AUSARBEITUNG Thema: Zur Rechtslage bei der Beihilfe am Suizid in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz Fachbereich VII Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Verfasser/in: Abschluss der Arbeit: 20. Oktober 2005 Reg.-Nr.: 2. WF VII G 174/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Regelung der Suizidteilbeihilfe in Deutschland 3 1.1. Strafgesetzliche Regelungen 3 1.2. Ärztliches Ethos 5 2. Erwägungen zur Einführung eines Verbots der Mitwirkung am Suizid 5 2.1. Urteil des Europäischen Gerichtshofes „Pretty ./. Vereinigtes Königreich“ 5 2.2. Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz 6 2.3. Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin 6 2.4. Vorschlag des Justizsenators von Hamburg 7 2.5. Prüfungsinitiative der Justizministerin des Landes Niedersachsen 7 3. Rechtslage zur Suizidbeihilfe in ausgewählten Staaten 7 3.1. Niederlande 7 3.2. Belgien 8 3.3. Schweiz 9 3.4. Synoptischer Überblick 10 - 3 - 1. Regelung der Suizidteilbeihilfe in Deutschland Das Themenfeld der Beihilfe am Suizid berührt in erster Linie die Regelungen des Strafgesetzbuchs sowie die dazu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen. Soweit in diesem Zusammenhang ärztliches Handeln stattgefunden hat, sind auch Fragen des ärztlichen Standesrechts berührt. 1.1. Strafgesetzliche Regelungen Das deutsche Strafrecht enthält keinen Sondertatbestand der Suizidbeihilfe. Die Tötungsdelikte nach den §§ 211 ff. Strafgesetzbuch (StGB) setzen die Tötung eines anderen Menschen voraus. Wer sich selbst tötet oder zu töten versucht, verwirklicht keinen Straftatbestand. Insoweit ist in Deutschland die Beihilfe am Suizid oder an einem versuchten Suizid nicht strafbar, soweit der Suizid oder der versuchte Suizid auf der freien und eigenverantwortlichen Entscheidung des Suizidwilligen beruht. Es fehlt an einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Haupttat im Sinne des § 27 StGB. Gleiches gilt auch für die Anstiftung zum Suizid. Unerheblich für die grundsätzlich straflose Beihilfe zum Suizid ist, aus welchen Motiven sie heraus begangen wird. Selbst bei einer eigennützigen Mitwirkung am Suizid, der von einem frei und verantwortlich Handelnden begangen wird, ist diese straflos. Mit den zuvor vorgenommenen Darlegungen ist die Rechtslage jedoch noch nicht erschöpfend dargestellt. In Abgrenzung zur Straflosigkeit der Beihilfe am Suizid kommt je nach Lage des Einzelfalles eine Strafbarkeit wegen eines Tötungsdelikts in Betracht, wenn die Tatherrschaft vom Selbstmörder auf einen Außenstehenden übergeht. In einem solchen Falle handelt derjenige als Täter, der die Tatherrschaft über den Handlungsablauf hat. In Betracht kommt vorrangig eine Strafbarkeit nach § 216 StGB (Tötung auf Verlangen ), wenn ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Opfers vorliegt, ihn zu töten. Tötung auf Verlangen erfasst lediglich die täterschaftliche Begehung der Tötungshandlung . Liegt kein ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Opfers vor, kann auch eine Strafbarkeit des Täters nach den Tatbeständen des Totschlags (§ 212 StGB) und Mord (§ 211 StGB) in Betracht kommen. Bei der Abgrenzung zwischen der straflosen Beihilfe am Suizid und der Strafbarkeit wegen eines Tötungsdeliktes wird darauf abgestellt, ob der Suizidwillige eigenverantwortlich und frei gehandelt hat. Sofern an einer eigenverantwortlichen und freien - 4 - Selbstschädigung des Suizidwilligen mitgewirkt wird, liegt regelmäßig eine straflose Beihilfe am Suizid vor. Da die §§ 211 ff. StGB darauf abzielen, den Rechtsgutsinhaber vor Fremdeingriffen zu bewahren, muss die Schutzbereichsgrenze dieser Normen dort gezogen werden, wo der eigene Verantwortungsbereich des Rechtsgutsinhabers beginnt. Bei der Abgrenzung zwischen der Tötung auf Verlangen, die nach § 216 StGB eine strafbare Fremdtötung darstellt, und der straflosen Mitwirkung am Suizid lässt sich bei eindeutiger „Rollenverteilung “ zwischen dem Mitwirkenden und dem Lebensmüden darauf abstellen, wer das Geschehen eindeutig beherrscht. Wenn beispielsweise ein Lebensmüder den Giftbecher selbst austrinkt, den ihm eine andere Person auf sein Verlangen besorgt hat, so beherrscht der Lebensmüde allein das zum Tode führende Geschehen. Eine Strafbarkeit des Mitwirkenden nach § 211 ff. StGB dürfte mangels Tatherrschaft nicht gegeben sein. Dabei ist darauf abzustellen, ob sich das Geschehen als Selbst- oder Fremdschädigung darstellt. Verbleibt dem Lebensmüden nach dem letzten Beitrag des Mitwirkenden noch die freie Entscheidung über Leben und Tod, so handelt es sich regelmäßig um eine straflose Mitwirkung am Suizid. Ist dies nicht der Fall, kann ein täterschaftliches Tötungsdelikt vorliegen.1 Für denjenigen, der eine besondere Garantenstellung gegenüber dem Suizidenten hat – beispielsweise ein Arzt oder ein naher Verwandter – kann sich eine besondere Verpflichtung ergeben, den Suizidenten zu retten, wenn dieser die eigene Handlungsfähigkeit verloren hat. Je nach Lage des Einzelfalles kann sich der sog. Garant wegen eines Tötungsdeliktes durch Unterlassen strafbar machen, wenn er darauf verzichtet, Maßnahmen zur Rettung eines bewusstlosen Suizidpatienten zu ergreifen.2 Ebenso kann sich derjenige, der zu einem suizidalen Geschehen dazu kommt, ggf. wegen Unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB strafbar machen, wenn er nicht eingreift. Nach dem deutschen Recht ist auf jeden Fall die direkte aktive Sterbehilfe strafbar. Aktive Sterbehilfe bedeutet die gezielte Tötung eines Menschen, um seinem Sterbewunsch zu entsprechen. Hierbei handelt es sich regelmäßig um eine nach § 216 StGB strafbare Tötung auf Verlangen, die mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht ist; bereits der Versuch ist strafbar.3 1 Schönke/ Schröder, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 26. Aufl., 2001, § 216 Rn. 11. 2 BGH, 3StR 96/84, vom 4. Juli 1984, in: BGHSt 32, 367. 3 Siehe dazu näher Kutzer, Klaus, Probleme der Sterbehilfe – Entwicklung und Stand der Diskussion, in: Familie, Partnerschaft, Recht (FPR) 2004, S. 683 ff. - 5 - 1.2. Ärztliches Ethos Die Mitwirkung eines Arztes an einem fremden Suizid dürfte nach den Grundsätzen der Bundesärztekammer dem ärztlichen Ethos widersprechen. So heißt es in der Präambel der „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung 2004“:4 „Aktive Sterbehilfe ist unzulässig und mit Strafe bedroht, auch dann, wenn sie auf Verlangen des Patienten erfolgt. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein. Diese Grundsätze können dem Arzt die eigene Verantwortung in der konkreten Situation nicht abnehmen. Alle Entscheidungen müssen individuell erarbeitet werden.“ 2. Erwägungen zur Einführung eines Verbots der Mitwirkung am Suizid 2.1. Urteil des Europäischen Gerichtshofes „Pretty ./. Vereinigtes Königreich“ In seiner Entscheidung im Fall „Pretty ./. Vereinigtes Königreich“ vom 29. April 2002 hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Fragen der Strafbarkeit der Beihilfe zum Selbstmord befasst. Der Gerichtshof erkannte zwar aus dem Recht auf Leben in Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auch ein Recht zum menschenwürdiges Sterben an, jedoch kein konträres Recht auf Sterben.5 In den Leitsätzen der Entscheidung des EGMR heißt es dazu: „1. Aus Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) kann nicht das Recht abgeleitet werden, mit Hilfe anderer zu sterben. 2. Aus Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) ergibt sich keine Verpflichtung, Beilhilfe zum Selbstmord nicht strafrechtlich zu verfolgen oder eine andere rechtmäßige Möglichkeit einer Sterbehilfe zur Verfügung zu stellen. 3. Bisher ist nicht entschieden worden, ob das Recht auf Achtung des Privatlebens in Art. 8 EMRK auch ein Recht auf Selbstbestimmung beinhaltet. Die Autonomie einer Person ist aber ein wichtiger Grundsatz, der dem Verständnis von Art. 8 EMRK zu Grunde liegt. 4 Abdruck in: Deutsches Ärzteblatt, Heft 19 vom 7. Mai 2004, abgerufen im Internet unter www.bundesaerztekammer.de , - Anlage 1 -. 5 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (Vierte Sektion) Urteil vom 29. April 2002 – Pretty ./. Vereinigtes Königreich -, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2002, S. 2851 - 6 - 4. Die Strafbarkeit der Beilhilfe zum Selbstmord kann ein Eingriff in das von Art. 8 I EMRK garantierte Recht auf Privatleben sein. Er ist aber hier nach Art. 8 Abs. II EMRK gerechtfertigt.“ 2.2. Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz Die Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz hat in ihrem Abschlussbericht empfohlen, eine Aussage des Gesetzgebers zur Garantenstellung und zur Hilfeleistungspflicht nach einem Selbsttötungsversuch zu treffen. Nach Auffassung der Kommission sollte dabei klargestellt werden, dass eine Garanten- und Hilfeleistungspflicht nicht besteht, wenn ein Suizidversuch auf Grund ernsthafter Überlegung und freier Willensbestimmung zur Beendigung schweren und unheilbaren Leidens begangen worden ist. Weiterhin sollte nach Auffassung der Kommission die durch Gewinnsucht veranlasste Mitwirkung bei einer Selbsttötung generell gesetzlich verboten und unter Strafe gestellt werden. Dem Gesetzgeber wird außerdem empfohlen, Kriterien zur Bewertung von Organisationen zu erarbeiten, die sich mit der Unterstützung der Selbsttötung beschäftigen .6 2.3. Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin Die Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin des Deutschen Bundestages der 15. Wahlperiode hat die Frage der Mitwirkung am Suizid bis zum Ablauf der Wahlperiode – soweit ersichtlich - nicht mehr behandelt. Im Bericht der Enquete- Kommission vom 6. September 2005 heißt es dazu:7 „Die wichtige Aufgabe einer ethischen Beurteilung der aktiven, passiven und indirekten Sterbehilfe sowie des assistierten Suizids muss jedoch der weiteren Ethik-Debatte überlassen werden.“ 6 Siehe dazu Abschlussbericht der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz, zu „Sterbehilfe und Sterbebegleitung“ vom 23. April 2004, Empfehlung 3, S. 133, abrufbar im Internet unter www.justiz.rlp.de unter Ministerium/Bioethik, sowie den Beitrag von Mertin, Herbert, Schaffung eines Rechtsrahmens im Spannungsverhältnis Lebenserhaltungspflicht und Selbstbestimmungsrecht, in: Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2004, S. 170, 171. 7 Bericht der Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, Über den Stand der Arbeit, BT-Drs. 15/5980 vom 6. September 2005, S. 13. - 7 - 2.4. Vorschlag des Justizsenators von Hamburg Der Justizsenator von Hamburg, Kusch, hat vorgeschlagen, den § 216 StGB zu ändern und die aktive Sterbehilfe zuzulassen, wenn beispielsweise unheilbar kranke Menschen um Sterbehilfe bitten.8 2.5. Prüfungsinitiative der Justizministerin des Landes Niedersachsen Anlässlich der möglichen Ausweitung der Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas nach Deutschland hat die Justizministerin des Landes Niedersachsen die Prüfung angekündigt , ob ein neuer Straftatbestand geschaffen werden könne, nach dem die professionelle Vermittlung von Möglichkeiten zur Selbsttötung künftig strafbar sei.9 3. Rechtslage zur Suizidbeihilfe in ausgewählten Staaten 3.1. Niederlande In Art. 294 des niederländischen Strafgesetzbuches ist festgelegt, dass die vorsätzliche Anstiftung zur Selbsttötung, die Hilfe dazu oder die Verschaffung der erforderlichen Mittel mit einer Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren bestraft wird. Der medizinisch assistierte Suizid gilt insoweit prinzipiell als mit Strafe bedrohte Handlung. In den Niederlanden hat sich in letzten Jahrzehnten jedoch eine Praxis etabliert, nach der die ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung dann straffrei bleibt, wenn gewisse Sorgfaltpflichten erfüllt werden. Diese Praxis wurde im Jahre 2002 im „Gesetz über die Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbsttötung“, das am 1. April 2002 in Kraft getreten ist.10 Hiernach bleiben die aktive Sterbehilfe und die Beihilfe zum Suizid strafbar, doch werden diese Handlungen unter bestimmten Voraussetzungen straflos. Hierzu wurden Art. 293 (Tötung auf Verlangen) und Art. 294 (Anstiftung und Beihilfe zum Selbstmord) des niederländischen Strafgesetzbuches durch einen besonderen Strafausschließungsgrund ergänzt. Der Strafausschließungsgrund bei Sterbehilfe und Suizidbeihilfe ist nur dann gegeben, wenn der Arzt sich an bestimmte Sorgfaltskriterien gehalten hat. Diese Sorgfaltskriterien beinhalten nach Artikel 2 des Gesetzes, dass der Arzt, 8 Dazu näher Streitgespräch zwischen Roger Kusch und Katrin Göring-Eckart, in: Stern vom 20. 10. 2005. 9 Vgl. dazu den Artikel vom 27. September 2005 „Niedersachsen will ‚Advokaten des Todes’ stoppen “, in: Spiegel Online, abgerufen im Internet unter www.spiegel.de . 10 Siehe dazu den als - Anlage 2 - in deutscher Übersetzung beigefügten Gesetzestext, abgerufen im Internet unter www.aerzteblatt.de . - 8 - - zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Patient seine Bitte freiwillig und nach reiflicher Überlegung gestellt hat, - zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Zustand des Patienten aussichtslos und sein Leiden unerträglich ist, - den Patienten über dessen Situation und über dessen Ausschichten aufgeklärt hat, - gemeinsam mit dem Patienten zu der Überzeugung gelangt ist, dass es für dessen Situation keine andere annehmbare Situation gibt, - mindestens einen anderen, unabhängigen Arzt zu Rate gezogen hat, der den Patienten untersucht und schriftlich zu den unter den zuvor genannten Sorgfaltskriterien Stellung genommen hat, - bei der Lebensbeendigung oder bei der Hilfe zum Suizid wurde mit medizinischer Sorgfalt vorgegangen. Regionalkommissionen sind beauftragt, jeden deklarierten Sterbehilfe- und Suizidfall zu untersuchen. Kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass der Arzt die Sorgfaltskriterien eingehalten hat, dürfte es prinzipiell nicht zu einer Strafverfolgung kommen.11 3.2. Belgien Das belgische Strafrecht kennt keinen spezifischen Tatbestand der Beihilfe zur Selbsttötung . Die belgische Rechtslehre vertritt jedoch die Auffassung, dass in diesem Falle eine Unterlassung der Nothilfe nach dem belgischen Strafgesetzbuch gegeben ist (Art. 422). In der Gerichtspraxis sind jedoch offenbar keine entsprechenden Beispiele vorhanden . Im Gesetz zur Sterbehilfe vom 28. Mai 200212 hat Belgien kürzlich die Sterbehilfe gesetzlich erlaubt und geregelt. Nach diesem Gesetz ist die Tötung auf Verlangen durch einen Arzt unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Voraussetzung ist, dass der Patient volljährig ist, oder falls minderjährig, mit hinsichtlich dieser Frage vergleichbaren Rechtsstatus ausgestattet ist, im Moment seines Verlangens urteilsfähig ist und sein Wunsch freiwillig, überlegt, ohne äußeren Druck und wiederholt formuliert wurde. Der Patient muss sich in einer medizinisch ausweglosen Situation und in einem Zustand dauernder körperlicher und seelisch unerträglicher Qualen befinden. Die Rechtmäßigkeit der ärztlichen Tötung auf Verlangen ist dabei an die Einhaltung eines bestimmten 11 Die Darstellung der Rechtslage in den Niederlanden wurde im wesentlichen aus der Stellungnahme Nr. 9/2005 vom 27. April 2005„ Beihilfe zum Suizid“ der Schweizer Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin, S. 41, entnommen, abrufbar im Internet unter www.nek-cne.ch . 12 Siehe dazu den als - Anlage 3 - in deutscher Übersetzung beigefügten Gesetzestext, abgerufen im Internet unter www.iuscrim.mpg.de . - 9 - Verfahrens (z.B. Informations- und Konsultationspflichten, zeitlicher Rahmen, Registrierung ) gebunden.13 3.3. Schweiz Die Verleitung und die Beihilfe zur Selbsttötung sind im schweizerischen Recht straflos , außer wenn sie aus einem eigennützigen Motiv erfolgen. Nach Art. 115 des schweizerischen Strafgesetzbuchs wird derjenige, der aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder Gefängnis bestraft. Aus dieser Regelung wird gefolgert, dass die Beihilfe am Suizid nicht strafbar ist, wenn sie aus nicht-selbstsüchtigen Motiven geleistet wird. Verschafft ein Arzt somit einem eigenverantwortlich handelnden Suizidwilligen lediglich Mittel zur Selbsttötung, so ist er nicht strafbar, außer er handelt aus selbstsüchtigen Motiven. Der Art. 115 des schweizerischen Strafgesetzbuchs behandelt die strafbare Beteiligung am freiverantwortlichen Suizid abschließend. Die Strafnorm ist in der Schweiz von großer praktischer Relevanz, weil sie bezüglich der Aktivitäten von Sterbehilfeorganisationen die Grenzziehung zwischen legaler und strafbarer Hilfe zur Selbsttötung vornimmt.14 Im Schweizer Recht gibt es – soweit ersichtlich – keine spezifischen Gesetze über Sterbehilfe . Das Strafgesetzbuch enthält jedoch Regelungen, die darauf angewendet werden können. Die aktive Sterbehilfe, also die gezielte Tötung eines Menschen zur Verkürzung seines Lebens kann nach den Art. 111 (vorsätzliche Tötung), 113 (Totschlag) oder 114 (Tötung auf Verlangen) des Schweizer Strafgesetzbuchs eine Strafbarkeit gegeben sein. Werden zur Linderung eines Sterbenden Mittel eingesetzt, die als möglich Nebenwirkung die Überlebensdauer herabsetzen (indirekte aktive Sterbehilfe) bleibt der handelnde Arzt nach herrschender Auffassung straflos, wenn der Patient sein Einverständnis gegeben hat.15 13 Die Darstellung der Rechtslage in Belgien wurde im wesentlichen aus der Stellungnahme Nr. 9/2005 vom 27. April 2005„ Beihilfe zum Suizid“ der Schweizer Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin, S. 41 f., entnommen, abrufbar im Internet unter www.nek-cne.ch . 14 Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat als standesrechtliche Instanz in einer Medizinisch-ethischen Richtlinie „Betreuung von Patientinnen und Patienten am Lebensende“ (Stand: 2004) dazu Hinweise für Ärzte im Zusammenhang mit der Beihilfe zum Suizid aufgestellt. In Ziffer 4.1. der Richtlinien der SAMW finden sich dazu nähere Einzelheiten. Die Richtlinien wurden abgerufen im Internet unter www.samw.ch. und sind als – Anlage 4 – beigefügt. 15 Eine Darstellung der Rechtslage in der Schweiz findet sich in der Stellungnahme Nr. 9/2005 vom 27. April 2005„ Beihilfe zum Suizid“ der Schweizer Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin , S. 9 f. und 36 ff., abrufbar im Internet unter www.nek-cne.ch. - 10 - 3.4. Synoptischer Überblick Direkte aktive Sterbehilfe Beihilfe zum Suizid Deutschland Strafbar nach §§ 211 ff. StGB Straflos, da Suizid als solcher straflos ist. Niederlande Unter bestimmten Bedingungen nach dem Gesetz über die Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbsttötung zulässig Nach Art. 294 StGB grundsätzlich strafbar: Unter bestimmten Bedingungen nach dem Gesetz über die Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbsttötung nicht strafbar. Belgien Unter bestimmten Bedingungen nach dem Gesetz über Sterbehilfe aus dem Jahr 2002 zulässig. Kein spezifischer Straftatbestand . Schweiz Strafbar als Tötungsdelikt nach Art. 111 ff. schweizerisches StGB Strafbar bei selbstsüchtiger Beihilfe zum Suizid (Art. 115 Schweizerisches StGB)