© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 178/18 Vielfalt von Kulturangeboten in der Stadt und Lärmschutz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 2 Vielfalt von Kulturangeboten in der Stadt und Lärmschutz Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 178/18 Abschluss der Arbeit: 18. September 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Einführung des „Agent of Change“-Prinzips (Frage 1) 4 2.1. Darstellung der Rechtslage 4 2.2. Möglichkeit der Einführung des „Agent of Change“-Prinzips 5 2.3. Zusammenfassung 8 3. Einbindung von „Stakeholdern“ im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens (Frage 2) 8 3.1. Beteiligung der Öffentlichkeit 8 3.2. Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange 9 3.3. Verhältnis der Beteiligungsverfahren zueinander 9 3.4. Zusammenfassung 10 4. Musikspielstätten und Lärmschutz (Fragen 3 und 4) 10 4.1. Einordnung von Musikspielstätten in die Nutzungsarten der BauNVO 10 4.1.1. Darstellung der Rechtslage 10 4.1.2. Möglichkeiten zur Lösung des Zuordnungsproblems 12 4.1.3. Zusammenfassung 13 4.2. Privilegierung von Musikspielstätten hinsichtlich Lärmemissionen 13 4.3. Reichweite der Privilegierung von Kinderlärm im Sinne des § 22 Abs. 1a BImSchG 15 5. Zusammenfassung 16 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand der vorliegenden Bearbeitung ist die Frage, wie dem Anspruch der Bauleitplanung, auch die kulturellen Bedürfnisse zu berücksichtigen, zu mehr Geltung verholfen werden kann. Es geht insbesondere um die Lösung der Konflikte, die durch „heranrückende“ Wohnbebauung an „alteingesessene“ Musikspielstätten entstehen können. Dabei wird zunächst untersucht, ob und wie das in Großbritannien und Australien eingeführte „Agent of Change“-Prinzip1 in deutsches Recht umgesetzt werden kann (2. [Frage 1]). Anschließend wird die Rechtslage hinsichtlich der Beteiligung am Bebauungsplanverfahren von Personen oder Gruppen, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang dieses Verfahrens haben,2 dargestellt (3. (Frage 2)). Im darauffolgenden Abschnitt (4. [Fragen 3 und 4]) geht es um die Einordnung von Musikspielstätten in die Nutzungsarten der Baunutzungsverordnung (BauNVO)3 (4.1.), die Voraussetzungen für eine Privilegierung von Musikspielstätten hinsichtlich Lärmemissionen (4.2.) und um die Reichweite der Privilegierung des § 22 Abs. 1a Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)4 (4.3.). 2. Einführung des „Agent of Change“-Prinzips (Frage 1) 2.1. Darstellung der Rechtslage Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind (Var. 1), oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (Var. 2). Diese Vorschrift soll gewährleisten, Nutzungen , die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden.5 Es soll also schon auf der Ebene der Zulassung eines Vorhabens verhindert werden, dass Konflikte entstehen, die Immissionsschutzmaßnahmen erfordern. Das in § 15 Abs. 1 BauNVO normierte Gebot der Rücksichtnahme führt nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch desjenigen, der sich 1 Dieses Prinzip besagt, dass bei Neubauvorhaben die Verantwortung für die Abschwächung der Auswirkungen von bestehenden lärmerzeugenden Aktivitäten oder Nutzungen auf die neu geplante lärmsensitive Nutzung (Bauherr) verlagert wird. Bauherren heranrückender Neubauten haben somit für den Lärmschutz Sorge und Kosten zu tragen. 2 Sogenannte „Stakeholder“. 3 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/baunvo/BJNR004290962.html [letzter Abruf 21. August 2018]. 4 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2771), abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/bimschg/BJNR007210974.html [letzter Abruf 21. August 2018]. 5 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2013, 372, 373. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 5 den Wirkungen solcher Immissionen aussetzt.6 Der hinter der zweiten Variante stehende Gedanke ähnelt dem des „Agent of Change“-Prinzips. Dieses Prinzip besagt, dass bei Neubauvorhaben die Verantwortung für die Abschwächung der Auswirkungen von bestehenden lärmerzeugenden Aktivitäten oder Nutzungen auf die neu geplante lärmsensitive Nutzung (Bauherr) verlagert wird. Bauherren heranrückender Neubauten haben somit nach dem „Agent of Change“-Prinzip für den Lärmschutz Sorge und Kosten zu tragen. Wenn nun aber eine bauliche Anlage errichtet wurde, bestimmt sich die Frage, ob Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden müssen, nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und den aufgrund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ergangenen Verordnungen. Musikspielstätten sind als Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu qualifizieren. Anlagen sind nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen. Dabei ist nach der Gesetzesbegründung der Anlagenbegriff „im weitesten Sinne“ zu verstehen.7 Bei Musikspielstätten handelt es sich nach § 4 Abs. 1 BImSchG in Verbindung mit der vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV)8 nicht um genehmigungsbedürftige Anlagen, da diese nicht im Anhang 1 zur 4. BImSchV aufgeführt sind. Anwendung findet daher § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, nach dem nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Diese Norm enthält demnach die Verpflichtung des Betreibers zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen . Da es sich um eine Verpflichtung des Betreibers der Anlage handelt, hat dieser grundsätzlich auch die Kosten der Maßnahmen zu tragen, die für die Einhaltung seiner Verpflichtung erforderlich sind. Bei der Anordnung solcher Maßnahmen nach § 22 BImSchG ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Dabei ist zwar im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigen , welche Nutzung eher vorhanden war.9 Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sind aber auch Maßnahmen zum Schutz einer „heranrückenden“ Wohnbebauung nicht zwingend unverhältnismäßig.10 2.2. Möglichkeit der Einführung des „Agent of Change“-Prinzips Dem Gesetzgeber kommt bei der Einführung und Ausgestaltung gesetzlicher Regelungen ein grundsätzlich weiter Spielraum zu, dem im Wesentlichen durch die einschlägigen Vorgaben des 6 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch Loseblatt-Kommentar, 128. Ergänzungslieferung (2018), § 15 BauNVO Rn. 29. 7 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14. Februar 1973, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge – Bundes -Immissionsschutzgesetz –, BT-Drs. 7/179, S. 29. 8 Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2017 (BGBl. I S. 1440), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_4_2013/BJNR097310013.html [letzter Abruf 21. August 2018]. 9 BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1989, 1291 zu dem Konflikt zwischen Wohnnutzung und Sportbetrieb. 10 BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, NVwZ 2013, 372, 374. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 6 Grundgesetzes und die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Grenzen gezogen sind. Ob eine Regelung sich mutmaßlich innerhalb dieser Grenzen bewegt, kann nur im jeweiligen Einzelfall anhand eines konkreten Gesetzentwurfs beurteilt werden. Angesichts der obigen Ausführungen (2.1.) erscheint eine Ergänzung des § 22 BImSchG dahingehend, dass in den Fällen „heranrückender“ Wohnbebauung der Bauherr die Kosten der Maßnahmen zu tragen hat, die erforderlich sind, um schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, nicht von vornherein ausgeschlossen. Wollte der Gesetzgeber eine solche Regelung treffen, wäre dabei vor allem zu beachten, dass Eigentümer von Grundstücken, die in der Nähe von Musikspielstätten liegen, davon absehen könnten diese zu bebauen, wenn sie verpflichtet werden, Kosten für Lärmschutzmaßnahmen zu tragen . Dabei dürfte es sich um einen mittelbaren Eingriff in Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung 11 im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG)12 handeln. Dieser Eingriff in Art. 14 GG müsste verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken der Eigentumsgarantie durch die Gesetze bestimmt. „Gesetz “ in diesem Sinne ist jede materielle Rechtsnorm, auch die Rechtsverordnung oder die Satzung .13 Zuständig für eine solche Regelung wäre wohl der Bundesgesetzgeber. Die „Lärmbekämpfung“ ist im Katalog des Art. 74 GG enthalten (Nr. 24) und damit Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung . Dabei ist der verhaltensbezogene Lärm ausgenommen („ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm“), dessen Bekämpfung folglich den Ländern zufällt und in deren ausschließlichem Kompetenzbereich liegt. Die Bekämpfung anlagenbezogenen Lärms ist also weiterhin Teil der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Länder können in diesem Bereich nur dann eigenständige Regelungen treffen, solange und soweit der Bund nicht Gebrauch von seiner Kompetenz macht (Art. 72 Abs. 1 GG). Mit Erlass des BImSchG hat der Bund diese Kompetenz wahrgenommen. Die in Frage stehende Regelung hat die Kostentragungspflicht hinsichtlich Lärmschutzmaßnahmen zum Gegenstand. Keine Anwendung findet das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Macht der Gesetzgeber von der ihm nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG übertragenen Aufgabe, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, Gebrauch, stellt dies keine Einschränkung des Grundrechts im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG dar.14 Gleiches gilt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts 11 Zur Abgrenzung der Eingriffsarten Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58, 300 ff. 12 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 Änderungsgesetz (Art. 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [letzter Abruf 21. August 2018]. 13 Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 82. Ergänzungslieferung (2018), Art. 14 GG, Rn. 339 m.w.N. 14 BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1968 – 1 BvR 638/64 –, BVerfGE 24, 367, 396. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 7 (BVerfG) für das Verbot des Einzelfallgesetzes gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG.15 Im Schrifttum wird dagegen teilweise angenommen, dass Inhalts- und Schrankenbestimmungen schon begrifflich generell-abstrakte Regelungen treffen müssen, sodass eine Einzelfallregelung ausscheide.16 Andere Autoren sind der Auffassung, das Verbot der Individualgesetzgebung gelte schon kraft des Rechtsstaatsprinzips.17 Kein Einzelfallgesetz liegt vor, wenn sich wegen der abstrakten Fassung des gesetzlichen Tatbestandes nicht genau übersehen lässt, auf wie viele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet, wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolge möglich ist.18 Die Regelung müsste demnach so gefasst werden, dass nicht von vornherein feststeht, welche Fälle von ihr umfasst werden. Bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums genießt der Gesetzgeber keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit. Er hat das in Art. 14 GG angelegte Spannungsverhältnis zwischen Bestandsgarantie und Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu einem interessengerechten Ausgleich zu bringen.19 Zu beachten ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Einschränkungen des Eigentums dürfen nicht zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer unzumutbar treffen.20 Problematisch an einer Regelung, die den Bauherren „heranrückender “ Wohnbebauung verpflichtet, die Kosten der nach § 22 BImSchG erforderlichen Immissionsschutzmaßnahmen zu tragen, könnte sein, dass die Immissionen nicht von seiner Anlage ausgehen. Vielmehr muss der Bauherr für Kosten aufkommen, die dadurch erforderlich werden, dass von der Anlage eines anderen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen. Unverhältnismäßig könnte eine Regelung sein, die eine pauschale Verpflichtung des Bauherrn zur Kostenübernahme enthält. Da es sich bei den in § 22 BImSchG vorgesehenen Pflichten um dynamisch angelegte Grundpflichten handelt,21 hätte der Bauherr auch Kosten für die Maßnahmen zu tragen, die dadurch erforderlich werden, dass die Lärmimmissionen zunehmen. Dies könnte eine unzumutbare Belastung des Eigentümers und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darstellen. Zudem darf die Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht gegen andere Grundgesetzbestimmungen , wie beispielsweise den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, verstoßen. Eine verfassungswidrige Beschränkung der Eigentumsfreiheit kann sich daraus ergeben, dass die Beschränkung einer eigentumsrechtlichen Position mit dem Gleichheitssatz unvereinbar ist.22 Bei einer Beschränkung 15 BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1968 – 1 BvR 638/64 –, BVerfGE 24, 367, 396 im Hinblick auf Enteignungsgesetze . 16 Axer, in: Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz (BeckOK GG), hrsg. von Epping/Hillgruber, 37. Edition, 15. November 2017, Art. 14 GG Rn. 83 m.w.N. 17 Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 GG, Rn. 338 m.w.N. 18 BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1959 – 1 BvL 10/55 –, BVerfGE 10, 234, 242; Urteil vom 29. November 1961 – 1 BvR 148/57 –, BVerfGE 13, 225, 229. 19 BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, BVerfGE 115, 97, 114. 20 BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 1 BvR 564/95 –, BVerfGE 110, 1, 28. 21 Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, NVwZ 2013, 372, 374. 22 BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 – 1 BvR 2821/11, 1 BvR 1456/12, 1 BvR 321/12 –, juris Rn. 349 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 8 der Regelung auf die Fälle, in denen Wohnbebauung an Musikspielstätten „heranrückt“, könnte problematisch sein, dass Eigentümer der Grundstücke, die in der Nähe von Musikspielstätten liegen , schlechter behandelt werden als Eigentümer anderer Grundstücke, die aber ebenfalls nach einem „Heranrücken“ schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt sind. 2.3. Zusammenfassung Auf der Ebene der Zulassung von Bauvorhaben besteht nach aktueller Rechtslage mit § 15 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 BauNVO eine Regelung, die dem Gedanken des „Agent of Change“-Prinzips entspricht . Nach Errichtung einer baulichen Anlage bestimmt sich die Frage, ob Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden müssen, nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Eine Ergänzung dieser Norm dahingehend , dass in den Fällen „heranrückender“ Wohnbebauung der Bauherr die Kosten der Maßnahmen zu tragen hat, die erforderlich sind, um schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern , erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, ist aber an Art. 14 GG zu messen. 3. Einbindung von „Stakeholdern“ im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens (Frage 2) 3.1. Beteiligung der Öffentlichkeit Die Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen des Bauleitplanverfahrens regelt § 3 Baugesetzbuch (BauGB)23. Die Öffentlichkeitsbeteiligung findet in zwei Phasen statt. Zunächst ist die Öffentlichkeit möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten ; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben (§ 3 Abs. 1 BauGB). Daran schließt sich die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB an. Diese beinhaltet die Auslegung des Bauleitplans sowie die Möglichkeit der Öffentlichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Beteiligungsberechtigt in dem Verfahren nach § 3 BauGB ist die Öffentlichkeit. Die Richtlinie 2001/42/EG,24 auf der § 3 BauGB beruht, definiert den Begriff der Öffentlichkeit nicht, sondern überlässt dies gemäß Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2001/42/EG den Mitgliedsstaaten. Der deutsche Gesetzgeber hat eine solche Definition nicht für erforderlich erachtet, geht aber davon aus, dass es sich bei der in § 3 BauGB vorgesehenen Beteiligung um eine umfassende handelt, die alle Teile der Bevölkerung einschließt.25 Auch die ganz herrschende Meinung in der Literatur ist der Auffassung, dass zur Öffentlichkeit jedermann, also jede natürliche und juristische Person, 23 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I, S. 3634), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/BJNR003410960.html [letzter Abruf 21. August 2018]. 24 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, Amtsblatt Nr. L 197 vom 21. Juli 2001, S. 0030-0037. 25 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17. Dezember 2003, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau), BT-Drs. 15/2250, S. 43. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 9 zählt.26 Ob eine Betroffenheit oder ein irgendwie geartetes Interesse an der Bauleitplanung erforderlich ist, wird nicht einheitlich beantwortet.27 Diese Problematik bedarf hier keiner Vertiefung, da die Fragestellung auf die Beteiligung von „Stakeholdern“ zielt, die begrifflich schon ein Interesse am Verlauf und Ausgang des Bebauungsplanverfahrens haben. Denn als „Stakeholder“ werden Personen oder Gruppen bezeichnet, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ausgang eines Prozesses haben. Eine Beschränkung auf die Bürger oder Einwohner einer Gemeinde im Sinne des Kommunalrechts findet nicht statt.28 Daher sind auch Mieter und Verbände nach § 3 BauGB zu beteiligen. 3.2. Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange Abzugrenzen von der Öffentlichkeitsbeteiligung ist die in § 4 BauGB geregelte Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann. Auch dieses Beteiligungsverfahren gliedert sich in zwei Phasen. In § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist entsprechend § 3 Abs. 1 Hs. 1 BauGB eine frühzeitige Beteiligung vorgesehen, an die sich gemäß § 4 Abs. 2 BauGB das förmliche Beteiligungsverfahren anschließt. Inhalt dieses förmlichen Verfahrens ist die Einholung von Stellungnahmen der Behörden und Träger öffentlicher Belange. Beteiligungsberechtigt sind Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann. Träger öffentlicher Belange sind solche Stellen, die öffentliche Belange wahrnehmen, ohne deshalb als öffentliche Verwaltung eingestuft werden zu können.29 Private Rechtsträger können nur Träger öffentlicher Belange sein, wenn ihnen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes die Wahrnehmung öffentlicher Belange übertragen wird.30 Nicht darunter fallen Vereinigungen, die sich freiwillig um die Verfolgung öffentlicher Interessen bemühen, wie beispielsweise Umweltschutzverbände.31 3.3. Verhältnis der Beteiligungsverfahren zueinander Beide Beteiligungsverfahren dienen der Sicherung einer gerechten Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB. Sie stehen gleichrangig nebeneinander. Diese Gleichrangigkeit im Hinblick auf 26 Jeweils m.w.N. Schink, in: Beck’scher Online-Kommentar Baugesetzbuch (BeckOK BauGB), hrsg. von Spannowsky/Uechtritz, 41. Edition, 1. Mai 2018, § 3 Rn. 18; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch Kommentar, 13. Auflage 2016, § 3 Rn. 6; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 3 BauGB Rn. 13a. 27 Dafür: Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 3 Rn. 6; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg /Krautzberger, § 3 BauGB Rn. 13a. Dagegen: Schink, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, § 3 Rn. 19. 28 Schink, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, § 3 Rn. 19; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 3 Rn. 6. 29 Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, § 4 Rn. 5. 30 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 4 Rn. 3. 31 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 4 Rn. 3; Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, § 4 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 10 die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials entspricht der im Abwägungsgebot zum Ausdruck kommenden prinzipiellen Gleichrangigkeit der gegen- und untereinander gerecht abzuwägenden öffentlichen und privaten Belange.32 Der wesentliche Unterschied zwischen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 BauGB und der Behördenbeteiligung nach § 4 BauGB besteht in der § 4 BauGB innewohnenden Koordinationsfunktion .33 Behörden und Träger öffentlicher Belange können – im Unterschied zu Privaten – kraft Hoheitsakt für die planende Gemeinde verbindliche Regelungen treffen. Um dadurch entstehenden Planungskonflikten entgegenzuwirken, sollen die Behörden und Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BauGB möglichst frühzeitig über von ihnen beabsichtigte oder bereits eingeleitete Planungen Aufschluss geben. 3.4. Zusammenfassung Es lässt sich festhalten, dass sogenannte „Stakeholder“ im Rahmen eines Bauleitplanverfahrens – und damit auch im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens – nach § 3 BauGB beteiligt werden. Eine Beteiligung nach § 4 BauGB ist nicht möglich, hätte aber auch keinen nennenswerten Vorteil . Denn der wesentliche Unterschied der beiden Verfahren liegt in der Koordinationsfunktion des § 4 BauGB und nicht in der Art der Beteiligung. 4. Musikspielstätten und Lärmschutz (Fragen 3 und 4) 4.1. Einordnung von Musikspielstätten in die Nutzungsarten der BauNVO 4.1.1. Darstellung der Rechtslage Ausgehend von dem gewerberechtlichen Gewerbebegriff ist ein Gewerbe im Sinne der Baunutzungsverordnung jede nicht generell verbotene, selbstständige, auf Dauer angelegte und auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe und bloße Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens.34 Unter Betrieb im bauplanungsrechtlichen Sinne ist die organisatorische Zusammenfassung von Betriebsanlagen und Betriebsmitteln auf einer bestimmten Betriebsfläche zu verstehen.35 Eine Sonderform der Gewerbebetriebe sind Vergnügungsstätten , deren Zulässigkeit gesondert von der Zulässigkeit von Gewerbebetrieben geregelt ist. Eine Definition des Begriffs Vergnügungsstätte hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum sind Vergnügungsstätten eine besondere 32 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 4 Rn. 2. 33 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 4 Rn. 2. 34 BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1993 – 1 C 25/91 –, NVwZ 1993, 775. 35 BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2011 – 4 C 9/10 –, NVwZ 2011, 884, 885. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 11 Art von Gewerbebetrieben, bei denen die kommerzielle Unterhaltung von Besuchern und Kunden im Vordergrund steht.36 Wesentlich ist, dass nach der Systematik der Baunutzungsverordnung eine Vergnügungsstätte nach Vorstellung des Gesetzgebers regelmäßig mit städtebaulich nachteiligen Auswirkungen verbunden ist. Maßgeblich sind deshalb nicht die Definitionen des Vergnügungssteuerrechts, sondern typische städtebaulich relevante Folgewirkungen, wie etwa der Lärm, der von der Nutzung des betroffenen Gebäudes selbst ausgeht, sowie derjenige, der im zeitlichen Zusammenhang mit der An- und Abfahrt der Besucher oder Teilnehmer entsteht.37 Keine Vergnügungsstätten sind Anlagen für kulturelle Zwecke. Dabei handelt es sich neben selbstständigen Anlagen aus den traditionellen Bereichen Kunst, Wissenschaft, Bildung und Kultur um alle Anlagen, die in einem weiten Sinne einen kulturellen Bezug aufweisen, wie beispielsweise Theater- oder Opernhäuser, Konzerthallen und Museen.38 Das Bundesverwaltungsgericht musste sich bislang noch nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob und unter welchen Voraussetzungen Musikspielstätten als Anlagen für kulturelle Zwecke oder als Vergnügungsstätten einzuordnen sind. Andere Gerichte haben beispielsweise Schankund Speisewirtschaften mit regelmäßigen Musikdarbietungen und überörtlichem Einzugsbereich 39, Diskotheken40, diskothekenähnliche Betriebe41 und Veranstaltungshallen für Veranstaltungen aller Art (auch Rock-Konzerte oder Diskoveranstaltungen)42 als Vergnügungsstätten angesehen . Hingegen wurde ein Vereinsheim eines Gesangvereins als Anlage für kulturelle Zwecke und nicht als Vergnügungsstätte eingestuft, obwohl es vereinzelt zur Durchführung öffentlich zugänglicher Livemusik-Veranstaltungen genutzt wird.43 36 Hornmann, in: Beck’scher Online-Kommentar Baunutzungsverordnung (BeckOK BauNVO), hrsg. von Spannowsky/Hornmann/Kämper, 14. Edition, 15. Juni 2018, § 6 Rn. 70; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg /Krautzberger, § 6 BauNVO Rn. 42; Hessischer Verwaltungsgerichtshof (HessVGH), Beschluss vom 19. September 2006 – 3 TG 2161/06 –, NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht (NVwZ-RR) 2007, 81; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 27. Februar 2017 – 15 CS 16.2253 –, juris Rn. 26. 37 BVerwG, Beschluss vom 20. November 2006 – 4 B 56/06 –, juris Rn. 6; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 15. April 2011 – 7 B 1263/10 –, juris Rn. 16 ; VG Karlsruhe, Urteil vom 11. August 2010 – 5 K 3274/09 –, juris Rn. 31ff; Verwaltungsgericht (VG) Freiburg, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – 4 K 3011/16 –, juris Rn. 10. 38 BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2012 – 4 C 14.10 –, Kommunaljurist (KommJur) 2012, 192, 193; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG RP), Beschluss vom 19. Juni 2007 – 1 B 10451/07 –, juris Rn. 4; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 4 BauNVO Rn. 86. 39 OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 1992 – 4 A 2033/90 –, juris Rn. 65. 40 HessVGH, Beschluss vom 25. April 1983 – 4 TH 12/83 –, NVwZ 1983, 687; OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2007 – 10 B 1923/07 –, juris. 41 VG Freiburg, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – 4 K 3011/16 –, juris. 42 OVG NRW, Beschluss vom 15. April 2011 – 7 B 1263/10 –, juris. 43 OVG RP, Urteil vom 16. April 2003 – 8 A 11903/02 –, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 12 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist für die Einstufung einer Musikspielstätte als Vergnügungsstätte maßgeblich, ob die Nutzung ihrer Art nach geeignet ist, wesentlich zu stören oder ob dies typischerweise nicht der Fall ist. Hilfreiches Zuordnungskriterium kann sein, ob die Vergnügungsstätte als zentraler Dienstleistungsbetrieb in dem Unterhaltungssektor für ein größeres und allgemeines Publikum aus einem größeren Einzugsbereich erreichbar ist oder erreichbar sein soll.44 4.1.2. Möglichkeiten zur Lösung des Zuordnungsproblems Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu differenzieren. Reine Musikspielstätten, also Orte, an denen ausschließlich Musikdarbietungen erfolgen, könnten als Anlagen für kulturelle Zwecke einzuordnen sein. Gerichtliche Entscheidungen hierzu sind zwar bislang nicht ergangen. Es erscheint aber zumindest zweifelhaft, ob für reine Musikspielstätten etwas anderes gelten kann wie für Opern- und Konzerthäuser, die unstreitig einem kulturellen Zweck dienen. Insbesondere ist fraglich, ob das Musikgenre dafür entscheidend sein kann, ob eine Anlage kulturellen Zwecken oder der kommerziellen Unterhaltung der Besucher dient. Andere Einrichtungen hingegen, in denen nicht ausschließlich Musikveranstaltungen stattfinden, sind als Vergnügungsstätten zu qualifizieren. Eine Regelung, die diese Einrichtungen – unabhängig von Größe und Störungspotential – nicht mehr als Vergnügungsstätten einordnet, würde dem Anliegen des Verordnungsgebers, von Vergnügungsstätten ausgehende, nachteilige Auswirkungen auf die Wohnbevölkerung zu berücksichtigen, widersprechen. Vergnügungsstätten sind lediglich in Mischgebieten nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO und in Kerngebieten nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig. In den anderen Baugebieten sind sie nur ausnahmsweise beziehungsweise nicht vorgesehen. Insbesondere sind Vergnügungsstätten in Kleinsiedlungsgebieten nach § 2 BauNVO, in reinen Wohngebieten nach § 3 BauNVO und in allgemeinen Wohngebieten nach § 4 BauNVO nicht zulässig. Hintergrund dieser Regelung ist ausweislich der Begründung des Verordnungsgebers das Anliegen, städtebaulich nachteilige Auswirkungen , die von Vergnügungsstätten ausgehen können, zu erfassen. Insbesondere sollen nachteilige Auswirkungen auf die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung sowie andere sensible Nutzungen berücksichtigt werden.45 Nicht herangezogen werden können die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 1983.46 Die dort geäußerte Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine Vergnügungsstätte unter besonderen Voraussetzungen als „sonstiger Gewerbebetrieb“ im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO zulässig sein beziehungsweise unter den Begriff „Gewerbebetrieb aller Art“ im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO fallen kann, hat sich mit der Änderung der BauNVO im 44 OVG NRW, Beschluss vom 15. April 2011 – 7 B 1263/10 –, juris Rn. 17. 45 Verordnung des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 13. Juni 1989, Vierte Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung, BR-Drs. 354/89, S. 32. 46 BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 – 4 C 64/79 – Baurechtssammlung (BRS) 40, Nr. 45; BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 – 4 C 21/83 – BRS 40, Nr. 42. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 13 Jahre 199047 erledigt. Seitdem wird in der BauNVO „Vergnügungsstätte“ als eigenständiger Nutzungsbegriff verwendet. Vergnügungsstätten können daher nicht mehr den „sonstigen Gewerbebetrieben “ im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO beziehungsweise den „Gewerbebetrieben aller Art“ im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zugeordnet werden.48 Denkbar wäre eine Regelung, die der für Ferienwohnungen geltenden Regelung des § 13a BauNVO entspricht. § 13a Satz 1 BauNVO bestimmt, dass Ferienwohnungen in der Regel zu den nicht störenden Gewerbebetrieben gehören. Eine entsprechende Regelung für Musikspielstätten hätte gegenüber der Einordnung als Vergnügungsstätten den Vorteil, dass Musikspielstätten auch in Kleinsiedlungsgebieten, reinen und allgemeinen Wohngebieten zumindest ausnahmsweise zulässig wären. Allerdings ist auch hier zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Einführung und Ausgestaltung gesetzlicher Regelungen ein weiter Spielraum zukommt, dem durch die einschlägigen Vorgaben des Grundgesetzes und die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Grenzen gezogen sind. 4.1.3. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass reine Musikspielstätten möglicherweise als Anlagen für kulturelle Zwecke einzuordnen sind. Andere Einrichtungen, in denen nicht ausschließlich Musikveranstaltungen stattfinden, sind hingegen als Vergnügungsstätten zu qualifizieren. Für diese wäre – unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums - eine dem § 13a BauNVO entsprechende Regelung denkbar. 4.2. Privilegierung von Musikspielstätten hinsichtlich Lärmemissionen Wie bereits erörtert, besteht nach § 22 Abs. 1 BImSchG die Verpflichtung des Anlagenbetreibers, Anlagen so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden. Zur Beurteilung der Frage, wann es sich um schädliche Umwelteinwirkungen handelt, sind zunächst die für die betroffene Anlagenart geltenden Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften heranzuziehen . Es stellt sich die Frage, welche Vorschriften für Lärmemissionen, die von Musikspielstätten ausgehen, Anwendung finden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die folgenden Ausführungen nur Lärmemissionen betreffen, die anlagenbezogen sind und nicht solche, die verhaltensbezogen sind. Denn die Bekämpfung verhaltensbezogenen Lärms fällt in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers , Art. 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 24 GG. Innerhalb des Anwendungsbereichs des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wurde zur Bestimmung der einschlägigen Lärmgrenzen aufgrund von § 48 Abs. 1 BImSchG die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz 47 Verordnung des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 13. Juni 1989, Vierte Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung (BGBl. I S. 127). 48 Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 8. Januar 2014 – 2 A 437/13 –, juris Rn. 16; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 8 BauNVO Rn. 46; Mampel/Schmidt-Bleker, in: Spannowsky/Hornmann /Kämper, BeckOK BauNVO, § 8 Rn. 230. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 14 gegen Lärm - TA Lärm)49 erlassen. Die TA Lärm ist nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung eine sogenannte normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift.50 In dieser Funktion entfaltet sie innerhalb ihres unmittelbaren Anwendungsbereichs sowohl gegenüber den zuständigen Verwaltungsbehörden als auch gegenüber den Gerichten eine Bindungswirkung. Die Richtwerte, die die TA Lärm festlegt, gelten grundsätzlich für alle genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne des zweiten Teils des BImSchG mit Ausnahme der in Nr. 1 TA Lärm aufgezählten Anlagen. Nach Nr. 1b TA Lärm ist der Anwendungsbereich unter anderem für nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlagen nicht eröffnet. Für diese sind die vorhandenen geeigneten Erkenntnisquellen heranzuziehen. Als eine solche kommt insbesondere die sogenannte „Freizeitlärm-Richtlinie“51 in Betracht.52 Allerdings darf diese nicht schematisch angewendet werden, da es sich nicht um ein verbindliches Regelwerk, sondern lediglich um eine Entscheidungshilfe handelt.53 Der Begriff der „Freizeitanlage“ wird in der TA Lärm nicht definiert. Da aber dem Vorschriftengeber die „Freizeitlärm-Richtlinie“ bekannt war, liegt es nahe, von einem einheitlichen Freizeitanlagenbegriff auszugehen.54 Nach Nr. 1 der Freizeitlärm-Richtlinie sind Freizeitanlagen Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 oder 3 BImSchG, die dazu bestimmt sind von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden. Nr. 1 der Freizeitlärm-Richtlinie enthält eine nicht abschließende Aufzählung verschiedener Anlagen, die als Freizeitanlagen zu qualifizieren sind. Insbesondere fallen darunter Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Diskothekenveranstaltungen , Livemusik-Darbietungen, Rockmusik-Darbietungen, Platzkonzerte, regelmäßige Feuerwerke , Volksfeste o. a. stattfinden. Fraglich ist, ob damit jegliche Musikspielstätten von dem Anwendungsbereich der Freizeitlärm-Richtlinie umfasst werden. Die Tatsache, dass die Aufzählung hinsichtlich Musikdarbietungen darauf abstellt, dass diese im Freien oder in Zelten stattfinden , lässt nicht den Schluss zu, dass Musikspielstätten, bei denen die Musikveranstaltung innerhalb eines Gebäudes stattfindet, von dem Anwendungsbereich der Freizeitlärm-Richtlinie ausgenommen sind. Denn aus der Formulierung „insbesondere“ wird deutlich, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Zudem zeigt der Verweis auf § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, dass auch Gebäude Freizeitanlagen im Sinne der Freizeitlärm-Richtlinie sein können. Nicht zu den Freizeitanlagen gehören Gaststätten (Nr. 1 Satz 5 Freizeitlärm-Richtlinie). Zudem ist zu beachten, dass nach 49 Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503), abrufbar unter: http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_26081998_IG19980826.htm [letzter Abruf 21. August 2018]. 50 BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 1995 – 7 B 112/94 –, juris Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 24. Oktober 2003 – 21 A 2723/01 –, juris Rn. 5. 51 Freizeitlärmrichtlinie der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 6. März 2015. 52 BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360, 3361. 53 BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16/00 –, NVwZ 2001, 1167, 1169. 54 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Besonderer Teil, 85. Ergänzungslieferung (2017), TA Lärm Nr. 1.1, Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 15 Nr. 1 Satz 7 Freizeitlärm-Richtlinie der Anwendungsbereich nicht für durch menschliches Verhalten hervorgerufene, dem Anlagenbetrieb nicht zurechenbare Geräuschereignisse eröffnet ist. Eine bundeseinheitliche „Kulturlärmschutzverordnung“ existiert nicht. Lediglich im Freistaat Thüringen gelten das Landeskulturgesetz55 sowie die vierte Durchführungsverordnung zum Landeskulturgesetz 56 teilweise als Landesrecht fort. Da aber das BImSchG hinsichtlich anlagenbezogener Immissionen eine abschließende Regelung darstellt, gelten die genannten landesrechtlichen Vorschriften nur für verhaltensbezogenen Lärm und sind daher für Lärmemissionen, die von Musikspielstätten als Anlagen ausgehen, nicht relevant. 4.3. Reichweite der Privilegierung von Kinderlärm im Sinne des § 22 Abs. 1a BImSchG Nach § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG sind Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen , Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Damit hat der Gesetzgeber normiert, dass die von wohnortnah gelegenen Spielplätzen ausgehenden Lärmeinwirkungen regelmäßig als ortsübliche , sozialadäquate Lebensäußerungen der Kinder hinzunehmen sind.57 Zum Umfang dieser Lärmeinwirkungen, die als ortsüblich anzusehen sind, heißt es in der Gesetzesbegründung: „Darunter fallen zunächst alle Geräuscheinwirkungen durch kindliche Laute wie Sprechen und Singen, Lachen und Weinen, Rufen und Schreien und Kreischen. Aber auch Geräuscheinwirkungen durch körperliche Aktivitäten wie Spielen, Laufen, Springen und Tanzen gehören hierzu, selbst wenn vielfach die eigentliche Geräuschquelle in kindgerechten Spielzeugen, Spielbällen und Spielgeräten sowie Musikinstrumenten liegt. Dies gilt auch für Geräuscheinwirkungen durch Sprechen und Rufen von Betreuerinnen und Betreuern , da diese Laute unmittelbar durch die Kinder und ihre Betreuung bedingt sind.“58 Nicht von der Privilegierung erfasst sind Geräusche, die von nicht ordnungsgemäß errichteten und gewarteten Einrichtungsgegenständen ausgehen oder nach dem Stand der Technik vermeidbar sind.59 Als ortsüblich sind demzufolge alle Lärmeinwirkungen einzustufen, die einen Bezug zu dem Verhalten und der Betreuung von Kindern aufweisen. 55 Gesetz über die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der DDR vom 14. Mai 1970 (GBl DDR I Nr. 12, S. 67 in der Fassung vom 2. Oktober 1998 (GVBl 1998, S. 336). 56 Vierte Durchführungsverordnung zum Landeskulturgesetz – Schutz vor Lärm – vom 14. Mai 1970 (GBl II 343) in der Fassung vom 2. Oktober 1998 (GVBl 1998, S. 336). 57 Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. März 2012 – 10 S 2428/11 –, NVwZ 2012, 837, 839. 58 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 4. März 2011, Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des bundes -Immissionsschutzgesetzes – Privilegierung des von Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen ausgehenden Kinderlärms, BR-Drs. 128/11, S. 6. 59 BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2013 – 7 B 1/13 –, juris Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 178/18 Seite 16 5. Zusammenfassung Zur Beantwortung der ersten Frage ist abschließend festzuhalten, dass auf der Ebene der Zulassung von Bauvorhaben mit § 15 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 BauNVO eine Regelung besteht, die dem Gedanken des „Agent of Change“-Prinzips entspricht. Nach Errichtung einer baulichen Anlage bestimmt sich die Frage, ob Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden müssen, nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Eine Ergänzung dieser Norm dahingehend, dass in den Fällen „heranrückender“ Wohnbebauung der Bauherr die Kosten der Maßnahmen zu tragen hat, die erforderlich sind, um schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, ist aber an Art. 14 GG zu messen. Frage 2 ist dahingehend zu beantworten, dass sogenannte „Stakeholder“ im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens nach § 3 BauGB beteiligt werden. Eine Beteiligung nach § 4 BauGB ist nicht möglich, hätte aber auch keinen nennenswerten Vorteil. Denn der wesentliche Unterschied der beiden Verfahren liegt in der Koordinationsfunktion des § 4 BauGB und nicht in der Art der Beteiligung . Hinsichtlich Fragen 3 und 4 ist festzustellen, dass reine Musikspielstätten möglicherweise als Anlagen für kulturelle Zwecke einzuordnen sind. Andere Einrichtungen hingegen, in denen nicht ausschließlich Musikveranstaltungen stattfinden, sind als Vergnügungsstätten zu qualifizieren . Für diese wäre eine § 13a BauNVO entsprechende Regelung denkbar. Musikspielstätten können grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Freizeitlärm-Richtlinie fallen. Die TA Lärm ist auf Musikspielstätten grundsätzlich nicht anwendbar. Die Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG umfasst alle Lärmeinwirkungen, die einen Bezug zu dem Verhalten und der Betreuung von Kindern aufweisen. ***