© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 153/16 Beteiligte an einem Vergabeverfahren Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 153/16 Seite 2 Beteiligte an einem Vergabeverfahren Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 153/16 Abschluss der Arbeit: 20. Oktober 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 153/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Anwendbarkeit (haushalts)vergaberechtlicher Vorschriften 4 3. Übertragbarkeit der in Frage stehenden Aufgabe 6 4. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 153/16 Seite 4 1. Einleitung Im Rahmen eines Vergabeverfahrens kann nicht nur die öffentliche Hand als Auftraggeberin in Erscheinung treten. Auch Personen des Privatrechts können als Auftraggeber an einem Vergabeverfahren beteiligt sein. Zweierlei kann hierbei bedeutsam werden. Zum einen ist zwischen den vergaberechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und den haushaltsvergaberechtlichen Vorschriften der Haushaltsordnungen zu unterscheiden. Je nachdem , welchen Vorschriften das fragliche Vergabeverfahren sachlich unterliegt, variiert auch der Auftraggeberbegriff und damit der persönliche Anwendungsbereich der jeweiligen Vorschriften. Zum anderen muss der Verwaltungsträger die Aufgabe überhaupt einer Person des Privatrechts übertragen können. Im Hinblick auf eine Gemeinde hängt die Beantwortung dieser Frage entscheidend davon ab, ob es sich um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handelt. Nachfolgend soll dies anhand der Verpachtung gemeindlicher Grundstücke veranschaulicht werden. 2. Anwendbarkeit (haushalts)vergaberechtlicher Vorschriften Die Gestattung bestimmter Tätigkeiten auf einem gemeindlichen Grundstück kann einen Pachtvertrag darstellen. Bei der Auswahl der Unternehmen, mit denen die Gemeinde derartige Pachtverträge abschließen will, ist sie an (haushalts-)vergaberechtliche Vorschriften gebunden. Das Vergaberecht nach dem GWB ist dabei dann maßgebend, wenn und soweit der persönliche und sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist, die Schwellenwerte erreicht oder überschritten werden und keine Ausnahmeregelung eingreift. Sofern allein die Verpachtung von gemeindlichen Grundstücken in Rede steht, findet das GWB bereits sachlich keine Anwendung, da der bloße Grundstückspachtvertrag keine zusätzliche Verpflichtung des Pächters beinhaltet, dem öffentlichen Auftraggeber bestimmte Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zu erbringen oder dabei – gegen die Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte – das Betriebsrisiko zu tragen. Insoweit liegt weder ein öffentlicher Auftrag noch eine Konzession vor. Dies spiegelt auch die neu gefasste Ausnahmeregelung in § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Daneben dürfte bei der Verpachtung von gemeindlichen Grundstücken oft der Schwellenwert des § 106 GWB unterschritten sein.1 Auf bloße Pachtverträge können daher nur die haushaltsrechtlichen Vergabevorschriften Anwendung finden. Diese sehen unter anderem die grundsätzliche Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung und die Beachtung der als verbindlich bekannt gegebenen Vergabegrundsätze vor.2 In Mecklenburg -Vorpommern bestimmen beispielsweise die § 174 Abs. 1 Nr. 9-17, Abs. 2 Nr. 1-8 und 1 S. die zuletzt angeglichenen Schwellenwerte festgelegt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2170 der Kommission vom 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren (Text von Bedeutung für den EWR) (ABl. L 307/5), s. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32015R2170 (letzter Abruf 20.10.2016). 2 Frey, NVwZ 2016, 1200, 1202 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 153/16 Seite 5 10-17 der Kommunalverfassung von Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V)3 i.V.m. § 21 der Gemeindehaushaltsverordnung -Doppik (GemHVO-Doppik)4: „Der Vergabe von Aufträgen muss eine Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäftes oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Die allgemeinen Vergaberichtlinien der VOB/VOL sowie die dazu ergangenen Landesrichtlinien sind anzuwenden. Für das öffentliche Auftragswesen gilt im Übrigen das Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern in seiner jeweiligen Fassung.“ und § 3 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern - Vergabegesetz (VgG M-V)5 schreibt vor: „(1) Auftraggeber beschaffen Waren, Bau- und Dienstleistungen im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Benachteiligung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.“ Im Hinblick auf das durchzuführende Vergabeverfahren sieht § 3 der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A)6 verschiedene Arten der Vergabe vor, unter anderem die freihändige Vergabe als begründungspflichtiger Ausnahmefall von der öffentlichen Ausschreibung , bei der sich die Auftraggeber mit oder auch ohne Teilnahmewettbewerb grundsätzlich an mehrere ausgewählte Unternehmen wenden, um mit einem oder mehreren über die Auftragsbedingungen zu verhandeln. Diese Verfahrensvorgaben sind allerdings nur dann zu beachten, wenn und soweit ein öffentlicher Auftraggeber tätig wird. Hierbei kann sich die Frage stellen, ob und wenn ja in welchen Fällen auch Personen des Privatrechts als öffentlicher Auftraggeber zu begreifen sind. Entgegen dem funktionalen und daher weiten Auftraggeberbegriff des GWB, ist der persönliche Anwendungsbereich der Haushaltsordnungen enger. Da hier Regelungen für Haushaltsträger getroffen werden, knüpft der Auftraggeberbegriff traditionell an dessen öffentlich-rechtliche Organisationsform an, weswegen ein „klassisch-institutioneller“ Auftraggeberbegriff heranzuziehen 3 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 13.07.2011 (GVOBl. M-V 2011, S. 777), s. http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml?showdoccase=1&st=null&doc.id=jlr- KVMV2011rahmen&doc.part=X&doc.origin=bs (letzter Abruf 20.10.2016). 4 Gemeindehaushaltsverordnung-Doppik vom 25.02.2008 (GVOBl. M-V 2008, 34), s. http://www.landesrechtmv .de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-DoppikGemHVMVrahmen &doc.part=X&doc.origin=bs&st=lr (letzter Abruf 20.10.2016). 5 Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern vom 07.07.2011 (GVOBl. M-V 2011, S. 411), s. http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml?showdoccase=1&st=lr&doc.id=jlr- VgGMVrahmen&doc.part=X&doc.origin=bs (letzter Abruf 20.10.2016). 6 Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Teil A Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL/A) Ausgabe 2009 vom 20.11.2009 (BAnz. Nr. 196a vom 29.12.2009, BAnz. Nr. 32 vom 26.02.2010 S. 755), s. https://www.jurion.de/Gesetze/VOL%7CA-3?q=VOL%2FA&sort=1 (letzter Abruf 20.10.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 153/16 Seite 6 ist. Ein nicht klassischer Auftraggeber unterliegt demgegenüber keinen nationalen normativen Vorgaben. Ausnahmsweise sind diese Verpflichtungen aber auch von anderen Personen zu beachten , wenn dies in einer Nebenbestimmung zu einem Zuwendungsbescheid nach § 44 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung von Mecklenburg-Vorpommern (LHO M-V)7 ausgesprochen wurde. In einem solchen Fall ist der private Zuwendungsempfänger beim Abschluss eines Austauschvertrags mit einem Dritten wie ein klassischer Auftraggeber verpflichtet.8 Daneben wäre gemäß § 4 Satz 4 VgG M-V ein Unternehmen dazu verpflichtet, mittelständische Interessen zu berücksichtigen, wenn es zwar nicht öffentlicher Auftraggeber ist, aber mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut wurde.9 Eine Person des Privatrechts, wie z. B. ein Verein, der damit betraut wurde, gemeindliche Grundstücke für bestimmte Zwecke zu verpachten, könnte grundsätzlich an keine haushaltsvergaberechtlichen Vorschriften gebunden sein. 3. Übertragbarkeit der in Frage stehenden Aufgabe Eine Vorfrage ist dabei allerdings, ob bzw. unter welchen Maßgaben die Gemeinde eine Person des Privatrechts überhaupt mit der Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe betrauen darf. Vor dem Hintergrund der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) besteht nämlich die grundsätzliche Pflicht der gemeindlichen Wahrung und Sicherung ihres Aufgabenbestandes, wenn dieser in den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wurzelt. Soweit die fragliche Aufgabe zu den Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises zählt, darf sich die Gemeinde, im Interesse von deren wirksamer Wahrnehmung, nicht ihrer gemeinwohlorientierten Handlungsspielräume begeben. In diesem Fall muss sie ihren Einflussbereich über die Entscheidung – etwa über ein neutrales Zulassungsverfahren – im Grundsatz behalten . Dabei steht es im Ermessen der Gemeinde, ob sie etwa eine formelle oder funktionale Privatisierung wählt. Im letzteren Fall muss sie sich aber Kontroll- und Einwirkungsrechte vorbehalten .10 Eine Aufgabe zählt dann zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, wenn sie in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, und also den Gemein- 7 Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern vom 10.04.2000 (GVOBl. M-V 2000, S. 159), s. http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-HOMVrahmen &doc.part=X&doc.origin=bs (letzter Abruf 20.10.2016). 8 Zum Ganzen Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht, 2. Auflage 2015, § 55 BHO, Rdnr. 96 ff. 9 Vgl. zu dessen auf ÖPP-Projekte teleologisch zu reduzierendem, eng umgrenzten Anwendungsbereich Immenga /Mestmäcker-Dreher, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 97 GWB, Rdnr. 140. 10 Zum Ganzen BVerwG, NVwZ 2009, 1305, 1306 f.; s. auch http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung .php?ent=270509U8C10.08.0 (letzter Abruf 20.10.2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 153/16 Seite 7 debürgern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und Zusammenwohnen der Menschen in der politischen Gemeinde betreffen.11 Davon ist insbesondere bei öffentlichen Einrichtungen mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem Hintergrund auszugehen , die schon lange Zeit in der bisherigen kommunalen Alleinverantwortung lagen; demgegenüber erscheint es zweifelhaft, ob es sich bei der rein wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt.12 4. Fazit Unterfällt ein Vergabeverfahren sachlich den haushaltsrechtlichen Vergabevorschriften, so sind diese Vorschriften personal grundsätzlich nur dann anwendbar, wenn der Auftraggeber organisatorisch zur öffentlichen Hand zählt. Ausnahmsweise können aber auch Personen des Privatrechts dem persönlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Haushaltsordnung unterliegen; mit der Folge, dass sie deren Vorschriften wie die öffentliche Hand beachten müssen. Eine Vorfrage ist jedoch, ob der Verwaltungsträger die fragliche Aufgabe überhaupt einer Privatperson übertragen darf. Im Falle einer Gemeinde ist hierbei Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zu beachten. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft dürfen nur dann funktional privatisiert werden, wenn und soweit sich die Gemeinde Kontroll- und Einwirkungsrechte vorbehält. -Ende der Bearbeitung- 11 BVerfGE 79, 127, 151 f.; s. auch http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv079127.html (letzter Abruf 20.10.2016). 12 BVerwG, NVwZ 2009, 1305, 1307; s. auch http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung .php?ent=270509U8C10.08.0 (letzter Abruf 20.10.2017).