© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 145/19 Unternehmensgründung durch Minderjährige Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 145/19 Seite 2 Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 145/19 Abschluss der Arbeit: 30.09.2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 145/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Möglichkeit der Unternehmensgründung durch Minderjährige 4 2.1. Gründung eines einzelkaufmännischen Unternehmen 5 2.2. Gründung von Personengesellschaften 6 2.3. Gründung von Kapitalgesellschaften 6 2.4. Entscheidungskriterien des Familiengerichts bei der Gründung von Gesellschaften 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 145/19 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand des Sachstandes ist die Möglichkeit der Gründung von Unternehmen durch Minderjährige . Nachfolgend wird die Rechtslage in Deutschland dargestellt. 2. Möglichkeit der Unternehmensgründung durch Minderjährige Minderjährig ist, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, vgl. § 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)1. Die minderjährige Person ist vor Vollendung des siebten Lebensjahrs geschäftsunfähig und nach Vollendung des siebten Lebensjahrs beschränkt geschäftsfähig, vgl. §§ 104 Abs. 1 Nr. 1 und 106 BGB. Eine Willenserklärung, welche durch eine geschäftsunfähige Person abgegeben wird, ist gemäß § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Für ihn muss sein gesetzlicher Vertreter handeln. Gibt der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige eine Willenserklärung ab, ist dessen Wirksamkeit von der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen abhängig, wenn sie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, vgl. §§ 107, 108 BGB. Gesetzliche Vertreter des Minderjährigen sind gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 1, § 1629 Abs. 1 BGB entweder die Eltern oder nach § 1773 BGB der Vormund. Nach § 1626 umfasst die elterliche Sorge grundsätzlich die Personenvorsorge des Kindes und die Vermögensvorsorge, vgl. § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Ausnahme vom Grundsatz der elterlichen Autonomie, welche die gesamte Vertretungsmacht für das Kind beinhaltet, ist zum Schutze der Vermögensinteressen des Kindes im BGB normiert , vgl. § 1643 BGB bzw. § 112 BGB.2 Danach bedürfen die Eltern für bestimmte Rechtsgeschäfte , welche die Vermögensverhältnisse des Kindes erheblich beeinflussen können, der Genehmigung durch das Familiengericht.3 Teilweise wird die Genehmigungsbedürftigkeit nach § 1643 Abs. 1 BGB von derjenigen eines Vormundes abhängig gemacht durch den Verweis in § 1643 Abs. 1 BGB auf § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB. In § 1822 Nr. 3 BGB ist der wesentliche Genehmigungstatbestand für die Gründung von Gesellschaften unter der Beteiligung Minderjähriger normiert. Gemäß §§ 1626, 1629 Abs. 1, 1643 Abs. 1 BGB gilt die Vorschrift für die Eltern des Minderjährigen sowie für den Ergänzungspfleger gemäß §§ 1909, 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB. Von einer familiengerichtlichen Genehmigung ist danach grundsätzlich der Gesellschaftsvertrag abhängig, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird, vgl. § 1822 Nr. 3 BGB. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002, BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und 2003 I S. 738, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes zur Förderung der Freizügigkeit von EU- Bürgerinnen und -Bürgern sowie zur Neuregelung verschiedener Aspekte des Internationalen Adoptionsrechts vom 31.01.2019, BGBl. I S. 54, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/ (letzter Abruf am 21.09.2019). 2 OLG Zweibrücken, Beschluss vom 09.12.1999, Az. 6 UF 3/99, FamRZ 2001, 182. 3 Huber, in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Auflage 2017, § 1643, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 145/19 Seite 5 Nach § 112 BGB wird die Gründung eines selbstständigen Betriebs eines Erwerbsgeschäfts durch Minderjährige von der Ermächtigung der gesetzlichen Vertreter sowie der Genehmigung durch das Familiengericht abhängig gemacht. 2.1. Gründung eines einzelkaufmännischen Unternehmen Das einzelkaufmännische Unternehmen wird durch einen Kaufmann geführt. Kaufmann ist derjenige , in dessen Namen oder unter dessen Firma ein Gewerbebetrieb geführt wird, vgl. §§ 1 und 2 Handelsgesetzbuch (HGB) 4.5 Grundsätzlich kann der Inhaber eines einzelkaufmännischen Unternehmens jede natürliche Person sein. Wenn der Inhaber beschränkt geschäftsfähig ist, ist die Ermächtigung durch den gesetzlichen Vertreter zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erforderlich sowie die familiengerichtliche Genehmigung, vgl. § 112 BGB. Ein Erwerbsgeschäft ist jede selbstständige, erlaubte, berufsmäßig ausgeübte Tätigkeit, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Dies umfasst den Betrieb eines Handelsgeschäfts oder einer Landwirtschaft sowie die Ausübung eines Handwerks oder eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Berufs6. Eine Ermächtigung durch den gesetzlichen Vertreter ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung , welche durch den Zugang an den Minderjährigen wirksam wird. Eine Erteilung der Ermächtigung liegt grundsätzlich im Ermessen des gesetzlichen Vertreters. Die Ermächtigung durch die gesetzlichen Vertreter bedarf einer Genehmigung durch das Familiengericht.7 Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, die Genehmigung zu erteilen. Bei der Ermessensausübung ist entscheidend, ob der Minderjährige die erforderlichen Eigenschaften, Fähigkeiten und Kenntnisse hat, sich im Geschäftsleben wie ein Volljähriger zu bewegen.8 Wurde der Minderjährige durch seine gesetzlichen Vertreter zum selbstständigen Betreiben eines Erwerbsgeschäft ermächtigt und dies vom Familiengericht genehmigt, erlangt der Minderjährige unbeschränkte Geschäftsfähigkeit für alle Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt.9 4 Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10.05.1897, BGBl. III/FNA 4100-1, zuletzt geändert durch Art. 8 Abs. 4 des Gesetzes zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen vom 08.07.2019, BGBl. I S. 1002, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/hgb/ (letzter Abruf am: 23.09.2019). 5 Krafka, in Registerrecht, 11. Auflage 2019, Handelsregister Abteilung A, Rn. 496. 6 RG, Urteil vom 12.05.1931, Az. II 294/30, RGZ 133, 7. 7 a.a.O., Rn. 11. 8 OLG Köln, Beschluss vom 13.04.1994, Az. 16 Wx 52/94, NJW-RR 1994, 1450. 9 Spickhoff, in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 8. Auflage 2018, § 112, Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 145/19 Seite 6 2.2. Gründung von Personengesellschaften Grundsätzlich wird bei Personengesellschaften zwischen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft (KG) unterschieden. Die Gründung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgt durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags gemäß § 705 BGB. In dem Gesellschaftsvertrag verpflichten sich zwei oder mehrere Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern. Der Gesellschaftsvertrag gemäß § 705 BGB fällt unter den Regelungstatbestand des § 1822 Nr. 3 Alt. 2 BGB und ist genehmigungspflichtig, wenn der Zweck der Gesellschaft auf den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts gerichtet ist, vgl. § 1822 Nr. 3 BGB. Auch die Gründung einer OHG und der KG bedarf des Abschlusses eines Gesellschaftsvertrages. Der gemeinsame Zweck muss dabei auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sein, vgl. § 105 HGB. Folglich bedarf der Vertrag zur Gründung einer OHG bzw. KG der familiengerichtlichen Genehmigung nach §§ 1626, 1629 Abs. 1, § 1643 Abs. 1, § 1822 Nr. 3 Alt. 2 BGB bzw. für den Ergänzungspfleger nach § 1090, 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB. 2.3. Gründung von Kapitalgesellschaften Bei Kapitalgesellschaften wird zwischen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und der Aktiengesellschaft (AG) unterschieden. Grundsätzlich sind Kapitalgesellschaften juristische Person und selbstständige Träger von Rechten und Pflichten, vgl. § 13 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) 10 bzw. § 1 Abs. 1 Satz 1 Aktiengesetz (AktG)11. Gesellschaften mit beschränkter Haftung können nach § 1 GmbHG zu jedem zulässigem Zweck durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. Der Gesellschaftsvertrag bedarf gemäß § 2 Abs. 1 GmbHG der notariellen Form und muss von sämtlichen Gesellschaftern unterzeichnet werden. Gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG muss das Stammkapital der GmbH mindestens fünfundzwanzigtausend Euro betragen. Die Gründung einer Aktiengesellschaft kann als Bargründung oder Sachgründung erfolgen, vgl. § 23 ff. AktG. Der Gesellschaftsvertrag bedarf gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 AktG der notariellen Beurkundung . Bei der Bargründung erbringen die Gründer auf die von ihnen übernommenen Aktien 10 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.05.1898 (RGBl. S. 846), BGBl. III/FNA 4123-1, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie vom 17.07.2017, BGBl. I S. 2446, abrufbar unter: https://www.gesetze -im-internet.de/gmbhg/ (letzter Abruf am: 23.09.2019). 11 Aktiengesetz (AktG) vom 06.09.1965, BGBl. I S. 1089, zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie vom 17.07.2017, BGBl. I S. 2446. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 145/19 Seite 7 Bareinlagen, während bei der Sachgründung die Gründer Aktien gegen Sacheinlagen übernehmen . Eine persönliche Haftung der Gesellschafter kommt nach der Eintragung der Gesellschaft nicht in Betracht, vgl. § 13 Abs. 2 GmbHG bzw. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG. Bis zur Eintragung der GmbH oder AG in das Handelsregister, unterliegen die Gesellschaftsgründer einem persönlichen Haftungsrisiko , vgl. § 11 Abs. 2 GmbHG bzw. § 41 Abs. 1 AktG. Sie haften für solche Geschäfte, die vor der Eintragung im Handelsregister im Namen der werdenden Gesellschaft vorgenommen werden. Um den Minderjährigen vor einer persönlichen Haftung bei der Gründung eines Erwerbsgeschäfts zu bewahren, sind die Vorschriften der §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 10 BGB zu beachten und die familiengerichtliche Genehmigung wegen der Übernahme einer fremden Verbindlichkeit erforderlich .12 2.4. Entscheidungskriterien des Familiengerichts bei der Gründung von Gesellschaften Grundsätzlich ist der Maßstab familiengerichtlicher Entscheidungen das Kindeswohl, vgl. § 1697a BGB.13 Die Entscheidung des Familiengerichts, ob die Eingehung eines Gesellschaftsvertrages durch den Minderjährigen genehmigt wird, muss unter Abwägung wirtschaftlicher Vorteile und Risiken für den Mündel nach pflichtgemäßen Ermessen getroffen werden.14 Daneben hat das Gericht auch Mitgesellschafter hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse sowie ihrer charakterlichen und fachlichen Eignung für den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts zu beurteilen.15 *** 12 Rust, „Die Beteiligung von Minderjährigen im Gesellschaftsrecht- Vertretung, familien-/ vormundschaftsgerichtliche Genehmigung und Haftung des Minderjährigen (Teil 1), DStR 2005, 1942, 1944; Kroll- Ludwigs, in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Auflage 2017, § 1822, Rn. 25; Budzikiewics, in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Auflage 2018, § 1822 Rn. 7; Bettin, in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, Beck´scher Online Kommentar, 51. Edition, Stand: 01.08.2019. 13 Huber, in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Auflage 2017, § 1643, Rn. 29. 14 OLG Köln, Beschluss vom 13.04.1994, Az. 16 Wx 52/94, NJW-RR 1994, 1450; BayObLG, Beschluss vom 06.07.1995, Az. 1Z BR 157/94, BayObLGZ 1995, 230, 235. 15 BayObLG, Beschluss vom 04.07.1989, Az. BReg. 1a Z 7/89, BeckRS 2010, 26658.