© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 – 3000 – 160/16 Zulässigkeit von Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 160/16 Seite 2 Zulässigkeit von Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 160/16 Abschluss der Arbeit: 31. Oktober 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 160/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Kartellrechtliche Zulässigkeit von Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand 5 2.1. Unternehmensbegriff im europäischen und deutschen Kartellrecht 5 2.2. Wettbewerbsbeschränkung durch gebündelten Einkauf 6 2.3. Freistellung vom Kartellverbot gemäß § 3 GWB 7 3. Vergaberechtliche Zulässigkeit von Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand 8 3.1. Ausprägung des vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatzes 8 3.2. Ausprägung des Transparenzgebots 9 4. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 160/16 Seite 4 1. Einleitung Den Gemeinden wird gemäß Art. 28 Abs. 2 GG1 das Recht garantiert, die Erfüllung ihrer Aufgaben selbst zu organisieren. Bei der Erfüllung sind diese kommunalen Gebietskörperschaften gleichwohl zu wirtschaftlicher wie auch sparsamer Haushaltsführung angehalten.2 Als Ausprägung dieser Organisationshoheit ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung mit anderen Kommunen als Kooperationshoheit anerkannt .3 So kommt es, dass sich Gemeinden zusammenschließen, um eine möglichst sparsame Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleistungen erreichen zu können. Durch die Bündelung des Beschaffungsbedarfs sollen diese Einkaufskooperationen die jeweilige Marktposition verbessern und so Einsparpotentiale realisieren, die sich etwa aus einer höheren Stückzahl und den damit meist einhergehenden günstigeren Konditionen ergeben. Darüber hinaus bietet die gemeinsame konzentrierte Vergabe gerade für kleinere Auftraggeber die Möglichkeit, durch Rationalisierung die eigene Wirtschaftlichkeit zu erhalten oder zu verbessern.4 Neben diesen Vorteilen kann ein gebündelter Einkauf aber auch Gefahren bergen. So erscheint es möglich, dass durch die Zusammenführung mehrerer Auftraggeber das Auftragsvolumen derart erhöht wird, dass kleinere oder mittlere Unternehmen faktisch von einer Vergabe ausgeschlossen werden, da sie weder über die personellen noch die finanziellen Kapazitäten verfügen, um die Leistungen nunmehr noch selbst erbringen zu können.5 Der freie Wettbewerb wäre hierdurch jedenfalls beeinträchtigt. Die rechtlichen Grenzen einer solchen Zusammenarbeit der öffentlichen Hand sind daher immer wieder Thema der juristischen und ökonomischen Diskussion.6 Die maßgeblichen gesetzlichen Wertungen des Kartell- (2.) wie auch des Vergaberechts (3.) sollen nachfolgend dargestellt werden. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG (Art. 91b) vom 23. 12. 2014 (BGBl. I S. 2438). 2 Vgl. § 6 Abs. 1 des Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (HGrG) und § 7 Abs. 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO) sowie die entsprechenden landeshaushalts- und kommunalwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen. 3 BVerfG, Beschl. v. 27.11.1986 – 2 BvR 1241/82, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1987, 123 (124). 4 Vgl. Kämper/Heßhaus, Möglichkeiten und Grenzen von Auftraggebergemeinschaften, in: Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (NZBau) 2003, 303 (303). 5 Vgl. Kämper/Heßhaus, Möglichkeiten und Grenzen von Auftraggebergemeinschaften, in: NZBau 2003, 303 (305). 6 Säcker/Mohr, Die Beurteilung von Einkaufskooperationen gemäß Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV, in: Wettbewerb in Recht und Praxis (wrp) 2011, 793 (793). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 160/16 Seite 5 2. Kartellrechtliche Zulässigkeit von Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand Das allgemeine Kartellverbot findet seine normative Grundlage in Art. 101 Abs. 1 AEUV7 sowie § 1 GWB8. Für die grundsätzlich vorrangige Anwendbarkeit des europäischen Kartellrechts gilt das Auswirkungsprinzip. Es kommt demnach nur zur Anwendung, wenn sich die Wirkungen einer wettbewerbsbeschränkenden Maßnahme auf dem gemeinsamen europäischen Markt ausgewirkt haben.9 Fehlt es dagegen an einem zwischenstaatlichen Bezug, kommt nationales Recht zur Anwendung. 2.1. Unternehmensbegriff im europäischen und deutschen Kartellrecht Nach Art. 1 AEUV sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten, die geeignet sind den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. In Bezug auf Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand, die ausschließlich als Nachfrager auf dem Beschaffungsmarkt auftreten, vertritt der EuGH wie auch die EU-Kommission die Auffassung , dass bereits die Unternehmereigenschaft zu verneinen sei, wenn die erworbenen Produkte ausschließlich im Bereich der öffentlichen Hand verbleiben und Gemeinwohlzwecken dienen, da nicht zwischen Beschaffungsseite und Verwendungsseite getrennt werden könne und das Wesen unternehmerischer Tätigkeit im Anbieten von Waren oder Dienstleistungen liege.10 Insofern dürfte Art. 101 AEUV bereits tatbestandlich einer Einkaufskooperation der öffentlichen Hand nicht entgegenstehen. Art. 101 Abs. 1 AEUV findet seine nationale Entsprechung in § 1 GWB. Dieser ist im Zuge der 7. GWB-Novelle weitgehend an das europäische Normregime angeglichen worden. Dementsprechend ist auch § 1 GWB unternehmensbezogen formuliert. Im Gegensatz zu Art. 101 AEUV wird hier jedoch nach ganz überwiegender Auffassung von einem „funktionalen“ Unternehmensbegriff ausgegangen.11 Soweit nach diesem Verständnis sowohl der Angebots- wie auch der Nachfragewettbewerb in prinzipiell gleicher Weise geschützt wird, stellt sich die Beschaffungstätigkeit 7 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008 (ABl.2016 Nr. C 202 S. 47), zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndBeschl. 2012/419/EU vom 11. 7. 2012 (ABl. Nr. L 204 S. 131). 8 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, ber. S. 3245), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änd. des Rechts der erneuerbaren Energien vom 13. 10. 2016 (BGBl. I S. 2258). 9 EuGH, Slg. 1988, 5193, Rn. 13 – Zellstoff. 10 EuGH, Slg. 2006 I-06295, Rn. 25f. – FENIN; Säcker/Mohr, Die Beurteilung von Einkaufskooperationen gemäß Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV, in: wrp 2011, 793 (798). 11 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht 5. Auflage 2014, § 1 Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 160/16 Seite 6 der öffentlichen Hand als wirtschaftliche Tätigkeit dar.12 Dies wird auch dadurch gestützt, dass § 185 GWB13 nochmals klarstellt, dass die Vorschriften dieses Gesetzes auch auf Unternehmen anzuwenden ist, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder von ihr verwaltet oder betrieben werden. Der Fiskus ist damit Unternehmen im Sinne des GWB, wenn er sich im Geschäftsverkehr betätigt.14 Um dem Kartellverbot zu unterfallen wäre darüber hinaus jedoch eine durch die Einkaufskooperation bezweckte oder bewirkte spürbare Wettbewerbsbeschränkung erforderlich. 2.2. Wettbewerbsbeschränkung durch gebündelten Einkauf Eine Wettbewerbsbeschränkung ist nach der Rechtsprechung immer dann gegeben, wenn die Beteiligten sich im Hinblick auf ihr künftiges Marktverhalten und den Einsatz wettbewerblicher Handlungsfreiheiten binden.15 Durch die Bündelung der Nachfrage können die angestrebten Preisnachlässe und sonstigen günstigeren Konditionen eine solche Wettbewerbsbeschränkung begründen.16 Dies könne sich daraus ergeben, dass durch den gemeinsamen Einkauf einerseits die Zahl potentieller Bieter reduziert wird, als auch daraus, dass der Wettbewerb auf dem betroffenen Beschaffungsmarkt selbst eingeschränkt wird.17 Ob dies tatsächlich der Fall ist, hängt vornehmlich von dem jeweils sachlich und räumlich relevanten Markt ab. Für den Markt für Feuerlöschfahrzeuge etwa entschied das OLG Koblenz18, dass von einem räumlichen Markt auszugehen sei, der die ganze Bundesrepublik umfasse, da die Anbieter bundesweit tätig wären. Demnach wären neben Kommunen etwa auch Flughäfen und Unternehmen mit Betriebsfeuerwehren als Nachfrager einbezogen, womit eine gebündelte Ausschreibung einiger Gemeinden als eher geringfügige Beeinträchtigung angesehen werden könne. Andererseits, führt das OLG aus, sei es für den konkreten Markt charakteristisch, dass nur wenige Anbieter existieren, und diese die Endabnehmer direkt beliefern. Da Feuerlöschfahrzeuge schließlich auch nur in größeren zeitlichen Abständen nachgefragt werden, treffe eine Bündelung der Nachfrage jeden Hersteller,19 weshalb letztlich dennoch eine spürbare Beeinträchtigung angenommen wurde. Im Gegensatz dazu entschied das LG Leipzig in einem ähnlich gelagerten Fall, dass bereits räumlich lediglich 12 BGH, Urt. v. 12.11.2002 – KZR 11/01, in: NVwZ 2003, 1012 (1013). 13 § 185 GWB wurde mit Wirkung vom 18.4.2016 durch Gesetz vom 17.2.2016 (BGBl. I S. 203) neu gefasst. Inhaltlich entspricht die Norm der Vorgängerregelung des § 130 GWB. 14 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 1 Rn. 59. 15 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 1 Rn. 129. 16 Schnelle/Hübner, Einkaufsgemeinschaften der öffentlichen Hand: Kartellrechtliche Zulässigkeit und Rechtsweg in das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren, in: wrp 2003, 1205 (1205). 17 Kämper/Heßhaus, Möglichkeiten und Grenzen von Auftraggebergemeinschaften, in: NZBau 2003, 303 (307f.). 18 OLG Koblenz, Urt. v. 5.11.1998 – U 596/98-Kart, in: Wirtschaft und Wettbewerb (WuW) 1999, 316 (317). 19 OLG Koblenz, Urt. v. 5.11.1998 – U 596/98-Kart, in: WuW 1999, 316 (317). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 160/16 Seite 7 auf den sächsischen Markt abzustellen sei, da die meist kleinen Anbieter auch nur regional anbieten würden.20 Jedoch können auch wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen überwiegend positive Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen am Markt haben. Dies etwa, weil sie zu Effizienzgewinnen führen, die die Nachteile der wettbewerbsbeschränkenden Koordination vollständig kompensieren.21 In diesen Fällen kommt eine Freistellung vom Kartellverbot in Betracht. Vom Verbot des § 1 GWB sind gemäß § 3 GWB22 solche Vereinbarungen freigestellt, die den gemeinsamen Einkauf von Waren oder die gemeinsame Beschaffung gewerblicher Leistungen durch kleine oder mittlere Unternehmen zum Gegenstand haben, soweit durch die Kooperation der Wettbewerb auf dem betreffenden Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird. 2.3. Freistellung vom Kartellverbot gemäß § 3 GWB Zweck der Freistellungsregelung in § 3 GWB ist der Ausgleich struktureller Nachteile kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber konkurrierenden Großunternehmen.23 Sie ist nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung auch auf Gemeinden und die von ihnen gebildeten Einkaufskartelle anwendbar.24 Eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs, die der Freistellung entgegenstehen würde, liegt dabei nicht bereits dann vor, wenn sich das Beschaffungsverhalten von Mitgliedern der Einkaufskooperation wesentlich verändert, sondern vielmehr erst dann, wenn die Einkaufskooperation selbst eine zu hohe Nachfragemacht erreicht.25 Die Grenze ist hierbei im Einzelfall aufgrund einer Gesamtabwägung von quantitativen und qualitativen Kriterien zu bestimmen. Quantitativ bildet der auf die Einkaufskooperation entfallene Umsatzanteil im Vergleich zu dem am Markt insgesamt bestehenden Nachfragevolumen das insoweit maßgebliche Kriterium. Dabei dürfte ein Marktanteil von weniger als 10 % als unkritisch zu betrachten sein.26 In qualitativer Hinsicht kommt dagegen der Art und Intensität der Wettbewerbsbeschränkung 20 LG Leipzig, Urt. v. 9.9.1998 – 06HK O 5990/98. 21 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 2 Rn. 4. 22 Die Freistellungsmöglichkeit für Mittelstandskartelle wurde erstmals 1973 im Zuge der 2. GWB-Novelle als § 5b eingeführt. Diese Regelung hat der Gesetzgeber der 6. GWB-Novelle zum 1.1.1999 in § 4 Abs. 1 ohne inhaltliche Änderungen fortgeführt. Seit dem 1.7.2005 gilt nunmehr der durch die 7. GWB-Novelle neugefasste § 3, der sich im Wortlaut nur unwesentlich von seinen Vorgängerregelungen unterscheidet. Dem Gesetzgeber kam es darauf an, die bisherige Privilegierung mittelständischer Unternehmen möglichst unverändert fortzuführen. Die Neufassung wurde allerdings aufgrund der völligen Neustrukturierung des ersten Teils des Gesetzes erforderlich . Vgl. zur Entstehungsgeschichte im Übrigen Fuchs in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 3 Rn. 7ff. 23 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 3 Rn. 2. 24 BGH, Urt. v. 12.11.2002 – KZR 11/01, in: NVwZ 2003, 1012 (1013). 25 BGH, Urt. v. 12.11.2002 – KZR 11/01, in: NVwZ 2003, 1012 (1014). 26 BGH, Urt. v. 12.11.2002 – KZR 11/01, in: NVwZ 2003, 1012 (1015). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 160/16 Seite 8 eine entscheidende Rolle zu.27 Maßgeblich ist somit, wie sich die Nachfragebündelung auf die Marktgegenseite auswirkt und über welche Ausweichmöglichkeiten die Anbieter verfügen. 3. Vergaberechtliche Zulässigkeit von Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand Bei der entgeltlichen Beschaffung von Leistungen aller Art sind öffentliche Auftraggeber nach §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 1 GWB verpflichtet, den Zuschlag im Wettbewerb auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Die vergaberechtlichen Regelungen im GWB finden jedoch nur Anwendung, soweit die Auftragswerte die in § 106 Abs. 2 GWB aufgezählten Schwellenwerte erreichen oder überschreiten. In diesem sogenannten Oberschwellenbereich müssen Aufträge europaweit bekannt gemacht werden und kann etwa ein unterlegener Bieter oder Bewerber die Verletzung von Verfahrensvorschriften im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens vor den Vergabekammern und gegebenenfalls den Oberlandesgerichten geltend machen.28 Gemäß § 97 Abs. 1 GWB orientiert sich das im 4. Teil des GWB geregelte Vergaberecht an zwei tragenden Prinzipien, dem Grundsatz des Wettbewerbs und dem Transparenzgebot. Aus § 97 Abs. 6 GWB folgt darüber hinaus, dass Interessenten und Bieter einen eigenen Anspruch darauf haben, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren auch eingehalten werden. Ergänzend stellt § 4 Abs. 1 VgV29 klar, dass neben dem Einsatz zentraler Beschaffungsstellen auch sonstige gelegentliche gemeinsame Beschaffungen weiterhin grundsätzlich zulässig sind. 3.1. Ausprägung des vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatzes Im Falle der Vergabepflichtigkeit eines öffentlichen Auftrags gebietet der Wettbewerbsgrundsatz überhaupt die Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens für die Beschaffung.30 Er findet sich aber auch bei der Wahl der Verfahrensart, beim Zugang zum Auswahlverfahren und bei der Durchführung des Verfahrens selbst. Ein möglichst freier unbeschränkter Wettbewerb kann nur entstehen, wenn auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers auf Bedingungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren verzichtet wird, welche die Teilnahme erschweren.31 So kann durch die gebündelte Nachfrage schnell ein Auftragsvolumen erreicht werden, welches kleinere und mittlere Unternehmen mangels entsprechender Kapazitäten selbst nicht mehr bedienen können. Diese wären somit infolge der Einkaufskooperation faktisch von der Vergabe ausgeschlossen. Dementsprechend stellt § 97 Abs. 4 GWB 27 BGH, Urt. v. 12.11.2002 – KZR 11/01, in: NVwZ 2003, 1012 (1014); Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht 5. Auflage 2014, § 3 Rn. 77. 28 Eine Übersicht des Vergabeverfahrens sowie zu den einschlägigen gesetzlichen Regelungen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie findet sich unter: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Wirtschaft/Oeffentliche -Auftraege-und-Vergabe/uebersicht-und-rechtsgrundlagen.html. 29 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624). 30 Dörr, in: Dreher/Motzke, Beck´scher Vergaberechtskommentar, 2. Auflage 2013, § 97 Rn. 8. 31 OLG Rostock, Beschl. v. 6.3.2009 – 17 Verg 1/09, in: NZBau 2009, 531 (533). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 160/16 Seite 9 klar, dass mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen und Leistungen der Menge nach oder getrennt nach Art oder Fachgebieten aufgeteilt werden müssen. Insoweit ist also festzuhalten, dass die mit einer Einkaufskooperation intendierten Effekte einer mittelstandsfreundlichen Vergabe entgegenstehen können, und daher im Einzelfall stets zu prüfen ist, inwieweit durch die Bündelung des Bedarfs mittelständische Unternehmen von einer Beteiligung am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.32 3.2. Ausprägung des Transparenzgebots Um ein faires und willkürfreies Verfahren sicherzustellen, fordert § 97 Abs. 1 GWB wie gezeigt neben einer wettbewerbsorientierten Vergabe ein Vergabeverfahren nach transparenten Regeln. Die Entscheidungen des Auftraggebers sollen während des gesamten Verfahrens vorhersehbar und nachträglich überprüfbar sein. Dies macht es erforderlich, dass die Leistung so eindeutig und erschöpfend beschrieben ist, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen können und so in die Lage versetzt werden, die Angebote untereinander vergleichen zu können.33 Darüber hinaus regelt § 4 Abs. 2 VgV die Verantwortlichkeit bei gemeinsamen Beschaffungen. Danach liegt die Verantwortlichkeit bei dem Auftraggeber bzw. den Auftraggebern, in deren Namen das Beschaffungsverfahren durchgeführt wird. Wenn ein Vergabeverfahren erkennbar im Namen und im Auftrag mehrerer öffentlicher Auftraggeber gemeinsam durchgeführt wird, sind alle für die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren verantwortlich. Dies macht es erforderlich, dass bei der Bekanntmachung insbesondere alle Gegebenheiten in der Person des Auftraggebers anzugeben sind, die für die Art und Weise sowie den Umfang der ausgeschriebenen Leistung kennzeichnend sind. Soweit im Falle der Bedarfsbündelung durch Einkaufskooperationen nur ein Auftraggeber oder ein eingeschaltetes Drittunternehmen am Beschaffungsmarkt auftritt, ist daher ausdrücklichen auf die Beteiligung mehrerer Auftraggeber hinzuweisen, da die Entscheidung über ein Angebot bei einer Vielzahl von Auftraggebern durchaus unterschiedlich ausfallen kann.34 4. Fazit Zusammenfassend lässt sich sagen, dass einer Einkaufskooperation der öffentlichen Hand kartellund vergaberechtliche Normen nicht grundsätzlich entgegenstehen. Gleichwohl sind die jeweiligen Vorgaben im konkreten Einzelfall zu prüfen, da sie sowohl die Bildung als auch die Ausgestaltung der Einkaufskooperation determinieren und ihr im Einzelnen auch entgegenstehen können . Ende der Bearbeitung 32 Kämper/Heßhaus, Möglichkeiten und Grenzen von Auftraggebergemeinschaften, in: NZBau 2003, 303 (306). 33 OLG München, Beschl. v. 20.3.2014 – Verg 17/13, in: NZBau 2014, 456 (460); Kämper/Heßhaus, Möglichkeiten und Grenzen von Auftraggebergemeinschaften, in: NZBau 2003, 303 (306). 34 Kämper/Heßhaus, Möglichkeiten und Grenzen von Auftraggebergemeinschaften, in: NZBau 2003, 303 (306).