© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 – 3000 – 147/16 Zum Straftatbestand des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 147/16 Seite 2 Zum Straftatbestand des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB) Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 147/16 Abschluss der Arbeit: 19. Oktober 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf-, und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 147/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Gegenstand der Bearbeitung 4 2. § 266a Absatz 1 StGB 4 2.1. Wortlaut der Vorschrift 4 2.2. Absicht des Gesetzgebers 4 2.3. Inhalt des Tatbestands 5 2.4. Keine Blankettnorm 5 3. Artikel 103 Absatz 2 GG 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 147/16 Seite 4 1. Gegenstand der Bearbeitung Vorliegende Ausführungen dienen einer einführenden Erläuterung des Straftatbestands § 266a Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB)1 (2.). Ergänzend werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Normierung von Straftatbeständen dokumentiert, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zu Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz (GG)2 entwickelt hat (3.). 2. § 266a Absatz 1 StGB 2.1. Wortlaut der Vorschrift Die geltende Fassung des § 266a Absatz 1 StGB hat folgenden Wortlaut: „§ 266a StGB [Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt] (1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ 2.2. Absicht des Gesetzgebers § 266a StGB wurde mit dem Zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität3 in das Strafgesetzbuch eingeführt. Durch die in Absatz 1 getroffene Regelung ersetzte der Gesetzgeber die zuvor in mehreren Sozialgesetzen aufgenommenen Strafvorschriften über das Vorenthalten von Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit. Mit der Vereinheitlichung der Vorschriften und der Einstellung als allgemeiner Tatbestand in das Strafgesetzbuch verknüpfte er die Erwartung, dass dadurch die präventive Wirkung des Strafschutzes verbessert werde, weil damit der fälschlichen Einschätzung, es handle sich nur um ein säumiges, ordnungswidriges Verhalten, vorgebeugt werde. Den Kern des strafbaren Unrechts sah der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem damals geltenden Recht weiterhin darin, dass der Arbeitgeber treuhänderisch einbehaltene Vertragsteile bestimmungswidrig verwende. Durch die Beitragsvorenthaltung werde das Aufkommen 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2226). 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438). 3 BGBl. I S. 721. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 147/16 Seite 5 der Sozialversicherung gefährdet und letztlich die Solidargemeinschaft der Versicherten geschädigt . 4 2.3. Inhalt des Tatbestands Der Deliktstatbestand enthält nach seinem Wortlaut folgende Bestandteile: - als Täter den Arbeitgeber, - als Tatgegenstand die Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung - und als Tathandlung das Vorenthalten dieser Beiträge durch den Täter. Da Täter nur der Arbeitgeber oder eine der in Absatz 5 ausdrücklich genannten Personen sowie ihre Vertreter gemäß § 14 StGB sein kann, stellt § 266a Absatz 1 StGB ein echtes Sonderdelikt dar5; die Beschreibung der Tathandlung kennzeichnet den Tatbestand als echtes Unterlassungsdelikt .6 2.4. Keine Blankettnorm Der in § 266a Absatz 1 StGB enthaltene Strafbarkeitsvorwurf ist an die Nichtzahlung des gemäß § 28e Absatz 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)7 vom Arbeitgeber als alleiniger Haftungsschuldner geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Beiträge in der Kranken-, Pflege- Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung8) geknüpft.9 Der mit der solchermaßen „sozialrechts-akzessorischen“ Gestaltung der Norm verbundene Verweis auf vom Gesetzgeber außerhalb des Strafrechts geregelte Voraussetzungen für die Verwirkli- 4 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Zeiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WIKG), Bundestagsdrucksache 10/318, S. 12 sowie S. 25 f. 5 Wittig, in: v. Heintschel-Heinegg u.a. (Hrsg.), Beck'scher Online Kommentar StGB, 32. Edition (Stand: 1.9.2016), § 266a Rn. 5. 6 Vgl. dazu Entscheidungen des Bundesgerichtshofs BGHSt 47, 318 (320) und BGHSt 51, 124 (133). 7 Das Vierte Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), zuletzt geändert durch Artikel 28 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010). 8 Siehe § 28d SGB IV. 9 Wittig, in: v. Heintschel-Heinegg u.a. (Hrsg.), Beck'scher Online Kommentar StGB, 32. Edition (Stand: 1.9.2016), § 266a Rn. 9 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 147/16 Seite 6 chung des Tatbestandes vermag der Vorschrift durchaus einen blankettartigen Charakter zu verleihen .10 Zudem erfordert das Verständnis des normativen Tatbestandsmerkmals „Arbeitnehmer “11, das in § 266a StGB und im übrigen Strafrecht nicht definiert ist, einen Rückgriff auf außerstrafrechtliche Wertungen. Allerdings ist zu konstatieren, dass die genannten Umstände der Rechtsprechung wie dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum bislang keinen Anlass gegeben haben, die Frage zu problematisieren , ob § 266a StGB als eine sog. Blankettnorm anzusehen sei, welche die Voraussetzungen der Strafbarkeit nicht abschließend im Tatbestand selbst regelt, sondern diesbezüglich auf andere Normen verweist.12 Soweit Stellungnahmen hierzu vorzufinden sind, wird die Einordnung der Vorschrift als Blankettnorm dezidiert abgelehnt.13 3. Artikel 103 Absatz 2 GG Das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen, denen der Gesetzgeber nach Maßgabe des Artikels 103 Absatz 2 GG bei der Normierung von Straftatbeständen unterliege , unlängst in seiner Entscheidung vom 23. Juni 201014 benannt, welche die Frage der hinreichenden Bestimmtheit des Tatbestandes der Untreue gemäß § 266 StGB zum Gegenstand hatte. 10 Vgl. Pananis, in: Ignor/Rixen (Hrsg.), Handbuch Arbeitsstrafrecht, 2. Auflage 2008, § 6 Rn. 17; Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 209. Ergänzungslieferung Juli 2016, § 266a StGB Rn. 5. Siehe auch die Formulierung bei Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten , 2012, S. 179: „nach den blankettmäßig in § 266a StGB hinzulesenden §§ 28e Abs. 1, 28g SGB IV“. 11 Vgl. Lanzinner, Scheinselbständigkeit als Straftat, 2014, S. 67 mit weiteren Nachweisen; Schulz, Neues bei § 266a StGB – Methodendisziplin als Strafbarkeitsrisiko? in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2014, S. 572 (575); Bürger, Der Arbeitgeberbegriff in § 266a StGB – ein komplexes normatives Tatbestandsmerkmal , in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (wistra) 2016, S. 169 (172). 12 Zur Typologie und Abgrenzung von Blankettstraftatbeständen vgl. zuletzt Bülte, Blankette und normative Tatbestandsmerkmale : Zur Bedeutung von Verweisungen in Strafgesetzen, in: Juristische Schulung (JuS) 2015, S. 769- 777. 13 So bei Kudlich, (Schein-)Selbständigkeit von „Busfahrern ohne eigenen Bus“ und Fragen des § 266a Abs. 1 StGB, in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2011, S. 482 (488): „Umgekehrt handelt es sich bei § 266a StGB (jedenfalls hinsichtlich des Arbeitgeberbegriffs) um keinen Blankettstraftatbestand, da weder ein ausdrücklicher Verweis auf andere Rechtsnormen erfolgt noch der Straftatbestand aus sich heraus ohne Heranziehung der Ausfüllungsnormen unverständlich wäre.“; in gleiche Richtung Popp, Pflichtenakzessorietät und Irrtumslehre – Die neuere Rechtsprechung des BGH zu § 266a Abs. 1 StGB, in: Steinberg/Valerius/Popp (Hrsg.), Das Wirtschaftsrecht des StGB – Analysen zur aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung, 2011, S. 113 (126 f.): „§ 266a Absatz 1 StGB enthält jedenfalls kein solches Blankett, sondern liefert bereits aus sich heraus verständliche, vollständige Umschreibung des vertatbestandlichten Unrechts: das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen gegenüber der Einzugsstelle durch die auf Arbeitgeberseite zuständigen Personen.“. 14 BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09 –, im Folgenden zitiert nach juris (= BVerfGE 126, 170-233). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 147/16 Seite 7 Darin hat das Gericht zunächst die Garantiefunktion der Verfassungsnorm wie folgt beschrieben: „[1.] Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Bedeutung dieser Verfassungsnorm erschöpft sich nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung. Art. 103 Abs. 2 GG enthält für die Gesetzgebung ein striktes Bestimmtheitsgebot sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie (stRspr, vgl. BVerf GE 14, 174 <185>; 73, 206 <234>; 75, 329 <340>). Diese Garantien dienen einem doppelten Zweck: Einerseits soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt , die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung festzulegen (vgl. BVerfGE 75, 329 <341> m.w.N.). Der Gesetzgeber übernimmt mit der Entscheidung über strafwürdiges Verhalten die demokratisch legitimierte Verantwortung für eine Form hoheitlichen Handelns, die zu den intensivsten Eingriffen in die individuelle Freiheit zählt; es ist eine grundlegende Entscheidung, in welchem Umfang und in welchen Bereichen ein politisches Gemeinwesen gerade das Mittel des Strafrechts als Instrument sozialer Kontrolle einsetzt (vgl. BVerfGE 123, 267 <408>). Andererseits geht es um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten: Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Art. 103 Abs. 2 GG hat insofern freiheitsgewährleistende Funktion (vgl. BVerfGE 75, 329 <341> m.w.N.).“15 Sodann hat das Gericht das an den Gesetzgeber gerichtete Bestimmtheitsgebot folgendermaßen konkretisiert: „[2. a)] Für den Gesetzgeber enthält Art. 103 Abs. 2 GG in seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot dementsprechend die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben , dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 75, 329 <340 f.>). Die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (vgl. BVerfGE 101, 1 <34>; 108, 282 <312>) und dass er Rechtsvorschriften so genau fassen muss, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (Grundsatz der Normenklarheit, vgl. BVerfGE 93, 213 <238>), 15 BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09 –, juris Rn. 68-70 (= BVerfGE 126, 170, 194 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 147/16 Seite 8 gelten danach für den besonders grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt. Das Bestimmtheitsgebot verlangt daher, den Wortlaut von Strafnormen so zu fassen, dass die Normadressaten im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfGE 48, 48 <56 f.>; 92, 1 <12>). [b)] Allerdings muss der Gesetzgeber auch im Strafrecht in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden (BVerfGE 28, 175 <183>; 47, 109 <120>). Müsste er stets jeden Straftatbestand bis ins Letzte ausführen, anstatt sich auf die wesentlichen für die Dauer gedachten Bestimmungen über Voraussetzungen, Art und Maß der Strafe zu beschränken, bestünde die Gefahr, dass die Gesetze zu starr und kasuistisch würden und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten (vgl. BVerfGE 14, 245 <251>). Wegen der gebotenen Allgemeinheit und der damit zwangsläufig verbundenen Abstraktheit von Strafnormen ist es unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Das Bestimmtheitsgebot bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber gezwungen wäre, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit unmittelbar in ihrer Bedeutung für jedermann erschließbaren deskriptiven Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben. Es schließt die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln im Strafrecht nicht von vornherein aus (vgl. BVerfGE 48, 48 <56 f.>; 92, 1 <12>; ferner BVerf GE 75, 329 <341 f.>). Der Gesetzgeber kann Tatbestände auch so ausgestalten, dass zu ihrer Auslegung auf außerstrafrechtliche Vorschriften zurückgegriffen werden muss. Dies führt, soweit es sich nicht um Normen zur Ausfüllung eines strafrechtlichen Blanketts handelt, nicht dazu, dass auch die betreffenden außerstrafrechtlichen Vorschriften am Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen wären (vgl. BVerfGE 78, 205 <213>). [c)] Welchen Grad an gesetzlicher Bestimmtheit der einzelne Straftatbestand haben muss, lässt sich nach alledem nicht allgemein sagen (BVerfGE 28, 175 <183>). Deshalb ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung möglicher Regelungsalternativen zu entscheiden, ob der Gesetzgeber seinen Verpflichtungen aus Art. 103 Abs. 2 GG im Einzelfall nachgekommen ist. Zu prüfen sind die Besonderheiten des jeweiligen Straftatbestands einschließlich der Umstände, die zu der gesetzlichen Regelung führen (BVerfGE 28, 175 <183>), wobei der Gesetzgeber die Strafbarkeitsvoraussetzungen umso genauer festlegen und präziser bestimmen muss, je schwerer die von ihm angedrohte Strafe ist (BVerfGE 75, 329 <342>). Auch der Kreis der Normadressaten ist von Bedeutung (BVerfGE 48, 48 <57>). Soweit es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Grenzfällen ausnahmsweise genügt, wenn lediglich das Risiko einer Bestrafung erkennbar ist (vgl. BVerfGE 48, 48 <56 f.>; 92, 1 <12>), trägt dies der Unvermeidbarkeit von Randunschärfen Rechnung. Verfassungsrechtliche Bedenken, die die Weite eines Tatbestands (-merkmals) bei isolierter Betrachtung auslösen müsste, können zudem durch weitgehende Einigkeit über einen engeren Bedeutungsinhalt, insbesondere durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, entkräftet werden (vgl. BVerfGE 26, 41 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 147/16 Seite 9 <43>; 87, 209 <226 f.>; 92, 1 <18>). Allein die Tatsache, dass ein Gesetz bei extensiver , den möglichen Wortlaut ausschöpfender Auslegung auch Fälle erfassen würde, die der parlamentarische Gesetzgeber nicht bestraft wissen wollte, macht das Gesetz nicht verfassungswidrig, wenn und soweit eine restriktive, präzisierende Auslegung möglich ist (vgl. BVerfGE 87, 399 <411>).“16 - Ende der Bearbeitung - 16 BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09 –, juris Rn. 71-75 (= BVerfGE 126, 170, 195-197)