WD 7 - 3000 - 161/19 (28.10.2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Von nachrichtenlosen Konten wird – in Ermangelung einer allgemeingültigen Definition – gesprochen , wenn zu den Inhabern bzw. Berechtigten von Bankkonten seit längerer Zeit kein Kontakt (mehr) besteht. Während es in verschiedenen Staaten explizite Regelungen zu nachrichtenlosen Konten gibt, durch die etwa die Verwertung der auf diesen Konten verzeichneten Vermögenswerte geregelt ist, bestehen in Deutschland keine expliziten Regelungen, so dass hinsichtlich des Verhältnisses von Bank und Kunde die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen greifen. Situation in Deutschland Primär ergeben sich hiernach die wechselseitigen Rechte und Pflichten hinsichtlich eines Bankkontos aus dem jeweils zugrundeliegenden Vertrag. Regelmäßig liegt der Führung eines Bankkontos dabei ein Girovertrag zugrunde, bei dem es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 675c, 675f BGB (Zahlungsdiensterahmenvertrag) handelt und dessen Inhalt weitgehend durch die standardisierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Banken bestimmt wird. Die wesentlichen Pflichten der Bank aus dem Girovertrag sind die Kontoeinrichtung und -führung, die Gutschrift eingehender Zahlungen, die Abwicklung von Überweisungsaufträgen über das Konto sowie die Unterrichtung des Kunden durch Erteilung laufender Auszüge und periodischer Rechnungsabschlüsse. Der Kunde wiederum ist aus dem Girovertrag verpflichtet, vereinbarte Entgelte zu zahlen und der Bank ihre Aufwendungen aus der Geschäftsbesorgung zu erstatten (vgl. Fischer). Mangels Beendigung etwa durch Kündigung oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (BGH NJW 1979, 1658) besteht der Girovertrag grundsätzlich auch dann fort, wenn über einen längeren Zeitraum kein Kontakt zwischen Bank und Kunden besteht und wenn keine Zahlungen eingehen . Aufgrund der bestehenden Kontokorrentabrede (§ 355 HGB) können einzelne Forderungen dabei nicht verjähren, da die einzelnen kontokorrentpflichtigen Posten nicht selbständig eingeklagt werden können und die Verjährung gehemmt ist (§ 205 BGB, vgl. BGH NJW 1968, 33, 34; Pfeiffer S. 106). Ansprüche auf Auszahlung von Guthaben etwa nach einer Kündigung unterlägen den allgemeinen verjährungsrechtlichen Vorschriften. Die Verjährungsfrist beträgt danach regelmäßig drei Jahre (§ 195 BGB). Die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, tritt dabei nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Nachrichtenlose Konten Kurzinformation Nachrichtenlose Konten Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an der Anspruch von einem oder gegen einen Vertreter geltend gemacht werden kann (§ 211 BGB). Verjährung bedeutet dabei stets nur, dass der Schuldner die Leistung verweigern kann; die Forderung selbst erlischt nicht (§ 214 Absatz 1 BGB). Situation im Ausland Italien hat 2006 einen aus nachrichtenlosen Konten gespeisten Fonds eingeführt, aus dem Investoren entschädigt werden, die Opfer von betrügerischen Finanztransaktionen wurden und ansonsten keine Schadensersatzzahlungen erhalten (vgl. http://www.dt.tesoro.it/en/attivita_istituzionali /sistema_bancario_finanziario/con_dor.html). Im Vereinigten Königreich wurde die Thematik mit dem „Dormant Bank and Building Society Accounts Act 2008“ gesetzlich geregelt. Nach dieser Regelung haben Banken das Recht, über 15 Jahre nachrichtenloses Vermögen, hinsichtlich dessen auch keine Kontaktmöglichkeit mit dem Kunden mehr besteht, auf die „Reclaim Fund Ltd (RFL)“ zu übertragen. Die RFL setzt die Mittel dann für soziale und karitative Zwecke ein. Aufgrund des Erfolgs des Konzepts ist gegenwärtig eine Ausweitung desselben in Planung (vgl. https://www.gov.uk/government/publications/the-dormant-accounts-scheme). Frankreich hat 2016 eine gesetzliche Regelung eingeführt, wonach Banken zehn Jahre (bei Bausparverträgen 20 Jahre) nachrichtenloses Vermögen an die „Caisse des Dépôts et Consignations (CDC)“ übertragen müssen (vgl. https://particuliers.banque-france.fr/votre-banque-et-vous/le-compte-bancaire/lescomptes -inactifs). In Österreich bestehen Berichten zufolge wie in Deutschland weder einschlägige Regelungen noch Pläne, solche einzuführen (vgl. Gaulhofer). Quellen: – BGB: Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 31. Januar 2019 (BGBl. I S. 54) geändert worden ist. – HGB: Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 8 Absatz 4 des Gesetzes vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1002) geändert worden ist. – Fischer, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 51. Edition, Stand: 01.08.2019, § 675 BGB, Rn. 58 ff. – Gaulhofer, Die Jagd auf die vergessenen Konten, DiePresse vom 10.10.2016, abrufbar unter https://www.diepresse .com/5098732/die-jagd-auf-die-vergessenen-konten. – Pfeiffer: Die laufende Rechnung (Kontokorrent), JA 2006, 105 ff. – Loi n° 2014-617 du 13 juin 2014 relative aux comptes bancaires inactifs et aux contrats d'assurance vie en déshérence , abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000029095362&date- Texte=20170125. – Dormant Bank and Building Society Accounts Act 2008, abrufbar unter http://www.legislation .gov.uk/ukpga/2008/31/contents. – Commission on Dormant Assets, Tackling dormant assets Recommendations to benefit investors and society, 2017, abrufbar unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/596228/Tackling_dormant_assets_-_recommendations_to_benefit_investors_and_society__1_.pdf. * * *