© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 183/16 Einzelfragen zur Novellierung des Rechtsdienstleistungsgesetzes Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 2 Einzelfragen zur Novellierung des Rechtsdienstleistungsgesetzes Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 183/16 Abschluss der Arbeit: 21. Dezember 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Europarechtliche Vorgaben 4 3. Verhältnis Telemediengesetz/Rechtsdienstleistungsgesetz 5 4. Regelungsweite des § 1 Abs. 2 RDG-E 6 5. Befugnisnorm des § 3 RDG 7 6. Legal-Tech-Unternehmen 8 7. Rechtsanwälte im Sinne des § 206 BRAO 9 8. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 4 1. Einleitung Mit der Richtlinie 2005/36/EG1 (Berufsanerkennungsrichtlinie) wurden Regelungen über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) erworben wurden, neu gestaltet. Hiermit wurden auch für den Bereich der reglementierten Berufe erleichterte Voraussetzungen für die vorübergehende und gelegentliche grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen innerhalb der EU eingeführt. Diese Berufsanerkennungsrichtlinie wurde unter anderem durch die Richtlinie 2013/55/EU2 geändert, die bis zum 18. Januar 2016 in nationales Recht umzusetzen war. Mit dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Berufsanerkennnungsrichtlinie3 wird zunächst die entsprechende Richtlinie im Bereich der Tätigkeiten der Rechtsanwälte, der Patentanwälte und der unter das Rechtsdienstleistungsgesetz fallenden Berufe weiter umgesetzt. Die bereits bestehenden Regelungen über die Ablegung einer Eignungsprüfung, die Rechtsanwälten und Patentanwälten aus anderen Mitgliedstaaten der EU, anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz die Zulassung zur deutschen Anwaltschaft ermöglicht , werden an die Vorgaben der Berufsanerkennungsrichtlinie angepasst. Dem vorliegenden Sachstand liegen Einzelfragen zu dem erwähnten Gesetzentwurf zugrunde, die thematisch in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 7 behandelt werden. 2. Europarechtliche Vorgaben Zu der Frage, inwiefern eine Neuregelung des § 1 RDG4 europarechtlich (oder in welcher anderen Hinsicht) geboten sei, ist zunächst auf die Begründung des Gesetzesentwurfs zu verweisen. Nach der amtlichen Begründung steht die Änderung des § 1 RDG im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) und der Novellierung des § 15 RDG. Letztere wurde durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) erforderlich. Im Einzelnen 1 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.09.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. Nr. L 255 S. 22, ber. ABl. 2007 Nr. L 271 S. 18, ABl. 2008 Nr. L 93 S. 28, ABl. 2009 Nr. L 33 S. 49, ABl. 2014 Nr. L 305 S. 115), zuletzt geändert durch Art. 1 Änderungsbeschluss (EU) 2016/790 vom 13.01.2016 (ABl. Nr. L 134, S. 135). 2 Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.11.2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“), ABl. L 354 vom 28.12.2013, 132. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe, BT-Drucks. 18/9521 vom 05.09.2016. Vgl. hierzu auch BMJV, zuletzt abgerufen am 12.12.2016: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren /DE/Berufsanerkennungsrichtlinie.html . 4 Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG) vom 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840), zuletzt geändert durch Art. 5 Absatz 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts vom 19.07.2016 (BGBl. I S. 1757). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 5 wird die Notwendigkeit dieser Änderungen mit ihren europarechtlichen und richterrechtlichen Bezügen ausführlich und dezidiert durch die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf begründet . Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.5 Auch der Bundesrat sah keine Veranlassung die Notwendigkeit den Novellierungsbedarf in § 1 RDG in Frage zu stellen .6 3. Verhältnis Telemediengesetz/Rechtsdienstleistungsgesetz Auf die Begründung des Gesetzentwurfs ist ebenfalls hinsichtlich der Frage zu verweisen, wie sich der räumliche, sachliche und persönliche Anwendungsbereich des RDG und des TMG gestaltet . Entsprechendes gilt für die weitergehende Frage, wie das Verhältnis der beiden Gesetze zueinander zu beurteilen ist, insbesondere wenn es um die (grenzüberschreitende) Erbringung von Rechtsdienstleistungen (per Email, offener Online-Plattform) durch deutsche, europäische und außereuropäische Dienstleister geht. Das Verhältnis zwischen dem Telemediengesetz (TMG)7 und dem RDG wird in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung im Einzelnen erläutert. Hier wird auf die Vorschrift des § 3 Abs. 2 des TMG verwiesen, der die Erbringung von Dienstleistungen aus einem anderen Mitgliedstaat heraus über Kommunikations- und Informationsdienste, d. h. über Internet und E-Mail, regelt. Nach dieser auf die E-Commerce-Richtlinie8 zurückgehenden Regelung unterliegen grundsätzlich die Dienstleister bei einer Erbringung ihrer Leistung über Internet oder E- Mail auch bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit (wie z. B. dem Versenden einer E-Mail aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland) lediglich den Anforderungen ihres Herkunftsstaates . Der Gesetzwurf beruft sich hierbei auf die herrschende Literaturmeinung.9 Hiernach ist die E-Commerce-Richtlinie auch auf Rechtsdienstleistungen anwendbar und geht dem RDG in ihrem Anwendungsbereich vor. Danach gälten unter anderem die Meldepflichten des RDG für über Telemedien erbrachte Dienstleistungen nicht. Maßnahmen gegen (rechtsdienstleistende ) Diensteanbieter aus anderen Mitgliedstaaten wären nach § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TMG nur bei einem verbraucherschädigenden Verhalten des Rechtsdienstleisters möglich. Folgt man der vorstehend dargelegten herrschenden Rechtsauffassung, stützt dies im Ergebnis auch noch einmal den gewählten Ansatz, rechtsberatende Tätigkeiten, bei denen der Rechtsdienstleister ausschließlich aus dem Ausland mit einem in Deutschland ansässigen Mandanten kommuniziert, 5 BT-Drucks. 18/9521, S. 201 bis 205. 6 Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/9948. 7 Telemediengesetz (TMG) vom 26.02.2007 (BGBl. I S. 179), zuletzt geändert durch Art. 1 des 2. Änderungsgesetzes vom 21.07.2016 (BGBl. I S. 1766). 8 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.06.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1). 9 Vgl. hierzu im Einzelnen Deckenbrock in: Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Auflage 2015, § 1 RDG, Rn. 44, 45 mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 6 nicht in den Anwendungsbereich des RDG fallen zu lassen. Nach Auffassung der Bundesregierung würde es wenig Sinn machen, danach zu unterscheiden, ob der Rechtsdienstleiter in einem solchen Fall schriftlich bzw. telefonisch (d. h. außerhalb des Anwendungsbereichs des TMG) oder per E-Mail bzw. Internet (d. h. innerhalb des Anwendungsbereichs des TMG) kommuniziert, zumal er dabei auch ein Schreiben nur einzuscannen und elektronisch zu versenden bräuchte, um in den Anwendungsbereich des TMG zu gelangen.10 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das RDG grundsätzlich nachrangig Anwendung findet , wenn die Voraussetzungen für eine Anwendung des TMG vorliegen. Nicht auszuschließen ist, dass es in bestimmten Fallkonstellationen und Einzelfällen zu einer konkurrierenden Anwendung dieser Gesetze, insbesondere durch eine Fortentwicklung der entsprechenden Kommunikationstechniken , kommen kann. 4. Regelungsweite des § 1 Abs. 2 RDG-E In dem vorliegenden Sachstand soll des Weiteren folgende Frage einer Prüfung zugeführt werden : „Inwiefern ist die Kritik berechtigt, dass die für § 1 Abs. 2 RDG vorgeschlagene Formulierung 'Wird eine Rechtsdienstleistung aus einem anderen Staat heraus erbracht, gilt dieses Gesetz nur, wenn ihr Gegenstand deutsches Recht ist.‘ in der Praxis dazu führen würde, dass etwa US-amerikanischen Rechtsanwälten Telefonate nach Deutschland untersagt wären oder ein türkischer Rechtsanwalt Landsleute nicht aus der Türkei heraus zu einer dem türkischen Recht unterliegenden Angelegenheit beraten dürfte?“ Zu welchen Ergebnissen die zitierte Formulierung des § 1 Abs. 2 RDG in der Praxis künftig führt, bedarf tatsächlicher Feststellungen, die hier nicht getroffen werden können. Bei dem zitierten Wortlaut des § 1 Abs. 2 RDG handelt es sich um einen Formulierungsvorschlag, der mit einer vertretbaren Rechtsmeinung begründet wird. Daneben bestehen weitere Formulierungsvorschläge aus sogenannten interessierten Kreisen, die, wenn auch mit gegensätzlichen, aber ebenfalls vertretbaren Rechtsmeinungen und Behauptungen begründet werden. Demgegenüber hat die zur Novellierung anstehende Fassung des § 1 Abs. 2 RDG folgenden Wortlaut : „(2) Wird eine Rechtsdienstleistung ausschließlich aus einem anderen Staat heraus erbracht , gilt dieses Gesetz nur, wenn 1. sich die die Rechtsdienstleistung erbringende Person im Inland unmittelbar an eine andere Person oder Stelle als ihre Auftraggeberin wendet und 10 BT-Drucks. 18/9521, S. 205 „Zu Buchstabe c“. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 7 2. das zwischen der anderen Person oder Stelle und der Auftraggeberin bestehende Rechtsverhältnis dem deutschen Recht unterfällt.“11 Dem Gesetzgeber dürfte zur Ausformulierung dieser Regelung ein weiter Gestaltungsspielraum beizumessen sein. Auf die dezidierte Begründung dieser Vorschrift in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs wurde bereits oben unter Ziffer 2 hingewiesen. Sogenannte interessierte Kreise hatten bereits anlässlich der Anhörung zum Referentenentwurf hinreichend Gelegenheit, ihre Rechtsmeinungen vorzutragen. Sie haben hiervon auch umfassend Gebrauch gemacht. Anhaltspunkte , dass sich der Gesetzentwurf über deren Bedenken willkürlich hinweg gesetzt hat, sind nicht ersichtlich. 5. Befugnisnorm des § 3 RDG Darüber hinaus liegt diesem Sachstand folgende Fragestellung mit ihren Bezügen zum Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG)12 zugrunde: „Inwiefern trifft die Aussage zu, dass das RDG bzw. § 1 RDG-E weder zwischen anwaltlichen und nichtanwaltlichen Rechtsdienstleistungen noch zwischen Beratungen im deutschen oder ausländischen Recht differenziere und lediglich deutsche und europäische Rechtsanwälte (über das EuRAG) über eine Befugnisnorm im Sinne des § 3 RDG verfügen?“. Hierzu ist folgendes festzustellen. Der Auffassung, dass das RDG bzw. die zur Novellierung anstehende Fassung des § 1 RDG nicht zwischen anwaltlichen und nichtanwaltlichen Rechtsdienstleistern differenziere, kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden (vgl. bspw. § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) und § 13 Abs. 1 Nr. 4 RDG). Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 RDG). Das RDG differenziert im Einzelnen, wer derartige außergerichtliche Rechtsdienstleistungen erbringen darf. Auch differenziert der Gesetzentwurf zum RDG (RDG-E) durchaus zwischen Beratungen im deutschen oder ausländischen Recht. Der zu novellierende § 1 Abs. 1 Satz 1 RDG soll folgende Fassung erhalten: „Dieses Gesetz regelt die Befugnis, in der Bundesrepublik Deutschland außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen.“13 Die Anwendbarkeit des RDG soll daher grundsätzlich nur dann bestehen bleiben, wenn sich die aus dem Ausland erbrachte Rechtsdienstleistung an eine andere (natürliche oder juristische) Person als die Mandantschaft wendet (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 RDG-E). Dies betrifft insbesondere Fälle, 11 Vgl. Art. 6 Ziffer 2. lit. b) des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 18/9521, S. 46. 12 Vom 09.03.2000 (BGBl. I S. 182, ber. S. 1349), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015 (BGBl. I S. 2517). 13 Vgl. Art. 6 Ziffer 2, lit. a), BT-Drucks. 18/9521, S. 46. Kursive Hervorhebung durch den Bearbeiter. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 8 in denen Rechtsdienstleister (z. B. Inkassodienstleister) Vertragspartner ihrer Mandantschaft selbst anschreiben und gegenüber Behörden auftreten.14 Wird eine Rechtsdienstleistung ausschließlich aus einem andern Staat heraus erbracht, gilt allerdings das RDG nur, wenn das zwischen der anderen Person oder Stelle und dem Auftraggeber (Mandantschaft) bestehende Rechtsverhältnis „dem deutschen Recht“ unterfällt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 RDG-E). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in diesem Zusammenhang wiederum auf die amtliche Begründung verweisen.15 Die in der oben zitierten Fragestellung getroffenen Aussagen treffen insoweit zumindest nicht in vollem Umfange zu. Der Formulierungsvorschlag aus den sog. interessierten Kreisen („Wird eine Rechtsdienstleistung aus einem anderen Staat heraus erbracht, gilt dieses Gesetz nur, wenn ihr Gegenstand deutsches Recht ist.“) differenziert ebenfalls zwischen Beratungen im deutschen oder ausländischen Recht. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die weitere Aussage in der Fragestellung zutrifft, dass lediglich EU-Rechtsanwälte neben deutschen Rechtsanwälten über eine Befugnisnorm im Sinne des § 3 RDG verfügen. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: „Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.“ 6. Legal-Tech-Unternehmen Eine Aussage, dass - bei sogenannten Legal-Tech-Unternehmen, die über eine Homepage oder ein Portal Dienstleistungen anbieten, die nach deutschem Recht als Rechtsdienstleistung zu qualifizieren wären - sich die Zulässigkeit nicht nach dem RDG, sondern nach dem Recht des jeweiligen Herkunftsstaates richtet, dürfte grundsätzlich zutreffend sein. Zu differenzieren ist, ob das TMG oder das RDG anzuwenden ist.16 In Betracht kommt vor allem das TMG, dessen räumlicher Anwendungsbereich bezüglich des Herkunftslandprinzips sich auf die Mitgliedstaaten der EU beschränkt. Es ist also zumindest zu differenzieren zwischen Mitgliedstaaten der EU und Drittstaaten. Der sachliche Anwendungsbereich des TMG ist beschränkt auf einen unmittelbaren Online-Austausch der Leistung; gleichwohl sind in diesem Zusammenhang Konflikte oder Konkurrenzen zwischen dem Anwendungsbereich des RDG und dem TMG denkbar. 14 Vgl. BT-Drucks. 18/9521, S. 204, zweiter Absatz. 15 Vgl. BT-Drucks. 18/9521, S. 204, dritter Absatz. 16 Vgl. hierzu BT-Drucks. 18/9521, S. 205 „Zu Buchstabe c“ und oben die Ausführungen zu Ziffer 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 9 7. Rechtsanwälte im Sinne des § 206 BRAO Schließlich soll noch folgender Frage nachgegangen werden: „Inwiefern trifft es zu, dass durch eine Rücknahme des Anwendungsbereichs des RDG Rechtsanwälte im Sinne des § 206 BRAO17 bzw. nichteuropäische Rechtsanwälte und solche, die nicht in einem Staat der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) zugelassen sind, nicht der (deutschen) Kammeraufsicht unterliegen und somit ungerechtfertigt bessergestellt werden als ihre europäischen Kolleginnen und Kollegen?“ Nach § 206 Abs. 1 Satz 1 BRAO können Rechtsanwälte, die Angehörige eines Mitgliedstaates der WTO sind, unter den entsprechenden Voraussetzungen berechtigt sein, sich in Deutschland niederzulassen , wenn sie von der zuständigen Rechtsanwaltskammer aufgenommen worden sind. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut: „(1) Ein Angehöriger eines Mitgliedstaates der Welthandelsorganisation, der einen Beruf ausübt, der in der Ausbildung und den Befugnissen dem Beruf des Rechtsanwalts nach diesem Gesetz entspricht, ist berechtigt, sich unter der Berufsbezeichnung des Herkunftsstaates zur Rechtsbesorgung auf den Gebieten des Rechts des Herkunftsstaates und des Völkerrechts in Deutschland niederzulassen, wenn er auf Antrag in die für den Ort seiner Niederlassung zuständige Rechtsanwaltskammer aufgenommen ist. […].“ Die hierdurch erfassten Anwälte dürften damit auch der Kammeraufsicht unterliegen. Gemäß § 206 Abs. 2 Satz 1 BRAO gilt dies unter bestimmten Voraussetzungen für die Angehörigen anderer Staaten entsprechend, wenn die Gegenseitigkeit mit dem Herkunftsstaat für deutsche Anwälte dort verbürgt ist. Die Regelung lautet wie folgt: „(2) Für die Angehörigen anderer Staaten, die einen in der Ausbildung und den Befugnissen dem Beruf des Rechtsanwalts nach diesem Gesetz entsprechenden Beruf ausüben, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass die Befugnis zur Rechtsbesorgung auf das Recht des Herkunftsstaates beschränkt ist, entsprechend, wenn die Gegenseitigkeit mit dem Herkunftsstaat verbürgt ist. […].“ Auch die zusätzlich hierdurch erfassten Anwälte unterliegen damit wohl ebenfalls der Kammeraufsicht . Deren Befugnis zur Rechtsbesorgung erstreckt sich nicht auf das Völkerrecht, sondern beschränkt sich auf das Recht ihrer Herkunftstaaten. Grundsätzlich unterliegen damit niedergelassene Rechtsanwälte im Sinne des § 260 BRAO der Kammeraufsicht. Diese Vorschrift erfasst damit regelmäßig sowohl in Deutschland niedergelassene, nichteuropäische Rechtsanwälte als auch solche, die nicht in einem WTO-Staat zugelassen sind. Die oben zitierte Fragestellung differenziert nicht zwischen niedergelassenen und nur vorübergehend oder gelegentlich in Deutschland tätigen ausländischen Rechtsanwälten. Zu den entsprechenden Novellierungen des RDG merkt der Gesetzentwurf in seiner Begründung an, dass sich 17 Bundesrechtsanwaltsordnung vom 01.08.1959 (BGBl. I S. 565), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der RL über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19.02.2016 (BGBl. I S. 254). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 10 die entwickelte Lösung maßgeblich an den Vorgaben des EuGH für solche Rechtsdienstleister orientiere , die in anderen Mitgliedstaaten ansässig seien und in Deutschland vorübergehend und gelegentlich Rechtsdienstleistungen erbringen wollen. Diese Lösung erscheine auch insoweit als angemessen, als Rechtsdienstleister in Nicht-EU-Staaten ansässig seien (wobei unter die Rechtsdienstleister in diesem Sinne auch Rechtsanwälte und Patentanwälte fallen, soweit deren Tätigkeiten nicht nach anderen Gesetzen wie der BRAO zulässig seien). Denn für die Frage, welche deutschen Schutzzwecke in welchem Maß betroffen seien, mache der Sitz des Rechtsdienstleisters keinen maßgeblichen Unterschied. Für Rechtsdienstleister aus Nicht-EU-Staaten, die nur vorübergehend und gelegentlich in Deutschland tätig werden wollen, ergeben sich aus der Regelung allerdings andere Rechtsfolgen, da ihnen in den Fällen, in denen das RDG anwendbar sei, nicht die Möglichkeit offenstehe, ihre Tätigkeit nach einer Meldung nach § 15 RDG zu erbringen. Dies sei allerdings die Folge fehlender bi- oder multilateraler Abkommen in diesem Bereich und stelle keine Änderung der bisherigen Rechtslage dar. Diese Problematik könne auch in den Fällen, in denen Rechtsdienstleistungen im Wege des sogenannten „fly in, fly out“ erbracht werden, durch eine einseitige deutsche Regelung zugunsten der Rechtsdienstleister aus Nicht-EU-Staaten (ohne gleichzeitige Regelungen der Nicht-EU-Staaten zugunsten deutscher Rechtsdienstleister) nicht befriedigend gelöst werden. Nicht in der EU ansässige Rechtsdienstleister müssten daher, soweit ihre Tätigkeit in Deutschland zulassungsfähig ist, „auch bei nur vorübergehender und gelegentlicher Tätigkeit zunächst eine Registrierung nach § 10 RDG erwirken.“18 Im Ergebnis kann es bei der oben zitierten Fragestellung dahin gestellt bleiben, ob diese Rechtsanwälte der Kammeraufsicht unterliegen. Zur Feststellung, ob diese „ungerechtfertigt bessergestellt werden als ihre europäischen Kolleginnen und Kollegen“ bedarf es tatsächlicher Erhebungen , in welchem Umfang nichteuropäische und Rechtsanwälte aus den Mitgliedstaaten der EU nur vorübergehend und gelegentlich in Deutschland tätig werden. Ob die angesprochene etwaige Besserstellung von nichteuropäischen Rechtsanwälten gerechtfertigt ist oder nicht, erfordert eine vergleichende und wohl auch wertende Gesamtschau des angesprochenen anwaltlichen Personenkreises . Eine „ungerechtfertigte“ Besserstellung der nichteuropäischen Anwälte allein aus einer etwaigen mangelnden Kammeraufsicht zu folgern, erscheint fraglich. 8. Fazit Der Novellierungsbedarf für § 1 RDG ergibt sich aus europarechtlichen Vorgaben sowie der Rechtsprechung des EuGH und des BGH. Grundsätzlich findet das RDG nachrangig Anwendung, wenn die Voraussetzungen für eine Anwendung des TMG vorliegen. Nicht auszuschließen ist, dass es in Einzelfällen zu einer konkurrierenden Anwendung dieser Gesetze kommt. Dies könnte 18 BT-Drucks. 18/9521, S. 204/205. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 183/16 Seite 11 vor allem auch durch eine (innovative) Fortentwicklung der entsprechenden Kommunikationstechniken eintreten. Zu welchen Ergebnissen eine Fassung des § 1 Abs. 2 RDG („Wird eine Rechtsdienstleistung aus einem anderen Staat heraus erbracht, gilt dieses Gesetz nur, wenn ihr Gegenstand deutsches Recht ist.“) in der Praxis künftig führt, bedarf tatsächlicher Feststellungen, die hier nicht getroffen werden können. Der Gesetzentwurf zum RDG differenziert zwischen Beratungen im deutschen oder ausländischen Recht (vgl. insbesondere § 1 Abs. 2 Nr. 2 RDG-E). Bei Legal-Tech-Unternehmen, deren Tätigkeit nach deutschem Recht als Rechtsdienstleistung zu qualifizieren wäre, dürfte sich die Zulässigkeit grundsätzlich nach dem Recht des jeweiligen Herkunftsstaates richten. Konflikte oder Konkurrenzen zwischen dem Anwendungsbereich des RDG und dem TMG, wie auch weiteren nationalen und internationalen Regelungen sind hierbei nicht auszuschließen. Zur Feststellung, ob ausländische Rechtsanwälte, die in Deutschland nur vorübergehend oder gelegentlich (fly in- fly out) tätig werden, ungerechtfertigt gegenüber ihren europäischen Kollegen bessergestellt werden, bedarf es tatsächlicher Erhebungen und einer Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzentwurfs in der Praxis. Es könnte sich deshalb empfehlen, dem BMJV unter Beteiligung der Bundesrechtsanwaltskammer, des Deutschen Anwaltsvereins und des Instituts für Prozess- und Anwaltsrecht der Leibnitz Universität Hannover einen Prüfauftrag zu erteilen, über einen angemessenen Zeitraum die Auswirkungen der novellierten Regelungen des RDG zu evaluieren und dem Rechtsausschuss zu berichten. +++