© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 173/16 Akteneinsicht durch Dritte und Übermittlung von Daten an Dritte im jugendamtlichen und familiengerichtlichen Verfahren Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 2 Akteneinsicht durch Dritte und Übermittlung von Daten an Dritte im jugendamtlichen und familiengerichtlichen Verfahren Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 173/16 Abschluss der Arbeit: 9. Dezember 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1.1. Hintergrund für die Anfrage 4 1.2. Bearbeitung durch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages 5 1.3. Problemaufriss – Einsicht in Sozialdaten i.S.d. §§ 67 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) und Auswirkungen auf das familiengerichtliche Verfahren 5 2. Akteneinsicht durch Dritte und Herausgabe von Akten an Dritte im jugendamtlichen Verfahren 6 2.1. Anspruch auf Herausgabe der Daten nach § 65 Abs. 1 SGB VIII 7 2.1.1. Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 SGB VIII 7 2.1.2. Befugnis zur Weitergabe nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 SGB VIII 8 2.2. Anspruch auf Weitergabe der Sozialdaten nach §§ 61 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 75 SGB X für Informationen, die zum Zweck erzieherischer und persönlicher Hilfe anvertraut worden sind 9 2.3. Anspruch aus den jeweiligen landesrechtlichen Informationsfreiheitsgesetzen auf Einsichtnahme in die Daten, die die zum Zweck „erzieherischer und persönlicher Hilfe“ anvertraut worden sind 11 2.4. Akteneinsicht bei sonstigen Aktenbestandteilen nach § 25 Abs. 1 SGB X 11 2.5. Anspruch auf Einsichtnahme in sonstige Aktenbestandteile nach den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder 11 2.6. Akteneinsicht nach § 50 Abs. 1 SGB VIII 12 2.7. Gesamtergebnis zum Gliederungspunkt 2 12 3. Akteneinsicht durch Dritte und Herausgabe von Akten an Dritte im familiengerichtlichen Verfahren 12 3.1. Akteneinsicht nach § 13 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), wenn das Gericht die Sozialdaten vom Jugendamt erlangt hat 12 3.2. Akteneinsicht nach § 13 FamFGG, wenn das Gericht die Daten selbst erhoben hat 13 3.3. Akteneinsicht oder Herausgabe der Daten nach anderen Vorschriften 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 4 1. Einleitung Im folgenden Sachstand geht es um die Frage, inwieweit eine Akteneinsicht durch Dritte bzw. eine Übermittlung von Daten an Dritte im jugendamtlichen und familiengerichtlichen Verfahren möglich sind. Geklärt werden soll, ob und aufgrund welcher Rechtsgrundlage eine Akteneinsicht möglich ist und ob dazu zwingend die Einwilligung aller Betroffenen (beider Elternteile sowie ggf. der in den Dokumenten erwähnten weiteren Personen) erforderlich ist. 1.1. Hintergrund für die Anfrage Hintergrund für die Anfrage ist eine Studie mit zwei Vertiefungsstudien, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zum Thema „Kindeswohl und Umgangsrecht “ in Auftrag gegeben wurden und finanziert werden und zwar mit folgendem Inhalt: Vertiefungsstudie zum familiengerichtlichen Verfahren: o Erhebung über die Einleitung und Inhalte des Verfahrens, o Erhebung über die Durchsetzung von Umgangsentscheidungen, Vertiefungsstudie zur Beratung und Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe: o Erhebung über den Zugang zur Beratung und Erhebung über den Beratungsprozess. Das BMFSFJ hat die Forschungsgruppe PETRA in Kooperation mit dem Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen mit der Studie zum Kindeswohl und Umgangsrecht beauftragt1. Nach den Angaben der Forschungsgruppe PETRA2 soll mit den Studien geklärt werden, wie sich unterschiedliche Betreuungsmodelle (z.B. das sog. Residenzmodell3 oder das sog. Wechselmodell4) nach der elterlichen Trennung auf das Wohl des Kindes auswirkten . Um diese Frage zu klären, sollen in der Studie Trennungsfamilien, Familiengerichte und Beratungseinrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in ganz Deutschland befragt werden. Im Fokus der Studie stehe insbesondere das Kindeswohl, die Auswirkungen häuslicher Gewalt, die Qualität der Beratungsleistungen für Trennungsfamilien sowie die Frage, wie gut familiengerichtliche 1 So die Angaben der Forschungsgruppe PETRA auf ihrer Homepage, abrufbar unter: http://www.projektpetra .de/nachrichten/kindeswohl-und-umgangsrecht-forschungsgruppe-petra-realisiert-bundesweite-studie-imauftrag -des-bmfsfj.html [letzter Abruf 5. Dezember 2016]. 2 Zum Inhalt der Studie vgl. die Angaben der Forschungsgruppe PETRA auf ihrer Homepage, abrufbar unter: http://www.projekt-petra.de/nachrichten/kindeswohl-und-umgangsrecht-forschungsgruppe-petra-realisiert-bundesweite -studie-im-auftrag-des-bmfsfj.html [letzter Abruf 5. Dezember 2016]. 3 Beim sog. Residenzmodell wohnen die Kinder in der Regel bei der Mutter und haben an den Wochenenden Kontakt zum Vater. 4 Beim sog. Wechselmodell wechseln sich Vater und Mutter jeweils - z.B. wochenweise - bei der Betreuung ihrer Kinder ab. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 5 Entscheidungen am Wohl des Kindes orientiert seien. Mit der Studie soll eine empirische Grundlage dafür geschaffen werden, Umgangsregelungen stärker am Wohl und an den Bedürfnissen von Kindern auszurichten.5 1.2. Bearbeitung durch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages arbeiten den jeweiligen Abgeordneten für ihre Mandatstätigkeit zu. Allerdings ist es den Wissenschaftlichen Diensten nicht gestattet , zu Einzelfragen Rechtsauskünfte zu erteilen6. Deshalb kann im Folgenden nicht beurteilt werden , inwieweit für die Studie einschließlich der beiden Vertiefungsstudien des BMFSFJ jeweils ein Akteneinsichtsrecht gegeben ist bzw. ob eine Übermittlung von Daten für diese Studien möglich ist. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher nicht auf die konkreten Studien des BMFSFJ, sondern allgemein auf Studien, die das Umgangsrecht zwischen Kindern und Eltern betreffen , nachdem sich diese getrennt haben. 1.3. Problemaufriss – Einsicht in Sozialdaten i.S.d. §§ 67 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X)7 und Auswirkungen auf das familiengerichtliche Verfahren Werden Informationen zum Umgang der getrennten Eltern mit ihren Kindern erhoben, so werden Angaben über Personen gesammelt, die ihren engsten Familienumkreis betreffen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass diese Informationen von den Eltern, Kindern, deren Großeltern oder Dritten (z.B. dem neuen Lebenspartner eines Elternteils) dem Jugendamt bzw. dessen Mitarbeitern in Beratungs - und Informationsgesprächen anvertraut wurden und dass sich Eltern und Kinder sowie andere Personen darauf verlassen, dass diese Informationen nicht weitergegeben werden, sondern dass vertraulich mit den Angaben umgegangen wird. In diesem Vertrauen sind Eltern und Kindern aber auch die anderen Personen, die sich gegenüber dem Jugendamt geäußert haben, in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG)8 auch verfassungsrechtlich geschützt. Dementsprechend müssen diese Informationen äußerst sensibel behandelt werden. 5 So die Angaben der Forschungsgruppe PETRA auf ihrer Homepage, abrufbar unter: http://www.projektpetra .de/nachrichten/kindeswohl-und-umgangsrecht-forschungsgruppe-petra-realisiert-bundesweite-studie-imauftrag -des-bmfsfj.html [letzter Abruf: 5. Dezember 2016]. 6 Leitfasen für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste (WD), Gliederungspunkt 1.8 Rechtsauskünfte. 7 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500), diese Änderung wurde in den Gesetzestext noch nicht eingearbeitet. Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_10/BJNR114690980.html [letzter Abruf: 5. Dezember 2016]. 8 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438) , abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [letzter Abruf: 8. Dezember 2016]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 6 Bei den Informationen, die Eltern und Kinder oder weitere Personen preisgeben, handelt sich jeweils um „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse“ der Kinder, deren Eltern oder weitere Personen, also um „bestimmte oder bestimmbare Personen“, die von einer zuständigen Stelle – hier dem Jugendamt – erhoben worden sind. Es sind folglich Sozialdaten i.S.d. § 67 Abs. 1 SGB X betroffen, die gemäß § 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil (SGB I)9 dem Sozialgeheimnis unterlagen, also nur unter eng definierten Voraussetzungen an andere Stellen weitergegeben werden dürfen. Dies gilt besonders für Sozialdaten, die nach den §§ 61 bis 68 Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII)10 erhoben und weiter verwertet werden dürfen, weil deren Erhebung, Nutzung und Weitergabe besonders engen Kriterien – so etwa in § 65 SGB VIII - unterworfen sind. Dieses Sozialgeheimnis gilt zunächst im behördlichen Verfahren, also in dem Verfahren vor dem Jugendamt. Möglicherweise wirkt es aber auch in das familiengerichtliche Verfahren hinein. Denn, wenn der Gesetzgeber bereits für das behördliche Verfahren für die Weitergabe von Sozialdaten ein umfassendes Schutzkonzept entwickelt hat, so wird in der Regel ein gerichtliches Verfahren nicht hinter diesem Schutz zurückbleiben. Dies gilt für das Verhältnis des behördlichen Verfahrens durch das Jugendamt zum gerichtlichen Verfahren beim Familiengericht umso mehr, als das Jugendamt gemäß § 50 SGB VIII das Familiengericht bei allen Maßnahmen unterstützt, die die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen, so dass das behördliche Verfahren eng mit dem gerichtlichen verknüpft ist. Das spricht dafür, dass Schutzvorschriften, die im behördlichen Verfahren zu beachten sind, für das gerichtliche Verfahren ebenfalls gelten. In diesem Sinne hat auch der Gesetzgeber über § 78 Abs. 1 Satz 3 SGB X geregelt, dass die Gerichte , wenn ihnen Sozialdaten übermittelt wurden, diese nur dann weitergeben dürfen, wenn eine der in § 35 SGB I genannte Stelle, hier also das Jugendamt, zur Übermittlung an einen weiteren Dritten befugt wäre. 2. Akteneinsicht durch Dritte und Herausgabe von Akten an Dritte im jugendamtlichen Verfahren Ob und inwieweit ein Recht auf Einsichtnahme in die Akten des Jugendamtes besteht, hängt vom Inhalt der Akte ab. Vom jeweiligen Inhalt hängt auch die einschlägige Rechtsgrundlage ab.11 Wie bereits oben angemerkt, unterliegen Sozialdaten, die in den Anwendungsbereich der §§ 61 ff. SGB VIII fallen, einem besonderen Schutzkonzept. In diesen Vorschriften ist auch geregelt , unter welchen Voraussetzungen Sozialdaten weitergegeben werden dürfen. 9 Das Erste Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch Artikel 22 Absatz 1 des Gesetzes vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500), diese Änderung wurde in den Gesetzestext noch nicht eingearbeitet. Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/sgb_1/BJNR030150975.html [letzter Abruf: 5. Dezember 2016 10 Das Achte Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe – in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 10 des Gesetzes vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/sgb_8/BJNR111630990.html#BJNR111630990BJNG001306140 [letzter Abruf: 5. Dezember 2016]. 11 Verwaltungsgericht (VG) Aachen Urteil vom 27. Juni 2012 – Az.: 8K 1026/08 – Juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 7 Für Aktenbestandteile des Jugendamtes, die nicht den §§ 61 ff. SGB VIII unterliegen, ist zu prüfen , inwieweit andere Vorschriften eine Akteneinsicht ermöglichen. In Betracht kommen Ansprüche aus dem allgemeinen Akteneinsichtsrecht nach 25 Abs. 1 SGB X sowie nach den jeweiligen landesrechtlichen Normen der Informationsfreiheitsgesetze der Länder. 2.1. Anspruch auf Herausgabe der Daten nach § 65 Abs. 1 SGB VIII Fraglich ist, ob ein Akteneinsichtsrecht bzw. eine Herausgabe der Daten nach § 65 Abs. 1 SGB VIII in Betracht kommt. Diese Regelung lässt die Weitergabe von erhobenen Daten nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen zu. 2.1.1. Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 SGB VIII Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten nach § 65 Abs. 1 SGB VIII setzt zunächst voraus, dass es sich um Sozialdaten i.S.d. § 67 Abs. 1 SGB X handelt. Wie bereits oben angemerkt, handelt es sich bei den Angaben, die in Studien, über die Kinder und deren Eltern gesammelt werden sollen , um „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse von bestimmten oder bestimmbare Personen“, die von einer zuständigen Stelle – hier dem Mitarbeiter der öffentlichen Jugendhilfe – anvertraut worden sind und damit um Sozialdaten i.S.d. § 67 Abs. 1 SGB X. Indem § 65 Abs. 1 SGB VIII auf den Mitarbeiter der öffentlichen Jugendhilfe abstellt und nicht auf das Jugendamt selbst, trägt es dem Umstand Rechnung, dass Jugendhilfe nur effektiv erbracht werden kann, wenn zwischen den Kindern und deren Familien eine vertrauensvoll personale Beziehung zu den einzelnen Mitarbeitern besteht. Denn die Kinder und deren Familien werden sich den Mitarbeitern der Jugendhilfe nur dann anvertrauen, wenn der diskrete und vertrauensvolle Umgang mit den preisgegebenen Informationen gewährleistet ist.12 Deshalb kommt es konkret auf den einzelnen Mitarbeiter und nicht auf die Behörde „Jugendamt“ an. Nur dieser bzw. sein Stellvertreter , sofern dieser ebenfalls von dem Klienten als Vertrauensperson akzeptiert wird, sind befugt , die gewonnenen Informationen weiterzugeben.13 § 65 SGBVIII sorgt daher auch innerhalb des Jugendamtes dafür, dass die von einem Mitarbeiter gewonnenen Informationen bei diesem verbleiben und nicht in der gesamten Behörde weitergegeben werden. Der besondere Schutz, der durch § 65 SGB VIII gewährt wird, ist allerdings nur dann einschlägig, wenn die Informationen zum Zweck „erzieherischer und persönlicher Hilfe“ anvertraut wurden sind. Dabei reicht es bereits aus, wenn die Daten in einem Zusammenhang anvertraut worden, der zu persönlicher und erzieherischer Hilfe führen kann. Das lässt sich aus dem Wortlaut von § 65 Abs. 1 SGB VIII „…zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind…“ ableiten.14 Der Begriff der „persönlichen und erzieherischen Hilfe“ knüpft nicht etwa an den der „Hilfe zur Erziehung“ gemäß §§ 27 ff. SGB VIII an, sondern an die Regelung in § 11 Satz 12 Mörsberger, in: Wiesner, Wiesner, Reinhard (Hrsg.), SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 5. Auflage 2015, § 65 Rn. 1, 4. 13 Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 65 Rn. 7. 14 VG Aachen, Urteil vom 27.6.2012 – 8K 1026/08 – Juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 8 2 SGB I15. Dort wird die persönliche und erzieherische Hilfe als Dienstleistung eingestuft und damit von den Geld- und Sachleistungen abgegrenzt. Letztere unterliegen nicht dem besonderen Schutz des § 65 SGB VIII16. Zu den Dienstleistungen i.S.d. § 11 SGB I zählen alle Leistungen, die eine Tätigkeit beinhalten, ohne dass es sich um die Zahlung von Geld oder die Hingabe (oder Zurverfügungstellung) von Sachen handelt. Dazu zählen alle Formen persönlicher Betreuung und Hilfe17, insbesondere also Beratung und Auskünfte, aber auch Familien- und Hauspflege, Haushaltshilfe , Arbeitsvermittlung.18 Soll mit einer Studie eine empirische Grundlage dafür geschaffen werden, Umgangsregelungen stärker am Wohl und an den Bedürfnissen von Kindern anzupassen, so können solche Fragen nur mit Gesprächen und Beratungen über die häuslichen Verhältnisse und das Umfeld der Kinder geklärt werden. Damit ist durch eine solche Studie der Kern der durch § 65 SGB VIII geschützten Informationen betroffen. Geschützt sind auf jeden Fall die Inhalte der Beratung, also die im Laufe der Beratung anvertrauten Informationen. Darüber hinaus kann aber auch der Umstand, dass überhaupt eine Beratung stattgefunden hat, in den Schutzbereich des § 65 SGB VIII fallen, dann nämlich, wenn deutlich geworden ist, dass die Klienten den Umstand der Beratung ebenfalls zu den vertraulichen Angaben zählen19. Will man klären, wie der Zugang zur Beratung erfolgt ist, reicht die bloße Kenntnis davon, dass eine Beratung stattgefunden hat, ohnehin nicht aus. Hier sind detaillierte Kenntnisse von dem Geschehen zwischen dem Sozialarbeiter und den betroffenen Klienten erforderlich, so dass auch Informationen über den Zugang zur Beratung unter den Schutz des § 65 SGB VIII fallen. Entsprechendes gilt für die Erhebungen über den Beratungsprozess . Damit kann davon ausgegangen werden, dass Studien, die das Umgangsrecht zwischen Eltern und Kindern und die dazu erfolgte Beratung und Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe zum Gegenstand haben, dem Schutzregime des § 65 SGB VIII unterliegen, mit der Folge, dass die entsprechenden Informationen nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 SGB VIII weitergegeben werden dürfen. 2.1.2. Befugnis zur Weitergabe nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 SGB VIII § 65 Abs. 1 SGB VIII legt in den Nrn. 1 bis 5 fest, wann die Informationen weitergeben werden dürfen. Dies sind zum einen Situationen, in denen eine Gefährdung des Kindeswohls droht (Nrn. 2 bis 4) oder andere Gefahren (Nr. 5) bestehen. Auf diese Ausnahmetatbestände kann sich eine Studie zum Umgangsrecht nicht berufen, so dass eine Befugnis zur Weitergabe nur nach 15 Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 65 Rn. 9. 16 Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 65 Rn. 9. 17 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27. Juni 1973, Entwurf eines Sozialgesetzbuchs (SGB) - Allgemeiner Teil - , BT-Drucks 7/868, S 24. 18 Ross, in: Hauck, Karl / Noftz, Wolgang, Sozialgesetzbuch I: Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 16. 19 Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 65 Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 9 § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII möglich ist, wenn eine Einwilligung von demjenigen vorliegt, der die Daten anvertraut hat. Gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII ist für die Weitergabe der Sozialdaten die Einwilligung desjenigen notwendig, der die Daten einem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe anvertraut hat. Diese Person muss nicht zwingend identisch sein mit dem Betroffenen, um dessen persönliche Verhältnisse es geht. Diese Unterscheidung ist vor allem dann relevant, wenn der Gesprächspartner und der Betroffene nicht identisch sind.20 Haben Großeltern oder neue Lebenspartner dem Jugendamt Informationen anvertraut, so genießen sie ebenso den Schutz, wie wenn die Kinder oder deren Eltern Angaben beim Jugendamt gemacht haben. Für eine rechtswirksame Einwilligung in die Weitergabe der Daten ist erforderlich, dass die einwilligende Person sich über Tragweite und Inhalt der Einwilligung im Klaren ist. Das kann unter Umständen zu einer Aufklärungspflicht führen, wenn der genaue Inhalt der Akten beispielsweise nicht bekannt ist. Des Weiteren ist die Einsichtsfähigkeit des Einwilligenden zwingende Voraussetzung. Da es sich um keine rechtliche Erklärung handeln, muss der Betroffene nicht geschäftsfähig sein. Bei Minderjährigen ist für die Beurteilung der Einsichtsfähigkeit der individuelle Entwicklungsstand zu ermitteln. Nicht selten wird eine Einwilligung durch die Minderjährigen selbst möglich sein. Bei Entscheidungen mit großer Tragweite empfiehlt es sich, die Personensorgeberechtigten hinzuzuziehen, wobei zweifelhaft ist, ob diese im Zweifelsfall ein Recht zur Blockade der Weitergabe der Informationen hätten21. Eine bestimmte Form muss nicht eingehalten werden; die Einwilligung kann also auch mündlich erteilt werden22. Damit können für eine Studie zum Umgangsrecht die Sozialdaten, die zum Zweck erzieherischer und persönlicher Hilfe anvertraut worden, nach § 65 SGB VIII weitergegeben werden, wenn eine entsprechende Einwilligung der Betroffenen vorliegt. 2.2. Anspruch auf Weitergabe der Sozialdaten nach §§ 61 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 75 SGB X für Informationen, die zum Zweck erzieherischer und persönlicher Hilfe anvertraut worden sind Wie gesehen, dürfen Informationen, die zum Zweck „erzieherischer und persönlicher Hilfe“ anvertraut worden sind, nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII nur für die Studie herausgegeben werden, wenn derjenige, der die Information anvertraut hat, in die Weitergabe einwilligt. Zu klären bleibt, ob nicht eine Weitergabe solcher Informationen unter den Voraussetzungen der §§ 61 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 75 SGB X erfolgen kann, ohne dass es einer Einwilligung des Betroffenen bedarf. § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sieht vor, dass für den Schutz der Sozialdaten in der Jugendhilfe neben den im SGB VIII genannten Vorschriften die Regelungen der §§ 35 SGB I sowie der §§ 67 bis 85a SGB X gelten. Da es bei einer Studie um ein Forschungsvorhaben geht, kommt auch § 75 SGB X als Anspruchsgrundlage für eine Übermittlung von Sozialdaten in Betracht. Eine Übermittlung ist nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 SGB X zulässig, soweit sie für ein bestimmtes Vorhaben der 20 Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 65 Rn. 15. 21 Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 65 Rn. 16. 22 Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 65 Rn. 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 10 wissenschaftlichen Forschung im Sozialleistungsbereich erforderlich ist. Wie bereits oben dargelegt , betreffen die Informationen, die abgefragt werden sollen, Sozialleistungen i.S.d. § 11 SGB I, so dass es um den Sozialleistungsbereich geht. Allerdings unterliegt die Weitergabe der Daten folgenden Einschränkungen: Erstens ist eine Übermittlung nur insoweit zulässig, als sie für die Forschung erforderlich ist. Der Prüfung der Erforderlichkeit kommt eine ganz besondere Bedeutung zu. Es sind zum einen nur die Informationen weiterzugeben, die unbedingt benötigt werden. Zum anderen sind die Daten, soweit es zumutbar ist, zu anonymisieren bzw. zu aggregieren.23 Zweitens dürfen schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden, es sei denn das öffentliche Interesse an der Forschung überwiegt das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen erheblich, § 75 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. SGB X. Wie gesehen, betrifft eine Studie zum Umgangsrecht zwischen Eltern und Kinder einen äußerst sensiblen Bereich. Bei den entsprechenden Informationen handelt es sich um äußert sensible Sozialdaten, die bereits der Gesetzgeber über § 65 SGB VIII einem bestimmten Schutzregime unterstellt. Daher ist anzunehmen, dass eine Weitergabe dieser Daten die Interessen der Betroffenen beeinträchtigt. Es ist auch nicht ersichtlich , dass das öffentliche Interesse an der Forschung erheblich schwerer wiegt als das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen. Denn durch eine solche Forschung besteht die Gefahr, dass das Vertrauen der Bürger in die Geheimhaltung der anvertrauten Daten erschüttert wird und damit eine Beratung für die Zukunft wesentlich erschwert wird. Wegen dieser Gefahr darf das Interesse an der Forschung nicht zu hoch angesetzt werden. Drittens ist auch im Rahmen von Forschungsvorhaben eine Übermittlung der Sozialdaten ohne Einwilligung des Betroffenen nicht zulässig, soweit es zumutbar ist, die Einwilligung des Betroffenen nach § 67b SGB X einzuholen. Anders als bei § 65 SGB VIII muss die Einwilligung sogar schriftlich erfolgen, § 67b Abs. 2 SGB X. Im Bereich der wissenschaftlichen Forschung kann zwar nach § 67b Abs. 3 SGB X vom grundsätzlichen Zwang zur Schriftform der Einwilligung abgewichen werden, wenn dafür ein besonderen Interesse vorliegt; es bleibt aber auch hier dabei, dass eine Einwilligung erfolgen muss. Rechtsgrund für die Befreiung von der Schriftform ist eine spezielle Güterabwägung der in Konflikt stehenden Grundrechte aus Art. 2 und Art. 5 Abs. 3 GG24. Ist wie in hier anstehenden Studie der Staat selbst Auftraggeber der Studie, so scheidet allerdings ein Grundrechtskonflikt zwischen Art. 2 GG und Art. 5 Abs. 3 GG aus. Deshalb ist zweifelhaft , ob in diesen Fällen überhaupt ein besonderes Interesse daran besteht, dass von der Schriftform der Einwilligung abgesehen werden kann. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, 23 Bieresborn, in: von Wulffen/Schütze, SGB X Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, 8. Auflage 2014, § 75 Rn. 6. 24 Bieresborn, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 75 Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 11 dass ein Verstoß gegen die Schriftlichkeit die Einwilligung grundsätzlich unwirksam und ihre Verwendung unzulässig macht (vgl. §§ 125, 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)25)26. Viertens muss die Weitergabe von Sozialdaten durch die oberste Bundes- oder Landesbehörde genehmigt werden, die für den Bereich, aus dem die Daten herrühren, zuständig ist, § 75 Abs. 2 SGB X. Für Studien im Bereich des Jugendamtes bedeutet dies, dass eine Übermittlung der Daten an die Forscher von dem jeweiligen Landesministerium, das für das Jugendamt zuständig ist, genehmigt werden muss. Wird die Übermittlung an nicht-öffentliche Stellen genehmigt, so hat das Ministerium durch geeignete Auflagen sicherzustellen, dass die der Genehmigung durch § 75 Abs. 1 SGB X gesetzten Grenzen beachtet und die Daten nur für den Übermittlungszweck genutzt werden dürfen. Geht es um eine Studie, die vom Staat in Auftrag gegeben und von Dritten durchgeführt wird, ist entsprechend zu verfahren. 2.3. Anspruch aus den jeweiligen landesrechtlichen Informationsfreiheitsgesetzen auf Einsichtnahme in die Daten, die die zum Zweck „erzieherischer und persönlicher Hilfe“ anvertraut worden sind Anzudenken wäre ein Anspruch aus der jeweiligen landesrechtlichen Norm des Informationsfreiheitsgesetzes , wie beispielsweise § 4 Abs. 1 IFG NRW27. Jedoch regelt § 4 Abs. 2 IFG NRW die Subsidiarität gegenüber Spezialnormen. Bei § 65 Abs. 1 SGB VIII handelt es sich um eine solche Spezialnorm28. 2.4. Akteneinsicht bei sonstigen Aktenbestandteilen nach § 25 Abs. 1 SGB X Bei sonstigen Bestandteilen der Akten, die personenbezogene Daten von Dritten enthalten und nicht zugleich unter § 65 Abs. 1 SGB VIII fallen oder Daten der Amtspflegschaft nach § 68 SGB VIII enthalten, könnte § 25 Abs. 1 SGB X als Anspruchsgrundlage in Betracht kommen. Ein Akteneinsichtsrecht aus § 25 Abs. 1 SGB X ist jedoch von vornherein nicht möglich, da es sich bei den Forschern nicht um Beteiligte i. S. d. § 12 SGB X handelt. Außerdem müsste ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme geltend gemacht werden, was bei den Forschern wohl fehlen dürfte. 2.5. Anspruch auf Einsichtnahme in sonstige Aktenbestandteile nach den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder Bei sonstigen Aktenbestandteilen, die personenbezogene Sozialdaten enthalten, ohne dass diese unter § 65 SGB VIII fallen, kommt die jeweilige landesrechtliche Anspruchsnorm des Informationsfreiheitsgesetzes in Betracht. In diesem Fall besteht kein Konkurrenzverhältnis zu § 65 Abs. 1 25 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Mai 2016 (BGBl. I S. 1190); abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html [letzter Abruf: 8. Dezember 2016]. 26 Bieresborn, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 67b Rn. 13. 27 Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen - IFG NRW) vom 27. November 2001, Stand: 3. Dezember 2016; abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/pl_text_anzeigen?v_id=4820020930120743668 [letzter Abruf: 8. Dezember 2016]. 28 Vgl. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW vom 26.3.2008 – 12 E 115/08 – Juris, Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 12 SGB VIII. Allerdings hängt auch hier die Einsichtnahme in die Akten davon ab, dass dieser Einsichtnahme kein schutzwürdiges Interesse eines Dritten entgegensteht, vgl. zum Beispiel § 9 IFG NRW. 2.6. Akteneinsicht nach § 50 Abs. 1 SGB VIII § 50 Abs. 1 SGB VIII regelt eine Mitwirkungspflicht für die Jugendämter gegenüber den Familiengerichten , nicht jedoch gegenüber anderen Stellen. Daher können Forscher einen Anspruch auf Akteneinsicht nicht auf § 50 Abs. 1 SGB VIII stützten. 2.7. Gesamtergebnis zum Gliederungspunkt 2 Die Ausführungen haben gezeigt, dass eine Akteneinsicht bzw. eine Übermittlung von Daten, die zum Zweck erzieherischer und persönlicher Hilfe anvertraut worden sind, nur dann weitergeben werden dürfen, wenn diejenigen, die die Daten anvertraut haben, in die Weitergabe eingewilligt haben. Geht es um eine wissenschaftliche Studie, so muss die Einwilligung in der Regel sogar schriftlich erfolgen, außerdem ist für die Weitergabe der Sozialdaten jeweils eine Genehmigung des zuständigen Sozialministeriums des jeweiligen Bundeslandes erforderlich, § 75 Abs. 1 und 2 SGB X. 3. Akteneinsicht durch Dritte und Herausgabe von Akten an Dritte im familiengerichtlichen Verfahren Zu klären bleibt, wie es sich mit der Akteneinsicht durch Dritte und der Herausgabe von Akten an Dritte im familiengerichtlichen Verfahren verhält. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, hat der Gesetzgeber über § 78 Abs. 1 Satz 3 SGB X geregelt, dass die Gerichte, wenn ihnen Sozialdaten übermittelt wurden, diese nur dann weitergeben dürfen, wenn eine der in § 35 SGB I genannten Stellen, hier also das Jugendamt, zur Übermittlung an einen weiteren Dritten befugt wäre. Daher ist im Folgenden zu differenzieren zwischen Aktenbestandteilen, die das Familiengericht über das Jugendamt erhalten hat und solchen, die es selbst in Erfahrung gebracht hat. 3.1. Akteneinsicht nach § 13 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)29, wenn das Gericht die Sozialdaten vom Jugendamt erlangt hat Im familiengerichtlichen Verfahren kann Akteneinsicht nach § 13 FamFG begehrt werden. Da diejenigen, die eine Studie durchführen, nicht zu den Beteiligten des Verfahrens i.S.d. §§ 13 Abs. 1, 7 FamFG zählen, kommt ein Anspruch auf Akteneinsicht nur nach § 13 Abs. 2 FamFG in Betracht . Danach kann Dritten eine Einsicht nur dann gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes 29 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2222); abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/famfg/BJNR258700008.html [letzter Abruf: 8. Dezember 2016]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 13 Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder Dritten nicht entgegenstehen. Die Akteneinsicht soll erfolgen, um Daten für ein Forschungsvorhaben zu sammeln, um die Grundlagen für Entscheidungen der Familiengerichte zu verbessern. In diesem Forschungsvorhaben ist ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 13 Abs. 2 FamFG zu sehen. Fraglich ist, ob schutzwürdige Interessen der Beteiligten oder Dritter einer Akteneinsicht entgegenstehen . Für das Verfahren vor dem Jugendamt hat sich ergeben, dass es sich bei den entsprechenden Informationen mindestens um Sozialdaten i.S.d. § 67 Abs. 1 SGB X und bei dem überwiegenden Anteil der Informationen sogar um Sozialdaten im Sinne des § 65 Abs. 1 SGB VIII handelt, die zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind. Diese Daten dürfen daher im Verfahren vor dem Jugendgericht nur dann herausgegeben werden, wenn derjenige, der die Daten anvertraut hat, damit einverstanden ist. Wie bereits eingangs erwähnt, erlangt das Familiengericht viele seiner Informationen, die die Sorge von Kindern und Jugendlichen betreffen, vom Jugendamt, das gemäß § 50 SGB VIII das Gericht insoweit unterstützt. Deshalb hat der Gesetzgeber über § 78 Abs. 1 Satz 3 SGB X auch dafür gesorgt, dass das Sozialgeheimnis bei Weitergabe der Sozialdaten an das Gericht gewahrt bleibt. Dieses darf die vom Jugendamt erlangten Sozialdaten nämlich nur dann herausgeben, wenn das Jugendamt selbst die Sozialdaten weitergeben dürfte. Diese Entscheidung des Gesetzgebers hat das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung nach § 13 Abs. 2 FamFG („kann“) zu berücksichtigen . Daher unterliegt die Herausgabe von Sozialdaten zumindest in den Fällen, in denen das Gericht diese vom Jugendamt erlangt hat, den gleichen Bedingungen wie in dem Fall, in dem beim Jugendamt um die Herausgabe der Daten bzw. um Akteneinsicht nachgesucht wird. Das bedeutet, dass das Gericht Sozialdaten, die zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe i.S.d. § 65 SGB VIII anvertraut worden sind, nur mit der Einwilligung des Betroffenen herausgegeben werden dürfen. Geht es um die Herausgabe zu Forschungszwecken, so ist grundsätzlich auch die Schriftlichkeit der Einwilligung zu beachten, §§ 78Abs. 1 Satze 3 i.V.m. § 75 Abs. 2 SGB X. Bei den anderen Sozialdaten, die nicht unter § 65 SGB VIII fallen, und die das Familiengericht ebenfalls vom Jugendamt erlangt hat, gilt Folgendes: Auch hier kann das Gericht die Akteneinsicht nur gewähren, wenn die Sozialdaten auch vom Jugendamt weitergegeben werden könnten. Das ist der Fall, wenn der Einsichtnahme kein schutzwürdiges Interesse eines Dritten entgegensteht . 3.2. Akteneinsicht nach § 13 FamFGG, wenn das Gericht die Daten selbst erhoben hat Bleibt zu klären, wie zu verfahren ist, wenn das Gericht die Daten nicht über das Jugendamt erhält , sondern selbst erhoben hat, etwa Gutachten in Auftrag gegeben hat. Geht es um Akten i.S.d. § 65 SGB VIII, so sprechen gewichtige Argumente dafür, dass das Gericht dann ebenfalls die Weitergabe der Daten davon abhängig machen sollte, dass der Betroffene eine entsprechende Einwilligung erteilt. Das Gericht kann dies innerhalb seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen. Denn auch wenn das Gericht die Sozialdaten erhebt, bleibt es dabei, dass es sich bei Sozialdaten i.S.d. § 65 SGB X um sensible Informationen im höchstpersönlichen Bereich von Kindern und Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 14 Eltern handelt. In diesem Zusammenhang wird das Gericht auch berücksichtigen, dass das familiengerichtliche Verfahren nach § 170 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)30 generell nichtöffentlich tagt. Das Familiengericht kann die Öffentlichkeit jedoch zulassen, allerdings nicht gegen den Willen eines Beteiligten. Damit wird deutlich, dass auch im familiengerichtlichen Verfahren ebenso wie im behördlichen Verfahren der Gesetzgeber dem Schutz der Intimsphäre der Beteiligten eine überragende Bedeutung beimisst. Die Beteiligten sollen sich ohne Scheu vor der Öffentlichkeit äußern können. Damit ist ein freier Zugang zu den Akten des Familiengerichts nicht zu vereinbaren; vielmehr bedarf er stets der Einwilligung der Betroffenen. Geht es um Sozialdaten, ohne dass die Voraussetzungen des § 65 SGB VIII erfüllt sind, muss das Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen, inwieweit die Akteneinsicht Interessen der Beteiligten oder Dritter beeinträchtigt. Auch in diesem Rahmen wird das Gericht berücksichtigen, dass das familiengerichtliche Verfahren in der Regel nichtöffentlich tagt, weil den dort gewonnenen Informationen höchster Geheimhaltungsschutz zukommen muss. In der Regel wird daher das Gericht zu der Annahme gelangen, dass die Akteneinsicht nur dann nicht die Interessen von Beteiligten oder Dritten beeinträchtigt, wenn diese mit der Akteneinsicht einverstanden sind. Geht es jeweils um Forschungsvorhaben, so sollte die Einwilligung i.S.d. § 75 SGB X schriftlich erfolgen. 31 3.3. Akteneinsicht oder Herausgabe der Daten nach anderen Vorschriften Neben § 13 FamFG gibt es im gerichtlichen Bereich auch eine Reihe weiter Vorschriften, nach denen Akteneinsicht gewährt werden kann. Dazu zählen zum Beispiel: § 299 Zivilprozessordnung (ZPO)32, § 156 GVG, landesrechtliche Ausführungsgesetze zum GVG wie z.B. § 22 AGGVG Berlin33. 30 Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gvg/BJNR005130950.html [letzter Abruf: 8. Dezember 2016]. 31 Dagegen erscheint es nicht angemessen, die Weitergabe der Daten auch von der Genehmigung durch das jeweilige Landessozialministerium abhängig zu machen. Denn das liefe faktisch darauf hinaus, dass das Ministerium gegenüber dem Familiengericht weisungsbefugt wäre. Dies widerspricht jedoch dem Grundsatz der Gewaltenteilung . 32 Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), zuletzt geändert durch Artikel 1, 2 u. 3 des Gesetzes vom 21. November 2016 (BGBl. I S. 2591); abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/BJNR005330950.html [letzter Abruf: 8. Dezember 2016]. 33 Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes (AGGVG) vom 23. März 1992, Gesamtausgabe in der Gültigkeit vom 01.09.2016 bis 31.12.2020; abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal /?quelle=jlink&query=GVGAG+BE&psml=bsbeprod.psml&max=true&aiz=true [letzter Abruf: 8. Dezember 2016]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 173/16 Seite 15 Diese Vorschriften gehen jedoch der Spezialregelung des § 13 FamFG nach und kommen daher nicht zur Anwendung. Aus § 299 ZPO, der die Einsichtnahme in Akten durch Dritte sogar ohne Einwilligung der Betroffenen gestattet, lässt sich für § 13 FamFG sogar der Schluss ableiten, dass im Rahmen des § 13 Abs. 2 GVG i.d.R. eine entsprechende Einwilligung vorliegen muss. Denn ansonsten hätte es dem Gesetzgeber auch innerhalb des § 13 Abs. 2 FamFG offengestanden, die Akteneinsicht ohne Einwilligung der Betroffenen zuzulassen. ***