© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 159/16 Windkraftanlagen und deren Berücksichtigung in Flächennutzungsplänen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 159/16 Seite 2 Windkraftanlagen und deren Berücksichtigung in Flächennutzungsplänen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 159/16 Abschluss der Arbeit: 28. Oktober 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 159/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtspolitische Rahmenbedingungen 4 3. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 159/16 Seite 4 1. Einleitung Aus einigen nordrhein-westfälischen Landkreisen wird beklagt, dass trotz der Beratung durch Experten und Juristen die Aufstellung von Flächennutzungsplänen und die Ausweisung von sogenannten Windvorrangzonen mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet seien. Zunehmend würden Windkraftbetreiber weitere Standorte für Windkraftanlagen (WKA) auf dem gerichtlichen Wege erstreiten. 1 Es stellt sich in den betroffenen Regionen die Frage, ob ähnliche Schwierigkeiten bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen im Zusammenhang mit der Ansiedlung von WKA aus anderen Bundesländern bekannt sind. Von Interesse ist hierbei, ob das diesbezügliche Planungsrecht novellierungsbedürftig ist. Nach ihren Verfahrensgrundsätzen arbeiten die Wissenschaftlichen Dienste keine rechtspolitischen Konzepte aus. Die nachfolgenden Ausführungen betrachten daher summarisch die geltende Rechtsentwicklung bei der Nutzung erneuerbarer Energien und insbesondere die Ausweisung von Vorranggebieten für die Windenergieerzeugung. 2. Rechtspolitische Rahmenbedingungen Die Geschäftsgebaren und die Ausdehnung der WKA-Industrie werden zunehmend kritisch betrachtet .2 Der Ausbau der Windenergie ist weder unter den einzelnen Ländern noch mit dem Bund hinreichend abgestimmt.3 Während die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen bestrebt sind, Windenergie zu exportieren, versuchen andere Länder, wie beispielsweise Hessen, künftig ihren gesamten Energiebedarf durch erneuerbare Energien und insbesondere der Windenergie zu decken . Die integrierte planmäßige Ermittlung des Bedarfs an erneuerbaren Energien unter besonderer Berücksichtigung der überregionalen (offshore) Erzeugung von Windenergie ist bisher in den Ländern nicht und im Bund für die Übertragungsnetzte nur ansatzweise erfolgt.4 1 Vgl. bspw. Verwaltungsgericht (VG) Minden, Urteil vom 28.09.2016 – 11 K 2120/15, Pressemitteilung des VG Minden zuletzt abgerufen am 62.10.2016: http://www.vg.minden.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen /10110102016/index.php. 2 Vgl. Deutsche Presseagentur (dpa) vom 27.09.2016, „Gabriel: Windenergie braucht keinen Welpenschutz“; zuletzt abgerufen am 26.10.2016: http://www.zvw.de/inhalt.hamburg-gabriel-windenergie-braucht-keinen-welpenschutz -mehr.592a1114-c709-4d51-9b44-1a672ec615d2.presentation.print.v2.html. Vgl. auch die Zusammenstellung der Pressedokumentation – Anlage 1 - 3 Vgl. im Einzelnen Schink, Vorranggebiete für die Windenergie Nutzung in Regionalplänen, ZfBR 2015, S. 232 und dort die Nachweise in den Fußn. 1-5. 4 Vgl. hierzu Wissenschaftliche Dienste des DBT, WD 7 – 3000 – 177/15, Raumordnungsrechtliche Abwägung für Windkraftanlagen in Vorranggebieten, S. 7 ff. – Anlage 2 -. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 159/16 Seite 5 Von einigen Ländern, wie bspw. Hessen, wird angestrebt, 2 % der Landesfläche für die Windkrafterzeugung vorzusehen. Im Jahre 2010 hat der Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) eine „Studie zum Potenzial der Windenergienutzung an Land (Fraunhofer IWES)“ in Auftrag gegeben. Die Studie beruht auf einem „Branchenszenario“ und wurde unter der vom BWE vorgegebenen Annahme erstellt, dass „2% der Fläche Deutschlands“ für die Windenergienutzung zur Verfügung stehen: „Mit der vorliegenden Studie wird ein Branchenszenario des Bundesverbands WindEnergie e. V. (BWE) basierend auf der Nutzung von geeigneten Flächen mit Hilfe von geographischen Informationssystemen (GIS) auf Plausibilität geprüft. Dieses wurde unter der vom Auftraggeber vorgegebenen Annahme, dass 2 % der Fläche Deutschlands für die Windenergienutzung zur Verfügung stehen, plausibilisiert.“ „Vom Auftraggeber Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) wurden hierfür verschiedene Rahmenbedingungen wie die Abstandsregelungen zu u. a. Siedlungsflächen, Infrastruktur usw. vorgegeben. Das Fraunhofer IWES hat anhand von GIS Daten vorhandene Potenziale im Rahmen der möglichen Genauigkeit ermittelt. Ziel der Untersuchung war die Überprüfung der Plausibilität der vom Auftraggeber genannten Flächennutzung von 2 % der jeweiligen Landesfläche. Zu diesem Zweck wurden Ausschlusskriterien wie z. B. Gewässer und Siedlungsflächen sowie Abstandsregelungen definiert, um auf dieser Basis die verfügbaren Flächen zu berechnen. Diese Flächen umfassen auch jene, die z. B. aufgrund von Steigung, Besitzverhältnissen usw. nicht für die Windenergienutzung in Frage kommen, Damit sollte das 2 %-Szenario des Auftraggebers einschätzbar sein. 5 Ende 2011 empfahl der Hessische Energiegipfel, die Windenergienutzung in der Größenordnung von 2 % der Landesfläche regionalplanerisch zu berücksichtigen.6 Auch gelangte ein durch das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung beauftragtes privates Institut in seinem „Gutachten zu den regionalen Energiekonzepten Hessen unter besonderer Berücksichtigung erneuerbarer Energien – Abschlussbericht“ (2012)7 auf Seite 166 zu dem Ergebnis: „Diese Grobabschätzung zeigt, dass das Ziel, Hessen bis 2050 vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen, im Prinzip erreichbar ist. Unter der Annahme, dass 2 % der Fläche Hessens durch Windkraftanlagen genutzt wird und dies an den ertragsreichsten Standorten erfolgen kann, würden ca. 60 % des Stroms durch Windkraftanlagen bereit gestellt.“ 5 Bundesverband WindEnergie e. V. (Hrsg.), Studie, Potenzial der Windenergienutzung an Land – Zusammenfassung , Stand: Mai 2011 (2. Auflage 2012), S. 4/5, abrufbar unter (Stand:18.09.2015), https://www.wind-energie .de/sites/default/files/download/publication/studie-zum-potenzial-der-windenergienutzung-land/bwe potenzialstudiekurzfassung 2012-03.pdf. 6 Abschlussbericht des Hessischen Energiegipfels vom 10.11.2011, S. 9; abrufbar unter (Stand: 18.09.2015): http://www.energieland.hessen.de/mm/Abschluss_Energiegipfel.pdf 7 Zuletzt abgerufen am 26.10.2016: https://wirtschaft.hessen.de/sites/default/files/HMWVL/regionale-energiekonzepte _hauptbericht.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 159/16 Seite 6 Dieses so ermittelte „2%-Szenario“ fand schließlich Eingang in die raumordnungsrechtlichen Festlegungen des Landesentwicklungsplans (LEP 2013).8 Auch andere Bundesländer, wie Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen sind bestrebt, in ihren Regionalplänen erhebliche Flächen für die Ansiedlung von WKA auszuweisen. Flächennutzungspläne der Kommunen sind aus diesen raumordnungsrechtlichen Vorgaben heraus zu entwickeln . Ändern sich raumordnungsrechtliche Vorgaben, so kann dies dazu führen, dass bestehende und unter der seinerzeitigen Rechtslage von den Aufsichtsbehörden genehmigte Flächennutzungspläne teilweise rechtswidrig werden. Der Freistaat Bayern ist demgegenüber bei der Ausweisung von Vorranggebieten für die Windenergieerzeugung restriktiv eingestellt. Auch die Abstände der WKA zu Wohnsiedlungen sind gegenüber denen in anderen Bundesländern deutlich höher.9 Ein Schutz der Bevölkerung ließe sich ggf. auch im Rahmen eines weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums durch einschränkende Regelungen zum sog. Repowering herbeiführen. 3. Fazit Die raumordnungsrechtliche Förderung der Windenergieerzeugung dürfte zumindest mitursächlich dafür sein, dass kommunale Flächennutzungspläne in Nordrhein-Westfalen teilweise obsolet werden. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass dies auch in anderen Bundesländern der Fall ist, in denen über raumordnungsrechtliche Instrumente, der Windenergienutzung eine erhöhte Priorität eingeräumt wird. Möglicherweise ließe sich der Anreiz für die Rechtsstreitigkeiten um die Errichtung von WKA dadurch mindern, indem die Förderpraxis insgesamt für die Windenergieerzeugung einer Überprüfung zugeführt wird. Ende der Bearbeitung 8 In der Fassung der Änderung vom 27.06.2013 (GVBl. S. 479), abrufbar unter (Stand: 18.09.2015): http://landesplanung .hessen.de/lep-hessen/%C3%A4nderungsverfahren-2013/digitale-bereitstellung-der-unterlagen 9 Vgl. hierzu Wissenschaftlicher Dienst des DBT, Sachstand, WD 7 – 3000 – 130/115, S. 5 ff. – Anlage 3 -.