WD 7 - 3000 - 143/20 (18. Januar 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Ein Baugrund- und Gründungsgutachten (oftmals untechnisch auch als Bodengutachten bezeichnet ) ist eine im Bauwesen gebräuchliche Form eines geotechnischen Berichts, welcher in der Regel durch einen Sachverständigen der Geotechnik angefertigt wird. Die technischen und inhaltlichen Anforderungen eines solchen Gutachtens richten sich maßgeblich nach DIN 4020 („Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke“). Diese „ergänzt auf nationaler Ebene die europäischen Regelungen von DIN EN 1997-2. Sie ist daher ausschließlich zusammen mit der DIN EN 1997-2 und dem nationalen Anhang DIN EN 1997-2/NA anzuwenden. DIN EN 1997-2 und DIN 4020 sollen sicherstellen, dass Aufbau, Beschaffenheit und Eigenschaften des Baugrunds bereits für den Entwurf und die Ausschreibung eines Bauvorhabens bekannt sind“ (vgl. Einführungsbeitrag zur DIN 4020). Eine allgemeine gesetzliche Pflicht privater Bauherrn zur Beauftragung beziehungsweise Vorlage eines Baugrund- und Gründungsgutachtens besteht nicht. So ist die DIN 4020 insbesondere nicht in die Liste der technischen Baubestimmungen der einzelnen Bundesländer aufgenommen, mithin bautechnisch nicht unmittelbar verbindlich eingeführt (die Liste der Technischen Baubestimmungen ist aufgrund des föderalen Systems in jedem Bundesland unterschiedlich und enthält jeweils technische Regeln für die Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen und ihrer Teile. Technische Baubestimmungen sind allgemein verbindlich, da sie nach jeweiligem Landesrecht beachtet werden müssen (vgl. etwa exemplarisch für Thüringen § 3 Abs. 3 ThürBO)). Vor dem Hintergrund dessen, dass andere DIN-Vorschriften, insbesondere die als Technische Baubestimmung verbindliche DIN 1054 („Baugrund - Sicherheitsnachweise im Erdund Grundbau“) teilweise auf DIN 4020 verweisen, kann eine mittelbare Geltung einzelner Aspekte im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden. Obwohl mithin nach dem vorstehend genannten keine unmittelbare Pflicht des Bauherrn zur Beauftragung beziehungsweise Vorlage eines Baugrund- und Gründungsgutachtens besteht, kann eine Beauftragung im Einzelfall dennoch angezeigt sein. Dies gilt nach der Rechtsprechung insbesondere in Fällen des § 909 BGB, d.h. bei potenziell auf das Nachbargrundstück ausstrahlenden Vertiefungen. So wird § 909 BGB etwa schuldhaft verletzt, wenn der Bauherr „vorhergesehen hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) vorhersehen hätte müssen, dass gerade dem Grundstück des geschädigten Nachbarn und nicht nur dem Nachbargelände überhaupt durch die Vertiefung die erforderliche Stütze entzogen werden könnte, und er gleichwohl nicht die gebotenen Vorsichtsmaßnahmen trifft, um diese Vertiefungsfolgen zu vermeiden. (…) Fehlen ihm die erforderlichen Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Das Baugrund- und Gründungsgutachten Kurzinformation Das Baugrund- und Gründungsgutachten Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Fachkenntnisse, so muss er einen Spezialisten beiziehen (…). Erforderlichenfalls ist ein Baugrund- und Gründungsgutachten einzuholen“ (vgl. Roth m.w.N.). Nähere Vorgaben zu spezifischen Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen enthält zudem § 650p Abs. 1 BGB. Demnach wird der Unternehmer durch einen Architekten- oder Ingenieurvertrag verpflichtet, diejenigen Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage jeweils erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. So können mithin insbesondere auch vom Bauherrn eingesetzte Dritte bei problematischen Bodenverhältnissen unter Haftungsgesichtspunkten faktisch dazu verpflichtet sein, zu einem Baugrundgutachten zu raten beziehungsweise ein solches zu veranlassen (vgl. etwa Korbion unter Verweis auf OLG Zweibrücken). Letztlich kann sich die Notwendigkeit der Erstellung eines Baugrund- und Gründungsgutachtens für die öffentliche Hand auch aus vergaberechtlichen Gesichtspunkten ergeben (vgl. etwa Kapellmann m.w.N.). So sind nach § 7 Abs. 6 VOB/A bei der Vergabe von Bauleistungen die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, zum Beispiel Boden- und Wasserverhältnisse, so zu beschreiben, dass das sich bewerbende Unternehmen ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann. Quellen: – Einführungsbeitrag der Beuth Verlag GmbH zur DIN 4020 (der diese gewerblich anbietet und kostenpflichtig exklusiv verlegt), abrufbar unter: https://www.beuth.de/de/norm/din-4020/135119566 (letzter Abruf dieses und aller weiteren Links am 18. Januar 2021). – ThürBO: Thüringer Bauordnung vom 13. März 2014 in der Fassung vom 23. November 2020 (GVBl. S. 561), abrufbar unter: https://landesrecht.thueringen.de/bsth/document/jlr-BauOTH2014V3P65. – Liste der in Thüringen geltenden Technischen Baubestimmungen, abrufbar unter: https://www.thueringen .de/mam/th9/baurecht/2018/thurvvtb_2018-anlage.pdf. – Digitaler Überblick des DIBt zu Technischen Baubestimmungen, abrufbar unter: https://www.dibt.de/de/wir-bieten /technische-baubestimmungen. – BGB: Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3256) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/. – Roth, in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2020, § 909 BGB, Rn. 52. – Korbion, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 9. Auflage 2016, § 34, Rn. 307. – OLG Zweibrücken, Urteil vom 20. Januar 2009, Az.: 8 U 43/07, BeckRS 2010, 15675. – VOB/A: Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A - Ausgabe 2019 -, abrufbar unter: http://www.verwaltungsvorschriften -im-internet.de/bsvwvbund_31012019_BWI781063060120180001604634.htm – Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt VOB-Kommentar, Teil A/B, 7. Auflage 2020, Rn. 71.