Deutscher Bundestag Entschädigung von Opfern des Zwangsdopings in der DDR Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 7 – 150/07 (geändert) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 2 Entschädigung von Opfern des Zwangsdopings in der DDR Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 - 150/07 (geändert) Abschluss der Arbeit: 21. Juni 2007 – Änderung: 21. Januar 2010 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltchutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Vorliegende geänderte Fassung der Ausarbeitung ist gegenüber der im Juni 2007 abgeschlossenen um folgende, ursprünglich auf Seite 7 am Ende unter 4. zu findende unzutreffende Aussagen bereinigt: „Es können dabei nur einmalige Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz beansprucht werden. Monatlich wiederkehrende Leistungen (wie etwa Opferrenten) werden dagegen nicht aufgrund des OEG gewährt.“ Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Systematik des Zwangsdopings in der DDR 4 3. Rechtliche Bewertung des Zwangsdopings in der DDR nach dem VwRehaG 7 3.1. Hoheitliche Maßnahme i.S.v. § 1 VwRehaG 7 3.2. § 1 Abs. 2 VwRehaG 9 4. Anwendbarkeit des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) auf die Opfer des Zwangsdopings in der DDR 9 4.1. Anspruchsgrundlage und Anspruchsvoraussetzungen 9 4.1.1. Geltungsbereich 10 4.1.2. Tätlicher Angriff in der Form des Beibringens von Gift (§ 1 I, II Nr. 1 OEG) 10 5. Dopingopfer-Hilfegesetz 11 6. Fazit 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 4 1. Einleitung In der DDR wurde eine pharmakologische Leistungssteigerung (Doping) sowohl an ausgewählten erwachsenen Leistungssportlern als auch an Minderjährigen systematisch vorgenommen. Die im damaligen Jargon als „unterstützende Mittel – u.M.“ bezeichneten Dopingpräparate wurden in dem Bewusstsein der möglichen gesundheitlichen Folgen und zum größten Teil ohne das Wissen der Sportler verabreicht (sog. Zwangsdoping)1. Im Folgenden soll nach einem Einblick in seine Systematik im Besonderen untersucht werden, ob das Zwangsdoping der DDR eine hoheitliche Maßnahme i.S.v. § 1 des Gesetzes über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (VwRehaG)2 darstellt . Weiterhin wird geprüft, ob die Opfer des Zwangsdopings Ansprüche aus dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)3 ableiten können. 2. Systematik des Zwangsdopings in der DDR Eine vollständige Erfassung der Vorgänge rund um das Doping in der DDR ist deswegen schwierig , weil Doping schon seinem Wesen nach geheim ist. Zudem war die systematische Verschleierung durch das Ministerium für Staatssicherheit eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren der Abläufe. Dennoch kann anhand eines vom Sportausschuss des Deutschen Bundestages in Auftrag gegebenen Berichts über die Dopingvorgänge in der DDR4 ein Bild der staatlichen „Auftragskette “ gezeichnet werden: Die konkrete Verabreichung der Dopingpräparate stand am Ende einer längeren Kette von staatlichen Beschlüssen. Innerhalb des „Staatsplanthemas 14.25“ wird bereits die Forschung und zusätzliche Produktion im Bereich der unterstützenden Mittel (in überwiegender Mehrzahl waren 1 Diese begriffliche Verwendung u.a. bei Spitzer, Giselher „Sicherungsvorgang Sport – Das Ministerium für Staatssicherheit und der DDR-Spitzensport“ 2005, S. 54. 2 Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juni 1994 (BGBl. I S. 1311), zuletzt geändert am 22.12.2003 (BGBl I S. 2834). 3 Opferentschädigungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Januar 1985 (BGBl. I S. 1), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Juni 2006 (BGBl. I S. 1305). 4 Spitzer, Giselher „Sicherungsvorgang Sport – Das Ministerium für Staatssicherheit und der DDR-Spitzensport“ 2005. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 5 dies Dopingmittel) festgehalten. Dadurch wurde die intensiv mitwirkende Großindustrie in der Erforschung neuer Mittel und der Produktion von Experimentalsubstanzen gesteuert.5 Die SED-Politbüro-Beschlüsse zur planmäßigen Entwicklung des Leistungssportes enthielten über zwölf Jahre hinweg in drei Beschlüssen eine Verankerung von Aussagen zu unterstützenden Mitteln.6 Diese Beschlüsse des Politbüros hatten gesetzesähnlichen Charakter und waren bindend für die untergeordneten Instanzen. Bei diesen Beschlüssen war der Staat zwar an die Normen der Gesundheitsgesetzgebung gebunden, finanzierte aber dennoch Forschung und Anwendung von Doping durch das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport beim Ministerrat der DDR. Der Sportminister war daher Teil des zentralen Dopingapparates. Außerdem waren Fachgremien wie die „Leistungssportkommission der DDR“ in die Dopingvorgänge involviert. Sie war dem SED-Zentralkomitee angegliedert und oberhalb des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) angesiedelt. In dieser Kommission wurden alle wichtigen Entscheidungen zur Selektion und Selektionsüberprüfung sowie zur Manipulation mit Dopingmitteln getroffen.7 Sie setzte Anträge zum Spitzensport einschließlich der „u.M.“ in Beschlüsse der Leistungssportkommission um, die letztlich ebenso gesetzesähnlich waren wie Politbüro- Beschlüsse zum Leistungssport.8 Auf der untersten Ebene der Dopingvorgänge waren es Trainer und Ärzte, die die Beschlüsse befolgten und die Präparate verabreichten. Fraglich ist, inwieweit es hier eine Verbindung zwischen Staat und Trainern gab, sodass nicht nur die Anweisung (durch die Leistungssportkommission ), sondern auch die Ausführung als staatliche Maßnahme zu werten ist. Es gibt wohl keine Hinweise dafür, dass Ärzte oder Trainer gegen ihren eigenen Willen im Dopingsektor arbeiten mussten. Ein Verlassen des Arbeitsplatzes, natürlich nach Unterzeichnung einer Schweigepflichtvereinbarung , war möglich.9 Allerdings wurde die Verabreichung der Mittel durch eine 5 Spitzer in aaO S. 147. 6 Spitzer aaO S. 145; Erklärung: diese Beschlüsse wurden alle vier Jahre (im Turnus der Olympischen Spiele) gefasst. 7 Werner W. Franke „Funktion und Instrumentalisierung des Sports in der DDR: Pharmakologische Manipulationen und die Rolle der Wissenschaft“ in „Rolle und Bedeutung der Ideologie, integrativer Faktoren und disziplinierender Praktiken in Staat und Gesellschaft der DDR - Band III, 2“ S. 925. 8 Spitzer, aaO S. 146. 9 Spitzer, aaO S. 145. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 6 Art verbandsinterne Infrastruktur, die von der Beschaffung über die Abgabe an die Sektionsärzte des Clubs bis hin zur Einnahme reichte, so gesichert, dass die staatlichen Dopinganweisungen in jedem Fall zum Ziel führten.10 Auch wenn in der Regel der persönliche Trainer die Dosierung für den einzelnen Sportler bestimmte und verabreichte, war er nur letztes Glied einer staatlichen Anweisungskette, die sich folgendermaßen vollzog: die Beschlüsse der Leistungssportkommission galten für den Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB), der durch die Angliederung an das Zentralkomitee der SED ein Staatssportverband war.11 Innerhalb des DTSB waren die Sportverbände organisiert. Die einzelnen Sportverbände richteten Wissenschaftliche Zentren (WZ) ein, vor denen der Trainer den individuellen Trainingsplan seiner Sportler zu verteidigen hatte. Diese straffe Organisation des Dopingabsatzes mit dem Trainer als letztes Glied der Kette zeigt ein in sich abgeschlossenes System, das durch und durch von staatlichen Zielvorstellungen beherrscht wurde. Diese Sicht auf die staatlichen Vorgänge in Bezug auf das Doping wird auch in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs für Strafsachen vom 9. Februar 200012 - Anlage 1 - deutlich, der die Umstände des Zwangsdopings im Rahmen der Sachverhaltsbeschreibung mit Formulierungen wie „[…] das Doping und dessen Geheimhaltung [wurden] als zentrale staatliche Aufgaben verfolgt“ oder „[…] systematisches staatliches Vorgehen […] aus politischen Gründen“ erläutert. 10 Franke, aaO S. 930. 11 Franke, aaO S. 930; Holger Schück, „Auf Weisung der SED – vor 50 Jahren wurde der DTSB gegründet“ http://www.lsb-rlp.de/aktuelles/DSB-Presse/2007/18/DOSB-PRESSE18-2007.pdf 12 BGH 5 StR 451/99, NJW 2000, S. 506ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 7 3. Rechtliche Bewertung des Zwangsdopings in der DDR nach dem VwRehaG 3.1. Hoheitliche Maßnahme i.S.v. § 1 VwRehaG Durch das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, - Anlage 2 - das sowohl das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) als auch das Berufliche Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) enthält, sollen nur die gravierenden Unrechtsfälle rehabilitiert werden, die durch behördliche Entscheidungen der DDR eingetreten sind. Die Rehabilitierung erfolgt im Wege einer generellen Aufhebung dieser Akte und/ oder durch Entschädigungsleistungen . Für eine rechtliche Bewertung des Zwangsdopings muss die Frage geklärt werden, was unter einer hoheitlichen Maßnahme i.S.v. § 1 VwRehaG zu verstehen ist. Der Begriff der hoheitlichen Maßnahme wird vom Gesetzgeber nicht auf den Umfang des Verwaltungsaktes verengt, denn das Verwaltungsrecht der DDR lässt sich nicht ohne weiteres unter die fein ausdifferenzierte bundesdeutsche Verwaltungsrechtsdogmatik ordnen. Vielmehr geht aus den Gesetzesmaterialien13 hervor , dass ein allgemeiner Begriff gemeint ist, der in seinem Bedeutungsgehalt an den Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG angenähert ist. Zu den eindeutig darunter zu verstehenden Instrumentarien des DDR-Verwaltungsrechtes zählen die Einzelentscheidung und später die Verwaltungsentscheidung .14 Mit diesen den Einzelfall betreffenden Maßnahmen wird jedoch nur ein Teil der überprüfungswürdigen Regelungen beschrieben. Es müssen zudem Beschlüsse des Ministerrates oder der örtlichen Räte einbezogen werden, sofern sie unmittelbare Wirkung gegenüber dem Bürger entfalten. Die Vorschrift des § 1 Abs. 5 VwRehaG enthält zudem die Aussage, dass die Normen des VwReha G nicht nur auf Maßnahmen mit Regelungsgehalt anzuwenden sind, sondern auch für Realakte , die auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind, entsprechend gelten.15 Da das Zwangsdoping 13 Gesetzesbegründung zum Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz in Bundestagsdrucksache 12/4994 vom 19.05.1993; konkrete Begriffsbestimmung S. 21. 14 Vgl. § 1 des Gesetzes über die Zuständigkeit und das Verfahren der Gerichte zur Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen vom 29. Juni 1990 15 Bundestagsdrucksache 12/4994 vom 19.05.1993, S. 17. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 8 auf den ersten Blick keine den Einzelfall regelnde Verwaltungsentscheidung zu sein scheint, besteht jedenfalls unter diesem Blickwinkel die Möglichkeit, dass die Vorgänge rund um das Zwangsdoping in der DDR einen Sachverhalt darstellen, der durch das VwRehaG entschädigt werden könnte. Der Sachverhalt des Zwangsdopings deckt sich nun nicht mit den typischen Konstellationen, die der Gesetzgeber bei Einführung des VwRehaG vor Augen hatte. Vielmehr sollten Unrechtsfälle wie Diskriminierungen im Bildungsbereich, Nichtgewährung oder Entzug von Gewerbeerlaubnissen oder Zwangsaussiedlungen rehabilitiert werden.16 Wie eingangs erläutert, ist der begriffliche Umfang der hoheitlichen Maßnahme im VwRehaG aber nicht so scharf wie der des Verwaltungsaktes . Es könnten daher die Beschlüsse der Leistungssportkommission hoheitliche Maßnahmen sein, solange sie den Bezug zu bestimmten Sportlern herstellen. Da in der DDR nicht flächendeckend gedopt wurde, sonder nur diejenigen Sportler, die einer gewissen Elite in bestimmten Sportarten angehörten (Zugehörigkeit zur Olympia-Mannschaft o. ä.), war der Adressatenkreis der Beschlüsse genau bestimmbar. Der behördliche Ursprung ist deshalb gegeben, weil es sich bei diesem Fachgremium um eine staatlich verfügende Einrichtung handelte. Die Beschlüsse der Leistungssportkommission weisen daher wesentliche Merkmale einer hoheitlichen Maßnahme i. S. d. VwRehaG auf. Die Verabreichung des Dopings durch den Trainer hatte dagegen keinen regelnden Charakter und ist als Realakt einzuordnen, auf den nach § 1 Abs. 5 VwRehaG die Normen des VwRehaG entsprechend anwendbar sind. Ein Realakt ist in Abgrenzung zum Verwaltungsakt eine rein faktisch wirkende Handlung, die keine eigenständige Regelung enthält. Sie ist nur auf einen tatsächlichen , nicht auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet.17 Im Fall des Zwangsdopings verleiht die Einbindung der Trainer in die Verbandsarbeit der konkreten Verabreichung die Qualität eines hoheitlichen Realaktes. Denn die Trainer waren durch ihre Pflicht zur Rechenschaft über die Trainingsmodalitäten gegenüber dem staatlich beherrschten Verband zur Umsetzung der staatlichen Vorgaben nahezu verpflichtet. Sie hatten etwa den Status eines austauschbaren Werkzeuges, das selbst nicht staatlich ist, aber dennoch ganz im Sinne der hoheitlichen Weisungen handelt. 16 Zum Inhalt von Anträgen nach dem VwRehaG Chop-Sudgen/ Zeidler „Das Zweite Unrechtsbereinigungsgesetz – Erste Erfahrungen der verwaltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierung“ in LKV 1996, S. 362 ff. 17 Maurer, Hartmut „Allgemeines Verwaltungsrecht“ § 15 Rn 1ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 9 Im Ergebnis führt die Auslegung des § 1 VwRehaG dazu, dass das Zwangsdoping als eine hoheitliche Maßnahme zu bewerten ist. 3.2. § 1 Abs. 2 VwRehaG Eine wichtige Voraussetzung, die erfüllt sein muss, damit die Rechtsfolgen des VwRehaG auslöst werden, ist in der Vorschrift des § 1 Abs. 2 VwRehaG enthalten. Die hoheitliche Maßnahme i.S.v. § 1 VwRehaG müsste der politischen Verfolgung gedient haben oder ein Akt der Willkür gewesen sein. Die Intention des staatlich verordneten Dopings aber war vielmehr die Leistungssteigerung der Athleten und die Steigerung des nationalen Ansehens der DDR in der Welt. Zwar hängt eine Rehabilitierung nach dem VwRehaG immer vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelfall ab, im überwiegenden Teil der Fälle aber wird in Ermangelung dieser Tatbestandsvoraussetzung einer Antragstellung nicht stattgegeben werden. Dopingopfer können daher wohl keine Ansprüche aus dem VwRehaG ableiten. 4. Anwendbarkeit des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) auf die Opfer des Zwangsdopings in der DDR Durch die Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) - Anlage 3 - sollen die Opfer von Gewalttaten finanziell durch das jeweilige Bundesland entschädigt werden, auf dessen Gebiet eine Schädigung eingetreten ist (§ 4 OEG). Die Opfer des Zwangsdopings in der DDR können Versorgungsansprüche aus dem OEG18 herleiten, sofern es für diese Sachverhalte eine Anspruchsgrundlage gibt und deren Voraussetzungen erfüllt sind. 4.1. Anspruchsgrundlage und Anspruchsvoraussetzungen Im Fall der Doping-Geschädigten der DDR kommt ein Anspruch aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OEG in Betracht. 18 Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Januar 1985 (BGBl. I S. 1) zuletzt geändert durch zuletzt geändert durch Art. 2 G v. 19.6.2006 BGBl I S. 1305. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 10 4.1.1. Geltungsbereich Dazu müsste die Vorschrift des § 1 OEG auch auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sein. Nach dem Wortlaut des § 1 OEG gilt die Regelung nur für Taten im Geltungsbereich des Gesetzes. Da die Vorgänge zur pharmakologischen Leistungssteigerung in der DDR und damit außerhalb des Geltungsbereiches des Bundesgesetzes OEG lagen, ist der Anwendungsbereich zunächst nicht eröffnet. Auch die Härteregelung des § 10a OEG, die im Jahre 198419 in das Gesetz eingefügt wurde, vermag nur den Opfern eine Entschädigung zu gewähren, die bei Straftaten vor dem 15. Mai 1976 geschädigt wurden. Damit wäre nur ein Teil der vom Zwangsdoping Geschädigten erfasst . Im Zuge der Wiedervereinigung wurde diese Lücke jedoch geschlossen. Nach Maßgabe des Einigungsvertrages20 - Anlage 3 / Anhang - ist die Vorschrift des § 10a OEG entsprechend auf alle in der DDR geschädigten Opfer anzuwenden . Der Anwendungsbereich des OEG ist also auch für die Taten, die auf dem Boden der DDR stattfanden, eröffnet, solange die Geschädigten ihren Wohnsitz am 18. Mai 1990 in den neuen Bundesländern hatten.21 Die in der Anfrage aufgeworfene Problematik der Erweiterung der Anspruchsberechtigten über eine Änderung der Durchführungsbestimmungen für die Länder stellt sich daher nicht. 4.1.2. Tätlicher Angriff in der Form des Beibringens von Gift (§ 1 I, II Nr. 1 OEG) Das Zwangsdoping in der DDR wird als Sachverhalt, der nach dem OEG zu entschädigen ist, behandelt . So ist laut Rundschreiben 432-62 013 des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 25.10.2004 - Anlage 4 - in der Verabreichung von Dopingsubstanzen ein vorsätzliches Beibringen von Gift nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 zu sehen, das einem tätlichen Angriff nach Abs. 1 gleichsteht. Dabei ist jedoch stets zu 19 Eingefügt durch das Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 20.04.1984 (BGBl I 1984, S. 1723). 20 Anlage I Kap VIII K III Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Nr. 18 d (BGBl II 1990, S. 1070). 21 Kunz/ Zellner, Kommentar zum Opferentschädigungsgesetz, 4. Auflage, § 10a Rn 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 150/07 (geändert) Seite 11 prüfen, ob das Doping mit Wissen oder auf Wunsch des Geschädigten stattgefunden hat, sodass ggf. die Leistungen nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen sind. Dem Grunde nach aber ist der Sachverhalt des Zwangsdopings in der DDR von den Vorschriften des OEG erfasst. Die Härteregelung des § 10a OEG kann allerdings nur unter den Voraussetzungen der Schwerbeschädigung und der Bedürftigkeit des Anspruchstellers angewendet werden. Bei Zusammentreffen von Leistungen aus mehreren Gesetzen ist die Regelung des § 3 OEG zu beachten. 5. Dopingopfer-Hilfegesetz Entschädigungsleistungen aus dem Dopingopfer-Hilfegesetz22, das die Einrichtung eines mit 2 Mio. € dotierten Fonds vorsieht, können wegen der Ausschüttung sämtlicher finanzieller Mittel nicht mehr geltend gemacht werden. Die Entschädigung der Opfer nach diesem Gesetz wurde bereits im Jahre 2005 abgeschlossen. 6. Fazit Das Zwangsdoping in der DDR lässt sich nach den gemachten Ausführungen als hoheitliche Maßnahme im Sinne des § 1 VwRehaG bezeichnen. Ansprüche aus dem VwRehaG aber bestehen wohl in Ermangelung der Anspruchsvoraussetzung nach § 1 Abs. 2 VwRehaG nicht. Die Vorschriften des OEG dagegen erfassen die Vorgänge des Zwangsdopings in der DDR und vermitteln den Opfern Versorgungsansprüche gegenüber dem jeweiligen Bundesland. Die Entscheidung im Einzelfall geht dieser pauschalen Einschätzung natürlich vor. 22 Dopingopfer-Hilfegesetz vom 24. August 2002, BGBl. I S. 3410.