© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 190/18 Anwendbarkeit der Sonderregelungen für Immobilien in den neuen Bundesländern auf sonstige Erbbaurechtsverträge des Bundes Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 2 Anwendbarkeit der Sonderregelungen für Immobilien in den neuen Bundesländern auf sonstige Erbbaurechtsverträge des Bundes Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 190/18 Abschluss der Arbeit: 3. September 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesetzliche Regelungen 4 3. Wesentlicher Inhalt des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes 5 3.1. Überblick 5 3.2. Erbbaurechtsbestellung 6 3.3. Ankauf des Grundstücks 6 3.4. Zusammenfassung 6 4. Anwendbarkeit auf Erbbaurechtsverträge des Bundes 6 4.1. Darstellung der Rechtslage 6 4.1.1. Verkauf von Grundstücken 7 4.1.2. Erbbaurechtsbestellung 8 4.1.3. Zusammenfassung 8 4.2. Mögliche Ausnahmen und Gesetzesänderungen 8 4.2.1. Ausnahmen im Haushaltsplan (§ 63 Abs. 3 Satz 2 BHO) 8 4.2.2. Ausnahmen durch Einzelfallentscheidung des BMF (§ 63 Abs. 3 Satz 3 BHO) 9 4.2.3. Ausnahmen aufgrund eines Fachgesetzes 10 4.3. Zusammenfassung 11 5. Zusammenfassung 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 4 1. Einleitung Nach der Wiedervereinigung wurden Sonderregelungen für das Gebiet der neuen Bundesländer erlassen, um Grundstückseigentümern sowie Eigentümern von darauf stehenden Immobilien den Zugriff durch Kauf des jeweils anderen Besitztums beziehungsweise durch Bestellung eines Erbbaurechts zu erleichtern. Hintergrund war, dass nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) – im Unterschied zu den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)1 – die bauliche Nutzung eines Grundstücks in der Regel nicht an das Grundeigentum geknüpft war. Gegenstand der vorliegenden Bearbeitung sind vor diesem Hintergrund folgende Fragen: - Um welche Übergangsgesetze handelte es sich dabei? Wie lange waren sie gültig? Wie waren die wesentlichen gesetzlichen Regelungen? - Wäre es unter heutigen gesetzlichen Bedingungen möglich, bei auslaufenden Erbpachtverträgen des Bundes oder seiner verschiedenen Besitzgesellschaften ähnliche Lösungen anzuwenden ? - Wenn das nicht der Fall ist, welche gesetzlichen Regelungen müssten dafür getroffen oder welche Gesetze geändert werden? Dazu werden zunächst die gesetzlichen Regelungen dargestellt (2.) und anschließend deren wesentlicher Inhalt erläutert (3.). Im darauffolgenden Abschnitt setzt sich die Bearbeitung mit der Frage auseinander, ob diese Regelungen auf Erbbaurechtsverträge2 des Bundes anwendbar sind (4.). Dabei wird nach einer Darstellung der aktuellen Rechtslage (4.1.) untersucht, welche Gesetzesänderungen und Ausnahmen diesbezüglich in Betracht kommen (4.2.). 2. Gesetzliche Regelungen Nach Art. 8 Einigungsvertrag (EinigVtr)3 ist mit dem Wirksamwerden des Beitritts – also am 3. Oktober 1990 – in dem in Art. 3 EinigVtr genannten Gebiet4 Bundesrecht in Kraft getreten, so- 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html [letzter Abruf 23. August 2018]. 2 Auch wenn umgangssprachlich das Erbbaurecht an Baugrundstücken häufig als „Erbpacht“ bezeichnet wird, bestehen Erbpachtrechte nicht mehr. Durch das Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. Juli 1938 (RGBl. 1938 S. 825) sind Erbpachtrechte am 1. Januar 1938 erloschen. Das BGB enthält keine Regelungen über das Erbpachtrecht. Zwar sieht Art. 63 EGBGB vor, dass landesrechtliche Vorschriften über das Erbpachtrecht unberührt bleiben. Gegenwärtig bestehen aber in keinem Bundesland Vorschriften über das Erbpachtrecht. 3 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31. August 1990 (BGBl. 1990 II S. 889, zuletzt geändert durch Art. 32 Abs. 3 des Gesetzes vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966), abrufbar unter: http://www.gesetzeim -internet.de/einigvtr/BJNR208890990.html [letzter Abruf 23. August 2018]. 4 Dieses umfasst die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie den Teil Berlins, in dem das Grundgesetz bisher nicht galt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 5 weit es nicht in seinem Geltungsbereich beschränkt ist und soweit durch den Vertrag, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt wird. Anlage I Kapitel III Sachgebiet B Abschnitt II EinigVtr bestimmt, dass sämtliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Überleitung des BGB und des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB)5 im Sechsten Teil (Art. 230-237) des EG- BGB zusammengefasst werden. Das Verhältnis von Eigentümern von Grundstücken und Eigentümern von Gebäuden, Baulichkeiten, Anlagen, Anpflanzungen oder Einrichtungen ist in Art. 231 § 5 Abs. 1 EGBGB geregelt. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass das Gebäudeeigentum zunächst weiterhin selbstständiges Eigentum bleibt, sie regelt also den derzeitigen sachenrechtlichen Zustand. Zur Neugestaltung der Sachenrechtslage in der Zukunft hat der Gesetzgeber das Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG)6 erlassen. Ziel war es, einen endgültigen Interessenausgleich zwischen den Nutzern und den Eigentümern überbauter Grundstücke herzustellen.7 Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz trat am 1. Oktober 1994 in Kraft und ist zum jetzigen Zeitpunkt nach wie vor gültig.8 3. Wesentlicher Inhalt des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes 3.1. Überblick Das Ziel, eine interessengerechte Neugestaltung der Sachenrechtslage herzustellen, soll dadurch erreicht werden, dass dem Grundstückseigentümer und dem Nutzer (Beteiligte) bestimmte durchsetzbare Rechte eingeräumt werden.9 Der Nutzer kann wählen, ob er die Bestellung eines Erbbaurechts verlangen oder das Grundstück ankaufen will (§ 15 Abs. 1 SachenRBerG). Diese Wahl wird durch § 15 Abs. 2 SachenRBerG und § 61 Abs. 2 SachenRBerG eingeschränkt. Nach diesen Vorschriften ist nur der Ankauf möglich, wenn der Bodenwert des Grundstücks nicht mehr als 100.000 Deutsche Mark beziehungsweise im Falle der Bebauung mit einem Eigenheim nicht mehr als 30.000 Deutsche Mark beträgt. 5 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgbeg/BJNR006049896.html [letzter Abruf 27. August 2018]. 6 Gesetz zur Sachenrechtsbereinigung im Beitrittsgebiet (Sachenrechtsbereinigungsgesetz) vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2457), zuletzt geändert durch Art. 21 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/sachenrberg/BJNR245710994.html [letzter Abruf 27. August 2018]. 7 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27. Oktober 1993, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung sachenrechtlicher Bestimmungen (Sachenrechtsänderungsgesetz – SachenRÄndG), BT-Drs. 12/5992, S. 50. 8 Stand: 27. August 2018. 9 Die vorliegende Bearbeitung beschränkt sich auf die Darstellung der Rechte der Grundstücksnutzer, da die Fragestellung auf die Anwendbarkeit des SachenRBerG im Hinblick auf den Erwerb von beziehungsweise die Erbbaurechtsbestellung an Grundstücken zielt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 6 3.2. Erbbaurechtsbestellung § 32 SachenRBerG gewährt dem Nutzer gegen den Eigentümer einen Anspruch auf Annahme des auf Bestellung des Erbbaurechts gerichteten Angebots, wenn dieses Angebot den Bestimmungen der §§ 43-58 SachenRBerG entspricht. Die beabsichtigte Erleichterung für Nutzer zeigt sich insbesondere darin, dass nach § 43 Abs. 1 SachenRBerG der regelmäßige Zins die Hälfte des für die entsprechende Nutzung üblichen Zinses beträgt. Die Berechnung der Höhe des Zinssatzes bestimmt sich nach § 43 Abs. 2 SachenRBerG und ist abhängig von dem Bodenwert. Die Bodenwertermittlung wiederum ist in §§ 19, 20 SachenRBerG geregelt. 3.3. Ankauf des Grundstücks Der Nutzer hat nach § 61 SachenRBerG einen Anspruch auf Annahme eines Angebots für einen Grundstückskaufvertrag, wenn das Angebot den Voraussetzungen der §§ 65 bis 74 SachenRBerG entspricht. Auch hier besteht der Vorteil für den Nutzer im Wesentlichen darin, dass der Kaufpreis nach § 68 Abs. 1 SachenRBerG grundsätzlich die Hälfte des Bodenwerts beträgt. Ausnahmen zu diesem Grundsatz sind in §§ 68 Abs. 2, 69-74 SachenRBerG geregelt. Von besonderer Bedeutung ist auch hier die Berechnung des Bodenwerts, welche sich nach den §§ 19, 20 Sachen- RBerG richtet. 3.4. Zusammenfassung Die im SachenRBerG vorgesehene Erleichterung für den Grundstücksnutzer hat somit zwei wesentliche Ausprägungen. Zum einen hat er durchsetzbare Ansprüche auf Annahme eines Kaufvertragsangebots beziehungsweise eines Angebots auf Bestellung eines Erbbaurechts. Zum anderen beträgt der Kaufpreis in der Regel nur die Hälfte des Bodenwerts beziehungsweise der Erbbauzins nur die Hälfte des für die entsprechende Nutzung üblichen Zinses. 4. Anwendbarkeit auf Erbbaurechtsverträge des Bundes Direkt gilt das SachenRBerG nicht; es hat einen fest umschriebenen Anwendungsbereich. 10 Fraglich ist, ob es entsprechend für sonstige Erbbaurechtsverträge des Bundes angewendet werden kann. 4.1. Darstellung der Rechtslage Einer entsprechenden Anwendung des SachenRBerG könnten die §§ 63, 64 Bundeshaushaltsordnung (BHO)11 entgegenstehen. § 63 BHO regelt allgemein Erwerb und Veräußerung von Vermögensgegenständen des Bundes. § 64 BHO enthält zusätzliche Regelungen für Erwerb, Veräuße- 10 Eine direkte Anwendung des SachenRBerG kommt nur in Betracht, soweit dessen Anwendungsbereich eröffnet ist, vgl. §§ 1, 2, 4-8 SachenRBerG. 11 Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1284), zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bho/BJNR012840969.html [letzter Abruf 27. August 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 7 rung und Belastung bundeseigener Grundstücken. Hinsichtlich der Grundstücke, die im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) stehen, finden die §§ 63, 64 BHO über § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImAG)12 Anwendung. 4.1.1. Verkauf von Grundstücken Zunächst ist § 63 Abs. 2 Satz 1 BHO zu beachten. Nach dieser Vorschrift dürfen Vermögensgegenstände nur veräußert werden, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt werden. Bei unbeweglichem Vermögen, also insbesondere bei Grundstücken , gilt nach § 63 Abs. 2 Satz 2 BHO die Ausnahme, dass eine Veräußerung zulässig ist, wenn auf diese Weise die Aufgaben des Bundes nachweislich wirtschaftlicher erfüllt werden können. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 BHO dürfen Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Nach Nr. 2 zu § 63 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO)13 wird der volle Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Gegenstands bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, nicht jedoch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, zu berücksichtigen. Abzustellen ist demnach auf den Markt- beziehungsweise Verkehrswert . Für Grundstücke ist nach § 64 Abs. 3 BHO eine Wertermittlung aufzustellen. Diese Aufstellung erfolgt gemäß Nr. 4 zu § 64 VV-BHO unter Berücksichtigung der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV)14 sowie der zur Wertermittlung von Grundstücken ergangenen fachlichen Richtlinien.15 Der Verkehrswert ist nach § 8 Abs. 1 Satz 3 ImmoWertV aus dem Ergebnis des oder der herangezogenen Verfahren unter Würdigung seines oder ihrer Aussagefähigkeit zu ermitteln. Die dabei zu berücksichtigenden Verfahren sind gemäß § 8 Abs. 1 Immo WertV das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. Grundlage dieser Verkehrswertermittlungsverfahren ist jeweils der volle Bodenwert. Das Vergleichswertverfahren ist das Regelverfahren für die Ermittlung des Bodenwerts, § 16 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV. Aber auch bei dem Ertragswertverfahren nach § 17 Abs. 2 ImmoWertV sowie 12 Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3235), zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 83 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bimag/BJNR323510004.html [letzter Abruf 27. August 2018]. 13 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO) vom 14. März 2001 (GMBl 2001 Nr. 16/17/18, S. 307) in der Fassung des BMF-Rundschreibens vom 25. April 2018 – II A 3 – H 1012-6/17/10001 :003, DOK 2018/0323564 (GMBl. 2018 Nr. 29, S. 568) -, abrufbar unter: http://www.verwaltungsvorschriften-iminternet .de/bsvwvbund_02102017_DokNr20110981762.htm [letzter Abruf 27. August 2018). 14 Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV) vom 19. Mai 2010 (BGBl. I S. 639), abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/immowertv/BJNR063900010.html [letzter Abruf 27. August 2018]. 15 Insbesondere die Richtlinien für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken, die Richtlinien für die Ermittlung und Prüfung des Verkehrswerts von Waldflächen und für Nebenentschädigungen, die Richtlinien für die Ermittlung des Verkehrswertes landwirtschaftlicher Grundstücke und Betriebe, anderer Substanzverluste und sonstiger Vermögensnachteile, die Richtlinie zur Ermittlung des Vergleichswerts und des Bodenwerts, die Richtlinie zur Ermittlung des Sachwerts und die Bearbeitungshinweise zur Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken mit Ziergehölzen, abgedruckt in: Kleiber, Wertermittlungsrichtlinien (2016) Sammlung amtlicher Texte zur Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken, 12. Auflage (2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 8 dem Sachwertverfahren nach § 21 Abs. 1 ImmoWertV wird der Verkehrswert jeweils unter anderem aus dem Bodenwert ermittelt. Daraus folgt, dass der nach diesen Grundsätzen ermittelte Grundstückswert unter keinen Umständen der Hälfte des Bodenwerts entsprechen kann. Der volle Wert eines Grundstücks im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 1 BHO ist zwangsläufig höher als die Hälfte des Bodenwerts. Die Veräußerung bundeseigener Grundstücke nach den Grundsätzen des SachenRBerG ist daher grundsätzlich nicht möglich. 4.1.2. Erbbaurechtsbestellung Gemäß § 64 Abs. 4 Satz 1 BHO dürfen dingliche Rechte an bundeseigenen Grundstücken nur gegen angemessenes Entgelt bestellt werden. Zudem ist zu beachten, dass die Bestellung nach § 64 Abs. 4 Satz 2 BHO der Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) bedarf. Nach Nr. 5.1 zu § 64 VV-BHO ist ein Entgelt angemessen, wenn es dem vollen Wert im Sinne des § 63 Abs. 3 BHO entspricht. Dem würde eine Regelung widersprechen, nach der der Erbbauzins die Hälfte des für die entsprechende Nutzung üblichen Zinses beträgt. Demnach ist auch eine Verlängerung der Erbbaurechtsverträge des Bundes mit den in § 43 Abs. 1 SachenRBerG festgelegten Bedingungen nach aktueller Rechtslage grundsätzlich nicht möglich. 4.1.3. Zusammenfassung Nach aktueller Rechtslage stehen einer Veräußerung bundeseigener Grundstücke und einer Erbbaurechtsbestellung an solchen zu den Konditionen, wie sie das SachenRBerG eröffnet, die §§ 63, 64 BHO grundsätzlich entgegen. 4.2. Mögliche Ausnahmen und Gesetzesänderungen Ausnahmen zu dem Grundsatz, dass bundeseigenes Vermögen nur zu seinem vollen Wert veräußert werden darf, sind nur nach § 63 Abs. 3 Satz 2 und 3 BHO erlaubt. Die herrschende Meinung im Schrifttum geht davon aus, dass zudem die Möglichkeit besteht, eine Ausnahme in einem Fachgesetz festzuschreiben.16 4.2.1. Ausnahmen im Haushaltsplan (§ 63 Abs. 3 Satz 2 BHO) Denkbar wäre zunächst die Aufnahme von Ausnahmen durch einen Haushaltsvermerk im Haushaltsplan .17 In diesem Fall entscheidet der Haushaltsgesetzgeber über zulässige Ausnahmen. Er 16 Kai von Lewinski/Daniela Burbat, Bundeshaushaltsordnung, 1. Auflage 2013, § 63 Rn. 14; Rabenschlag, in: Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht des Bundes und der Länder sowie der Vorschriften zur Finanzkontrolle, 66. Ergänzungslieferung (2017), § 63 BHO Rn. 20; Gatzer, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 43. Ergänzungslieferung (2008), § 63 BHO Rn. 8. 17 Siehe zur Haushaltssystematik die Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste, WD 4 – 3000 – 015/18, Das Haushaltsrecht und das parlamentarische Haushaltsverfahren der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere S. 12 f., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/538876/7cdd8237138ceb4373cd2d1ea139dca6/wd-4- 015-18-pdf-data.pdf [letzter Abruf: 3. September 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 9 hat dabei die Möglichkeit eine generelle Regelung im Haushaltsgesetz zu treffen18 oder eine Vielzahl an Haushaltsvermerken in den Haushaltsplan aufzunehmen.19 Materielle Voraussetzungen für Ausnahmen durch den Gesetzgeber nennt § 63 Abs. 3 Satz 2 BHO nicht. Nach Auffassung der herrschenden Meinung im Schrifttum müsse aber ein Bundesinteresse vorliegen, das gegenüber der Veräußerung zum vollen Wert größer ist.20 Der Zweck der vergünstigten Veräußerung müsse zur Aufgabe des Bundes gehören.21 Nicht erforderlich ist in diesem Fall die Einwilligung des Bundestages und des Bundesrates nach § 64 Abs. 2 BHO. Denn eine solche Einwilligung wird nur für die Fälle gefordert, in denen die Veräußerung im Haushaltsplan nicht vorgesehen ist, § 64 Abs. 2 Satz 1 BHO. Zu beachten ist aber, dass die Aufnahme einer solchen Ausnahme keine Verpflichtung zur ermäßigten oder unentgeltlichen Abgabe bedeutet.22 Es handelt sich bei einem solchen Haushaltsvermerk lediglich um eine Ermächtigung an die Verwaltung.23 Diese muss im Einzelfall prüfen, ob ein Bundesinteresse besteht und die unentgeltliche beziehungsweise ermäßigte Abgabe mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit vereinbar ist.24 4.2.2. Ausnahmen durch Einzelfallentscheidung des BMF (§ 63 Abs. 3 Satz 3 BHO) Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 3 BHO kann das BMF Ausnahmen zulassen, wenn der Wert gering ist oder ein dringendes Bundesinteresse besteht. Nr. 3 zu § 63 VV-BHO bestimmt, dass Werte bis 25.000 € als gering angesehen werden. Bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen gegen ermäßigtes Entgelt ist nicht der Wert des Vermögensgegenstands als solcher maßgebend, sondern die Höhe des Preisnachlasses.25 Unabhängig davon, dass diese Ausnahme bei der Veräußerung von Grundstücken kaum in Betracht kommen wird, ist die Einwilligung des Bundestages und des Bundesrates erforderlich, wenn das Grundstück eine besondere Bedeutung hat. Dies kann der Fall sein, wenn es unabhängig vom Wert von besonderem Interesse ist, weil es beispielsweise einen besonderen Symbolgehalt oder eine 18 Vgl. § 7 Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2018 (Haushaltsgesetz 2018) vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1126), abrufbar unter: https://www.bundeshaushalt.de/fileadmin/de.bundeshaushalt/content_de/dokumente/2018/soll/Bundeshaushaltsplan -2018-Haushaltsgesetz-2018.pdf [letzter Abruf 27. August 2018]. 19 Vgl. beispielsweise die Haushaltsvermerke im Haushaltsgesetz 2018, Einzelplan 12, Kapitel, S. 168 und Einzelplan 60, Kapitel 6004, S. 73 ff. 20 Dittrich, Bundeshaushaltsordnung Kommentar, Loseblattsammlung, 41. Aktualisierung (2010), § 63 Rn 5.1; Rabenschlag, in: Engels/Eibelshäuser, § 63 BHO Rn. 20. 21 Rabenschlag, in: Engels/Eibelshäuser, § 63 BHO Rn. 20. 22 Reimer, in: Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz (BeckOK GG), hrsg. von Epping/Hillgruber, 37. Edition (15. Februar 2018), Art. 110 Rn. 79; Gatzer, in: Piduch, § 63 Rn. 8 BHO. 23 Dittrich, BHO, § 63 Rn. 5.1; Rabenschlag, in: Engels/Eibelshäuser, § 63 BHO Rn. 20; Gatzer, in Piduch, § 63 BHO Rn. 8. 24 Rabenschlag, in: Engels/Eibelshäuser, § 63 BHO Rn. 20. 25 Dittrich, BHO, § 63 Rn. 5.2.1; Rabenschlag, in: Engels/Eibelshäuser, § 63 BHO Rn. 22. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 10 Schlüsselfunktion für ein Vorhaben des Bundes oder eines Landes hat.26 Durch die Festlegung der Wertgrenze in Nr. 3 zu § 63 VV-BHO hat das BMF seine generelle Zustimmung erteilt und jedes Ressort kann allein über die Veräußerung entscheiden, wenn der Betrag von 25.000 € nicht überstiegen wird. Bei Vermögensgegenständen, deren Wert 25.000 € übersteigt, kann das jeweilige Ressort nicht allein entscheiden. Hier ist die Beteiligung des BMF erforderlich, das nach § 63 Abs. 3 Satz 2 BHO Ausnahmen zulassen kann, wenn ein dringendes Bundesinteresse besteht. Voraussetzung für das Bestehen eines dringenden Bundesinteresses ist, dass die Veräußerung für den Bund dringlich ist. Es müssen also zu dem Vorliegen eines Bundesinteresses besondere Gesichtspunkte hinzutreten .27 Als Beispiele werden in der Literatur die Veräußerung verderblicher Ware oder technisch rasch veraltender Gegenstände genannt.28 4.2.3. Ausnahmen aufgrund eines Fachgesetzes Eine weitere Möglichkeit wäre nach herrschender Auffassung in der Literatur, eine Ausnahme in einem Fachgesetz festzuschreiben. Für diese Auffassung spricht, dass der Gesetzgeber beispielsweise in § 12 Abs. 1 Satz 2 Umweltinformationsgesetz (UIG)29 und §§ 11, 14 Geodatenzugangsgesetz (GeoZG)30 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Geodaten-Nutzungsverordnung (GeoNutzV)31 solche Ausnahmen von dem in § 63 Abs. 3 BHO normierten Grundsatz zugelassen hat. Dem Gesetzgeber kommt bei der Entscheidung darüber, ob er bestimmte gesetzliche Regelungen schafft und wie er diese ausgestaltet, grundsätzlich ein weiter Spielraum zu, dem im Wesentlichen durch die einschlägigen Vorgaben des Grundgesetzes (GG)32 und die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Grenzen gezogen sind. Ob eine bestimmte Regelung 26 Lewinski/Burbat, BHO, § 64 Rn. 8. 27 Rabenschlag, in: Engels/Eibelshäuser, § 63 BHO Rn. 23. 28 Lewinski/Burbat, BHO, § 63 Rn. 17. 29 Umweltinformationsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 17 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/uig_2005/BJNR370410004.html [letzter Abruf 27. August 2018]. 30 Geodatenzugangsgesetz vom 10. Februar 2009 (BGBl. I S. 278), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 7. November 2012, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/geozg/BJNR027800009.html [letzter Abruf 27. August 2018]. 31 Verordnung zur Festlegung der Nutzungsbestimmungen für die Bereitstellung von Geodaten des Bundes vom 19. März 2013 (BGBl. I S. 547), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/geonutzv/BJNR054700013.html [letzter Abruf 27. August 2018]. 32 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [letzter Abruf: 3. September 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 190/18 Seite 11 sich mutmaßlich innerhalb dieser Grenzen bewegt, kann nur im jeweiligen Einzelfall anhand eines konkreten Gesetzentwurfs beurteilt werden. Hinzuweisen ist aber darauf, dass ein möglicher Widerspruch eines solchen Gesetzes zu dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 7 BHO) nach herrschender Auffassung im Schrifttum unerheblich sein dürfte. Denn nach dieser Auffassung sei der parlamentarische Gesetzgeber befugt, unwirtschaftliche gesetzliche Vorgaben zu machen.33 Diese Vorgaben des Gesetzgebers bilden den Rahmen für die Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Die Verwaltung dürfe diesen Rahmen nicht mit dem Hinweis auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz infrage stellen.34 4.3. Zusammenfassung Einer entsprechenden Anwendung des SachenRBerG auf Erbbaurechtsverträge des Bundes stehen grundsätzlich die §§ 63, 64 BHO entgegen. Möglich wäre die Aufnahme von entsprechenden Haushaltsvermerken im Haushaltsplan gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 BHO oder – folgt man der herrschenden Meinung im Schrifttum – der Erlass eines entsprechenden Fachgesetzes. 5. Zusammenfassung Zur Neugestaltung der Sachenrechtslage nach der Wiedervereinigung hat der Gesetzgeber das Sachenrechtsbereinigungsgesetz erlassen, das nach wie vor gültig ist. Dieses gewährt innerhalb seines Anwendungsbereichs Grundstücksnutzern durchsetzbare Ansprüche auf Annahme eines Kaufvertragsangebots beziehungsweise eines Angebots auf Bestellung eines Erbbaurechts. Zudem beträgt der Kaufpreis in diesen Fällen in der Regel nur die Hälfte des Bodenwerts beziehungsweise der Erbbauzins nur die Hälfte des für die entsprechende Nutzung üblichen Zinses. Die dort getroffenen Regelungen sind nach aktueller Rechtslage wohl nicht entsprechend auf Erbbaurechtsverträge des Bundes anwendbar, da die §§ 63, 64 BHO entgegenstehen. Möglich wäre aber eine Aufnahme entsprechender Haushaltsvermerke im Haushaltsplan oder – folgt man der herrschenden Meinung im Schrifttum – der Erlass eines entsprechenden materiellen Gesetzes. *** 33 Lewinski/Burbat, BHO, § 7 Rn. 8; Dittrich, BHO, § 7 Rn. 5; von Mutius/Nawrath, in: : Engels/Eibelshäuser, Art. 114 GG Rn. 27. 34 Dittrich, BHO, § 7 Rn. 5.