© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 177/18 Das gemeindliche Vorkaufsrecht beim Share Deal Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 177/18 Seite 2 Das gemeindliche Vorkaufsrecht beim Share Deal Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 177/18 Abschluss der Arbeit: 27. August 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 177/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Der Unterschied zwischen Share Deals und Asset Deals 4 3. Anwendbarkeit des § 24 BauGB auf Share Deals 5 4. Sonderfall: Der Share Deal als Umgehungsgeschäft 5 5. Reformvorhaben und -vorschläge 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 177/18 Seite 4 1. Einleitung Zur Sicherung der Bauleitplanung wird der Gemeinde in § 24 Baugesetzbuch (BauGB)1 unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Verkauft der Eigentümer ein Grundstück an einen Dritten, kann die Gemeinde ein solches Vorkaufsrecht ausüben und tritt damit an Stelle des Käufers in den Kaufvertrag ein. Wird ein Unternehmen oder Teile desselben an einen Dritten übertragen, so stellt sich auch hier die Frage, inwieweit das gemeindliche Vorkaufsrecht ausgelöst wird. Dies gilt insbesondere für sogenannte Share Deals. 2. Der Unterschied zwischen Share Deals und Asset Deals Der Share Deal ist eine besondere Form der Unternehmensveräußerung. Dabei wird nicht das Unternehmen als solches verkauft, sondern es werden alle oder einige Gesellschaftsanteile oder Mitgliedschaftsrechte veräußert. Damit handelt es sich nicht um einen Sachkauf i.S.d. § 433 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)2, sondern um einen Unternehmenskauf nach § 453 Abs. 1 BGB.3 Das Unternehmen als solches, etwa die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder die Aktiengesellschaft (AG), bleibt dabei unverändert bestehen. Dies hat insbesondere auch für Grundstücksgeschäfte Konsequenzen. Denn Grundstückseigentümer ist die GmbH bzw. die AG. Sie bleibt auch nach dem Share Deal Eigentümerin, nur die Anteilseigner an der Gesellschaft verändern sich.4 Davon zu unterscheiden ist der Asset Deal, bei dem die einzelnen Gegenstände des Unternehmens übertragen werden, also die Immobilien, Lagerbestände, Produktionswerkstätten, erstellten Produkte etc. In der Praxis ist ein Asset Deal schwieriger umzusetzen, weil auch der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz beachtet werden muss. Darüber hinaus müssen Wege gefunden werden, auch anderweitig dem Erwerber des Unternehmens die volle Verfügungsgewalt zu verschaffen , etwa bei Miet- und Arbeitsverträgen.5 1 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017, (BGBl. I S. 3634), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/ [letzter Abruf: 27. August 2018]. 2 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/ [letzter Abruf: 27. August 2018]. 3 Berger, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Auflage 2018, § 453 Rn. 16; Faust, in: Beck’scher Online Kommentar zum BGB, hrsg. von Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 46. Edition, Stand: 1. Mai 2018, § 453 Rn. 21a; Saenger, in: Schulze u.a., Bürgerliches Gesetzbuch, 9. Auflage 2017, § 453 Rn. 3; Westermann, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (MüKo-BGB), 7. Auflage, München 2016, § 453 Rn. 20 ff. 4 Vgl. Korch, Der Unternehmenskauf, Juristische Schulung (JuS) 2018, S. 521 (522). 5 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 177/18 Seite 5 3. Anwendbarkeit des § 24 BauGB auf Share Deals Nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 Satz 1 BauGB besteht ein Vorkaufsrecht der Gemeinde beim Kauf von Grundstücken. Damit dieses greifen kann, muss zunächst eine der in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-7 BauGB genannten Fallgestaltungen eintreffen. Ein gemeindliches Vorkaufsrecht kann außerdem durch eine Vorkaufssatzung nach § 25 Abs. 1 BauGB begründet werden. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist allerdings in den Fällen des § 26 BauGB ausgeschlossen. Die nächste Voraussetzung ist, dass ein Kaufvertrag über ein Grundstück abgeschlossen worden sein muss. Bei einem Share Deal wird jedoch gerade kein Kaufvertrag über ein Grundstück, sondern über die Anteile an dem Unternehmen abgeschlossen, in dessen Eigentum sich das Grundstück befindet. Damit löst ein Share Deal grundsätzlich keinen Vorkaufsfall aus, selbst wenn ein Grundstück der einzige Vermögenswert des Unternehmens ist.6 Somit läuft das gemeindliche Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB bei Share Deals weitestgehend ins Leere. Von dieser Annahme gehen u.a. auch der Deutsche Städtetag7 und der Berliner Senat8 aus. 4. Sonderfall: Der Share Deal als Umgehungsgeschäft Es ist allerdings nicht vollkommen ausgeschlossen, dass ein Share Deal den Vorkaufsfall auslösen kann. Dazu kann es kommen, wenn dieser als Umgehungsgeschäft genutzt wird. Ein Umgehungsgeschäft hat nur den Zweck, das gemeindliche Vorkaufsrecht zu unterlaufen und steht daher dem Verkauf eines Grundstücks gleich.9 Diese Verträge werden als kaufvertragsähnliche Verträge bezeichnet und können vorliegen, wenn die Vertragsgestaltung der eines Kaufvertrags nahezu gleichkommt und der Vorkaufsberechtigte in den Vertrag eintreten kann, ohne die vom Vorkaufsverpflichteten ausgehandelten Konditionen der Veräußerung zu beeinträchtigen.10 6 Grziwotz, in: Beck´scher Online-Kommentar zum BauGB (BeckOK BauGB), hrsg. Von Spannowsky/Uechtritz, 41. Edition, Stand: 1. Mai 2018, § 24 Rn. 8; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Kommentar zum Baugesetzbuch, 13. Auflage 2016, § 24 Rn. 16. 7 Positionspapier des Deutschen Städtetages zur Neuausrichtung der Wohn- und Baulandpolitik, September 2017, S. 10, abrufbar unter: http://www.staedtetag.de/imperia/md/content/dst/veroeffentlichungen/mat/positionspapier _neuausrichtung_wohnungs-_und_baulandpolitik_verlinkt.pdf [letzter Abruf: 27. August 2018]. 8 Konzept für die Nutzung von Vorkaufsrechten nach dem Baugesetzbuch in Berlin, Stand: Juli 2017, S. 11, abrufbar unter: http://stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnraum/soziale_erhaltungsgebiete/download/VZK- Konzept_Vorkaufsrechte.pdf [letzter Abruf: 27. August 2018]. 9 Grziwotz, in: BeckOK BauGB, § 24 Rn. 3. 10 Vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1992 – V ZR 127/90, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1992, S. 236 (237). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 177/18 Seite 6 Das wurde vom BGH beispielsweise für den Fall angenommen, dass der Eigentümer eines mit einem Vorkaufsrecht belasteten Grundstücks dieses in eine von ihm kontrollierte Gesellschaft einbringt und die Anteile an dieser Gesellschaft dann entgeltlich an einen Dritten überträgt.11 Ob ein kaufvertragsähnlicher Vertrag vorliegt, wird vom BGH anhand dreier Kriterien bestimmt, deren Vorliegen für das Bestehen eines gemeindlichen Vorkaufsrechts sprechen können12: – Der Wille der Vertragsparteien ist auf eine Eigentumsübertragung der vorkaufsrechtsbelasteten Sache gerichtet, – Das wirtschaftliche Ergebnis der Transaktion ist dasselbe wie bei einem Verkauf des Grundstücks , – Der einzige Zweck der Gesellschaftsgründung war die Verwaltung der mit Vorkaufsrechten belasteten Grundstücke oder dieser Zweck steht bei mehreren erkennbar im Vordergrund. Alle drei Kriterien wären etwa erfüllt, wenn die Gesellschaft, in deren Eigentum sich das mit einem Vorkaufsrecht belastete Grundstück befindet, erst unmittelbar vor der Eigentumsübertragung gegründet wird, das Grundstück einziger Vermögensgegenstand der Gesellschaft ist und dann sämtliche Anteile an der Gesellschaft an einen Dritten übertragen werden.13 Das erste Kriterium könnte etwa in einem Fall erfüllt sein, in welchem die Vertragsparteien einen geschlossenen Vertrag zunächst ausdrücklich als Kaufvertrag bezeichnen und sich erst später dahingehend einlassen , dass das Grundstück eigentlich in das Gesellschaftsvermögen hätte eingebracht werden sollen .14 Wenn ein Share Deal allerdings zur Steuervermeidung gewählt wird, insbesondere wenn er in gestreckter Form erfolgt, d.h. dass zunächst nur ca. 95 Prozent der Anteile verkauft werden, soll nach geltender Rechtslage kein Umgehungsgeschäft vorliegen und der Vorkaufsfall damit nicht ausgelöst werden.15 11 BGH, Urteil vom 27. Januar 2012 – V ZR 272/10, NJW 2012, S. 1354 f. 12 BGH NJW 2012, S. 1354 (1355); Beckmann/Ellner, das gemeindliche Vorkaufsrecht nach §§ 24, 25 BauGB beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2018, S. 1187 (1189). 13 Beckmann/Ellner NVwZ 2018, S. 1187 (1189). 14 OVG Saarlouis, Beschluss vom 3. Juni 2009 – 2 B 254/09, BeckRS 2009, 34714. 15 Beckmann/Ellner NVwZ 2018, S. 1187 (1189 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 177/18 Seite 7 5. Reformvorhaben und -vorschläge Die Finanzministerkonferenz hat am 21. Juni 2018 eine Reform des Grunderwerbssteuergesetzes beschlossen.16 Diese würde u.a. eine Absenkung der relevanten Beteiligungshöhe auf 90 Prozent und eine Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre vorsehen.17 In der Fachliteratur wird zudem vorgeschlagen, dass ein Share Deal an Voraussetzungen geknüpft wird, die den Gemeinden die rechtssichere Feststellung eines Umgehungsgeschäfts ermöglichen würde, und dass eine gesonderte Bestimmung in das BauGB eingefügt wird, nach der das gemeindlichen Vorkaufsrechts auch bei Share Deals ausgeübt werden könnte.18 *** 16 Vgl. Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 21. Juni 2018, abrufbar unter: https://finanzen .hessen.de/presse/pressemitteilung/laenderfinanzminister-beschliessen-konsequentes-vorgehen-gegenshare -deals-bei-der-grunderwerbsteuer [letzter Abruf: 27. August 2018]. 17 Broemel/Mörwald, Grunderwerbssteuerreform im Bereich der „Share Deals“ – Beschlüsse der Finanzministerkonferenz , Praxisfolgen, verfassungsrechtliche Probleme, Deutsches Steuerrecht (DStR) 2018, S. 1521 f. 18 Beckmann/Ellner, NVwZ 2018, S. 1187 (1190).