Überblick über zivilrechtliche Unterhaltsansprüche - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 7 - 149/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Überblick über zivilrechtliche Unterhaltsansprüche Ausarbeitung WD 7 - 149/06 Abschluss der Arbeit: 21.06.2006 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Rechtsgeschäft 5 2. Verwandtschaft in gerader Linie, § 1601 BGB 6 3. Annahme als Kind, § 1751 Abs. 4 BGB 6 4. Nicht miteinander verheiratete Eltern / Gemeinsames Kind, § 1615l BGB 7 5. Ehe, § 1360 BGB 8 6. Ehe / Getrenntleben, § 1361 BGB 8 7. Ehe / Scheidung, § 1569ff. BGB 9 7.1. § 1570 BGB - Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes 10 7.2. § 1571 BGB – Unterhalt wegen Alters 10 7.3. § 1572 BGB – Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen: 10 7.4. § 1573 BGB – Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt 11 7.5. § 1575 BGB - Unterhalt wegen Inanspruchnahme eines Ausbildungsrechts zur Erlangung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit 12 7.6. § 1576 BGB - Unterhalt aus Billigkeitsgründen 12 8. Ehe / Auflösung nach §1314ff., 1569ff. analog, 1318 Abs. 2 BGB 12 9. Lebenspartnerschaft, § 5 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) 13 10. Lebenspartnerschaft / Aufhebung, § 16 LPartG 13 11. Stiefelternschaft (bei Tod des leiblichen Elternteils), § 1371 Abs. 4 BGB 13 12. Tod des Unterhaltspflichtigen - Anspruch der Familienangehörigen gegen die Erben (sog. Dreißigster), § 1969 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB 14 13. Anspruch der werdenden Mutter auf Unterhalt aus dem Nachlass des Erzeugers oder dem Erbteil des Kindes, §§ 1963, 2141 BGB 14 14. Geschwisterliches Höferecht (Anerbenrecht) nach Landesrecht 15 - 4 - Tabellarische Übersicht: Rechts- /Lebensverhältnis Anspruchsgrundlage Anspruchsinhaber/ - gegner 1. Rechtsgeschäft Unterhaltsvertrag, z. B. Vergleichsvertrag nach § 779 BGB Vertragsgläubiger gegen Vertragsschuldner 2. Verwandtschaft in gerader Linie § 1601 Abs. 1 BGB Verwandte in gerader Linie gegeneinander 3. Annahme als Kind § 1751 Abs. 4 BGB In Obhut genommenes Kind gegen die Annehmenden / Adoptiveltern 4. Nicht miteinander verheiratete Eltern / Gemeinsames Kind §1615l BGB Elternteil eines unehelichen Kindes gegen den anderen Elternteil 5. Ehe § 1360 BGB (Familienunterhalt) Ehegatten gegeneinander 6. Ehe / Getrenntleben § 1361 BGB (Trennungsunterhalt) Ehegatten gegeneinander 7. Ehe / Scheidung §§ 1569 i.V.m. 1570ff. BGB (nachehelicher Unterhalt) Geschiedene Ehegatten gegeneinander 8. Ehe / Aufhebung §§ 1314ff., 1369, 1318 Abs. 2 BGB Ehegatten gegeneinander 9. Lebenspartnerschaft § 5 LPartG Lebenspartner gegeneinander 10. Lebenspartnerschaft / Auflösung § 16 LPartG Lebenspartner gegeneinander 11. Stiefelternschaft (bei Tod des leiblichen Elternteils) § 1371 Abs. 4 BGB Der uneheliche Abkömmling gegen den überlebenden Stiefvater / die überlebende Stiefmutter - 5 - 12. Familienangehörigkeit i.w.S. § 1969 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB („Dreißigster“) Familienangehörige, die im Hausstand des Erblassers gelebt haben gegen die Erben 13. Gemeinsames Kind (bei Tod des Erzeugers ) §§ 1963, 2141 BGB Die werdende Mutter gegen die Erben des unehelichen Erzeugers 14. Geschwister / Höferecht Landesrecht der Länder Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen , Niedersachsen, Nordrhein -Westfalen, Rheinland -Pfalz und Schleswig- Holstein Die Geschwister gegen den Hoferben Alle Unterhaltsansprüche setzen Bedürftigkeit des Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten voraus.1 Zu den weiteren Voraussetzungen und Rechtsfolgen der einzelnen Tatbestände wird im Folgenden eine Übersicht gegeben. Die Nummerierung entspricht dabei der in der Tabelle. 1. Rechtsgeschäft Die Begründung von Unterhaltsansprüchen durch Vertrag ist im Rahmen der Vertragsfreiheit (§ 311 BGB) grundsätzlich formlos möglich.2 In der Praxis ist vor allem die vertragliche Regelung gesetzlicher Unterhaltsansprüche durch gerichtlichen Vergleich (§ 779 BGB) bedeutsam.3 Möglich ist auch eine vertragliche Abänderung gesetzlicher Unterhaltsvereinbarungen, solange dabei nicht vollständig oder teilweise auf Unterhalt für die Zukunft verzichtet wird.4 Auch durch letztwillige Verfügung (Vermächtnis) kann der Erblasser einen Unterhaltsanspruch zugunsten von Erben oder anderen Vermächtnisnehmern begründen,5 z. B. in der Weise, dass der Erblasser dem Vermächtnisnehmer auferlegt, für den Unterhalt des 1 Dose, Hans-Joachim, in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage 2004, § 1 Rdnr. 1d. 2 Hoffmann, Jörg, in: Göppinger, Horst / Wax, Peter, Unterhaltsrecht, 8. Auflage 2003 (im Folgenden zitiert als: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht), Rdnr. 1283ff. 3 Kodal, Karl, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 79, Palandt/Diederichsen, Vor § 1601, Rdnr. 29 mit weiteren Nachweisen. 4 Hoffmann, Jörg, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 1368. 5 Wax, Peter, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 80. - 6 - Bedachten dauernd oder zeitweise, z. B. bis zum Abschluss seiner Ausbildung, aufzukommen .6 2. Verwandtschaft in gerader Linie, § 1601 BGB Gemäß § 1601 BGB sind alle Verwandten, die in gerader ab- und aufsteigender Linie (§§ 1610, 1589 S. 1 BGB) miteinander verwandt sind, einander ohne Rücksicht auf den Grad der Verwandtschaft zum Unterhalt verpflichtet. So haben Eltern ihren Kindern und umgekehrt Kinder ihren Eltern Unterhalt zu leisten, ebenso Großeltern ihren Enkeln und umgekehrt.7 Eheliche und uneheliche Kinder sind dabei gleichgestellt.8 § 1603 BGB regelt Ausnahmefälle, in denen kein Unterhalt gezahlt werden muss. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor oder kann der vorrangig haftende Verwandte der Unterhaltspflicht infolge eingeschränkter Leistungsfähigkeit nur teilweise nachkommen, ordnet § 1607 BGB die nachrangige Haftung des nächsten Verwandten an. Diesen trifft dann eine eigene Unterhaltspflicht ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den leistungsunfähigen oder nur teilweise leistungsfähigen vorrangig haftenden Verwandten.9 Die Unterhaltsverpflichtung unterliegt grundsätzlich keinen zeitlichen Beschränkungen. Sie endet, wenn die Voraussetzungen des Unterhaltstatbestandes nicht mehr vorliegen. Die Unterhaltspflicht der Eltern ihren Kindern gegenüber endet in der Regel, wenn sie ihnen die angemessenen Vorbildung zu einem Beruf (§ 1610 Abs. 2 BGB) ermöglicht haben. Erneute Bedürftigkeit kann zu einem Wiederaufleben der Unterhaltspflicht führen .10 3. Annahme als Kind, § 1751 Abs. 4 BGB § 1751 Abs. 4 Satz 1 BGB gewährt einem Kind einen Unterhaltsanspruch gegen seine Adoptiveltern. Er entsteht nicht erst mit der Adoption, sondern bereits dann, wenn mit dem Ziel der Adoption in die Obhut der potenziellen Adoptiveltern genommen wurde und die leiblichen Eltern in die Adoption eingewilligt haben. Die Inobhutnahme ist ein 6 Hoffmann, Jörg, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 1288. 7 Reinken, Werner, in: Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch , Aktualisierung Januar 2005 (im Folgenden zitiert als: Bamberger/Roth, BGB), § 1601 Rn 2; Diederichsen, Uwe, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage 2006 (im Folgenden zitiert als: Palandt/Bearbeiter), § 1601, Rdnr. 2. 8 Wax, Peter, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 56. 9 Reinken, Werner, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1607, Rdnr. 3. 10 Reinken, Werner, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1601, Rdnr. 3. - 7 - Realakt11; unter Obhut ist in diesem Sinne die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes durch Pflege, Verköstigung, emotionale Zuwendung etc. zu verstehen.12 Die Unterhaltspflicht der leiblichen Eltern besteht nach Einwilligung und Inobhutnahme zwar fort, ist aber der Pflicht der Adoptiveltern gegenüber nachrangig. Wenn es sich um eine Stiefkindadoption handelt, d. h. wenn ein Ehegatte ein Kind seines Ehegatten annehmen will, sind beide Ehegatten gemäß § 1751 Abs. 4 S. 2 BGB dem Kind ebenfalls vor den anderen Verwandten des Kindes zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet. Diese Unterhaltspflicht endet, wenn die Einwilligung der leiblichen Eltern ihre Kraft verliert, oder wenn die Adoptionspflege beendet wird.13 4. Nicht miteinander verheiratete Eltern / Gemeinsames Kind, § 1615l BGB Gemäß § 1615l Abs. 1 BGB hat der Vater eines (unehelichen) Kindes der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt wie ein Verwandter (§ 1615l Abs. 3 BGB) Unterhalt zu gewähren. Dies gilt auch hinsichtlich der Kosten, die infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung außerhalb dieses Zeitraums entstehen . Es handelt sich dabei um eine abschließende Regelung, die einen Rückgriff auf die Vorschriften des Ehegattenunterhalts nicht zulässt. Sie bezweckt die Sicherung der Betreuung von nichtehelichen Kindern14 sowie die wirtschaftliche Absicherung der Mutter. In Anlehnung an die Mutterschutzvorschriften soll die Mutter in dieser Zeit von jeder Erwerbspflicht freigestellt werden15. Die Verpflichtung des Vaters geht der Verpflichtung der Verwandten der Mutter vor. Die Ehefrau und minderjährige unverheiratete Kinder des Vaters gehen bei Anwendung des § 1609 BGB der Mutter vor; die Mutter geht den übrigen Verwandten des Vaters vor. Der Anspruch erlischt nicht mit dem Tod des Vaters. Abs. 4 gewährt auch dem das Kind betreuenden Vater den Unterhaltsanspruch nach Abs. 2 S. 2 BGB gegen die Mutter. 11 Vgl. Enders in: Bamberger/Roth, BGB, § 1751, Rdnr. 7. 12 Palandt/Diederichsen, § 1629 Rdnr. 31. 13 Enders, Wolfgang, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1751, Rdnr. 8; Jauernig/Berger, Kommentar zum BGB, 11.Auflage 2004, § 1751, Rdnr. 6. 14 Bäumel, Dieter, in: Bäumel, Dieter/ Büte, Dieter / Poppen, Enno, Unterhaltsrecht – Kommentar, 1. Auflage 2006 (im Folgenden zitiert als: Bäumel/Büte/Poppen), § 1615l Rdnr. 1. 15 Reinken, Werner, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1615 l Rdnr. 1-2. - 8 - 5. Ehe, § 1360 BGB § 1360 BGB regelt die sogenannte Familienunterhaltspflicht. Er gewährt den Ehegatten gegeneinander einen Unterhaltsanspruch, nicht jedoch den Kindern gegen die Eltern .16 Der Familienunterhalt ist grundsätzlich nicht auf Geldrente gerichtet, sondern je nach den konkreten Bedürfnissen der Familie durch finanzielle Beiträge, Arbeitsleistung , Haushaltsführung, Pflege kranker Angehöriger etc.17 Dieser Anspruch ist zwingend, es kann nicht durch Ehevertrag darauf verzichtet werden (§§ 1360a Abs. 3, 1614 BGB).18 Besondere Voraussetzung ist eine gültige, noch bestehende Ehe mit ehelicher Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB). Der Inhalt des Unterhaltsanspruchs hängt von dem gewählten Ehetyp („Haushaltsführungsehe“, „Doppelverdienerehe“ oder „Zuverdienerehe “) ab19; den Umfang regelt § 1360a BGB. Danach umfasst der angemessene Unterhalt der Familie alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen. § 1360a Abs. 3 BGB erklärt die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1613 bis 1615 BGB für entsprechend anwendbar. 6. Ehe / Getrenntleben, § 1361 BGB Wenn die Ehegatten getrennt leben, also ihre häusliche Gemeinschaft vollständig aufgehoben haben20, endet die Pflicht zum Familienunterhalt. Gleichzeitig entsteht jedoch gemäß § 1361 Abs. 1 BGB eine Verpflichtung der Ehegatten, einander Trennungsunterhalt zu leisten. Die Chancen einer Versöhnung sollen hierdurch verbessert werden21, und der wirtschaftlich schwächere Ehegatte soll für die Zeit der Trennung im Vertrauen auf den Fortbestand der gemeinsamen Planung jedenfalls für gewisse Zeit geschützt werden22. Der Unterhaltsanspruch ist daher grundsätzlich unabhängig vom Trennungsgrund .23 16 Palandt/Brudermüller, § 1360, Rdnr. 2. 17 Büte, Dieter, in: Bäumel/Büte/Poppen, § 1360 Rdnr. 3. 18 Palandt/Brudermüller, § 1360, Rdnr. 5. 19 Dazu im Einzelnen Palandt/Brudermüller, § 1360, Rdnr. 8ff. 20 Palandt/Brudermüller, § 1361, Rdnr. 9; § 1567, Rdnr.2. 21 Poppen, Enno, in: Bäumel/Büte/Poppen, § 1361 Rdnr. 2. 22 Palandt/Brudermüller, § 1361, Rdnr. 1. 23 Bäumel, Dieter, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 898. - 9 - Ein nicht erwerbstätiger Ehegatte kann gemäß § 1361 Abs. 2 BGB nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann. § 1361 Abs. 3 BGB ordnet die entsprechende Anwendung von § 1579 Nr. 2 bis 7 BGB auf getrennt lebende Ehegatten an. Danach ist ein Unterhaltsanspruch in den aufgezählten Fällen aus Billigkeitsgründen zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen. § 1361 Abs. 4 S. 4 BGB in Verbindung mit § 1360a Abs. 3, 4 erklärt die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1613 bis 1615 BGB für entsprechend anwendbar. 7. Ehe / Scheidung, § 1569ff. BGB Kann ein Ehegatte nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen, so hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach den §§ 1569ff. BGB. Für die Zeit nach der Scheidung geht das Gesetz grundsätzlich von der Eigenverantwortung jedes Ehegatten für seinen Lebensunterhalt aus. Ein nachehelicher Unterhalt ist nur im Falle einer besonderen Bedürfnislage zu zahlen. Das Vorliegen einer solchen Bedürfnislage regeln die Tatbestände der § 1570ff.24, die unten unter 7.1. bis 7.6. abgedruckt sind. In der Praxis ist in Folge dieses umfangreichen Tatbestandskataloges meistens Unterhalt zu zahlen, so dass das Regel-/Ausnahmeverhältnis von Eigenverantwortung und Unterhalt umgekehrt ist.25 Liegt eine Bedürfnislage aus mehreren der genannten Gründe vor, so ist trotzdem nur ein einheitlicher Unterhaltsanspruch gegeben , dessen Umfang sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt.26 Der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte haftet vor den Verwandten des Berechtigten .27 Soweit jedoch der Verpflichtete nicht leistungsfähig ist, haften die Verwandten vor dem geschiedenen Ehegatten. § 1607 Abs. 2 und 4 gelten entsprechend. 24 Pauling, Dieter, in: Wendl, Philipp / Staudigl, Siegfried, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage 2004, Rdnr. 42; Wax, Peter, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 70. 25 Pauling, Dieter, in: Wendl, Philipp / Staudigl, Siegfried, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage 2004, Rdnr. 43. 26 Pauling, Dieter, in: Wendl, Philipp / Staudigl, Siegfried, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage 2004, Rdnr. 46; Palandt/Brudermüller, § 1569 Rdnr. 8. 27 Zum Rangverhältnis bei mehreren Unterhaltsberechtigten oder –verpflichteten vgl. §§ 1582, 1584 BGB. - 10 - Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem Tod oder der Wiederheirat des Berechtigten; beim Tod des Verpflichteten kann sich der Berechtigte hingegen nach § 1586b BGB an die Erben wenden.28 7.1. § 1570 BGB - Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes: „Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.“ 7.2. § 1571 BGB – Unterhalt wegen Alters: „Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit von ihm im Zeitpunkt 1. der Scheidung, 2. der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder 3. des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1572 und 1573 wegen seines Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann.“ 7.3. § 1572 BGB – Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen: „Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt 1. der Scheidung, 2. der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, 3. der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder 4. des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 28 Wax, Peter, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 70, Bäumel, Dieter, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht , Rdnr.1059. - 11 - an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.“ 7.4. § 1573 BGB – Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt : „(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. (2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen . (3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind. (4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen. (5) Die Unterhaltsansprüche nach Absatz 1 bis 4 können zeitlich begrenzt werden, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre; dies gilt in der Regel nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreut hat oder betreut . Die Zeit der Kindesbetreuung steht der Ehedauer gleich.“ - 12 - 7.5. § 1575 BGB - Unterhalt wegen Inanspruchnahme eines Ausbildungsrechts zur Erlangung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit: „(1) Ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, kann von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Der Anspruch besteht längstens für die Zeit, in der eine solche Ausbildung im Allgemeinen abgeschlossen wird; dabei sind ehebedingte Verzögerungen der Ausbildung zu berücksichtigen. (2) Entsprechendes gilt, wenn sich der geschiedene Ehegatte fortbilden oder umschulen lässt, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind. (3) Verlangt der geschiedene Ehegatte nach Beendigung der Ausbildung , Fortbildung oder Umschulung Unterhalt nach § 1573, so bleibt bei der Bestimmung der ihm angemessenen Erwerbstätigkeit (§ 1574 Abs. 2) der erreichte höhere Ausbildungsstand außer Betracht.“ 7.6. § 1576 BGB - Unterhalt aus Billigkeitsgründen: „Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre . Schwerwiegende Gründe dürfen nicht allein deswegen berücksichtigt werden, weil sie zum Scheitern der Ehe geführt haben.“ 8. Ehe / Auflösung nach §1314ff., 1569ff. analog, 1318 Abs. 2 BGB Bei einer Aufhebung der Ehe sieht der Gesetzgeber die Verantwortung der Ehegatten eingeschränkter. Die §§ 1569ff. BGB werden in diesem Fall nach § 1318 Abs. 2 BGB nur unter den dort festgelegten Voraussetzungen angewendet.29 29 Pauling, Dieter, in: Wendl, Philipp / Staudigl, Siegfried, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage 2004, Rdnr. 42, Wax, Peter, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 71; Maurer, Hans-Ulrich, in:Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 1142ff. - 13 - § 1318 Abs. 2 BGB: „Die §§ 1569 bis 1586b finden entsprechende Anwendung 1. zugunsten eines Ehegatten, der bei Verstoß gegen die §§ 1303, 1304, 1306, 1307 oder § 1311 oder in den Fällen des § 1314 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 die Aufhebbarkeit der Ehe bei der Eheschließung nicht gekannt hat oder der in den Fällen des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 von dem anderen Ehegatten oder mit dessen Wissen getäuscht oder bedroht worden ist; 2. zugunsten beider Ehegatten bei Verstoß gegen die §§ 1306, 1307 oder en § 1306, soweit der Anspruch eines Ehegatten auf Unterhalt einen entsprechenden Anspruch der dritten Person beeinträchtigen würde. Die Vorschriften über den Unterhalt wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes finden auch insoweit entsprechende Anwendung, als eine Versagung des Unterhalts im Hinblick auf die Belange des Kindes grob unbillig wäre.“ 9. Lebenspartnerschaft, § 5 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) Wie die Ehe begründet gemäß § 5 S. 1 LPartG auch die eingetragene Lebenspartnerschaft einen Unterhaltsanspruch. § 1360 Satz 2 und die §§ 1360a und 1360b BGB gelten entsprechend.30 Eine eingetragene Lebenspartnerschaft i. S. v. § 1 LPartG setzt voraus , dass zwei Personen gleichen Geschlechts sich gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit vor der zuständigen Behörde erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. 10. Lebenspartnerschaft / Aufhebung, § 16 LPartG Kann ein Lebenspartner nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen, so hat er gemäß § 16 LPartG gegen den anderen Lebenspartner einen Anspruch auf Unterhalt entsprechend den §§ 1570 bis 1581 und 1583 bis 1586b des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 11. Stiefelternschaft (bei Tod des leiblichen Elternteils), § 1371 Abs. 4 BGB § 1371 Abs. 4 BGB betrifft den Fall, dass die Eheleute einen Zugewinnausgleich vereinbart haben und ein Ehegatte stirbt, der einen erbberechtigten Abkömmling hinter- 30 Zu Einzelheiten Hoffmann, Jörg, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 1152ff. - 14 - lässt, welcher nicht aus der Ehe stammt. In diesem Fall muss der überlebende Ehegatte dem Abkömmling des Verstorbenen gemäß § 1371 Abs. 4 BGB die Mittel zu einer angemessenen Ausbildung gewähren.31 12. Tod des Unterhaltspflichtigen - Anspruch der Familienangehörigen gegen die Erben (sog. Dreißigster), § 1969 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB Beim Tod eines Unterhaltspflichtigen gewähren die §§ 1969 Abs. 1 und 2 BGB den Familienangehörigen des Verstorbenen außerdem einen erbrechtlichen Anspruch gegen seine Erben, der jedoch unterhaltsähnlich ist, so dass u.a. die unterhaltsrechtlichen Vorschriften , insbesondere §§ 394, 399, 400 BGB i. V. m 850 Abs.1 Nr. 2, 851 ZPO, analog gelten. „Familienangehörige“ sind hierbei alle in die Familiengemeinschaft aufgenommenen Personen, soweit sie im Hausstand des Erblassers gelebt und von ihm Unterhalt bezogen haben. Der Anspruch ist beschränkt auf die ersten 30 Tage nach dem Eintritt des Erbfalls, wenn nicht der Erblasser durch letztwillige Verfügung etwas anderes angeordnet hat; er wird deshalb auch als „Dreißigster“ bezeichnet.32 13. Anspruch der werdenden Mutter auf Unterhalt aus dem Nachlass des Erzeugers oder dem Erbteil des Kindes, §§ 1963, 2141 BGB Wenn der Erzeuger eines ungeborenen Kindes verstirbt, gewährt § 1963 BGB der werdenden Mutter für die Zeit ihrer Schwangerschaft einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt aus dem Nachlass bzw. aus dem Erbteil des Kindes. Der Anspruch besteht ab dem Erbfall, bei Ersatzberufung des nasciturus nach dem Erbfall (§§ 1953, 2344) ab Wegfall des vorrangig Berufenen.33 § 1963 BGB, Unterhalt der werdenden Mutter eines Erben: „Ist zur Zeit des Erbfalls die Geburt eines Erben zu erwarten, so kann die Mutter , falls sie außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, bis zur Entbindung angemessenen Unterhalt aus dem Nachlass oder, wenn noch andere Personen als Erben berufen sind, aus dem Erbteil des Kindes verlangen. Bei der Bemessung des Erbteils ist anzunehmen, dass nur ein Kind geboren wird.“ § 2141 BGB, Unterhalt der werdenden Mutter eines Nacherben: „Ist bei dem Eintritt des Falles der Nacherbfolge die Geburt eines Nacherben zu erwarten, so findet auf den Unterhaltsanspruch der Mutter die Vorschrift des § 1963 entsprechende Anwendung.“ 31 Wax, Peter, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 73. 32 Wax, Peter, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rdnr. 74. 33 Seidl, Stephan, in: Bamberger/ Roth, Unterhaltsrecht, § 1963 Rdnr. 1. - 15 - 14. Geschwisterliches Höferecht (Anerbenrecht) nach Landesrecht Aus dem landesrechtlichen Höferecht der Länder Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg , Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig- Holstein können sich, abweichend vom Grundsatz, dass Unterhaltsansprüche nicht zwischen Verwandten in der Seitenlinie entstehen, Ansprüche der Geschwister gegen den Hoferben ergeben.34 34 Eine Übersicht hierzu findet sich bei Palandt/Edenhofer, Art. 64 EGBGB, Rdnr. 6-7.