Deutscher Bundestag Kombination von Fußgänger- und Fahrradüberweg Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 7 – 3000 – 155/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 155/11 Seite 2 Kombination von Fußgänger- und Fahrradüberweg Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 155/11 Abschluss der Arbeit: 18. Juli 2011 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 155/11 Seite 3 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung behandelt die Zulässigkeit einer Kombination von Fußgänger- und Fahrradüberweg nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) und berücksichtigt dabei auch kommunalaufsichtsrechtliche Aspekte. Die Stadt Landshut hatte in der Inneren Regensburger Straße/Höhe Johann-Weiß-Weg einen Fußgängerüberweg mit begleitender Radfahrerfurt einrichten wollen, um „Radfahrer an der Vorrangregelung des Fußgängerüberweges teilhaben“ zu lassen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde eine Verkehrszeichenregelung angestrebt, die eine Vorfahrtregelung positiv für den Radverkehr im Zuge der Radfahrerfurt mit Zeichen 301 StVO (Vorfahrt) und negativ für den Verkehr auf der Inneren Regensburger Straße mit Zeichen 205 StVO (Vorfahrt gewähren) beinhaltete. Das Bayerische Staatsministerium des Innern befand, dass eine derartige Regelung nicht den derzeitigen verkehrsrechtlichen Vorschriften entspreche und auch als Versuchsregelung nicht akzeptiert werden könne. Im Grunde gehe es der Stadt Landshut nicht um eine Ausnahme von allgemeinen Verkehrsregeln der StVO oder von besonderen Anordnungen durch Verkehrszeichen, sondern – wenn auch nur für diesen Einzelfall - um eine Änderung des gesetzlich vorgegebenen Rahmens durch eine bisher unzulässige Form der Verkehrsregelung. Dies sei jedoch dem Gesetzgeber , hier dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, vorbehalten. Von einer Weiterleitung des Anliegens dorthin sah das Bayerische Staatsministerium des Innern ab und begründete dies u.a. damit, dass die Anlage von Fußgängerüberwegen und Radfahrerfurten nur angeordnet werden dürfe, wenn dies aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse und der damit verbundenen erheblichen Gefahrenlage für eine Rechtsgutbeeinträchtigung zwingend geboten sei (§ 45 Abs. 9 Satz 2 StVO). Dies habe die Stadt Landshut nicht dargetan. Vor allem aber vermisste das Ministerium Ausführungen zur erwarteten Wirkung der geplanten Vorfahrtregelung . Daher werde die nach derzeitiger Rechtslage unzulässige Verkehrsregelung nicht zugelassen bzw. deren gesetzliche Zulassung nicht angeregt. Diese Entscheidung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern wurde der Stadt Landshut durch die Regierung von Niederbayern übermittelt. Sie bat die Stadt Landshut zudem darum, die seinerzeit noch geltende Verkehrsregelung (Radfahrerfurt mit Vorrang für Radfahrer) aufzuheben, da bereits mehrere Unfälle mit Radfahrern zu verzeichnen seien. Ferner wurde die Stadt Landshut zur Vermeidung gegebenenfalls aufsichtsrechtlicher Maßnahmen gebeten, auch von der alleinigen Errichtung eines Fußgängerüberweges Abstand zu nehmen, da die Polizeiinspektion Landshut erhebliche sicherheitsrechtliche Bedenken geltend gemacht hatte, welche die Regierung von Niederbayern teilte. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)1 begründete die Regierung von Niederbayern diese Maßnahme damit, dass mit Verkehrsregelungen keine neuen Gefahren geschaffen werden dürften. Ähnliche Kombinationsmodelle wie das in Landshut ursprünglich geplante werden in mehreren deutschen Städten praktiziert. So wurde im Jahr 2000 beispielsweise in Göttingen in Abstimmung mit der Polizei, der Straßenverkehrsbehörde sowie der Verkehrsplanung eine Lösung erarbeitet und umgesetzt, die durch den Umbau einer hochbelasteten Kreuzung am Göttinger Innenstadtring bei der Querung eines "freien" Rechtsabbiegers zur Erhöhung der Radverkehrssicherheit 1 BGH Versicherungsrecht (VersR) 1967, 602. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 155/11 Seite 4 beitragen soll. Bei diesem Göttinger "Doppel-Zebra" wird eine separate Furt für den Radverkehr mittig in einen Fußgängerüberweg ("Zebrastreifen") integriert. In einigen Fällen (z.B. in Köln) werden die Furten für den Radverkehr, die parallel zu Zebrastreifen über vorfahrtberechtigte Straßen verlaufen, neben ihrer üblichen Kennzeichnung zusätzlich farblich auch noch mit „Haifischzähnen “ markiert. 2. Rechtslage nach der StVO Nach den geltenden Regelungen der StVO und den Verwaltungsvorschriften zur StVO (VwV- StVO) ist eine Verbindung von Fußgängerüberwegen (Zebrastreifen) und Radfahrerfurten zur Querung von bevorrechtigten Straßen grundsätzlich nicht zulässig. Nach § 26 Abs.1 StVO haben an Fußgängerüberwegen (Zeichen 293 StVO) Fahrzeuge mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen den Fußgängern sowie Fahrern von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen, welche den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dann dürfen sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren und müssen, wenn nötig, warten. Vom persönlichen Schutzbereich dieser Vorrangregelung werden Radfahrer (auf dem Rad sitzend) nicht erfasst2, da ein Fahrrad als Fahrzeug und Radverkehr als Fahrverkehr gelten3, auch wenn es sich um straßenbegleitende Radwege handelt. Der Fußgänger, der ein Fahrrad mitführt, also vor Betreten des Zebrastreifens abgestiegen ist, kommt ebenfalls in den Genuss der Vorrangregelung des § 26 Abs.1 StVO.4 Nach einer umstrittenen Entscheidung des Kammergerichts soll dies auch dann gelten, wenn der abgestiegene Radfahrer den Fußgängerüberweg mit einem Fuß auf dem Pedal „rollernd“ überquert.5 Diese Rechtsprechung zu § 26 Abs.1 StVO zeigt, dass eine Kombination von Fußgängerüberwegen und Radfahrerfurten nach geltender Rechtslage nicht zulässig ist. Dies ergibt sich auch aus Nr. 2.1 Abs. 2 der Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001), die in Ausführung von Rn. 16 VwV- StVO zu § 26 erlassen worden sind. Danach dürfen Fußgängerüberwege nicht im Verlauf eines gemeinsamen Fuß- und Radweges (Zeichen 240 StVO) angelegt werden. Sind bevorrechtigte Straßen zu queren, besteht nach den obigen Ausführungen also die Möglichkeit , Fußgänger durch entsprechend markierte Fußgängerüberwege („Zebrastreifen“ gemäß Zeichen 293 StVO) zu bevorrechtigen. Diese Möglichkeit besteht für Radfahrer prinzipiell in ähnlicher Weise. Da Radverkehr dem Fahrverkehr zuzurechnen ist, können für den Verkehr auf der Fahrbahn Zeichen 205 StVO (Vorfahrt achten) und für den querenden Radverkehr Zeichen 301 StVO (Vorfahrt) angeordnet werden. Ein alleiniger Überweg für Radfahrer ist damit auch heute schon möglich. Besteht für beide Verkehrsteilnehmer ein Querungsbedürfnis, z.B. wenn ein selbständig geführter Rad-/Gehweg (Zeichen 240 StVO) eine Hauptverkehrsstraße kreuzt, dann fehlt bislang eine Beschilderung bzw. Markierung – mit der Folge, dass eine Überquerung nicht erlaubt ist. 2 OLG Hamm Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) 1993, 66; 96, 449; OLG Düsseldorf NZV 98, 296. 3 König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 26 StVO Rn. 14. 4 König (Fn. 3), § 26 StVO Rn. 14. 5 KG NZV 2005, 92; ablehnend Krumm DAR 2009, 171. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 155/11 Seite 5 Um eine Kombination von Fußgänger- und Radfahrerüberweg zu ermöglichen, müsste entweder die StVO durch Einführung einer dem § 26 Abs.1 StVO entsprechenden Bestimmung und einer entsprechenden Beschilderung bzw. Markierung geändert werden. Oder in die VwV-StVO müsste eine Bestimmung aufgenommen werden, nach der etwa die bereits vorhandenen Zeichen kombiniert werden können. Beide Änderungen sind Sache des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). 3. Ausnahmegenehmigung In § 46 StVO wird die Möglichkeit eröffnet, Ausnahmen von den Vorschriften der StVO zu genehmigen . Zu unterscheiden sind Ausnahmen von bestimmten und von allen Vorschriften der StVO. Gemäß § 46 Abs. 1 StVO kann die örtliche Straßenverkehrsbehörde von bestimmten Vorschriften der StVO Ausnahmen genehmigen. Die Ausnahmetatbestände sind in einem enumerativen Katalog in § 46 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 StVO aufgeführt und können von der Straßenverkehrsbehörde nicht erweitert werden. Dazu zählen beispielsweise die Vorschriften über die Straßenbenutzung durch Fahrzeuge (§ 2 StVO), die Halt- und Parkverbote (§ 12 Abs. 4 StVO) und das Verbot der unzulässigen Mitnahme von Personen (§ 21 StVO). §§ 39 bis 43 StVO (Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen ) fallen nicht darunter. Nach § 46 Abs. 2 StVO können die zuständigen obersten Landesbehörden (in Bayern das Staatsministerium des Innern) oder die nach Landesrecht bestimmten Stellen von allen Vorschriften der StVO, also auch von §§ 39 bis 43 StVO, Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller genehmigen. Das BMVBS ist nur zuständig, wenn sich die Auswirkungen der Ausnahme über ein Land hinaus erstrecken und eine einheitliche Entscheidung notwendig ist (§ 46 Abs. 2 Satz 3 StVO). In einem solchen Fall, der bei der Stadt Landshut nicht gegeben ist, hört das BMVBS vorher die obersten Landesbehörden an. Seine Entscheidung ergeht in der Regel durch Verordnung.6 Nach Rn. 148 VwV- StVO zu § 46 gilt Entsprechendes für alle Bestimmungen der VwV- StVO. Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO steht die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen im Ermessen der zuständigen Behörde.7 Dem Wortlaut der Vorschrift nach ist der Begriff der Ausnahme der Rechtsfolgenseite zugeordnet, in der auch die Ermessensermächtigung angesiedelt ist. Auch Sinn und Zweck der Regelung verlangen kein objektives - und gerichtlich voll überprüfbares - Tatbestandsmerkmal des besonderen Ausnahmefalls. Das Bundesverwaltungsgericht hat betont, dass die Vorschrift zwar eine Abweichung von den generellen Bestimmungen der StVO ermöglichen solle, um besonderen Ausnahmesituationen Rechnung zu tragen, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten.8 Die Feststellung, ob ein besonderer Ausnahmefall vorliege, setze jedoch den gewichtenden Vergleich der Umstände des konkreten Falles mit dem typischen Regelfall voraus, der dem generellen Verbot zugrunde 6 König (Fn. 3), § 46 StVO Rn. 25. 7 BVerwG NZV 1997. 372 (373). 8 Vgl. BVerfGE 40, 371 (377). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 155/11 Seite 6 liege. Das Merkmal der Ausnahmesituation sei damit nicht als eigenständiges Tatbestandsmerkmal verselbständigt worden, sondern Bestandteil der der Behörde obliegenden Ermessensentscheidung .9 Darin sieht das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Konzeption derartiger Ausnahmevorschriften und selbst in Fällen, in denen die Rechtsordnung die Möglichkeit der Ausnahme von generellen Verboten an eine besondere oder unbeabsichtigte Härte knüpft, regelmäßig nicht die Koppelung eines selbständig festzustellenden Tatbestandsmerkmals mit einer Ermessensermächtigung, sondern lediglich eine Wertungsvorgabe im Rahmen einer einheitlich zu treffenden Ermessensentscheidung.10 Da die Straßen nur für den normalen Verkehr gebaut sind, ist die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß Rn. 1 VwV- StVO zu § 46 nur in besonders dringenden Fällen gerechtfertigt, wobei an den Nachweis solcher Dringlichkeit strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Sicherheit des Verkehrs darf durch eine Ausnahmegenehmigung nicht beeinträchtigt werden und ist erforderlichenfalls durch Auflagen und Bedingungen zu gewährleisten, durch die auch Einbußen der Flüssigkeit des Verkehrs möglichst zu mindern sind (Rn. 2 VwV- StVO zu § 46). Dauerausnahmegenehmigungen sind nach Rn. 1 VwV- StVO zu § 46 auf höchstens drei Jahre zu befristen und dürfen nur widerruflich erteilt werden. Ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung besteht nicht, da es sich beim Vollzug der StVO nicht um eine Selbstverwaltungsangelegenheit, sondern um eine Maßnahme im „übertragenen Wirkungskreis“ handelt. Dies gilt auch für die Durchführung von Pilotprojekten. 9 BVerwG NZV 1997. 372 (373). 10 Vgl. BVerwGE 72, 1.