© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 150/16 Spargelanbau in Natura 2000-Gebieten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 150/16 Seite 2 Spargelanbau in Natura 2000-Gebieten Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 150/16 Abschluss der Arbeit: 12. Oktober 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 150/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Verträglichkeitsprüfung im Allgemeinen 4 3. Verträglichkeitsprüfung von Spargelanbau 5 4. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 150/16 Seite 4 1. Einleitung Der Wissenschaftliche Dienst wurde damit beauftragt, darzustellen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verträglichkeit des Spargelanbaus mit den Erhaltungszielen der Natura 2000- Gebiete geprüft wird. Hierzu war auf die Durchführung von Prüfungsverfahren und die entsprechende Rechtsprechung in Deutschland, den Bundesländern und in anderen EU-Mitgliedsstaaten einzugehen. 2. Verträglichkeitsprüfung im Allgemeinen Natura 2000-Gebiete dienen dem Aufbau und Schutz des zusammenhängenden europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“ zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten. Sie weisen ein Gebiet als schützenswert i.S.d. der sog. Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie1 und der sog. Vogelschutzrichtlinie2 aus und stellen dessen Schutz, insbesondere auch durch gebietsspezifische Ge- und Verbote, sicher. Die europarechtlichen Vorgaben zum Aufbau und Schutz von Natura 2000-Gebieten sind in den §§ 31 ff. des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) umgesetzt . Das habitatsschutzrechtliche Prüfungsverfahren ist in § 34 BNatSchG geregelt. Es erfolgt dreistufig . Zunächst wird im Rahmen einer Vorprüfung festgestellt, ob das Projekt geeignet ist, das geschützte Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Ist dies der Fall, vollzieht sich sodann eine vertiefte Verträglichkeitsprüfung. Schließlich und sofern das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen führen kann, ist darüber zu entscheiden, ob eine Abweichungsentscheidung ergehen und das Projekt also dennoch zugelassen werden kann.3 Die Verträglichkeitsprüfung erfolgt jeweils einzelfallbezogen vor der Zulassung oder Durchführung eines Projekts. Dabei wird die Verträglichkeit des Projekts mit den Natura 2000-Erhaltungszielen entweder von der jeweiligen Fachbehörde überprüft oder – subsidiär – das Projekt ist der Behörde für Naturschutz und Landschaftspflege anzuzeigen, die die Durchführung des Projekts im Hinblick auf dessen Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des jeweiligen Natura 2000-Gebiets überprüft und auch beschränken kann. Hiernach ist nicht vorgesehen, dass über die Einzelfallprüfung vor Projektzulassung oder -durchführung hinaus, zusätzlich eine nachträgliche Prüfung der Verträglichkeit stattfindet. Allerdings 1 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.07.1992, S. 7), s. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=CONSLEG:1992L0043:20070101:DE:PDF (letzter Abruf 12.10.2016). 2 Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.11.2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010 L 20, S. 7), s. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2010:020:0007:0025:de:PDF (letzter Abruf 12.10.2016). 3 Vgl. Lüttgau/Kockler, Beck’scher Online-Kommentar zum Umweltrecht, 40. Edition 1. April 2016, § 34 BNatSchG, Rdnr. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 150/16 Seite 5 bestimmt § 33 Abs. 1 S. 1 BNatSchG, dass alle Veränderungen und Störungen unzulässig sind, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können (Verschlechterungsverbot). Insofern findet ein fortlaufender Grundschutz4 statt. Daneben entstehen im Nachgang der Ausweisung als Natura 2000-Gebiet gem. Art. 17 Abs. 1 der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und gem. Art. 12 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Kommission . 3. Verträglichkeitsprüfung von Spargelanbau Demnach vollzieht sich auch die Prüfung der Verträglichkeit des Spargelanbaus mit den Erhaltungszielen eines konkreten Natura 2000-Gebiets grundsätzlich vor dessen Zulassung oder Durchführung nach § 34 BNatSchG. Sofern lediglich die Verträglichkeit des Spargelanbaus ohne Folie geprüft und zugelassen wurde, kann die erst später vollzogene Benutzung von Folien dann Gegenstand einer behördlichen Prüfung werden, wenn und soweit sie entweder als Projekt i.S.d. § 34 BNatSchG anzuzeigen ist oder eine Veränderung bzw. Störung i.S.d. § 33 Abs. 1 S. 1 BNatSchG darstellt.5 Da sowohl der Begriff des Projekts als auch der der Veränderung bzw. Störung wirkungsbezogenen verstanden werden,6 wird insofern bedeutsam, ob der Spargelanbau (unter Folie) das geschützte Gebiet erheblich beeinträchtigt. Eine erhebliche Beeinträchtigung kann grundsätzlich auch von landwirtschaftlicher Tätigkeit wie dem Spargelanbau ausgehen,7 bei dem die Folienbenutzung nach Ansicht der brandenburgischen Landesregierung der guten fachlichen Praxis entspricht.8 Der Maßstab für die Erheblichkeit der Gebietsbeeinträchtigung ist jeweils im Einzelfall unter Bezugnahme auf die für das Gebiet maßgeblichen Erhaltungsziele, d.h. die Festlegungen zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der jeweiligen Lebensräume 4 Landmann/Rohmer-Gellermann, Umweltrecht, 80. Ergänzungslieferung Mai 2016, § 33 BNatSchG, Rdnr. 1. 5 Vgl. EuGH, EuZW 2004, 730, 732; Landmann/Rohmer-Gellermann, Umweltrecht, 80. Ergänzungslieferung Mai 2016, § 33 BNatSchG, Rdnr. 3 f. 6 Lüttgau/Kockler, Beck’scher Online-Kommentar zum Umweltrecht, 40. Edition 1. April 2016, § 33, Rdnr. 4 und § 34 BNatSchG, Rdnr. 2; s. auch BVerwG, NVwZ 2013, 1346, 1350. 7 Lüttgau/Kockler, Beck’scher Online-Kommentar zum Umweltrecht, 40. Edition 1. April 2016, § 34 BNatSchG, Rdnr. 2; vgl. auch EuGH, BeckRS 2010, 90243. 8 Antwort der Landesregierung Brandenburg auf die Kleine Anfrage Nr. 2323, Drucksache 5/6027, s. https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku /w5/drs/ab_6000/6027.pdf (letzter Abruf 12.10.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 150/16 Seite 6 und geschützten Arten, zu bilden.9 Unterschiedlich werden dabei die Anforderungen bewertet, welche an den Nachweis der Unschädlichkeit einer Maßnahme zu stellen sind.10 Im Bezug auf das Bundesgebiet liegen keine Erkenntnisse dazu vor, ob sich der Spargelanbau mit den Erhaltungszielen von Natura 2000-Gebieten verträgt. Eine derartige Untersuchung dürfte insofern auf Schwierigkeiten stoßen, als die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung durch den Spargelanbau allein im Einzelfall und das heißt insbesondere in Abhängigkeit zu den jeweiligen Erhaltungszielen eines konkreten Natura 2000-Gebiets durch die jeweils zuständige Fachbehörde bzw. Behörde für Naturschutz und Landschaftspflege festzustellen ist. Im Hinblick auf den Umfang der Folienabdeckung beim Spargelanbau hat das bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten allerdings auf eine Schriftliche Anfrage hin dargelegt, dass Spargel bis zum Ende der Erntezeit mit Folie bedeckt sei und die Folienabdeckung nur die Pflanzenreihen und zwar in einer Breite von ca. 80 cm beträfe, weswegen weniger als 45 % der Kulturfläche mit Folie versehen seien.11 In Brandenburg war die Umweltverträglichkeit des Spargelanbaus im Allgemeinen und dessen Verträglichkeit mit Natura 2000-Gebieten im Besonderen Gegenstand mehrerer Kleiner Anfragen. Dort wurde der obersten Naturschutzbehörde eine Anfrage aus dem Landkreis Teltow-Fläming zur naturschutzrechtlichen Beurteilung des Spargelanbaus sowie der Errichtung von baulichen Anlagen im Zusammenhang mit dem Anbau von Spargel bekannt und auf das oben erläuterte Verschlechterungsverbot wie auch die Anzeigepflicht hingewiesen.12 Im Übrigen sind Untersuchungen zur Umweltverträglichkeit des Spargelanbaus bzw. dessen Verträglichkeit mit einem Natura 200-Gebiet auch der brandenburgischen Landesregierung nicht bekannt bzw. werden von dem Ergebnis einer derzeit durchgeführten Bestandserfassung der vorkommenden Arten abhängig gemacht.13 Soweit ersichtlich liegen Untersuchungen zur Verträglichkeit des Spargelanbaus mit Natura 2000-Erhaltungszielen weder in anderen EU-Mitgliedsländern vor noch sind hierzu gerichtliche Entscheidungen ergangen. 9 Lüttgau/Kockler, Beck’scher Online-Kommentar zum Umweltrecht, 40. Edition 1. April 2016, § 33, Rdnr. 4. 10 Vgl. bspw. einerseits Frenz/Müggenborg-Appel, Bundesnaturschutzgesetz, 1. Auflage 2011 § 33 BNatSchG, Rn. 11 m.w.N.; andererseits Landmann/Rohmer-Gellermann, Umweltrecht, 80. Ergänzungslieferung Mai 2016, § 34 BNatSchG, Rdnr. 2 ff m.w.N. 11 Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Schriftliche Anfrage vom 02.05.2016, Drucksache 17/11771, s. https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen /Schriftliche%20Anfragen/17_0011771.pdf (letzter Abruf 12.10.2016). 12 Antwort der Landesregierung Brandenburg auf die Kleine Anfrage Nr. 2049, Drucksache 6/5152, s. https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku /w6/drs/ab_5100/5152.pdf (letzter Abruf 12.10.2016). 13 Antwort der Landesregierung Brandenburg auf die Kleine Anfrage Nr. 91, Drucksache 6/369, https://www.parlamentsdokumentation .brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w6/drs/ab_0300/369.pdf (letzter Abruf 12.10.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 150/16 Seite 7 4. Fazit Die Prüfung der Verträglichkeit des Spargelanbaus mit den Erhaltungszielen von Natura 2000-Gebieten vollzieht sich jeweils im Einzelfall, unter Beachtung der für das jeweilige Gebiet maßgeblichen Festlegungen zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der jeweiligen Lebensräume und geschützten Arten. Die Unverträglichkeit des Spargelanbaus mit einem konkreten Natura 2000-Gebiet wurde – soweit ersichtlich – bisher weder von einer unteren Verwaltungsbehörde noch von einem Gericht festgestellt. Ende der Bearbeitung