"Outsourcing" kommunaler Aufgaben - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 7 - 147/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: "Outsourcing" kommunaler Aufgaben Ausarbeitung WD 7 - 147/06 Abschluss der Arbeit: 16.06.2006 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Einleitung 3 2. Begriffsklärungen 4 3. Rechtliche Zulässigkeit der Ausgliederung kommunaler Aufgaben 5 4. Erscheinungsformen von Public Private Partnership 9 5. Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz von Public Private Partnership 10 - 3 - 1. Einleitung Unter Outsourcing versteht man die Ausgliederung einzelner Verwaltungsleistungen aus der Verwaltung, wobei in der Regel eine Übertragung auf einen privaten Dritten erfolgt. Hierbei kann es zu einer sog. Public Private Partnership kommen.1 Der Begriff Outsourcing kann nicht gleichgesetzt werden mit dem Begriff Privatisierung. Eine Einbeziehung Privater in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ist in unterschiedlichen Formen möglich. Hierzu erfolgt im zweiten Kapitel eine begriffliche Klärung. Eine wirtschaftliche Betätigung von Kommunen – sei es in öffentlich rechtlicher oder in privat rechtlicher Form – ist mit der Erfüllung kommunaler Aufgaben eng verbunden und stellt keinen Sonderfall dar. Ebenso ist die Einschaltung Privater in die kommunale Aufgabenerfüllung ein häufiger Fall. Die Vor- und Nachteile einer Ausgliederung oder Privatisierung kommunaler Dienstleistungen sind immer wieder Gegenstand der öffentlichen Diskussion.2 Hintergrund dieser Diskussion ist u. a. die Zielsetzung, Kosten einzusparen. Diese Motivation hat auch zu einer Zunahme von Modellen der Public Private Partnership zwischen Kommunen und Privaten in den vergangenen Jahren geführt. Der Gesetzgeber hat mit dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz3 zu einer Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen beigetragen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) hält im Einzelfall Effizienzsteigerungen im Rahmen des kommunalen Handelns durch PPP-Modelle für möglich, wenn die Risiken und die Vorteile zwischen den Partnern effizient und sachgerecht verteilt werden.4 Im Anschluss an die Klärung von Begriffen (Kapitel 2) wird in Kapitel 3 die Frage behandelt , welche Aufgabenbereiche von Kommunen ausgegliedert werden können. Hierbei wird exemplarisch auf die Rechtslage nach der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung eingegangen. Anschließend werden Modelle und Beispiele für Public Private Partnership vorgestellt (Kapitel 4). Schließlich wird u. a. der Frage nachgegangen, ob und inwieweit durch PPP-Projekte Kosteneinsparungen möglich sind (Kapitel 5). 1 Günter Püttner in: Horst Tilch/Frank Arloth (Hrsg.), deutsches Rechts-Lexikon, Band 2, 3. Auflage, 2001, S. 3150. 2 Michael Ronellenfitsch, Neuere Privatisierungsdiskussion, in: Werner Hoppe/Michael Uechtritz (Hrsg.), Handbuch Kommunale Unternehmen, 2004, S. 15/23 f.; vgl. auch Markus Moraing, Kommunales Wirtschaftsrecht vor dem Hintergrund der Liberalisierung der Märkte, in: Wirtschaft und Verwaltung 1998, S. 233/233 f. 3 Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften vom 1. September 2005 (BGBl. I S. 2676). 4 Deutscher Städte- und Gemeindebund, Perspektiven der Stadtentwicklung – Zehn Thesen des DStGB, www.dstgb.de/index_inhalt/homepage/index.phtml [Stand: 13.06.2006]. - 4 - 2. Begriffsklärungen Zwischen folgenden Formen der Privatisierung wird unterschieden5: Vermögensprivatisierung: Hier werden Beteiligungen der öffentlichen Hand an ein privates Unternehmen überführt, ohne dass der Eigentümerstellung der öffentlichen Hand eine öffentliche Aufgabe zugrunde lag. Diese Form der Privatisierung stellt keine Auslagerung (Outsourcing) von Aufgaben dar und ist somit nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. Aufgabenprivatisierung: Hier zieht sich die öffentliche Hand aus einer bislang erfolgten Aufgabenerfüllung zurück. Sie überlässt es privaten Anbietern, diese Aufgabe künftig zu erfüllen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von materieller Privatisierung . Organisationsprivatisierung: Bei dieser Form der Privatisierung wechselt die öffentliche Hand lediglich die Organisationsform; beispielsweise betreibt eine Stadt ein Wasserwerk in der Rechtsform einer GmbH anstelle eines bisherigen sog. Eigenbetriebs. Die Aufgabe selbst verbleibt bei der öffentlichen Hand. Man spricht auch von formeller Privatisierung. Funktionale Privatisierung: Die öffentliche Hand bleibt hier für die Aufgabenerfüllung zuständig, sie kooperiert hierfür jedoch mit einem privaten Unternehmen. Dies führt zu einer sog. Public Private Partnership. Public Private Partnership (PPP): Eine allgemeingültige Definition dieses Begriffes gibt es nicht. Hiermit werden die verschiedenen Erscheinungsformen einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Verwaltung und privatwirtschaftlichen Unternehmen bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bezeichnet.6 Nicht jede Einbeziehung Privater in die öffentliche Aufgabenerfüllung ist eine PPP. Beispielsweise wird die schon seit langer Zeit praktizierte Beleihung in der Regel nicht als solche angesehen.7 Eine Beleihung ist das Gegenstück einer Organisationsprivatisierung . Hier werden private Sachverständige bei ihrer Tätigkeit mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet („Beliehen“). 5 Ronellenfitsch, Neuere Privatisierungsdiskussion, a. a. O. S. 24 bis 26; Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 19. Mai 2005, Einzelfragen zu Public-Private- Partnership (WF IV 090/05). 6 Vgl. den Aktuellen Begriff der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 6. Oktober 2005 Öffentlich Private Partnerschaft, Nr. 73/2005 (www.bundestag.de); Johannes Hellermann , Handlungsformen und –instrumentarien wirtschaftlicher Betätigung, in: Werner Hoppe /Michael Uechtritz (Hrsg.), Handbuch Kommunale Unternehmen 2004, S. 115/178 f. 7 Hier besteht allerdings eine gewisse Nähe zum Betreibermodell bei der PPP (vgl. Ronellenfitsch, Neue Privatisierungsdiskussion, a. a. O., S. 15/26). - 5 - 3. Rechtliche Zulässigkeit der Ausgliederung kommunaler Aufgaben Bei den gemeindlichen Aufgaben wird zwischen den freiwilligen und den pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben unterschieden. Während es bei den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben keine inhaltlichen Vorgaben durch staatliche Rechtsvorschriften gibt, steht bei den pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben lediglich die Art und Weise der Aufgabenerfüllung im eigenen Verantwortungsbereich der Gemeinden. Daneben gibt es die Pflichtaufgaben nach Weisung. Hier nehmen die Gemeinden staatliche Aufgaben in der Funktion einer unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wahr, d. h. sie unterstehen einer Fachaufsicht.8 Bei den Pflichtaufgaben nach Weisung (sog. übertragener Wirkungskreis) kommt eine eigenständige privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinden grundsätzlich nicht in Betracht. Demgegenüber kommt im eigenen Wirkungskreis (freiwillige und pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben) eine privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinde grundsätzlich in Betracht. Die Aufgaben der Gemeinde sind nicht abschließend festgelegt. Vielmehr können die Gemeinden im örtlichen Wirkungskreis auch neue Aufgaben schaffen. Traditionell gehört zu den gemeindlichen Aufgaben die Schaffung sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Einrichtungen der sog. Daseinsvorsorge. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben dürfen die Gemeinden sich grundsätzlich wirtschaftlich betätigen. Eine Aufgabe kann von der Gemeinde auch dann aufgegriffen werden, wenn sie den Bürgern nur mittelbar zugute kommt (z. B. Stadtgärtnerei, städtische Schreinerei).9 In welchem Umfang eine Gemeinde Aufgaben ausgliedern kann, bestimmt sich nach den Vorschriften über eine wirtschaftliche und eine nichtwirtschaftliche Betätigung in den Gemeindeordnungen. Hierbei wird in einigen Gemeindeordnungen nicht zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung unterschieden; in Gemeindeordnungen , in denen diese Unterscheidung getroffen wird, bestehen keine wesentlichen Unterschiede in den Rechtsfolgen. 8 Ronellenfitsch, Voraussetzungen und historische Entwicklung privatwirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden, a. a. O., S. 1/3 f. 9 Ronellenfitsch, Voraussetzungen und historische Entwicklung privatwirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden, a. a. O., S. 1/5. - 6 - Nach dem Vorbild der Deutschen Gemeindeordnung dürfen Gemeinden (wirtschaftliche ) Unternehmen nur errichten oder sich daran beteiligen, wenn drei Voraussetzungen (sog. Schrankentrias) erfüllt sind10: - Öffentlicher Zweck: Jedes gemeindliche Verhalten muss einem öffentlichen Zweck dienen, der die Zielrichtung der Aufgabenzuweisung bestimmt. Er entfällt nur dann, wenn die Gewinnerzielungsabsicht der einzige und ausschließliche Zweck der Betätigung ist. - Leistungsfähigkeit: Es muss ein angemessenes Verhältnis zwischen der Größe des gemeindlichen Unternehmens und der Leistungsfähigkeit der Gemeinde sowie dem Bedarf bestehen. - Subsidiaritätsgedanke: Es ist grundsätzlich zu prüfen, ob der mit der Unternehmensübernahme oder Unternehmensgründung erstrebte Zweck durch Private besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann. § 107 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO- NRW)11 bestimmt zur wirtschaftlichen Betätigung Folgendes: Die Gemeinde darf sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirtschaftlich betätigen , wenn 1. ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert, 2. die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht und 3. bei einem Tätigwerden außerhalb der Energieversorgung, der Wasserversorgung , des öffentlichen Verkehrs sowie des Betriebes von Telekommunikationsleistungsnetzen einschließlich der Telefondienstleistungen der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann. In Nordrhein-Westfalen gilt der Betrieb folgender Einrichtungen nicht als wirtschaftliche Betätigung (§ 107 Abs. 2 GO-NRW): - Einrichtungen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, 10 Michael Ronellenfitsch/Antonia Stein, Kommunalrechtlicher Begriff der privatwirtschaftlichen Betätigung, in: Werner Hoppe/Michael Uechtritz (Hrsg.) Handbuch Kommunale Unternehmen 2004, S. 43/47 bis 49; Peter J. Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht/1-Kommunalrecht, Polizeiund Ordnungsrecht, 7. Auflage 2004, S. 126. 11 In der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV.NRW. S. 666 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. April 2002 (GV.NRW. S. 160 ff.). - 7 - - Öffentliche Einrichtungen, die für die soziale und kulturelle Betreuung der Einwohner erforderlich sind, insbesondere Einrichtungen auf den Gebieten • Erziehung, Bildung oder Kultur (Schulen, Volkshochschulen, Tageseinrichtungen für Kinder und sonstige Einrichtungen der Jugendhilfe, Bibliotheken , Museen, Ausstellungen, Opern, Theater, Kinos, Bühnen, Orchester, Stadthallen, Begegnungsstätten), • Sport oder Erholung (Sportanlagen, zoologische botanische Gärten, Wald-, Park- und Gartenanlagen, Herbergen, Erholungsheime, Bäder, Einrichtungen zur Veranstaltung von Volksfesten), • Gesundheits- oder Sozialwesen (Krankenhäuser, Bestattungseinrichtungen, Sanatorien, Fuhrparks, Senioren- und Behindertenheime, Frauenhäuser, soziale und medizinische Beratungsstellen), - Einrichtungen, die der Straßenreinigung, der Wirtschaftsförderung, der Fremdenverkehrsförderung oder der Wohnraumversorgung dienen, - Einrichtungen des Umweltschutzes, insbesondere der Abfallentsorgung oder Abwasserbeseitigung sowie des Messe- und Ausstellungswesens, - Einrichtungen, die als Hilfsbetriebe ausschließlich der Deckung des Eigenbedarfs von Gemeinden und Gemeindeverbänden dienen. Auch diese Einrichtungen sind, soweit es mit ihrem öffentlichen Zweck vereinbar ist, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten (§ 107 Abs. 2 Satz 2 GO-NRW). Vor der Entscheidung über die Gründung von bzw. die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an wirtschaftlichen Unternehmen ist der Gemeinderat auf der Grundlage einer Marktanalyse über die Chancen und Risiken des beabsichtigten wirtschaftlichen Engagements und über die Auswirkungen auf das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft zu unterrichten. Den örtlichen Selbstverwaltungsorganisationen von Handwerk , Industrie und Handel und den für die Beschäftigten der jeweiligen Branche handelnden Gewerkschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Marktanalysen zu geben (§ 107 Abs. 5 GO-NRW). Marktanalyse und „Branchendialog“ sind ein fester Bestandteil des Verfahrens zur Gründung oder Beteiligung an einem Unternehmen. In einem Erlass des Innenministeriums von Nordrhein-Westfalen sind Inhalt und Verfahren der Marktanalyse näher ausgestaltet.12 12 Stephan Keller in: Stephan Articus/Bernd Jürgen Schneider (Hrsg.), Kommentar zur Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage, 2004, § 107 Anm. 8. - 8 - Sowohl ein wirtschaftliches Unternehmen (§ 107 Abs. 1 GO-NRW) als auch eine nichtwirtschaftliche Einrichtung (§ 107 Abs. 2 GO-NRW) darf in einer Rechtsform des privaten Rechts geführt werden. Die Voraussetzungen hierfür sind in § 108 GO-NRW normiert. Bei nichtwirtschaftlichen Einrichtungen sind die Voraussetzungen hierfür etwas strenger (Erfordernis eines wichtigen Interesses, Leistungsfähigkeit der Gemeinde und Erforderlichkeit für die Betreuung der Einwohner; § 108 Abs. 1 Nr. 2 GO-NRW). Darüber hinaus muss – sowohl bei nichtwirtschaftlichen Einrichtungen als auch bei wirtschaftlichen Unternehmen – u. a. eine Rechtsform gewählt werden, welche die Haftung der Gemeinde auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Außerdem darf die Gemeinde sich nicht zur Übernahme von Verlusten in unbestimmter oder unangemessener Höhe verpflichten. Schließlich muss die Gemeinde einen angemessenen Einfluss, insbesondere in einem Überwachungsorgan, erhalten und dieser muss durch Gesellschaftsvertrag , Satzung oder in anderer Weise gesichert werden. Nach § 109 GO-NRW sind die Unternehmen und Einrichtungen so zu führen, zu steuern und zu kontrollieren, dass der öffentliche Zweck nachhaltig erfüllt wird. Unternehmen sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird (§ 109 Abs. 1 Satz 2 GO- NRW). Der Jahresgewinn der wirtschaftlichen Unternehmen (Unterschied der Erträge und Aufwendungen) soll nach § 109 Abs. 2 GO-NRW so hoch sein, dass außer den für die technische und wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens notwendigen Rücklagen mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird. § 111 GO-NRW stellt Schranken für die Veräußerung von gemeindlichen Unternehmen , Einrichtungen und Beteiligungen auf. Die teilweise oder vollständige Veräußerung eines Unternehmens oder einer Einrichtung oder einer Beteiligung an einer Gesellschaft sowie andere Rechtsgeschäfte, durch welche die Gemeinde ihren Einfluss auf das Unternehmen , die Einrichtung oder die Gesellschaft verliert oder vermindert, sind nur zulässig , wenn die für die Betreuung der Einwohner erforderliche Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde nicht beeinträchtigt wird (§ 111 Abs. 1 GO-NRW). Dasselbe gilt, wenn eine Gesellschaft, an der Gemeinden, Gemeindeverbände oder Zweckverbände allein oder zusammen mit anderen mit mehr als 50 vom Hundert beteiligt sind oder vergleichbare Rechtsgeschäfte vornehmen will (§ 111 Abs. 2 GO-NRW). Hiermit wird klargestellt, dass durch eine Veräußerung oder durch die Aufgabe einer Beteiligung i. S. d. § 111 Abs. 2 GO-NRW die Daseinsvorsorge für die Bürger nicht entscheidend eingeschränkt werden darf. Eine Veräußerung (bzw. die Aufgabe einer Beteiligung) darf also nicht den öffentlichen Zweck, der die gemeindliche Betätigung - 9 - bislang gerechtfertigt hat, unterlaufen. Die Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge müssen grundsätzlich aufrechterhalten werden.13 Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Aufgabenprivatisierung14 grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn es sich um eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde handelt. Im Bereich der pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten scheidet eine Aufgabenprivatisierung aus, weil die Gemeinde keine Entscheidungsbefugnis dazu hat, sich der Aufgabe selbst zu entledigen. In diesem Bereich ist jedoch unter den in den Gemeindeordnungen aufgestellten Voraussetzungen eine Organisationsprivatisierung möglich; dies gilt auch für eine sog. funktionale Privatisierung im Sinne einer PPP. Die Gründung von PPP-Gesellschaften ist – ebenfalls unter den in den Gemeindeordnungen normierten Voraussetzungen – grundsätzlich zulässig. Handelt es sich jedoch um eine Aufgabe, die notwendigerweise nur von staatlichen Organen wahrgenommen werden kann, so ist keine Form der Privatisierung zulässig.15 4. Erscheinungsformen von Public Private Partnership Soweit nicht das Gesetz den Gemeinden ausdrücklich Aufgaben zuweist, sind – wie dargelegt – Public Private Partnerships zwischen Gemeinden und Privatunternehmen grundsätzlich zulässig.16 In folgenden Bereichen wird von den Kommunen eine große Bedeutung von PPP gesehen: Sport, Schulen, Kultur, Stadtentwicklung, Kindertagesstätten , Umwelt, Altenversorgung, Versorgung, Verkehr/Straßen und Krankenhäuser.17 Zwischen folgenden Organisationsmodellen wird hauptsächlich unterschieden18: - Betreibermodell 13 Stephan Keller, in: Kommentar zur GO/NRW a. a. O. § 111 Anm. 1; vgl. auch Werner Meyer, Kommunalwirtschaftsrecht und kommunale Handwerkstätigkeiten, in: Wirtschaft und Verwaltung 2003, S. 57/62 f. 14 Vgl. Kapitel 2. 15 Ronellenfitsch, Voraussetzungen und Grenzen der materiellen Privatisierung, in: Werner Hoppe /Michael Uechtritz, (Hrsg.), Handbuch Kommunale Unternehmen 2004, S. 51/52. Diesen Staatsvorbehalt sieht Ronellenfitsch bei Maßnahmen mit Sicherheitsfunktion und Sanktionscharakter als gegeben an. 16 Michael Schäfer/Arnim Karthaus, Kommunalrecht, in: Martin Weber/Michael Schäfer/Friedrich Ludwig Hausmann (Hrsg.), Praxishandbuch Public-Private-Partnership, 2006, S. 193 f. 17 Deutsches Institut für Urbanistik, Public-Private-Partnership-Projekte – eine aktuelle Bestandsaufnahme in Bund, Ländern und Kommunen, Endbericht, 2005, S. 45, im Internet abrufbar unter edoc.difu.de/orlis/DF9767.pdf [Stand: 14.06.2006]. 18 Näher hierzu Deutscher Städte- und Gemeindebund, Public-Private-Partnership – Neue Wege in Städten und Gemeinden, Dokumentation Nr. 28, Dezember 2002, S. 10 f., im Internet abrufbar unter : www.ppp-bund.de/downloat/doku28_ppp.pdf [Stand: 14.06.2006]; Aktueller Begriff der Wissenschaftlichen Dienste „Öffentlich private Partnerschaft“ vom 6. Oktober 2005. - 10 - - Kooperationsmodell - Beteiligungsmodell - Konzessionsmodell. Der DStGB hat einige Beispiele für realisierte PPP-Projekte zusammengestellt. Hierzu wird verwiesen auf die Dokumentation Nr. 28 des DStGB „Public Private Partnership - Neue Wege in Städten und Gemeinden, November 2002. - Anlage 1 - Die Beispiele sind auf S. 12 ff. beschrieben. 5. Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz von Public Private Partnership Die Gemeinden sind auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet . Im Rahmen der Feststellung des Bedarfs für ein PPP-Projekt ist ein Wirtschaftlichkeitsvergleich notwendig.19 Hierbei fließen sämtliche Kosten, Erlöse und bewertete Risiken über den gesamten Projektzeitraum ein (sog. Lebenszykluskosten). Folgende Grundvoraussetzungen sollten für ein PPP-Projekt gegeben sein20: - Die Qualität der bislang von der öffentlichen Hand allein erbrachten Leistung muss auf Dauer auch bei einem PPP-Projekt gegeben sein. - Die rechtlich möglichen und betriebswirtschaftlich sinnvollen Varianten einer privaten Beteiligung müssen herausgefunden werden. - Die Seriosität und der finanzielle Hintergrund des zu beteiligenden privaten Leistungserbringers muss vorab „durchleuchtet“ werden, um der Gefahr einer Insolvenz zu begegnen. - Die private Leistung muss so gestaltet werden, dass sie von den Bürgern angenommen wird und den im Rahmen des Projekts Beschäftigten Rechnung trägt. 19 SPD-Bundestagsfraktion, Öffentlich Private Partnerschaften – Ein Wegweiser für Kommunen, Dokumente Nr. 01/04, erschienen im März 2004, S. 30 f., im Internet abrufbar unter www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs datei/0,,3264,00.pdf [Stand: 14.06.2006]; DStGB, Public-Private- Partnership – Neue Wege in Städten und Gemeinden, Dezember 2002, S. 5 f. 20 DStGB, Public-Private-Partnership – Neue Wege in Städten und Gemeinden, Dezember 2002, S. 5. - 11 - In PPP-Projekten werden folgende Chancen und Vorteile gesehen21: - Die Aufgabe kann effizienter und wirtschaftlicher erfüllt werden, weil ein Privater grundsätzlich eine größere Marktübersicht hat und Spezialisierungs- und Rationalisierungsvorteile genutzt werden können. - Betriebswirtschaftliches Denken wird grundsätzlich gefördert. - Es können verlässliche und dauerhafte Partnerschaften zwischen der Kommune und der Privatwirtschaft entstehen. - Durch eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsanalyse können bislang nicht ausgeschöpfte Einsparpotentiale in einzelnen Bereichen aufgespürt werden. - Die Kommunen können im administrativen Bereich entlastet werden. Folgende Risiken bei PPP werden beschrieben: - Es kann zu einer höheren steuerlichen Belastung, zu höheren Finanzierungskosten oder zum Wegfall von Fördermitteln für die Kommune kommen. - Im Hinblick auf eine langfristige Partnerschaft ist das Insolvenzrisiko des privaten Unternehmens während der Vertragsdauer zu berücksichtigen. - Im Hinblick auf die Komplexität von PPP-Projekten kann es vor dem Hintergrund der bislang nur begrenzten Erfahrungen mit PPP zu Verzögerungen und Ineffizienz kommen. - Durch PPP-Projekte werden auf lange Sicht Haushaltsmittel gebunden. - Die Rahmenbedingungen für PPP-Projekte (z. B. gesetzliche Vorschriften oder Schülerzahlen) können sich während der Laufzeit des Vertrages ändern. - Es werden über einen längeren Zeitraum Ressourcen der Verwaltung gebunden .22 Die PPP Task Force im Bundesverkehrsministerium hat eine Studie in Auftrag gegeben, die eine aktuelle und umfassende Bestandsaufnahme von PPP-Projekten in Bund, Ländern und Kommunen geben soll. Der Endbericht dieser Studie ist beigefügt: 21 Vgl. hierzu DStGB a. a. O., S. 4 f.; zu den Kostenvorteilen von PPP vgl. auch Olaf Grübler, Public Partnership – Kommunalfinanzierung auf neuen Wegen, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 2005, S. 299 - 301 22 SPD-Bundestagsfraktion a. a. O., S. 14 f. - 12 - - Deutsches Institut für Urbanistik, Public Private Partnership Projekte – Eine aktuelle Bestandsaufnahme in Bund, Ländern und Kommunen, Endbericht, September 2005. - Anlage 2 - Hierbei wird insbesondere auf die Ergebnisse der Kommunalumfrage auf S. 35 ff. verwiesen . Nach einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen vom 6. September 200523 ist das wichtigste Ergebnis der Studie, dass sich PPP-Infrastrukturprojekte in Deutschland mittlerweile in der Breite durchgesetzt haben. Eine wesentliche Ursache für den Anstieg der Zahl der PPP-Projekte liegt in den Erwartungen der Projektträger, Effizienzgewinne zu realisieren und eine beschleunigte Abwicklung der Maßnahme zu ermöglichen. In der Realisierung betrage der durchschnittliche Effizienzvorteil 10 %. 23 Pressemitteilung Nr. 346/2005 des BMVBW (im Internet abrufbar unter www.ppp-bund.de; [Stand: 14.06.2006].