© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 162/16 Ausschluss des Gläubigerwechsels bei Fluggastbeförderung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 162/16 Seite 2 Ausschluss des Gläubigerwechsels bei Fluggastbeförderung Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 162/16 Abschluss der Arbeit: 9. November 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bauund Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 162/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Internationale und europäische Spezialregelungen 4 3. Einfachgesetzliche Regelungen und allgemeine Geschäftsbedingungen 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 162/16 Seite 4 1. Einleitung Dem Sachstand liegt eine Anfrage zum Ausschluss des Gläubigerwechsels bei der Flugbeförderung und dessen Zulässigkeit zu Grunde. Die Anfrage beruht auf folgendem Sachverhalt: Es wurden zwei Flugtickets gekauft, eine Economy Class und ein Business Class Ticket. Die Inhaberin des Economy Class Tickets konnte die Reise nicht antreten, woraufhin der Business Class Ticket Inhaber versuchte, nun anstelle seiner Begleitung die Flugreise mit dem Economy Class Ticket durchzuführen. Dies wurde von der betreffenden Fluggesellschaft verweigert. Die Anfrage behandelt sachlich den Bereich des Gläubigerwechsels, da die ursprünglich auf das Flugticket gebuchte Person durch eine andere Person ersetzt werden soll. (Ein Fall der bloßen Namensänderung, welche sich aus geänderten Lebensverhältnissen, z.B. einer Heirat, oder aus einfachen Schreibfehlern ergeben, liegt nicht vor.) 2. Internationale und europäische Spezialregelungen International findet im zivilrechtlichen Luftrecht das Montrealer Übereinkommen (MÜ)1 Anwendung 2. In ihm werden grundsätzliche Regelungen zur Personenbeförderung (Kapitel II MÜ) sowie haftungsrechtliche Grundsätze (Kapitel III MÜ) festgelegt. Auf europarechtlicher Ebene werden Fluggastrechte durch die so genannte „Fluggastrechteverordnung “3 normiert. Diese regelt maßgeblich Grundzüge der Beförderung und Schadensersatzansprüche von Passagieren im Falle der Leistungsstörung4. Regelungen zum Gläubigerwechsel sind hier nicht getroffen. 1 Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 (BGBl. 2004 II S.458), Zuletzt geändert durch Art. 1 VO über die Inkraftsetzung der angepassten Haftungshöchstbeträge des Montrealer Übereinkommens vom 14. 12. 2009 (BGBl. II S. 1258), online abrufbar unter: http://www.transportrecht.de/transportrecht_content/1145518442.pdf. 2 Schladebach/Platek, Schwerpunktbereich – Einführung in das Luftrecht, in: Juristische Schulung (JuS) 2010, S. 499 (S. 502). 3 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=CELEX:32004R0261:DE:HTML. 4 Vgl. Schladebach/Platek, Schwerpunktbereich – Einführung in das Luftrecht, in: JuS 2010, S. 499 (S. 504). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 162/16 Seite 5 3. Einfachgesetzliche Regelungen und allgemeine Geschäftsbedingungen Daher muss auf die allgemeinen gesetzlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)5 zurückgegriffen werden. Rechtsgrundlage für die Beförderung eines Fluggastes ist der Luftbeförderungsvertrag . Nach deutschem Zivilrecht ist er als Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) einzuordnen6. Der Flugschein stellt ein qualifiziertes Legitimationspapier im Sinne des § 808 BGB dar7. Nach § 808 Abs. 1 S. 1 BGB befreit die Leistung an den Inhaber der Urkunde den Schuldner von seiner Verbindlichkeit8, sodass daran zu denken wäre, einen Gläubigerwechsel allein durch Aushändigen des Flugtickets an eine andere Person zu vollziehen. Der Regelungskern des § 808 BGB liegt jedoch in der Liberationswirkung, welche die Leistung an den Inhaber des Papieres für den Aussteller hat und dient dazu, den Aussteller vor dem Risiko einer Doppelleistung zu schützen9. Denn nach § 808 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Inhaber der Urkunde als solcher keinen Anspruch auf die Leistung des Ausstellers. Dessen Gläubiger ist vielmehr nur der materiell Berechtigte10, also die Person, für welche das Flugticket tatsächlich ausgestellt ist. Die Berechtigung ist auf Verlangen in vollem Umfang nachzuweisen11. Dies bedeutet zunächst, dass die Fluggesellschaft, trotz namentlicher Ausstellung des Flugtickets auf eine bestimmte Person, bei Vorlage des Flugtickets grundsätzlich ohne Prüfung der Berechtigung an den jeweiligen Inhaber des Flugtickets die Beförderungsleistung erbringen kann und dadurch von ihrer Leistungspflicht befreit wird12. Dieser Grundsatz greift jedoch nicht uneingeschränkt , nämlich dann nicht, wenn der Aussteller (hier die Fluggesellschaft) weiß oder grob fahrlässig verkennt, dass es sich bei der das Flugticket vorlegenden Person um den Nichtberechtigten handelt. Für den Fall der Ausstellung eines Flugtickets jedenfalls im internationalen Rechtsverkehr bedeutet dies, dass faktisch eine Beförderungsleistung seitens einer Fluggesell- 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Mai 2016, online abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/. 6 BGH Urteil vom 21.12.1973, IV ZR 158/72, juris Rn. 20f.. 7 BGH Urteil vom 21.12.1973, IV ZR 158/72, juris Rn. 21. 8 Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 808, Rn. 12; BGHZ 28, 368, 370. 9 Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 808, Rn. 12. 10 Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 808, Rn. 11. 11 Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 808, Rn. 11. 12 AG Frankfurt a.M. Urteil vom 8. Juli 2004, 30 C 3362/03, Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechung- Report Zivilrecht (NJW-RR) 2004, S. 1699 (S. 1699). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 162/16 Seite 6 schaft an den Vorleger eines Flugtickets nur dann erfolgt, wenn sich dieser bei Vorlage des Flugtickets beim Einchecken durch Vorlage des Reisepasses legitimiert13. Eine einfache Übertragung des Flugtickets durch Aushändigen des Tickets an eine andere Person ist somit nicht möglich. Grundsätzliche wäre ein Gläubigerwechsel durch eine Abtretung des Beförderungsanspruches nach § 398 BGB denkbar. Nach § 399 Fall 2 BGB kann jedoch die Abtretung einer Forderung durch Vereinbarung ausgeschlossen werden14. Ein solches Abtretungsverbot kann die Fluggesellschaft zulässig in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen festsetzen15. Denn bei den §§ 631 ff. BGB handelt es sich um abdingbares Recht, welches der einzelvertraglichen Gestaltung offen ist. Dies bedeutet, dass die Fluggesellschaften Beförderungsbedingungen im Sinne von allgemeinen Geschäfts- beziehungsweise Beförderungsbedingungen festsetzen dürfen. Es steht den Fluggesellschaften grundsätzlich frei festzulegen, unter welchen Voraussetzungen und zu welchen Modalitäten ein späterer Gläubigerwechsel (Passagierwechsel) noch möglich sein soll. So findet sich beispielsweise in den allgemeinen Beförderungsbedingungen von Lufthansa16 und airberlin17 die Regelung „Flugscheine sind nicht übertragbar“. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen von easyJet18 gestatten zwar die Übertragung des Flugscheines auf einen anderen Passagier , dies allerdings gegen die Zahlung von Gebühren. Zwar unterliegen die Allgemeinen Geschäfts- und Beförderungsbedingungen den §§ 305ff. BGB und insbesondere der Inhaltskontrolle des § 307 BGB der Inhaltskontrolle und können im Einzelfall unwirksam sein. Dies ist jedoch nicht alleine durch den Ausschluss der Übertragbarkeit eines Flugscheines der Fall sondern allein dann denkbar, wenn der Gläubiger (Fluggast) in einer Gesamtschau durch die Allgemeinen Geschäfts- und Beförderungsbedingungen unangemessen benachteiligt wird19. Anders läge der Fall bei der Buchung einer Pauschalreise. Hier findet sich in § 651 b BGB (Vertragsübertragung ) eine gesetzliche Spezialregelung, wonach ein Reisender ausdrücklich verlan- 13 AG Frankfurt a.M. Urteil vom 8. Juli 2004, 30 C 3362/03, NJW-RR 2004, S. 1699 (S. 1699). 14 Vgl. § 399 BGB. 15 Vgl. BGH Urteil vom 15. Juni 1989, VII ZR 205/88, juris Rn. 20. 16 Artikel 3.1.2 der Allgemeine Geschäftsbedingungen - Beförderungsbedingungen für Fluggäste und Gepäck (ABB Flugpassage) der Lufthansa, online abrufbar unter: http://www.lufthansa.com/mediapool/pdf/14/media _1611874814.pdf. 17 Artikel 3.3.2 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen von airberlin, online abrufbar unter: https://www.airberlin .com/site/affiliate/unternehmen/agb/ABB_de.pdf. 18 Artikel 4.1.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von easyJet, online abrufbar unter: http://www.easyjet.com/de/allgemeine-geschaftsbedingungen. 19 Vgl. BGH Urteil vom 15. Juni 1989, VII ZR 205/88, juris Rn. 20ff.; Zenker, Unübertragbarkeit von „Flugtickets” in der Klauselkontrolle, in: Neue juristische Wochenschrift (NJW) 2003, S. 1915 (S. 1920). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 162/16 Seite 7 gen kann, dass ein Dritter in seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Reiseveranstalter eintritt . Die §§ 651 a ff. BGB regeln jedoch den Spezialfall der Pauschalreise, also einer Gesamtheit an Reiseleistungen20. Sie sind auf die Buchung eines Fluges allein nicht anwendbar. - Ende der Bearbeitung - 20 Vgl. § 651 a BGB.