechten Orientierung zuzurechnen sind, aber ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elements der FDGO zum Ziel haben muss (siehe Ziffer 2.2), ist Letzteres – das Ziel der Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elements der FDGO – Voraussetzung dafür, dass die rechtspolitisch motivierte Straftat zu einer rechtsextremistisch motivierten Straftat wird. 20 BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 24. 21 BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017, 2 BvB 1/13, NJW 2017, 611, Leitsatz 3. 22 BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 24; Nach einem vom Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Schreiben „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität – Stand: 08.12.16“ werden zur „Extremistischen Kriminalität“ auch Straftaten hinzugerechnet, „die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder sich gegen die Völkerverständigung richten“ (Seite 11), online abrufbar unter: https://lka.polizei.nrw/sites/default/files/2017-11/Definitionssystem%20PMK.pdf [letzter Abruf: 6. September 2018]. 23 Vgl. BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 24 ff.: „Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen“. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 10 Rechtsextremismus kann dabei beschrieben werden als Bestrebungen, „[…] die sich gegen die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit des Menschen richten und die universelle Geltung der Menschenrechte ablehnen. Rechtsextremisten sind Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, sie haben ein autoritäres Staatsverständnis , das bis hin zur Forderung nach einem nach dem Führerprinzip aufgebauten Staatswesen ausgeprägt ist. Das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der u. a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. Dabei herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder ‚Rasse‘ bestimme den Wert eines Menschen. Offener oder immanenter Bestandteil aller rechtsextremistischen Bestrebungen ist zudem der Antisemitismus. Individuelle Rechte und gesellschaftliche Interessenvertretungen treten zugunsten kollektivistischer ‚volksgemeinschaftlicher‘ Konstrukte zurück (Antipluralismus ).“24 Für PMK-links gilt entsprechendes bei einer linken Orientierung (siehe Ziffer 2.2), weshalb eine linkspolitisch motivierte Straftat dann zu einer linksextremistisch motivierten Straftat wird, wenn die Tat die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elements der FDGO zum Ziel hat. Linksextremismus wird bezeichnet als Bestrebungen von Personenzusammenschlüssen, „[…] für die alle oder einige der folgenden Merkmale charakteristisch sind: – Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als ‚wissenschaftliche‘ Anleitung zum Handeln; daneben, je nach Ausprägung der Partei oder Gruppierung, Rückgriff auch auf Theorien weiterer Ideologen wie Stalin, Trotzki, Mao Zedong und andere, – Bekenntnis zur sozialistischen oder kommunistischen Transformation der Gesellschaft mittels eines revolutionären Umsturzes oder langfristiger revolutionärer Veränderungen, – Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats oder zu einer herrschaftsfreien (anarchistischen) Gesellschaft, – Bekenntnis zur revolutionären Gewalt als bevorzugte oder – je nach den konkreten Bedingungen – taktisch einzusetzende Kampfform.“25 24 Internetseite Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Startseite < Service < Glossar < R < Rechtsextremismus (Hervorhebungen durch die Verfasser), online abrufbar unter: https://www.verfassungsschutz.de/de/service /glossar/_lR [letzter Abruf: 6. September 2018]; vgl. auch: BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 44. 25 Internetseite BfV, Startseite < Service < Glossar < L < Linksextremismus (Hervorhebungen durch die Verfasser), online abrufbar unter: https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lL [letzter Abruf: 6. September 2018]; vgl. ausführlicher: BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 100. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 11 4. Gewalttaten als Teilmenge der PMK Die PMK erfasst sowohl Staatsschutzdelikte als auch Straftaten der Allgemeinkriminalität, wenn Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Tatbegehung gegeben sind (siehe Ziffer 2.1), und damit eine große Bandbreite an möglichen Straftatbeständen.26 Diejenigen politisch oder extremistisch motivierten Straftaten, die eine besondere Gewaltbereitschaft des Straftäters erkennen lassen, werden in den PMK-Statistiken sowie dem Verfassungsschutzbericht als Gewalttaten bezeichnet.27 Die Gewalttaten stellen also eine Teilmenge28 der insgesamt von der PMK erfassten Straftaten dar und werden als solche in den Statistiken gesondert ausgewiesen. Dadurch wird innerhalb der PMK ersichtlich, wie viele Gewalttaten im Verhältnis zu der Gesamtsumme der Taten begangen werden.29 Zu den Gewalttaten zählen: – Tötungsdelikte, beispielsweise §§ 211, 212, 222 StGB, – Körperverletzungen, beispielsweise §§ 223, 224, 231 StGB, – Brandstiftungen, beispielsweise §§ 306, 306a StGB, – Sprengstoffdelikte, beispielsweise §§ 307, 308 StGB, – Landfriedensbruch, beispielsweise § 125 StGB, – Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, beispielsweise §§ 315, 315b StGB, – Freiheitsberaubung, beispielsweise §§ 234, 239 StGB, – Raub, beispielsweise §§ 249, 252 StGB, – Erpressung, beispielsweise § 253 StGB, 26 Vgl. für eine Aufzählung der PMK-Delikte: BMI, Straftaten nach Deliktsbereichen 2016 und 2017, Seite 1, online abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2018/pmk-2017- deliktsbereiche.pdf;jsessionid=3C262694AAC77309229087EFEE4EE776.1_cid373?__blob=publicationFile&v=3 [letzter Abruf: 6. September 2018]. 27 Antwort der Bundesregierung vom 4. Juni 2018 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2188 – Politisch motivierte Gewalttaten in Deutschland, BT-Drs. 19/2456, Seite 1. 28 Ebenda. 29 BMI, Straftaten nach Deliktsbereichen 2016 und 2017, Seite 1: Die Summe der Gewaltdelikte wird – für jeden Phänomenbereich – als Teil der Gesamtsumme aller PMK-Delikte ausgewiesen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 12 – Widerstandsdelikte, beispielsweise § 113 StGB, – Sexualdelikte, beispielsweise §§ 177, 178 StGB.30 Damit unterscheidet sich der Gewaltbegriff innerhalb der PMK von dem der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)31, da beispielsweise die Deliktsgruppen „Brandstiftungen“, „Sprengstoffdelikte “, „Landfriedensbruch“ sowie „Widerstandsdelikte“ in der PKS nicht von der Gewaltkriminalität erfasst sind.32 5. Fazit Sobald eine Straftat ein Staatsschutzdelikt darstellt oder in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Tatbegehung gegeben sind, wird diese Straftat der „Politisch motivierte[n] Kriminalität“ zugeordnet. Durch ein einheitliches Definitionssystem werden solche Straftaten in PMK-Statistiken erfasst, die auch im Verfassungsschutzbericht herangezogen werden. Je nachdem, wie die politische Motivation ausgestaltet ist, werden die Straftaten den verschiedenen Phänomenbereichen von rechts- über linkspolitisch zu ausländischer oder religiöser Ideologie zugeordnet. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die konkrete Straftat darauf abzielt, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die FDGO prägend sind, wird die politisch motivierte Straftat in ihrem jeweiligen Phänomenbereich als extremistisch motivierte Straftat bezeichnet. Innerhalb der gesamten von der PMK erfassten Straftaten werden solche Taten, die eine besondere Gewaltbereitschaft des Straftäters erkennen lassen, gesondert als Gewalttaten ausgewiesen. 30 Vgl. BMI, Straftaten nach Deliktsbereichen 2016 und 2017, Seite 1. 31 BMI, Bericht zur Polizeiliche Kriminalstatistik 2017, Stand: April 2018, Seite 7, 101, online abrufbar unter: https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik /PKS2017/pks2017_node.html;jsessionid=E06DE27C81742099F35AF2D364301642.live0601 [letzter Abruf: 6. September 2018]: Die PKS dient der Beobachtung der Kriminalität und einzelner Deliktsarten, des Umfangs und der Zusammensetzung des Kreises der Tatverdächtigen sowie der Veränderung von Kriminalitätsquotienten ; die der PMK zuzuordnenden Staatsschutzdelikte werden in der PKS nicht erfasst, wobei Delikte der Allgemeinkriminalität , die bei politisch motivierter Tatbegehung der PMK zuzuordnen sind, ebenfalls in der PKS erfasst werden. 32 Vgl. BKA, Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik Deutschland – Übersicht Summenschlüssel 2017, Stand: April 2017, Seite 3, online abrufbar unter: https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder /PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2017/pks2017_node.html;jsessionid =E06DE27C81742099F35AF2D364301642.live0601 [letzter Abruf: 6. September 2018]; so auch in der Antwort der Bundesregierung vom 4. Juni 2018 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2188 – Politisch motivierte Gewalttaten in Deutschland, BT-Drs. 19/2456, Seite 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 13 Die Zuordnung einer verwirklichten Straftat zu den einzelnen Begriffen und damit in die einzelnen Kategorien der PMK erfolgt somit stets nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles . Wie oben bereits angedeutet,33 wurde an die Wissenschaftlichen Dienste eine Anfrage gestellt, die auf die Thematik Begrifflichkeiten in Kriminalstatistiken abstellt und für bestimmte Begriffe nach einer Einordnung in die oben vorgestellten Statistiken und deren Begrifflichkeiten sucht. Nach den bisherigen Ausführungen kann nicht für alle der abgefragten Begriffe eine eins-zu-eins-Zuordnung erfolgen. Für die im Folgenden aufgelisteten Begrifflichkeiten ergeben sich daher summarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgende Erklärungen, wie diese im Kontext der PMK-Statistiken und dem Verfassungsschutzbericht, in denen diese Begriffe teilweise verwendet werden, grundsätzlich zu verorten sind und welche Art von Straftat unter dem jeweiligen Begriff zu fassen wäre. Dabei werden die Begriffe, die einer (nahezu) eins-zu-eins-Zuordnung zugänglich sind, in normaler Schrift abgedruckt, die anderen hingegen, für die keine eins-zu-eins-Zuordnung möglich ist, in kursiver Schrift: Begriff Zuordnung rechtspolitisch motivierte Straftat - konkretes Delikt von PMK erfasst34 - Straftat rechter Orientierung zuzurechnen Straftat fällt unter PMK-rechts rechtspolitisch motivierte Gewalttat Dieser Begriff wird ähnlich in der PMK-Statistik „PMK 2017 - Bundesweite Fallzahlen“35 verwendet und zwar als „rechtsmotivierte Gewalt “. - konkretes Delikt von PMK erfasst - Straftat rechter Orientierung zuzurechnen Straftat fällt unter PMK-rechts - Straftat lässt besondere Gewaltbereitschaft des Straftäters erkennen Straftat fällt unter Gewalttaten/-delikte rechtsextremistische Straftat Dieser Begriff wird im Verfassungsschutzbericht in dieser sowie in ähnlicher Weise, und zwar als „rechtsextremistisch motivierte Straftat “, verwendet. - konkretes Delikt von PMK erfasst - Straftat rechter Orientierung zuzurechnen Straftat fällt unter PMK-rechts - Straftat ist gegen die FDGO gerichtet Straftat fällt unter extremistisch motiviert 33 Siehe Fußnote 7. 34 Erfasst werden von der PMK sowohl klassische Staatsschutzdelikte als auch Straftaten der Allgemeinkriminalität , wenn Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind (siehe auch Ziffer 2.1). 35 Vgl. Fußnote 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 14 rechtsextremistische Gewalttat Dieser Begriff wird im Verfassungsschutzbericht in dieser sowie in ähnlicher Weise, und zwar als „rechtsextremistisch motivierte Gewalttat “, verwendet. - konkretes Delikt von PMK erfasst - Straftat rechter Orientierung zuzurechnen Straftat fällt unter PMK-rechts - Straftat ist gegen die FDGO gerichtet Straftat fällt unter extremistisch motiviert - Straftat lässt besondere Gewaltbereitschaft des Straftäters erkennen Straftat fällt unter Gewalttaten/-delikte linkspolitisch motivierte Straftat - konkretes Delikt von PMK erfasst - Straftat linker Orientierung zuzurechnen Straftat fällt unter PMK-links linkspolitisch motivierte Gewalttat Dieser Begriff wird ähnlich in der PMK-Statistik „PMK 2017 - Bundesweite Fallzahlen“ verwendet und zwar als „linksmotivierte Gewalt“. - konkretes Delikt von PMK erfasst - Straftat linker Orientierung zuzurechnen Straftat fällt unter PMK-links - Straftat lässt besondere Gewaltbereitschaft des Straftäters erkennen Straftat fällt unter Gewalttaten/-delikte linksextremistische Straftat Dieser Begriff wird im Verfassungsschutzbericht in dieser sowie in ähnlicher Weise, und zwar als „linksextremistisch motivierte Straftat “, verwendet. - konkretes Delikt von PMK erfasst - Straftat linker Orientierung zuzurechnen Straftat fällt unter PMK-links - Straftat ist gegen die FDGO gerichtet Straftat fällt unter extremistisch motiviert linksextremistische Gewalttat Dieser Begriff wird im Verfassungsschutzbericht in dieser sowie in ähnlicher Weise, und zwar als „linksextremistisch motivierte Gewalttat “, verwendet. - konkretes Delikt von PMK erfasst - Straftat linker Orientierung zuzurechnen Straftat fällt unter PMK-links - Straftat ist gegen die FDGO gerichtet Straftat fällt unter extremistisch motiviert - Straftat lässt besondere Gewaltbereitschaft des Straftäters erkennen Straftat fällt unter Gewalttaten/-delikte religiös motivierte Straftat - konkretes Delikt von PMK erfasst - religiöse Ideologie entscheidend für Tatbegehung Straftat fällt unter PMK-religiöse Ideologie Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 194/18 Seite 15 religiös motivierte Straftat gegen Deutsche - konkretes Delikt von PMK erfasst - religiöse Ideologie entscheidend für Tatbegehung Straftat fällt unter PMK-religiöse Ideologie - Straftat müsste sich folgerichtig gegen einen /mehrere Deutsche[n] i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG richten religiös motivierte Gewalttat - konkretes Delikt von PMK erfasst - religiöse Ideologie entscheidend für Tatbegehung Straftat fällt unter PMK-religiöse Ideologie - Straftat lässt besondere Gewaltbereitschaft des Straftäters erkennen Straftat fällt unter Gewalttaten/-delikte religiös motivierte Gewalttat gegen Ausländer - konkretes Delikt von PMK erfasst - religiöse Ideologie entscheidend für Tatbegehung Straftat fällt unter PMK-religiöse Ideologie - Straftat lässt besondere Gewaltbereitschaft des Straftäters erkennen Straftat fällt unter Gewalttaten/-delikte - Straftat müsste sich folgerichtig gegen einen /mehrere Ausländer, also gegen jemanden , der nicht Deutscher i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG ist, richten ***