Deutscher Bundestag „Dritter Korb“ der Urheberrechtsreform Vorschläge aus Legislative, Exekutive, Wissenschaft und Praxis Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 7 – 3000 – 178/09 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 2 „Dritter Korb“ der Urheberrechtsreform Vorschläge aus Legislative, Exekutive, Wissenschaft und Praxis Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 178/09 Abschluss der Arbeit: 18. Dezember 2009 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Vorschläge aus dem legislativen Raum 5 2.1. Entschließung des Bundestages in der 16. Wahlperiode 5 2.2. Weitere Vorschläge von Ausschüssen und Fraktionen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Zweiten Korb 6 2.3. Der Bundesrat 8 3. Prüfungspunkte des Bundesministeriums der Justiz 9 4. Wissenschaft 10 4.1. Verstärkter Schutz von Urheber und Nutzer, nicht der Rechteverwerter 10 4.2. Stärkung oder Begrenzung des Rechts auf Privatkopie? 11 5. Praxis 12 5.1. Verwaiste Werke 13 5.2. Wissenschaftsschranke 13 5.3. Gesetzliche Regelung der Bildersuche im Internet 14 5.4. Beibehaltung des vorhandenen urheberrechtlichen Instrumentariums 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 4 1. Einführung Der sog. Zweite Korb der Reform des Urheberrechtsgesetzes1 ist im Januar 2008 in Kraft getreten .2 Bei der Verabschiedung hatten der 16. Bundestag und der Bundesrat die Bundesregierung beauftragt, den weiteren Reformbedarf für ein Drittes Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft zu prüfen.3 Ein sog. Dritter Korb zur Novellierung des Urheberrechts ist zudem im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP ausdrücklich als Ziel der Bundesregierung in der 17. Wahlperiode vereinbart worden.4 Ziel ist nach dem Koalitionsvertrag die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus und eine wirksame Durchsetzbarkeit des Urheberrechts . Deshalb sollen bessere und wirksame Instrumente zur konsequenten Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet geschaffen werden. Die Möglichkeit der Selbstregulierung unter Beteiligung von Rechteinhabern und Internetprovidern soll gefördert und Verlage sollen durch ein eigenes Leistungsschutzrecht mit anderen Werkvermittlern gleich gestellt werden. Auf europäischer Ebene strebt die Koalition die Schaffung eines EU-weit einheitlichen Wahrnehmungsrechtes an. 1 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), zuletzt geändert durch Art. 83 Gesetz vom 17. Dezember 2008, BGBl. I 2008, 2586. 2 Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007, BGBl. I 2007, 2513. 3 BT-Drucksache 16/5939 vom 4. Juli 2007, S. 3 f. 4 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, 17. Legislaturperiode, S. 103 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 5 2. Vorschläge aus dem legislativen Raum 2.1. Entschließung des Bundestages in der 16. Wahlperiode Der 16. Deutsche Bundestag forderte bereits zeitgleich mit Verabschiedung der Zweiten Novelle des Urheberrechts5 das Bundesministerium der Justiz auf, weiter unbeantwortete Fragen des Urheberrechts auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechende Lösungsvorschläge zu unterbreiten.6 In der Entschließung sind folgende konkrete Punkte genannt: Prüfung einer Begrenzung der Privatkopie auf Kopien nur vom Original und des Verbots der Herstellung einer Kopie durch Dritte sowie Prüfung eines gesetzlichen Verbots sogenannter intelligenter Aufnahmesoftware, mit der gezielt Musiktitel automatisiert aus dem Webradioangebot herausgefiltert und aufgenommen werden können (§ 53 UrhG); Prüfung eines Zweitverwertungsrechts für Urheber von wissenschaftlichen Beiträgen, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind (§ 38 UrhG); Überprüfung der bestehenden Regelungen der Kabelweitersendung (§ 20b UrhG) insbesondere im Hinblick auf etwaigen Änderungsbedarf wegen einer technologieneutralen Ausgestaltung angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung (z. B. Internet -TV), im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Kabelweitersendung und im Hinblick auf die Vergütung nach § 20b Abs. 2 UrhG; Prüfung einer Regelung des Handels mit gebrauchter Software im Urheberrechtsgesetz; Überprüfung der bestehenden Regelung hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung (§ 52a i. V. m. § 137k UrhG) und 5 Beschluss des Bundestages in seiner 108. Sitzung am 5. Juli 2007, BT-Drucksache 16/5939 vom 4. Juli 2007. 6 BT-Drs. 16/5939 (Fn. 3), S. 3 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 6 Prüfung hinsichtlich einer Widerrufsmöglichkeit von Filmurhebern bei unbekannten Nutzungsarten. 2.2. Weitere Vorschläge von Ausschüssen und Fraktionen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Zweiten Korb Die Vorschläge in der Entschließung ergingen auf Empfehlung des Rechtsausschusses, der fünf Anhörungen zur Urheberrechtsreform durchgeführt und in seinem Abschlussbericht auch die Stellungnahmen mitberatender Ausschüsse berücksichtigt hatte. Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Forschung hatte sich ebenfalls dafür ausgesprochen, in einem Dritten Korb besonders die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung zu berücksichtigten. Neben den bereits in der Entschließung berücksichtigten Vorschlägen empfahl der Ausschuss die Prüfung weiterer Punkte im Gesetzgebungsverfahren:7 – die Festschreibung eines Prinzips eines freien und für die Nutzer im Regelfall kostenlosen Zugangs zu mit öffentlichen Mitteln produziertem Wissen (Open Access); – die Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen auch in Bildungseinrichtungen ; – die Überprüfung der öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung (§ 52a UrhG) hinsichtlich bestehender Rechtsunsicherheiten sowie der geltenden Bereichsausnahmen und die ersatzlose Streichung der Befristung der Regelung. Die Fraktionen der damaligen Opposition hatten im Gesetzgebungsverfahren mehrere abgelehnte Änderungsanträge eingebracht, die teils identische, teils abweichende Vorschläge enthielten.8 Soweit die Erarbeitung eines Dritten Korbes gefordert wurde, orientierten sich die Fraktionen 7 BT-Drs. 16/5939 (Fn. 3), S. 25 f. 8 Im Folgenden werden nur noch die Vorschläge erwähnt, die nicht bereits genannt wurden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 7 inhaltlich auch an den Vorschlägen, die im Gesetzgebungsverfahren zum Zweiten Korb keine Mehrheit gefunden hatten. So forderte die FDP insbesondere:9 – die Entwicklung hin auf individuelle Vereinbarungen bei Privatkopien statt einer Pauschalabgabe auf Geräte (§ 54 UrhG); – Ausnahmebestimmungen für Hoteliers, die nach der geltenden Rechtslage als Kabelweitersender i.S.d. §§ 20, 20b UrhG gelten; – die Prüfung einer weiteren Begrenzung der Privatkopie (§ 53 UrhG); – eine erneute Prüfung der Einbeziehung von Sendeunternehmen in den Kreis der Anspruchsberechtigten nach §§ 54 ff. UrhG und eine kritische Überprüfung der bisherigen ablehnenden Auffassung der Bundesregierung im Lichte der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben . Diese Forderungen der FDP haben teilweise wesentlich unbestimmter auch Eingang in den Koalitionsvertrag (s.o.) gefunden. Deutlich andere Schwerpunkte setzte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die sich damit ebenfalls nicht durchsetzen konnte. Sie verlangte von der Bundesregierung die Prüfung folgender Punkte:10 – Verzicht auf ein Verbot intelligenter Aufnahmesoftware ebenso wie auch auf eine weitere Begrenzung der Privatkopie; – die Verletzung von Urheberrechten unterhalb der Bagatellgrenze tatbestandsausschließend nicht strafrechtlich zu verfolgen; – die digitale Privatkopie durchsetzungsstark auszugestalten und der analogen Privatkopie gleichzustellen; 9 BT-Drs. 16/5939 (Fn. 3), S. 29 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 8 – allen öffentlich zugänglichen Bildungseinrichtungen die Einrichtung von elektronischen Leseplätzen in flexibler Anzahl zu ermöglichen; – das Verlagsprivileg beim elektronischen Kopienversanddienst zu streichen; – die Urheber eines Filmwerks den anderen Urhebern gleichzustellen. 2.3. Der Bundesrat Der Bundesrat verabschiedete mit seiner Zustimmung11 zum Zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle eine Entschließung,12 die sich inhaltlich mit den Prüfungspunkten der Entschließung des Bundestages weitgehend überschneidet: Prüfung von Besonderheiten bei Open Access- und Open Source-Verwertungsmodellen; Rechtsrahmen für ein Zweitveröffentlichungsrecht öffentlich finanzierter Urheber von wissenschaftlichen Beiträgen; öffentliche Zugänglichmachung von Werken für Unterricht und Forschung und Ermöglichung der Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen auch in Bildungseinrichtungen und die elektronische Versendung von Fachartikeln durch Bibliotheken. 10 BT-Drs. 16/5939 (Fn. 3), S. 33 ff. Weitergehend noch die Vorschläge der Fraktion DIE LINKE., auf die hier mangels Durchsetzungschancen in einem zukünftigen Gesetzgebungsverfahren nur am Rand verwiesen wird (BT-Drs. 16/5939 [Fn. 3], S. 36 ff.). 11 „Zustimmung“ ist nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Staatsorganisationsrechtlich hat der Bundesrat kein Vermittlungsverfahren nach Art. 77 Abs. 2 Grundgesetz verlangt und somit keinen Einspruch eingelegt. 12 BR-Drs. 582/1/07 vom 10. September 2007, S. 3 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 9 3. Prüfungspunkte des Bundesministeriums der Justiz Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat Anfang 2009 mit den Vorarbeiten für eine dritte Urheberrechtsnovelle begonnen. Mit einem Fragenkatalog13 wurden Interessengruppen um Stellungnahme zu Fragen gebeten, die aus Sicht der damaligen Bundesregierung für eine Reform in Betracht kamen. Dabei hat das BMJ vorrangig die Prüfungspunkte des Deutschen Bundestages und des Bundesrates berücksichtigt, zudem aber auch Vorschläge, die sich aus dem Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“14 und der rechtspolitischen Debatte auf EU-Ebene ergeben haben. Die vom BMJ als relevant erachteten Fragen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Beschränkung der Privatkopie auf Vervielfältigungen vom Original? Verbot der Anfertigung der Privatkopie durch Dritte sowie Verbot intelligenter Aufnahmesoftware, die automatisiert Musiktitel aus dem Webradio filtert? Anpassung der Höhe von Pauschalvergütungen an die vorgeschlagenen Neuerungen? Zweitverwertungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen Beiträgen, die überwiegend bei öffentlich finanzierter Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind? Oder stattdessen Zwangslizenz zu Gunsten der Allgemeinheit nach beispielsweise sechs Monaten ab Erscheinen eines solchen Beitrags? Regelungen zur Förderung von Open Access- und Open Source-Verwertungsmodellen? Vorschriften zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts bei Software, die per Download oder durch eine Masterkopie mit mehreren Lizenzen erworben wird? 13 Siehe Anhang 1. 14 BT-Drucksache 16/7000 vom 11. Dezember 2007, S. 267 ff. (285). Die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission beziehen sich größtenteils auf den rechtlichen Rahmen der Verwertungsgesellschaften, über die Kulturschaffende in der Regel ihre Einnahmen für die Einräumung von Nutzungsrechten beziehen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 10 Gesetzliche Freigabe des elektronischen Kopienversands durch Bibliotheken auch zu anderen Zwecken als für Unterricht und Forschung? Regelung des Umgangs mit verwaisten Werken, deren Urheber oder Rechtsinhaber entweder unbekannt oder nicht auffindbar ist? Im Bereich der Überlegungen des BMJ lagen auch pauschale Vergütungsmodelle für in Anspruch genommene Schranken des Urheberrechts (sog. Content- oder Kulturflatrate), ohne dass hierzu konkrete Umsetzungsvorschläge vorgelegt worden wären. Die angefragten Organisationen nahmen bis 15. Juni 2009 zu den von der Bundesregierung angebotenen Themen Stellung.15 Sie konnten auch weitere Themenvorschläge einreichen. Das BMJ wollte die Eingaben auswerten und entscheiden, ob und mit welchem Inhalt ein Referentenentwurf vorgelegt werden soll. Dieser Referentenentwurf liegt bis dato nicht vor. 4. Wissenschaft Konkrete rechtspolitische Vorschläge finden sich in der juristischen Literatur kaum.16 Vielmehr liegt der Schwerpunkt der rechtswissenschaftlichen Kommentierung auf der Bewertung und Einordnung der beiden ersten Körbe der Novellierung. 4.1. Verstärkter Schutz von Urheber und Nutzer, nicht der Rechteverwerter So wird beispielsweise kritisiert, die ersten Novellen hätten zu sehr den Verwerter der Nutzungsrechte (zumeist Verlage und Unterhaltungsindustrie) und nicht den kreativ tätigen Urheber 15 Siehe Anlagen 2 bis 5. 16 Ein Vorschlag de lege ferenda findet sich bei Pflüger/Ertmann: E-Publishing und Open Access – Konsequenzen für das Urheberrecht im Hochschulbereich ZUM 2004, 436. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 11 im Blick gehabt.17 Bereits nach Verabschiedung des Ersten Korbes wurde festgestellt, dass die Novelle zu einseitig die Verwerter begünstigt hätte. Da durch die technischen Möglichkeiten der Zugang zu digitalen Informationen effektiv kontrolliert werden könne, seien die Urheber sowie die Nutzer wieder stärker auf die Hilfe des Gesetzgebers angewiesen.18 Die Reformen seien einseitig auf die Interessen der (außereuropäischen) Unterhaltungsindustrie zugeschnitten, während die Bedürfnisse des wissenschaftlichen Urhebers verfehlt würden. Der Zugang zu Informationen – Voraussetzung einer auf Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgerichteten Gesellschaft und Wirtschaft – werde erschwert und die Arbeit von Wissenschaftlern behindert bis unmöglich gemacht .19 Die Vorschläge des Bundestages wie der Reformbedarf im Bereich der Kabelweiterleitung werden deshalb zwar als durchaus notwendig erachtet,20 die Priorität in der Diskussion solle jedoch stattdessen anderen Bereichen wie dem Schutz des schöpferischen Urhebers zukommen .21 4.2. Stärkung oder Begrenzung des Rechts auf Privatkopie? Die Beschränkungen des Rechts der Privatkopie bei Datenträgern mit Kopierschutz sowie die Strafbarkeit unerlaubter Nutzungsarten auch im Bagatellbereich werden teilweise ebenso kritisch gesehen,22 wie die Praxis der zivilrechtlichen Rechtsverfolgung nach Verstößen gegen Urheberrecht durch die Unternehmen in diesem Bereich. In diesem Zusammenhang wird gesetzgeberi- 17 Vgl. Becker: Das Urheberrecht vor einem 3. Korb: Ausgewählte Handlungsfelder, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) 2008, 361 (362). 18 Stickelbrock: Die Zukunft der Privatkopie im digitalen Zeitalter, GRUR 2004, 736 (743). 19 Hilty: Das Urheberrecht und der Wissenschaftler, GRUR Int 2006, 179. 20 Vgl. hierzu Niederalt: Das Urheberrecht vor einem 3. Korb: Ausgewählte Handlungsfelder, Diskussionsbericht zu der gleich lautenden Arbeitssitzung des Instituts für Urheber- und Medienrecht am 7. März 2008, ZUM 2008, 397 f. 21 Vgl. Becker (Fn. 17), 362. 22 Vgl. Czychowski: „Wenn der dritte Korb aufgemacht wird …“ – Das zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, GRUR 2008, 586 (589). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 12 sches Handeln gefordert, weil derzeit das Abmahnunwesen und Bereiche der Beweissicherung nicht ausreichend gesetzlich begrenzt seien und daher die Nutzer erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt seien.23 Andererseits machten sich vereinzelt Stimmen schon vor der Verabschiedung des Zweiten Korbs für ein Verbot der digitalen Privatkopie stark24 oder verlangten die Beschränkung des Tatbestandsmerkmals , dass Privatkopien zulässig sind, wenn sie nicht von „offensichtlich rechtswidrig hergestellten oder öffentlich zugänglich gemachten Vorlagen“ kopiert wurden.25 Sie unterstützen damit implizit die parlamentarischen und parteipolitischen Überlegungen hinsichtlich einer fdes Rechts auf digitale Privatkopie, die vom Gesetzgeber im Rahmen des Zweiten Korbs noch abgelehnt wurde.26 Umgekehrt wird spätestens seit dem Zweiten Korb ein Recht auf Durchsetzung des Rechts der digitalen Privatkopie gegen technische Kopierschutzmechanismen kaum noch gefordert,27 vermutlich auch, weil die Bedeutung dieser Kopierschutzverfahren in der Praxis wieder deutlich zurückgegangen ist.28 5. Praxis Einige zustimmende und ablehnende Bewertungen der Vorschläge des BMJ sowie eigener Vorschläge aus der „Praxis“ (d.h. von bestimmten Interessengruppen und Lobbyisten wie Wirt- 23 Kindt: Grundrechtsschutz für Raubkopierer und Musikpiraten?, MMR 2009, 147 (152 f.). 24 Berger: Die Neuregelung der Privatkopie in § 53 Abs. 1 UrhG im Spannungsverhältnis von geistigem Eigentum, technischen Schutzmaßnahmen und Informationsfreiheit, ZUM 2004, 257 (265). 25 Poll: »Korb 2«: Was wird aus der Privatkopieregelung in §§ 53 ff. UrhG?, ZUM 2006, 96 ff. 26 Vgl. BT-Drucksache 16/1828 vom 15. Juni 2006, S. 14. 27 Vgl. Czychowski (Fn. 22), 586 (587). 28 Zumindest im Bereich der Audio-CDs, wo die Firmen auf diese Schutzmöglichkeiten wieder verzichten und sich auf Aktivitäten im Internet konzentrieren. Im Bereich der Software schützen sich immer mehr Hersteller durch DRM-ähnliche Aktivierungsverfahren, bei denen die Software legal kopiert und testweise verwendet werden kann, sodann jedoch ein Lizenzschlüssel erworben werden muss, der die Software über den Testzeitraum hinaus über eine Internetverbindung frei schaltet. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 13 schaftsverbänden, der Softwareindustrie, der Verwertungsgesellschaften, bestimmter Urhebergruppen oder des Bibliotheksverbandes) können im Detail den Anlagen entnommen werden.29 Diese Stellungnahmen gingen aufgrund des Konsultationspapiers des BMJ bis Mitte Juni 2009 beim BMJ ein. Als bisher nicht genannte Vorschläge seien hier besonders hervorgehoben: 5.1. Verwaiste Werke Der Bibliotheksverband fordert für sog. verwaiste Werke die Einführung einer neuen Schranke im Urheberrecht. Danach sollen Werke, deren Urheber nicht mehr bekannt oder auffindbar sind, (nur) durch öffentliche Bibliotheken, Archive und Museen vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht werden.30 5.2. Wissenschaftsschranke Zudem fordert der Bibliotheksverband eine Bestimmung, wonach vertragliche Regelungen nichtig sind, die gesetzliche urheberrechtliche Schranken und damit Rechte der Nutzer ausschließen .31 Eine Entwicklung hin auf individuelle Vereinbarungen zwischen Bibliotheken und Rechteinhabern wird abgelehnt. Die Rechteinhaber (laut Verband eine Handvoll multinationaler Verlage ) hätten eine absolute Monopolstellung, die Bibliotheken eine zu schwache Verhandlungsposition . Sie müssten alle Bedingungen akzeptieren. Man fordert daher eine allgemeine Wissenschaftsschranke im Urheberrecht. In einem neuen § 45b UrhG sollten alle bildungs- und wissen- 29 Siehe Anlagen 2 bis 5. 30 Anlage 3, S. 10 ff., gefolgt vom Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“, Anlage 4. 31 Anlage 3, S. 12 f. zusammen mit dem Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“, Anlage 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 14 schaftsbezogenen Schrankenregelungen (§§ 46, 47, 51, 52a, 52b, 53, 53a UrhG) zusammengefasst und präzisiert werden. 5.3. Gesetzliche Regelung der Bildersuche im Internet Der Verband der deutschen Internetwirtschaft fordert eine Ergänzung der Privilegierungstatbestände der §§ 44a ff. UrhG oder eine andere Klarstellung im Urheberrechtsgesetz für Suchmaschinen , die verkleinert die Bildinhalte von Webseiten darstellen. Die Rechtsprechung hat die verkleinerte Darstellung von Bildinhalten im Internet bei der Anzeige von Suchergebnissen durch Suchmaschinen (sog. Thumbnails) als Urheberrechtsverletzung (unerlaubte Vervielfältigung ) bewertet. Damit wäre, so der Verband, eine Suche von Bildern in Deutschland nicht mehr möglich, da die Einholung der jeweiligen Einwilligungen nicht leistbar wäre.32 5.4. Beibehaltung des vorhandenen urheberrechtlichen Instrumentariums Der Deutsche Richterbund spricht sich gegen eine weitere Begrenzung der Privatkopie und gegen ein Verbot intelligenter Aufnahmesoftware für Webradios aus, weil solche weiteren Verbote nicht kontrollierbar seien. Aber auch ein Zweitverwertungsrecht für Urheber wissenschaftlicher Beiträge sei (aus dogmatischen Gründen) nicht überzeugend.33 Für den Verband der deutschen Internetwirtschaft ist eine Änderung der gesetzlichen Vorgaben beim Kauf gebrauchter Software nicht notwendig.34 Der Verband spricht sich auch gegen weitere 32 Anlage 5, S. 6 f. 33 Anlage 6, S. 1. 34 Dagegen plädiert der Richterbund für eine Regelung, die einen gutgläubigen Erwerb der Nutzungsrechte beim Kauf gebrauchter Software ermöglicht, siehe Anlage 6, S. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 178/09 Seite 15 Sanktionsüberlegungen und Rechtsverfolgungserleichterungen aus, die nicht Gegenstand der Überlegungen des BMJ sind, jedoch in der politischen Diskussion vernommen werden konnten.35 35 Anlage 5, S. 3. Das betrifft insbesondere Vorschläge zum „französischen Modell“, wonach nach einem dreimaligen Verstoß gegen urheberrechtliche Vorschriften eine Sperrung des Internetanschlusses erfolgen darf.