© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 165/19 Regelungen zur Freierstrafbarkeit in ausgewählten europäischen Ländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 165/19 Seite 2 Regelungen zur Freierstrafbarkeit in ausgewählten europäischen Ländern Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 165/19 Abschluss der Arbeit: 19. Dezember 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 165/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Regelungen in ausgewählten europäischen Ländern 4 2.1. Schweden 4 2.2. Frankreich 5 2.3. Vereinigtes Königreich 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 165/19 Seite 4 1. Einleitung Die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen ist in Deutschland nur in wenigen Ausnahmefällen unter Strafe gestellt. Eine Strafbarkeit der sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmenden Person kommt lediglich dann in Betracht, wenn die die sexuelle Dienstleistung anbietende Person Opfer von Menschenhandel und/oder Zwangsprostitution ist und sich entweder in einer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder einer Situation der Hilfslosigkeit befindet, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist. Nutzt die die sexuelle Dienstleistung in Anspruch nehmende Person eine solche Situation aus und lässt sexuelle Handlungen gegen Entgelt vornehmen bzw. nimmt diese gegen Entgelt vor, kann sie nach § 232a Abs. 6 des Strafgesetzbuchs (StGB)1 mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Die die sexuelle Dienstleistung in Anspruch nehmende Person muss dabei die Umstände , die eine Zwangslage begründen, zumindest für möglich halten und billigen, dass die sexuelle Handlung nur im Hinblick darauf erfolgt.2 Vor diesem Hintergrund sind die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages um Auskunft über die Rechtslage hinsichtlich der Strafbarkeit der Inanspruchnahme von sexuellen Dienstleistungen in ausgewählten europäischen Ländern gebeten worden, in denen das sogenannte „Nordische Modell“ eingeführt wurde. Nach dem Nordischen Modell wird nur die die sexuelle Dienstleistung in Anspruch nehmende Person strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. 2. Regelungen in ausgewählten europäischen Ländern3 2.1. Schweden Der Erwerb von Sexualdienstleistungen ist in Schweden seit 1999 unter Strafe gestellt. Gemäß Kapitel 6, § 11 des schwedischen Strafgesetzbuches kann eine Person, die gegen Entgelt eine sexuelle Dienstleistung erhält, wegen des Erwerbs dieses Sexualdienstes zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr verurteilt werden. Entgeltlichkeit erfordert in diesem Zusammenhang keine Bezahlung in Form von Geld, sondern ist insbesondere auch durch die Übergabe von Alkohol und/oder Drogen verwirklicht. Im Jahr 2010 wurde der schwedischen Regierung ein Untersuchungsbericht zu den Auswirkungen der Kriminalisierung vorgelegt. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass das Verbot des Erwerbs von sexuellen Dienstleistungen die beabsichtigte Wirkung gezeigt hat und ein wichtiges Instrument zur Verhütung und Bekämpfung von Prostitution und Menschenhandel zu sexuellen Zwecken ist. Demnach hat sich die Straßenprostitution in Schweden seit Einführung des Verbots in etwa halbiert. Die wichtigsten Inhalte des Untersuchungsberichts sind in einer Zusammenfassung des schwedischen Justizministeriums mit dem Titel „Selected extracts of the 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 62 des zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes vom 20.11.2019 (BGBl.I S. 1626), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/ (letzter Abruf: 18.12.2019). 2 Vgl. Renzikowski, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 232a StGB, Rn. 55. 3 Die Angaben basieren auf Auskünften der jeweiligen Parlamentsverwaltungen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 165/19 Seite 5 Swedish government report SOU 2010:49: The Ban against the Purchase of Sexual Services. An evaluation 1999-2008”4 zusammengefasst. Anfang 2018 verabschiedete die schwedische Regierung zudem einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Prostitution und Menschenhandel. Ziel dieses Aktionsplans ist es, die Prostitution und den Menschenhandel zu bekämpfen und zu einem besseren Schutz sowie zur Unterstützung der vom Menschenhandel Betroffenen beizutragen. Die Schwerpunkte des Aktionsplans sind: – eine verstärkte Koordination zwischen den Behörden und anderen Interessengruppen, – eine verstärkte Prävention, – eine verbesserte Erkennung von Prostitution und Menschenhandel, – legislative Maßnahmen, – stärkerer Schutz und Unterstützung von Betroffenen, – eine effektivere Strafverfolgung und – die Förderung einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit. Im Februar 2019 veröffentlichte das Schweden Institut zudem eine aktuelle allgemeine Broschüre über die Prostitutionspolitik in Schweden, mit dem Titel „Prostitution Policy in Sweden – Targeting Demand“ 5. 2.2. Frankreich In Frankreich führte das im April 2016 verabschiedete „Gesetz zur Stärkung des Kampfes gegen die Prostitution und zur Unterstützung von Betroffenen“6 im französischen Strafgesetzbuch einen 4 Abrufbar unter: https://www.government.se/articles/2011/03/evaluation-of-the-prohibition-of-the-purchase-ofsexual -services/ (letzter Abruf: 18.12.2019). 5 Abrufbar unter: https://sharingsweden.se/app/uploads/2019/02/si_prostitution-in-sweden_a5_final_digi_.pdf (letzter Abruf: 18.12.2019). 6 Abrufbar unter: https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do;jsessionid =02A83FF1619703EFF3FFD5102E03E803.tplgfr37s_3?cidTexte=JORFTEXT000032396046&date- Texte=20160414 (letzter Abruf: 18.12.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 165/19 Seite 6 neuen Artikel 611-17 ein. Demnach kann die Annahme oder die Erlangung sexueller Dienstleistungen gegen Entgelt, Entgeltversprechen, die Gewährung einer Sachleistung oder die Zusage einer solchen Leistung mit einem Bußgeld von bis zu 3.750 Euro geahndet werden. 2.3. Vereinigtes Königreich Auch im Vereinigten Königreich existieren Gesetze, die den Kauf von sexuellen Dienstleistungen kriminalisieren, allerdings nur, wenn es um die Ausbeutung von denjenigen Personen geht, die sexuelle Dienstleistungen anbieten (z.B. durch Gewalt, Drohung oder Täuschung). Die entsprechende Regelung ist in § 53A des Sexualstraftatengesetzes von 20038 enthalten. Im Frühjahr 2018 beauftragte die Regierung Wissenschaftler der Universität Bristol mit der Erforschung der Art und Häufigkeit der Prostitution in England und Wales. Diese Forschung soll als Evidenzbasis für den Fall dienen, dass in Zukunft Änderungen der Politik und der Gesetzgebung in Betracht gezogen werden. Die Studie mit dem Titel „Nature of prostitution and sex work in England and Wales“9 wurde im Oktober 2019 veröffentlicht. *** 7 Abrufbar unter: https://www.legifrance.gouv.fr/affichCodeArticle.do?idArticle=LEGIARTI000032398661&cid- Texte=LEGITEXT000006070719&dateTexte=20160415 (letzter Abruf: 18.12.2019). 8 Abrufbar unter: https://www.legislation.gov.uk/ukpga/2003/42/section/53A (letzter Abruf: 18.12.2019). 9 Abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/publications/nature-of-prostitution-and-sex-work-in-englandand -wales (letzter Abruf 18.12.2019).