© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 151/16 Arztinformationssysteme Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 151/16 Seite 2 Arztinformationssysteme Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 151/16 Abschluss der Arbeit: 19. Oktober 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 151/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Möglichkeit der Beschränkung auf ein Arztinformationssystem eines einzigen Anbieters 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 151/16 Seite 4 1. Einleitung Der Referentenentwurf eines Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz1 des Bundesministeriums für Gesundheit sieht unter anderem vor, § 35 SGB V2 durch einen neuen Absatz 3a zu ergänzen: „(3a) Der Gemeinsame Bundesausschuss veröffentlicht innerhalb eines Monats nach dem Beschluss nach Absatz 3 eine maschinenlesbare Fassung zu dem Beschluss, die zur Abbildung in elektronischen Programmen nach § 73 Absatz 9 geeignet ist und den Anforderungen der Rechtsverordnung nach § 73 Absatz 9 Satz 2 genügt. Zu den vor dem Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach § 73 Absatz 9 Satz 2 gefassten Beschlüssen nach Absatz 3 veröffentlicht er die maschinenlesbare Fassung nach Satz 1 innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach § 73 Absatz 9 Satz 2. Weitere Einzelheiten regelt der Gemeinsame Bundesausschuss erstmals innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach § 73 Absatz 9 Satz 2 in seiner Verfahrensordnung. Er gibt den Fachkreisen die Gelegenheit zur mündlichen und schriftlichen Stellungnahme, bevor er erstmals Regelungen nach Satz 3 beschließt.“ Ziel dieser Regelung ist ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs, das aufgrund der Nutzenbewertung geschaffene Wissen über den Zusatznutzen von neuen Arzneimitteln dadurch auch in praxi besser bekannt zu machen, dass die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Nutzenbewertung so aufbereitet werden, dass sie für Ärzte im Praxisalltag einfacher und schneller zugänglich sind und in elektronischen Arztinformationssystemen (AIS) abgebildet werden können.3 Dem entsprechend soll die Änderung von § 35a SGB V durch eine Änderung von § 73 Absätze 8 ff. SGB V flankiert werden, wonach die bislang in § 73 Absatz 8 Sätze 7 bis 10 SGB V geregelten elektronischen Arztinformationssysteme nunmehr auch „die Informationen nach § 35a Absatz 3a Satz 1“ enthalten müssen. 2. Möglichkeit der Beschränkung auf ein Arztinformationssystem eines einzigen Anbieters Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es rechtlich denkbar wäre, ein einziges, für alle Ärzte verbindlich zu nutzendes, von einem einzigen Software -Anbieter stammendes Arztinformationssystem vorzusehen. Unbeschadet der Tatsache, dass eine valide Beurteilung einer solchen Frage voraussetzte, dass die jeweilige gesetzliche Regelung ausformuliert vorläge, lassen sich hierzu folgende grundsätzlichen rechtlichen Implikationen aufzeigen: 1 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV. 2 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2233) geändert worden ist. 3 Vgl. Referentenentwurf, Begründung zu § 35a Absatz 3b SGB V, S. 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 151/16 Seite 5 – Eine gesetzliche Regelung, mit der – positiv – einem bestimmten Unternehmen das alleinige Recht zur Herstellung und Vermarktung eines bestimmten Produkts – hier: AIS-Software – zugewiesen würde oder – negativ – bestimmten Marktteilnehmern die Entwicklung bzw. der Verkauf von Produkten untersagt würde, dürfte grundsätzlich mit einem erheblichen Grundrechtseingriff – etwa in die Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG4 oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Artikel 14 GG – hinsichtlich derjenigen Softwareanbieter, denen die Vermarktung zukünftig rechtlich oder faktisch versagt bliebe, einher gehen. Eine solche Regelung bedürfte aufgrunddessen einer hinreichenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, mithin insbesondere eines sie rechtfertigenden Zwecks und einer verhältnismäßigen Ausgestaltung. Ohne, dass sich dies pauschal und abstrakt ohne Vorliegen konkreter Gesetzesformulierungen und einer eingehenden Betrachtung des betroffenen Marktsegmentes prüfen ließe, erscheint grundsätzlich fraglich, ob nicht als milderes Mittel im Vergleich zu einer solchen Ausgestaltung das Festlegen allgemeiner Anforderungen an entsprechende Software und ggf. deren Zertifizierung vorläge. Hierfür spricht auch, dass genau eine solche Zertifizierung bereits de lege lata vorgesehen und mithin offensichtlich grundsätzlich praktizierbar ist (§ 73 Absatz 8 Satz 7 SGB V). – Theoretisch denkbar wäre die Fokussierung auf einen einzigen Softwarehersteller deshalb grundsätzlich wohl am ehesten dadurch, dass der Gesetzgeber den Einsatz einer bestimmten Software als hoheitliche Aufgabe an sich zöge und sodann im Wege einer durchzuführenden Vergabe einen bestimmten Hersteller bzw. Anbieter von Software mit der Zulieferung derselben beauftragte. Selbst, wenn eine solche Regelung grundsätzlich möglich sein sollte, was vor dem Hintergrund, dass die Software durch selbstständig tätige Ärzte verwendet werden würde, nicht unproblematisch erscheint, bedürfte jedoch auch eine solche Regelung aufgrund der hiermit verbundenen Auswirkungen auf die gewerbliche Tätigkeit der bei der Vergabe nicht bedachten Software-Anbieter wohl der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung . Es dürften sich hier mithin dieselben grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragestellungen ergeben, wie sie im vorstehenden Absatz skizziert wurden. Ende der Bearbeitung 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438) geändert worden ist.